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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 14.12.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 1451/04
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 1451/04 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 8. Juni 2004 - 628 Qs 39/04 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 14. Dezember 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Soweit die vom Beschwerdeführer beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und der Telefonüberwachung betroffen ist, verletzt der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 8. Juni 2004 - 628 Qs 39/04 - den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird insoweit aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Hamburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses von der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit erledigter strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen (Wohnungsdurchsuchung, Telefonüberwachung sowie Anordnung und Einsatz von Vertrauenspersonen) abgesehen werden darf.

I.

1. Die Verfassungsbeschwerde schließt sich unmittelbar an eine vorangegangene Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers an (2 BvR 490/04).

a) Im dort zur Überprüfung gestellten fachgerichtlichen Verfahren hatte der Beschwerdeführer ebenfalls die Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorliegenden Ermittlungsmaßnahmen beantragt. Während die Wohnungsdurchsuchung am 21. März 2003 durchgeführt worden war, wurden die weiteren Ermittlungsmaßnahmen der Verteidigung des Beschwerdeführers erst im April 2003 im Rahmen einer Akteneinsicht bekannt.

Das Landgericht Hamburg wies die Anträge in der Hauptverhandlung vom 11. September 2003 als unzulässig zurück, da nach Eröffnung des Hauptverfahrens kein Anspruch auf eine isolierte Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angegriffenen und abgeschlossenen Maßnahmen bestehe.

b) Am 17. September 2003 erhob der Beschwerdeführer hiergegen Beschwerde, da ein lückenloser Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG gewährt werden müsse.

Das Hanseatische Oberlandesgericht verwarf die Beschwerde mit Beschluss vom 3. Februar 2004. Es vertrat die Auffassung, dass zum Zeitpunkt seiner Befassung mit der Beschwerde - nach der am 10. Oktober 2003 infolge eines Rechtsmittelverzichts eingetretenen Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens - wieder die bereits vor dem Zeitpunkt der Anklageerhebung für die Überprüfung der Maßnahmen zuständigen Gerichte zuständig geworden seien. In eine sachliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der gerügten Maßnahmen trat das Hanseatische Oberlandesgericht daher ebenfalls nicht ein.

c) Mit Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2004 wurde die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass es ihm offen stehe, den begehrten Rechtsschutz in der vom Hanseatischen Oberlandesgericht aufgezeigten Weise zu erlangen.

2. a) Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsätzen vom 6. März 2004 beim Amtsgericht Hamburg erneut die Feststellung der Rechtswidrigkeit der in seinen Wohn- und Geschäftsräumen am 21. März 2003 durchgeführten Durchsuchungsmaßnahmen, der seinen Anschluss betreffenden Telefonüberwachungsbeschlüsse des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Januar 2003 und vom 7. Februar 2003 sowie der Anordnung und des Einsatzes von Vertrauenspersonen. Soweit die Durchsuchungsmaßnahmen betroffen seien, habe keine Gefahr im Verzug vorgelegen; die Voraussetzungen für eine Gefahr im Verzug seien auch nicht entsprechend den verfassungsgerichtlichen Anforderungen dokumentiert worden. Die Rechtswidrigkeit der Telefonüberwachung ergebe sich insbesondere aus einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips. Für den Einsatz einer Vertrauensperson existiere keine hinreichende gesetzliche Grundlage.

Mit Beschluss vom 16. April 2004 wies das Amtsgericht Hamburg die Anträge des Beschwerdeführers als unzulässig zurück. Soweit die Telefonüberwachung betroffen sei, sei gegen die bereits vorliegenden gerichtlichen Beschlüsse das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft. Für die weiteren Anträge finde ein "lückenfüllendes und subsidiäres" Verfahren analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht statt. Die Anträge seien bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Hauptverfahrens gewesen. Der Umstand der prozessualen Erledigung ohne Entscheidung in der Sache eröffne keine Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung einzelner staatsanwaltschaftlicher Maßnahmen im Ermittlungsverfahren. Jedenfalls seien die Anträge mangels eines fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses beziehungsweise wegen einer fehlenden Beschwer unzulässig. Die Anträge seien erst elf Monate nach Kenntnis der Maßnahmen und fünf Monate nach Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens gestellt worden. Zwar seien weder der Antrag nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO noch die einfache Beschwerde fristgebunden. Offen bleiben könne die in der Literatur vertretene Auffassung, wonach die Beschwerdemöglichkeit entsprechend § 311 Abs. 2 StPO auf eine Woche zu begrenzen sei; dem Beschwerdeführer sei es jedenfalls zuzumuten gewesen, die Anträge zeitnah nach der Kenntnisnahme der Maßnahmen und im vorliegenden Verfahren jedenfalls vor Abschluss des Hauptverfahrens anhängig zu machen.

b) Der Beschwerdeführer erhob hiergegen Beschwerde. Ihm werde jeglicher Grundrechtsschutz verwehrt; der angefochtene Beschluss verletze ihn in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die Anträge seien bereits in der Hauptverhandlung angebracht worden.

Mit Beschluss vom 8. Juni 2004 verwarf das Landgericht Hamburg die Beschwerde. Es fehle das allgemeine Rechtsschutzinteresse. Zwar gebiete der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG, dass der von einem schweren Grundrechtseingriff Betroffene auch nach dem Vollzug der Maßnahme deren Berechtigung gerichtlich klären lassen könne. Im Hinblick auf die bereits vorhandene Gelegenheit zur gerichtlichen Überprüfung fehle es allerdings am Rechtsschutzinteresse für eine erneute Antragstellung. Dass es im vorangegangenen Verfahren zu keiner sachlichen Überprüfung gekommen sei, habe alleine daran gelegen, dass der Beschwerdeführer durch Rechtsmittelverzicht das Urteil habe rechtskräftig werden lassen. Dieser in der Sphäre des Beschwerdeführers liegende Umstand könne schon unter Verwirkungsgesichtspunkten nicht dazu führen, nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss die Maßnahmen erneut zum Gegenstand eines gerichtlichen Überprüfungsverfahrens zu machen.

Auch unter zeitlichen Verwirkungsgesichtspunkten sei das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Der Beschwerdeführer habe sich verspätet auf sein Recht berufen und sei unter Umständen untätig geblieben, unter denen vernünftiger Weise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen werde. Obgleich dies möglich - und im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten - gewesen wäre, sei das auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit gerichtete Begehren weder im Ermittlungsverfahren noch in dem sich der Anklage vom 2. Juni 2003 anschließenden Eröffnungsverfahren geltend gemacht worden. Daher fehle es sowohl dem über vier Monate nach Kenntniserlangung in der Hauptverhandlung gestellten Feststellungsbegehren als auch dem erneuten Antragsbegehren am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.

II.

1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 8. Juni 2004 und rügt die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG.

Ihm sei der lückenlose Rechtsschutz gegen die geltend gemachten tief greifenden Grundrechtseingriffe verwehrt worden. Die behaupteten Grundrechtsverletzungen seien nicht erst elf Monate, sondern schon vier Monate nach Kenntniserlangung und mithin fünf Monate nach dem Vollzug der Maßnahmen beanstandet worden. Seit August 2003 habe der Beschwerdeführer fortlaufend - ohne die Antragstellung im weiteren Fortgang aus sachfremden Gründen verzögert zu haben - versucht, eine materiell-rechtliche Entscheidung über seine Anträge zu erlangen. Die ursprüngliche Antragstellung beim Gericht der Hauptsache sei auch sachgerecht gewesen, weil dieses in der Hauptverhandlung den Sachverhalt weiter hätte aufklären können. Dem mehrfachen Zuständigkeitswechsel im Verfahren habe der Beschwerdeführer durch eine entsprechende Antragstellung stets Rechnung getragen.

Das Landgericht habe willkürlich die Umstände verkannt, die zur erneuten Antragstellung am 6. März 2004 geführt hätten. Die im ersten Rechtszug angerufenen Gerichte hätten nicht zeitnah die begehrte Entscheidung herbeigeführt. Der bis zum Zuständigkeitswechsel eingetretene Zeitablauf sei nicht dem Beschwerdeführer zuzuschreiben. Entgegen der landgerichtlichen Auffassung hätte der begehrte Rechtsschutz auch nicht durch Einlegung einer Revision erlangt werden können; gerichtliche Entscheidungen im Vorverfahren seien der revisionsrechtlichen Nachprüfung grundsätzlich entzogen.

Das Rechtsschutzbedürfnis habe auch nach Rechtskraft des Hauptverfahrens fortbestanden. Das Beschwerdeverfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht sei weiter betrieben, Verfassungsbeschwerde sei eingelegt und das Feststellungsbegehren sei zeitnah vor dem Amtsgericht Hamburg wiederholt worden. Der Beschwerdeführer habe nicht davon ausgehen müssen, dass die im ersten Rechtszug angerufenen Gerichte ihm keinen Rechtsschutz gewähren würden. Das Bundesverfassungsgericht habe im vorangegangenen Verfahren ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es dem Beschwerdeführer offen stehe, den begehrten Rechtsschutz in der vom Hanseatischen Oberlandesgericht aufgezeigten Weise zu erlangen.

2. Der Freien und Hansestadt Hamburg wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben; sie hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.

B.

Soweit die vom Beschwerdeführer beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung und des Einsatzes von Vertrauenspersonen betroffen ist, ist die Verfassungsbeschwerde - da ein für die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes maßgeblicher tief greifender Grundrechtseingriff nicht hinreichend dargetan wurde - nicht zur Entscheidung anzunehmen.

Soweit die vom Beschwerdeführer beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung und der Telefonüberwachung betroffen ist, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebenden Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 19 Abs. 4 GG hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. B.I.). Danach ist die Verfassungsbeschwerde - in dem genannten Umfang - in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer begründenden Sinne offensichtlich begründet (vgl. B.II.). Die angegriffene Entscheidung verletzt insoweit das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG.

I.

1. Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>; stRspr). Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes wird in erster Linie von den Prozessordnungen gesichert. Sie treffen Vorkehrungen dafür, dass der Einzelne seine Rechte auch tatsächlich wirksam durchsetzen kann und die Folgen staatlicher Eingriffe im Regelfall nicht ohne gerichtliche Prüfung zu tragen hat (vgl. BVerfGE 94, 166 <213>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>). Dabei fordert Art. 19 Abs. 4 GG zwar keinen Instanzenzug (vgl. BVerfGE 49, 329 <343>; 83, 24 <31>; 87, 48 <61>; 92, 365 <410>; 96, 27 <39>; 104, 220 <231>; stRspr). Eröffnet das Prozessrecht aber eine weitere Instanz, so gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Rahmen die Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 54, 94 <96 f.>; 65, 76 <90>; 96, 27 <39>; 104, 220 <232>; stRspr). Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer "leer laufen" lassen (vgl. BVerfGE 78, 88 <98 f.>; 96, 27 <39>; 104, 220 <232>).

2. Hiervon muss sich das Rechtsmittelgericht bei der Antwort auf die Frage leiten lassen, ob im jeweiligen Einzelfall für ein nach der Prozessordnung statthaftes Rechtsmittel ein Rechtsschutzinteresse besteht. Trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels kann ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung fortbestehen, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage in besonderer Weise schutzwürdig ist. Neben den Fällen der Wiederholungsgefahr und der fortwirkenden Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff kommt ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe in Betracht, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es dann, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden - wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden - Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>).

3. Andererseits ist es grundsätzlich mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, vereinbar, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>; 104, 220 <232>). Es ist ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, dass jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. BVerfGE 61, 126 <135>). Diese allen Prozessordnungen gemeinsame Sachentscheidungsvoraussetzung wird abgeleitet aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem auch für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns. Ein Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, solange der Rechtsschutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann (vgl. BVerfGE 104, 220 <232>). So kann das Rechtsschutzbedürfnis auch entfallen, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt. Dies ist anzunehmen, wenn der Berechtigte sich verspätet auf sein Recht beruft und unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (vgl. BVerfGE 32, 305 <308 f.>). Das öffentliche Interesse an der Wahrung des Rechtsfriedens kann in derartigen Fällen verlangen, die Anrufung des Gerichts nach langer Zeit untätigen Zuwartens als unzulässig anzusehen (vgl. BVerfGE 32, 305 <308 f.>). Auch ein an sich unbefristeter Antrag kann deshalb nicht nach Belieben hinausgezogen oder verspätet gestellt werden, ohne unzulässig zu werden (vgl. BVerfGE 4, 31 <37>; 32, 305 <309>). Allerdings darf hierdurch der Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 10, 264 <267 ff.>; 11, 232 <233>; 32, 305 <309>).

II.

Die angegriffene Entscheidung hat diesen Anforderungen - soweit vom Beschwerdeführer tief greifende Grundrechtseingriffe gerügt worden waren - nicht Rechnung getragen. Das Landgericht Hamburg sowie die Vorinstanz haben sich den Blick auf eine gebotene Sachentscheidung verstellt, indem sie einseitig auf den gesamten, beide Rechtszüge umfassenden Zeitablauf abgestellt und die Besonderheiten des Falles - insbesondere die Versagung einer Sachentscheidung im ersten Rechtszug sowie die Umstände des zwischenzeitlichen Zuständigkeitswechsels - außer Acht gelassen haben.

1. Zutreffend hat das Landgericht Hamburg darauf hingewiesen, dass - ungeachtet des Vorliegens eines fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BVerfGE 96, 27 <41>) - die Berechtigung eines schweren Grundrechtseingriffs auch nach dessen Erledigung gerichtlich überprüft werden kann.

a) Zu der Fallgruppe tief greifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor einer möglichen gerichtlichen Überprüfung schon wieder beendet sind, gehört die hier angegriffene Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen.

b) Wenngleich vornehmlich in den Fällen, die schon das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt hat (vgl. BVerfGE 96, 27 <40>; 104, 220 <233>), ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse trotz Erledigung anzunehmen ist (vgl. - mit weiteren Hinweisen auf die Kammerrechtsprechung - BVerfGE 104, 220 <232>), kann eine von Verfassungs wegen gebotene Überprüfung auch in anderen Fallgruppen vorliegen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 2004 - 2 BvR 1811/03 -, NStZ-RR 2004, S. 252 <253>, für den Fall eines objektiven Willkürverstoßes bei sachlicher Nähe zum Freiheitsrecht; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. März 2002 - 2 BvR 261/01 -, NJW 2002, S. 2700 <2701>, sowie vom 27. Februar 2002 - 2 BvR 553/01 -, NJW 2002, S. 2699 <2700>, für den Fall einer besonders einschneidenden Art und Weise der zeitweiligen Unterbringung im Strafvollzug; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. August 2001 - 1 BvR 618/93 -, NJW 2002, S. 206, für den Fall der gerichtlichen Bestellung eines Betreuers; Beschluss des Ersten Senats vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl 2004, S. 822 <823>, für den Fall der Beeinträchtigung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit). Auch dem von der Telefonüberwachung - als erheblicher Eingriff in die durch Art. 10 GG geschützte Rechtsposition (vgl. Nack, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 100a Rn. 1) - Betroffenen muss eine nachträgliche Kontrolle des bereits beendeten und gemäß § 100b StPO unter einem gesetzlichen Richtervorbehalt stehenden Eingriffs möglich sein.

c) Soweit der gesetzlich nicht geregelte Einsatz von Vertrauenspersonen betroffen ist, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht in hinreichender Weise vorgetragen, aus welchen konkreten Umständen sich ein für die gerichtliche Sachprüfung vorausgesetzter tief greifender Grundrechtseingriff ergeben soll.

2. Die Fachgerichte sind auch zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Beschwerdeführer ergriffenen Rechtsbehelfe keinen gesetzlichen Fristen unterliegen. Der Antrag gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO kann "jederzeit" gestellt werden. Während das Gesetz lediglich in bestimmten Fällen, in denen ein besonders starkes Interesse an Rechtssicherheit - und an einer der formellen Rechtskraft fähigen Entscheidung - besteht, die (sofortige) Beschwerde gemäß § 311 Abs. 2 StPO an eine Frist bindet (vgl. Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 311 Rn. 1), kann die Beschwerde im Übrigen unbefristet eingelegt werden.

3. Der grundsätzliche Vorbehalt eines fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BVerfGE 104, 220 <232 f.>; Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 - 1 BvR 461/03 -, DVBl 2004, S. 822 <823>) hat in der angegriffenen Entscheidung eine Anwendung erfahren, die Bedeutung und Tragweite des Rechtsschutzanspruchs des Beschwerdeführers nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht in dem von der Verfassung gebotenen Umfang gerecht wird.

a) Soweit das Landgericht Hamburg sowie die Vorinstanz der Rechtskraft des Hauptverfahrens eine für das Rechtsschutzbedürfnis maßgebliche Zäsurwirkung zugeschrieben haben, wird nicht in hinreichender Weise zwischen dem Gegenstand des Hauptverfahrens und dem auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Grundrechtseingriffen bezogenen Gegenstand des Beschwerdeverfahrens unterschieden.

aa) Unter diesem Gesichtspunkt ist bereits die im ersten Rechtszug vom Landgericht Hamburg vertretene - mit der Versagung einer Sachprüfung verbundene - Auffassung nicht frei von Bedenken, wonach auf eine isolierte Entscheidung über die abgeschlossenen Maßnahmen kein Anspruch bestehe. § 305 Abs. 2 StPO enthält für beispielhaft genannte Grundrechtseingriffe eine - nicht abschließende (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 305 Rn. 7) - Ausnahmeregelung für den in § 305 Satz 1 StPO geregelten Entzug der Beschwerde für Entscheidungen, die der Urteilsfällung vorausgehen.

bb) Dem Beschwerdeführer kann nicht entgegengehalten werden, dass er im Hauptsacheverfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht im Oktober 2003 auf Rechtsmittel verzichtet hat. Im Strafverfahren geht es um Schuld oder Unschuld, nicht um die Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen. Es kann eine Durchsuchungsanordnung oder eine Telefonüberwachung rechtswidrig sein und dennoch eine Schuldfeststellung stattfinden; umgekehrt kann eine rechtmäßige Durchsuchung oder Telefonüberwachung stattgefunden haben, auch wenn der Beschuldigte unschuldig und freizusprechen ist (vgl. BVerfGE 96, 27 <42>). Der vom Landgericht Hamburg herangezogene Rechtsmittelverzicht des Beschwerdeführers bezog sich lediglich auf das Hauptsacheverfahren. Da sich die Gegenstände der genannten Verfahren unterscheiden, kann ungeachtet der durch den Rechtsmittelverzicht dokumentierten Akzeptanz der Verurteilung ein berechtigtes Interesse an der Feststellung davon unabhängiger Ermittlungsmaßnahmen als gesonderte Grundrechtseingriffe bestehen.

b) Soweit die Fachgerichte hinsichtlich des für maßgeblich erachteten Zeitablaufs auf die den zweiten Rechtszug einleitenden Anträge vom 6. März 2004 abgestellt haben, wurde dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass der Beschwerdeführer die Versagung einer Sachentscheidung der selben Anträge im ersten Rechtszug nicht in einer Weise zu vertreten hat, welche den Entzug des in der Sache gebotenen Rechtsschutzes von Verfassungs wegen rechtfertigen könnte.

aa) Die Rechtsauffassung des Landgerichts Hamburg im ersten Rechtszug hat der Beschwerdeführer nicht zu verantworten. Die Auffassung des Hanseatischen Oberlandesgerichts, wonach zwischenzeitlich ein Zuständigkeitswechsel eingetreten sein soll, war zwar von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2004 - 2 BvR 490/04 -). Dem Beschwerdeführer kann jedoch hinsichtlich des bis zur Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts verstrichenen Zeitablaufs nicht vorgeworfen werden, wegen einer etwaigen Unzuständigkeit des Hanseatischen Oberlandesgerichts nicht zeitgleich ein Parallelverfahren angestrengt zu haben. Die vom Hanseatischen Oberlandesgericht vertretene Rechtsauffassung beruhte nicht auf einer gesetzlichen Regelung. Die hinsichtlich eines etwaigen Zuständigkeitswechsels unsichere Rechtslage konnte vom Beschwerdeführer nicht ohne weiteres antizipiert werden.

bb) Dies gilt ungeachtet dessen, dass sich der Beschwerdeführer den Zeitablauf zwischen seiner wenige Tage nach dem landgerichtlichen Beschluss am 17. September 2003 - vor einem etwaigen Zuständigkeitswechsel - erhobenen Beschwerde und der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 3. Februar 2004 ohnehin nicht zurechnen lassen muss und eine gerichtliche Umdeutung der zwischenzeitlich für unzulässig erachteten Beschwerde in Anträge an das durch den Zuständigkeitswechsel nunmehr zuständig gewordene Gericht (vgl. Nack, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 98 Rn. 32) nahe gelegen hätte.

cc) Der Beschwerdeführer ist jedenfalls auch im weiteren Fortgang nicht längere Zeit untätig geblieben. Er hat - nachdem ihm der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts am 13. Februar 2004 zugegangen war - bereits am 6. März die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ermittlungsmaßnahmen zielenden Anträge erneut anhängig gemacht.

c) Unter diesen Voraussetzungen hätte - entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Hamburg, das alleine auf die den zweiten Rechtszug einleitenden Anträge abstellt - allenfalls der zwischen der Kenntniserlangung der relevanten Ermittlungsmaßnahmen und der Antragstellung am 28. August 2003 eingetretene Zeitablauf Berücksichtigung finden dürfen. Auch insoweit genügen jedoch die Erwägungen des Landgerichts Hamburg nicht den Anforderungen an das verfassungsrechtliche Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.

aa) Es wird nicht ersichtlich, weswegen - ungeachtet des konkreten Zeitablaufs - die Feststellung der Rechtswidrigkeit noch im Ermittlungsverfahren oder aber spätestens in dem sich - nach Anklageerhebung - daran anschließenden Eröffnungsverfahren hätte beantragt werden müssen. Zwar mag der Beschwerdeführer ohne weiteres dazu in der Lage gewesen sein, in diesen vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bezug genommenen Verfahrensabschnitten die vorliegenden, aber nicht fristgebundenen Anträge zu stellen. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit war dies jedoch von Verfassungs wegen nicht gefordert. Die fachgerichtliche Einschränkung des gebotenen Rechtsschutzes beruht letztlich auf einer Missbrauchskontrolle der Ausübung prozessualer Rechte. Um den effektiven Rechtsschutz nicht leer laufen zu lassen, sind hieran jedoch strenge Anforderungen zu stellen.

bb) Anders als in dem vom Landgericht Hamburg zitierten und ausdrücklich auf die maßgeblichen Besonderheiten des dortigen Falls abstellenden Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2002 - 2 BvR 1660/02 - (vgl. NJW 2003, S. 1514 <1515>) bestand im vorliegenden Verfahren zum Zeitpunkt der Antragstellung vom 28. August 2003 noch ein sachlicher Bezug des Rechtsschutzbegehrens zu einem laufenden, den Beschwerdeführer betreffenden Strafverfahren. Während in dem in Bezug genommenen Verfahren die Feststellung der Rechtswidrigkeit erst nach dem endgültigen Verfahrensabschluss und zwei Jahre nach dem Vollzug der Maßnahmen begehrt wurde, ist im vorliegenden Fall auch ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang zu den bereits vollzogenen und seit Kenntniserlangung lediglich wenige Monate zurückliegenden Maßnahmen erkennbar. Eine lange Zeit untätigen Zuwartens (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2002 - 2 BvR 1660/02 -, NJW 2003, S. 1514 <1515>; zu einer Verfristung eines unbefristeten Antrags gemäß § 33a StPO nach zwei Jahren und drei Monaten vgl. OLG Koblenz, wistra 1987, S. 357 <358>), welche die unzulässige Verspätung eines an sich unbefristeten Antrags zur Folge haben kann (vgl. BVerfGE 32, 305 <308 f.>), ist auf dieser Grundlage nicht ersichtlich.

III.

Die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen folgt aus § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

Ende der Entscheidung

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