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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.10.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 1387/07
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 21
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1387/07 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vom 29. Mai 2007 - OVG 3 S 18.07/OVG 3 L 17.07 -,

b) den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Februar 2007 - VG 2 A 174.06 -,

c) die Entscheidung des Deutschen Bundestages vom 9. November 2006 - PM 3 - 5040 - 15 (4/06) -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 8. Oktober 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Beschwerdeführerin, eine politische Partei, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Deutschen Bundestages, in dem Zahlungsmodalitäten im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung festgelegt wurden, und die darauf ergangenen Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

I.

1. Gestützt auf § 20 Abs. 1 Satz 4 PartG erließ der Deutsche Bundestag am 9. November 2006 einen Bescheid, demzufolge die Auszahlung des vierten Abschlags der staatlichen Parteienfinanzierung in Höhe von ca. 277.000 € für das Jahr 2006 an die Beschwerdeführerin nur gegen Sicherheitsleistung erfolgen werde. Grund hierfür sei, dass in den Jahren 1997, 1998 und 1999 Unrichtigkeiten in den Rechenschaftsberichten der Beschwerdeführerin aufgetreten seien. Die sich hieraus ergebenden Ansprüche auf Rückforderung staatlicher Mittel würden wohl höher sein als die bis zur Rückforderung im Februar 2007 zu leistenden Zahlungen.

2. Im November 2006 leistete die Beschwerdeführerin eine Eigentümergrundschuld in Höhe von 180.000 € als Sicherheit; in dieser Höhe wurde ihr dann der bis dahin zurückgehaltene vierte Abschlag für das Jahr 2006 ausgezahlt. Auch die folgenden Abschlagszahlungen im Jahr 2007 erfolgten stark reduziert, um einen Notbetrieb bei der Beschwerdeführerin aufrecht zu erhalten.

3. Ebenfalls im November 2006 stellte die Beschwerdeführerin parallel zur gegen den Bescheid des Deutschen Bundestages eingereichten Klage beim Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Sie beantragte, die Sicherungsgrundschuld an sie herauszugeben und den Restbetrag des vierten Abschlags 2006 an sie zu zahlen. Zur Begründung wurde vor allem angeführt, dass die geforderte Sicherheit wegen gravierender finanzieller Schwierigkeiten nicht erbracht werden könne beziehungsweise anderweitig gebraucht werde. Dieser Antrag wurde vom Verwaltungsgericht Berlin durch Beschluss vom 8. Februar 2007 zurückgewiesen. Die Abhängigmachung der Auszahlung des vierten Abschlags für das Jahr 2006 von einer Sicherheitsleistung sei bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden.

4. Auch die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegte Beschwerde hatte keinen Erfolg. Die Beschwerdeführerin machte unter anderem geltend, dass die Einbehaltung der Restzahlung des vierten Abschlags auch bei summarischer Prüfung rechtswidrig sei. Insbesondere die Tatsache, dass Spendenbescheinigungen für Sachleistungen ausgestellt worden seien, die Beschwerdeführerin jedoch für diese Sachleistungen tatsächlich keinen Ersatz hätte leisten können, sei nicht zu beanstanden. Das Oberverwaltungsgericht begründete seine ablehnende Entscheidung damit, dass der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden sei. Auch habe sich das weitere Begehren auf Auszahlung des Restbetrages für den vierten Abschlag 2006 durch die endgültige Festsetzung der staatlichen Mittel für das Jahr 2006 durch Bescheid des Deutschen Bundestages vom 26. Januar 2007 erledigt.

5. Gegen diesen Beschluss hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie rügt die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 21 GG. Hierzu trägt sie unter anderem vor, dass große Parteien mit guter Vermögenslage hinsichtlich der Abzugsmöglichkeiten von Spenden besser gestellt würden als kleine. Aufgrund der gekürzten Auszahlungen der Mittel aus der Parteienfinanzierung könne die Beschwerdeführerin nicht mehr an frühere Erfolge bei Wahlen in den Ländern anknüpfen. Sie habe Mitarbeiter entlassen müssen, deren Tätigkeit im Wahlkampf nun fehle. Damit könne sie ihre Aufgaben aus Art. 21 GG nicht mehr wahrnehmen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht vorliegt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg; denn sie ist bereits unzulässig. Die Beschwerdeführerin hat den in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht beachtet.

1. Die angegriffenen Entscheidungen sind im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangen. Sind im Eilverfahren ergangene Entscheidungen Gegenstand der Verfassungsbeschwerde, verlangt § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zwar nicht ohne weiteres, dass der Rechtsweg auch im Verfahren der Hauptsache erschöpft wird (vgl. BVerfGE 69, 315 <339 f.>; 79, 275 <278 f.>). Über den Rechtsweg im engeren Sinne hinaus fordert der Grundsatz der Subsidiarität jedoch, dass der Beschwerdeführer alle Maßnahmen ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen. Dieser Grundsatz soll sicherstellen, dass dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird und ihm die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere auch der obersten Bundesgerichte vermittelt wird (vgl. BVerfGE 77, 381 <401>). Dies bedeutet, dass auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten sein kann, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>). Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auch auf die Hauptsache beziehen. So liegt es im vorliegenden Fall: Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung von Grundrechten dadurch rügt, dass die Zahlungen im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung nur noch gegen Sicherheitsleistungen geleistet werden, bezieht sie sich auf einen Sachverhalt, der ebenso Gegenstand des Hauptsacheverfahrens sein wird. Der Rechtsweg in der Hauptsache ist jedoch von der Beschwerdeführerin noch nicht erschöpft worden. Zwar hat sie gemeinsam mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch die Klage in der Hauptsache beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht. Über diese wurde jedoch bislang noch nicht einmal in erster Instanz entschieden.

2. Soweit die Beschwerdeführerin anführt, dass eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren besonders eilbedürftig sei, so rechtfertigt dies nicht eine Ausnahme vom Grundsatz der Subsidiarität. Eine solche ist insbesondere bei Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz zwar dann anzuerkennen, wenn es für den Beschwerdeführer unzumutbar ist, auf die Hauptsache verwiesen zu werden, zum Beispiel weil die Durchführung des Verfahrens von vornherein aussichtslos erscheint (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>). Gleiches gilt dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von keiner weiteren tatsächlichen oder rechtlichen Klärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG sofort entscheiden kann (vgl. BVerfGE 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>). Auch dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, dass das Beschreiten des Rechtswegs in der Hauptsache für sie von vornherein aussichtslos erscheint. Angesichts der Rechtsfrage der Abzugsmöglichkeit solcher Spenden, die im Verzicht auf Aufwendungsersatzansprüche bestehen, die ohnehin vom Aussteller der Spendenbescheinigung nicht hätten ersetzt werden können, und der im Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 28. August 2007 bestätigten noch andauernden Aufarbeitung der Spendensituation im Landesverband Thüringen, hängt die Entscheidung in der Hauptsache auch noch von weiteren tatsächlichen oder rechtlichen Klärungen ab.

Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass für sie durch das weitere Beschreiten des Rechtswegs in der Hauptsache ein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG entstünde. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die seit dem vierten Quartal 2006 nur noch eingeschränkt gewährten Zahlungen im Rahmen der Parteienfinanzierung zu finanziellen Schwierigkeiten bei ihr führen können. Ohne Kenntnis der weiteren Finanzlage der Beschwerdeführerin, die nicht weiter dargelegt wurde, können diese Behauptungen der Beschwerdeführerin nicht im erforderlichen Maße nachvollzogen werden. Die diesbezüglich sehr knappe eidesstattliche Versicherung des Bundesschatzmeisters der Beschwerdeführerin ist für die Darlegung nicht hinreichend. Allein die Tatsache, dass Mitarbeiter entlassen wurden, belegt die Unzumutbarkeit noch nicht. Darüber hinaus verweist die Beschwerdeführerin zwar auf sinkende Einnahmen im Bereich des Spendenaufkommens und auf Rückforderungsansprüche ihrer Darlehensgeber. Auch aus diesem Vortrag ergibt sich jedoch nicht, dass die Beschwerdeführerin generell gehindert ist, ihre politische Arbeit fortzusetzen.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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