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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 01.02.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 147/06
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93b
GG Art. 13 Abs. 1
GG Art. 13 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 147/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

gegen a) den Beschluss des Landgerichts Bremen vom 21. Dezember 2005 - 14 Qs 449, 450, 451, 452, 472/05 -,

b) den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 23. September 2005 - 91 Gs 1409/05 -,

c) den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 4. Mai 2005 - 91 Gs 700/05 -,

d) den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 4. Mai 2005 - 91 Gs 701/05 -,

e) den Beschhluss des Amtsgerichts Bremen vom 4. Mai 2005 - 91 Gs 702/05 -,

f) den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 4. Mai 2005 - 91 Gs 703/05 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 1. Februar 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht gegeben ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt den Verfassungsbeschwerden nicht zu, und sie dienen auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführer; denn sie haben keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen, soweit sie die Durchsuchung betreffen, die Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG nicht.

Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Eingriffsanlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat, der auf konkreten Tatsachen beruhen muss; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 <381 f.>; 59, 95 <97 f.>). Steht der Eingriff, wie die Wohnungsdurchsuchung, unter einem Richtervorbehalt, so gehören zur richterlichen Aufgabe die sorgfältige Prüfung des Tatverdachts und eine umfassende Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Fall. Gerade die Durchsuchung muss zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Straftat erforderlich sein (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>).

Bei der Überprüfung von Durchsuchungsanordnungen anhand dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe greift das Bundesverfassungsgericht nur ein, wenn die Feststellungen und Wertungen der Fachgerichte objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>, stRspr). Weder die Annahme des Verdachts steht zur vollständigen Überprüfung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 96 <128>) noch die Bewertungen der befassten Gerichte zur Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung.

Die angegriffenen Durchsuchungsbeschlüsse werden diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht. Amts- und Landgericht haben einen Tatverdacht willkürfrei angenommen. Es ist nicht offensichtlich sachfremd, bei einer betrügerischen Überweisung mit gefälschten Formularen auf die Täterschaft der Begünstigten zu schließen, wenn Erkenntnisse fehlen, die die Begünstigten von vornherein als Täter ausschließen oder die auf andere Verdächtige hindeuten. Es ist von Verfassungs wegen auch nichts dagegen zu erinnern, noch mehr als zwei Jahre nach der Tat die Suche nach Belegen für Zahlungsflüsse und nach Schriftproben zur Aufklärung des Fälschungsverdachts für Erfolg versprechend zu halten und aus dem Gewicht der vorgeworfenen Tat auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu schließen.

2. Die Beschlagnahme der Kalender verletzt Grundrechte des Beschwerdeführers zu 1. nicht.

Ein letzter unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung ist unter dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogen. Allein die Aufnahme in ein Tagebuch oder eine ähnliche private Aufzeichnung ordnet eine Information indes nicht diesem absolut geschützten Bereich zu und entzieht sie deshalb auch nicht jedenfalls dem staatlichen Zugriff. Besteht Anlass zu der Annahme, dass die Aufzeichnungen auch über strafbare Handlungen Aufschluss geben, dann besteht kein verfassungsrechtliches Hindernis, solche Schriftstücke daraufhin durchzusehen, ob sie der prozessualen Verwertung zugängliche Informationen enthalten. Hierbei ist größtmögliche Zurückhaltung zu wahren (vgl. BVerfGE 80, 367 <373, 374 f.>).

Ob die Aufzeichnungen ganz oder teilweise in einem etwaigen Strafverfahren verwertet werden dürfen (vgl. BVerfGE 80, 367 <375 f.>), kann erst nach ihrer Durchsicht beurteilt werden. Die Verfassungsgemäßheit bereits der Beschlagnahme kann daher nur dann berührt sein, wenn eine Verwertbarkeit des gesamten Inhalts einer Aufzeichnung von vornherein ausgeschlossen werden könnte. Das kommt hier nicht in Betracht; denn auch der Beschwerdeführer zu 1. stellt nicht in Frage, dass die beschlagnahmten Kalender neben den von ihm als höchstpersönlich bezeichneten auch andere Notizen enthalten.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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