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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.10.2001
Aktenzeichen: 2 BvR 1523/01
Rechtsgebiete: GG, StPO


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 104 Abs. 1
StPO § 81
StPO § 119
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1523/01 -

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. August 2001 - 3 Ws 154/01 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach, die Richter Hassemer und Mellinghoff gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 9. Oktober 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. August 2001 - 3 Ws 154/01 - verletzt Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

2. Das Land Baden-Württemberg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Verhältnismäßigkeit einer Unterbringung nach § 81 StPO in einem Fall, in dem der Angeklagte die Zusammenarbeit mit dem psychiatrischen Sachverständigen verweigert.

I.

Der Beschwerdeführer befand sich seit dem 4. Februar 2000 ununterbrochen für ein Verfahren u. a. wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen Betruges in 147 Fällen, bandenmäßigen Betruges in 99 Fällen sowie Kapitalanlagebetrugs in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Mannheim. Auf Grund des angegriffenen Beschlusses des Oberlandesgerichts Karlsruhe wurde er am 29. August 2001 in die Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt Stuttgart verlegt; diese Verlegung ist durch den Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. September 2001 im Wege der einstweiligen Anordnung rückgängig gemacht worden. Seit dem 25. September 2001 wird gegen den Beschwerdeführer die mündliche Hauptverhandlung durchgeführt, die zunächst bis zum 28. März 2002 (64 Tage) bestimmt ist.

1. Noch im Ermittlungsverfahren wurde dem psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. S. von der Staatsanwaltschaft der Auftrag erteilt, den Beschwerdeführer auf seine Schuldfähigkeit und die Voraussetzungen der §§ 63, 66 StGB hin zu untersuchen. In dem Sachverständigengutachten vom 25. Juni 2001 kommt Prof. Dr. S. zu dem Ergebnis, der Beschwerdeführer leide an einer Persönlichkeitsstörung, welche möglicherweise in Verbindung mit von außen kommenden Determinanten eine erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit zur Folge gehabt habe. Das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 63, 66 StGB verneinte der Sachverständige.

Die zuständige Wirtschaftsstrafkammer ordnete mit Beschluss vom 9. Juli 2001 eine Zweitbegutachtung durch Prof. Dr. G. an, da der Erstgutachter seine Kompetenzen überschritten und - die Ergebnisse einer Beweisaufnahme vorwegnehmend - allein die Darstellung des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt habe. Mit einer Exploration durch diesen Gutachter erklärte sich der Beschwerdeführer jedoch - auch für die Zukunft - nicht einverstanden und verweigerte die Teilnahme an einem Untersuchungsgespräch. In seiner auf der Grundlage des Vorgutachtens abgegebenen vorläufigen psychiatrischen Stellungnahme vom 2. August 2001 legte der Zweitgutachter dar, dass durch eine längere Verhaltensbeobachtung des Beschwerdeführers möglicherweise weitere aussagekräftige Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die Rückschlüsse auf die "Zwanghaftigkeit" seines Verhaltens zuließen und damit für die Beurteilung des Gutachtenauftrags relevant sein könnten.

Die Wirtschaftsstrafkammer ordnete daraufhin zur Vorbereitung dieses Gutachtens durch Beschluss vom 8. August 2001 die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer psychiatrischen Klinik nach § 81 StPO für die Dauer von längstens sechs Wochen an.

2. Seine gegen diese Anordnung eingelegte Beschwerde begründete der Beschwerdeführer u. a. damit, dass die Voraussetzungen für eine Anordnung der Unterbringung nach § 81 StPO nicht vorlägen. Der Zweitgutachter habe nicht nachvollziehbar begründet, warum er die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für erforderlich halte. Die Unterbringung sei auch nicht unerlässlich, sondern unzweckmäßig und unverhältnismäßig.

Sie stelle sich als repressive Maßnahme mit dem Ziel dar, auf die Aussage- und Mitwirkungsfreiheit des Beschwerdeführers einzuwirken.

3. Auf Anfrage des Oberlandesgerichts erklärte der Sachverständige Prof. Dr. G., auf die in seiner Stellungnahme dargelegte Beobachtung des Beschwerdeführers unter alltäglichen Bedingungen könne verzichtet werden, wenn der Beschwerdeführer einer ausführlichen Exploration zustimme.

Auch sei zur Beobachtung des Verhaltens des Beschwerdeführers nicht zwingend eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus notwendig, ausreichend sei dessen zeitweise Verlegung in eine Vollzugsanstalt mit einer ausreichend großen medizinischen Abteilung, in welcher durch Ärzte und Pfleger nach seinen - des Sachverständigen - Anweisungen eine Dokumentation erstellt werden und er selbst den Beschwerdeführer an zumindest zwei Wochenenden beobachten könne.

Mit Beschluss vom 28. August 2001 hob das Oberlandesgericht Karlsruhe die Unterbringungsanordnung auf und ordnete die Verlegung des Beschwerdeführers in die medizinische Abteilung der Justizvollzugsanstalt Stuttgart bis zum 17. September 2001 an. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus sei unverhältnismäßig, da die Untersuchung innerhalb einer Vollzugsanstalt als milderes Mittel zur Verfügung stünde. Dass der Beschwerdeführer nicht zu einer Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen bereit sei, stehe der Rechtmäßigkeit der im Übrigen nicht den engen Voraussetzungen des § 81 StPO unterliegenden Beobachtung nicht entgegen. Die vom Beschwerdeführer zu duldende Beobachtung seines Verhaltens verspreche nach der Stellungnahme des Sachverständigen einen für die Gutachtenerstellung sachdienlichen Erkenntnisgewinn. Um ein Unterlaufen der Aussagefreiheit des Beschwerdeführers nach § 136 a StPO zu vermeiden, sei jedoch die wörtliche Erfassung von Aussagen des Beschwerdeführers gegenüber Ärzten, Pflegern und Mitgefangenen nur zulässig, wenn deren Freiwilligkeit außer Frage stehe oder der Beschwerdeführer dies nachträglich genehmige.

II.

1. Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts richtet sich die Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 104 Abs. 1 GG rügt.

Zur Begründung führt er aus, im angefochtenen Beschluss seien die Voraussetzungen des § 81 StPO verneint und sogar als überflüssig bezeichnet, gleichwohl aber die Verlegung zum Zwecke psychiatrischer Beobachtung im Sinne des § 81 StPO angeordnet worden. § 119 StPO könne nicht als Eingriffsgrundlage herangezogen werden, so dass die angeordnete Maßnahme jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehre. Die Beobachtung sei weiterhin nicht "unerlässlich" im Sinne von § 81 StPO.

Dem vom Zweitgutachter angestrebten Beobachtungskonzept sei durch die Weigerung des Beschwerdeführers, sich explorieren zu lassen, und durch die im angefochtenen Beschluss enthaltenen Restriktionen die Grundlage entzogen worden.

2. Nach Mitteilung der Justizvollzugsanstalt Stuttgart verfügt die Krankenabteilung weder über die erforderlichen Räumlichkeiten noch über das notwendige Personal, um eine Totalüberwachung des Beschwerdeführers zu gewährleisten.

Die Beobachtung wurde daher in der Zeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Weise durchgeführt, dass das Sanitätspersonal wie auch sonst üblich drei Mal täglich den Haftraum betrat, um das Essen auszuteilen, evtl. Verbände zu wechseln und Medikamente zu verabreichen und bei dieser Gelegenheit auch nach dem Beschwerdeführer zu sehen. Die zuständige Ärztin besuchte den Beschwerdeführer (insoweit abweichend von der Behandlung der übrigen Inhaftierten) zudem jeden Morgen, um nach ihm zu sehen. Das Personal vermerkte in der Krankenakte nur Auffälligkeiten. Traten diese nicht auf, lautete der Vermerk "verhält sich unauffällig" oder "weiterhin unauffällig".

3. Dem Land Baden-Württemberg ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

III.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist. Die Verfassungsbeschwerde ist in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer ergebenden Weise offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

Das Oberlandesgericht hat die Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Beschwerdeführers bei der Anordnung seiner Verlegung und Beobachtung verkannt.

1. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter eines Menschen (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 ff.>; 44, 353 <372 f.>; 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194 f.>). Der Schutz ist umso intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen, die als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 f.>; 65, 1 <45 f.>).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist allerdings nicht absolut geschützt. Vielmehr muss jeder Bürger staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 32, 373 <379>; 65, 1 <44>).

Die Auslegung der - auch einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ermöglichenden - Gesetze und deren Anwendung auf den einzelnen Fall ist dabei grundsätzlich Sache der Fachgerichte. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen ist jedoch dann geboten, wenn Auslegungsfehler sichtbar werden, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen, oder wenn sich - gemessen am Willkürmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG - der Schluss aufdrängt, die Entscheidung beruhe auf sachfremden Erwägungen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 ff.>).

2. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts wird diesem Maßstab nicht gerecht.

a) Die Verlegung des Beschwerdeführers in die Justizvollzugsanstalt Stuttgart diente unzweifelhaft der Beobachtung im Sinne von § 81 StPO. Unabhängig davon, ob diese Vorschrift hier anwendbar ist, müsste auch eine auf § 119 StPO gestützte Maßnahme das Verhältnismäßigkeitsprinzip strikt beachten (vgl. BVerfGE 16, 194 <202>; 17, 108 <117 f.>), insbesondere unerlässlich sein, das heißt, ohne sie müsste die Schuldfähigkeit nicht beurteilt werden können (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 1995 - 2 BvR 1509/94 -, StV 1995, S. 617 <618>; der Forderung nach der Unerlässlichkeit der Maßnahme aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sind fachgerichtliche Rechtsprechung und Schrifttum gefolgt, vgl. OLG Frankfurt a. M., StV 1986, S. 51; OLG Hamm, StV 2001, S. 156; LG Zweibrücken, StV 1997, S. 347; NJW 1997, S. 70; Dahs in: Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Auflage, § 81, Rn. 13; Kleinkecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Auflage, § 81, Rn. 7 f.; Senge in: Karlsruher Kommentar, 4. Auflage, § 81, Rn. 6). Die Fachgerichte haben die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Unterbringungsanordnung, den verfassungsrechtlichen Vorgaben folgend, weiter dahin konkretisiert, dass vor einer Anordnung nach § 81 StPO erst alle anderen Mittel ausgeschöpft sein müssen, um zu einer Beurteilung von Persönlichkeitsstörungen des Beschuldigten zu kommen (vgl. OLG Düsseldorf, JMBl NW 1961, S. 45; OLG Karlsruhe, NJW 1973, S. 573; OLG Saarbrücken, JBlSaar 1964, S. 116; LG Berlin, NJW 1960, S. 2256 <2257>; ebenso: Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 8; Löffler, NJW 1951, S. 821; Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO, Band II <1957>, § 81, Rn. 5), und es eines tauglichen Mittels zur Beurteilung bedarf, das grundsätzlich nur bei der Untersuchung durch einen Psychiater oder Neurologen als Sachverständigen gewährleistet ist (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1973, S. 573; OLG Frankfurt a. M., NJW 1967, S. 689; OLG Saarbrücken, JBlSaar 1964, S. 116; ebenso: Löffler, NJW 1951, S. 821 f.; Stenglein, Der Gerichtssaal 62 <1903>, S. 129 <130>). Das konkrete Untersuchungskonzept muss zudem zur Erlangung von Erkenntnissen über eine Persönlichkeitsstörung geeignet sein, und die Geeignetheit muss wiederum in Gutachten und Beschluss dargelegt werden (vgl. OLG Frankfurt a. M., StV 1986, S. 51).

Eine Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Beobachtung kann danach nicht erfolgen, wenn der Beschuldigte sich weigert, sie zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, soweit die Untersuchung nach ihrer Art die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (vgl. BGH, StV 1994, S. 231 f.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Exploration erforderlich wäre, diese aber vom Beschuldigten verweigert wird und ein Erkenntnisgewinn deshalb nur bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden (§ 136 a StPO) oder einer sonstigen Einflussnahme auf die Aussagefreiheit des Beschuldigten zu erwarten ist (vgl. OLG Celle, StV 1985, S. 224; StV 1991, S. 248).

b) Die angegriffene Entscheidung legt weder dar, dass und warum das Konzept des Zweitgutachters, soweit es rechtlich zulässig ist, geeignet sein könnte, den Untersuchungszweck zu erreichen, noch dass der Erfolg nicht auf anderem Wege, mit milderen Mitteln erreichbar ist.

(1) Die vom Gutachter genannten Bedingungen, die die angeordnete Beobachtung sinnvoll und ergiebig machen könnten, lassen sich in zulässiger Weise nicht herstellen. Das Untersuchungskonzept zielt darauf ab, den Beschwerdeführer in seinem Alltagsverhalten, seiner Interaktion mit anderen Personen und seinem Verhalten gegenüber Personen, deren Urteil er nicht befürchten muss oder das er für belanglos hält, zu beobachten. Er soll in seiner eigenverantwortlichen Gestaltung des Tagesablaufs, seiner persönlichen Pflege oder Vernachlässigung von Interessen und in seiner Integrationsfähigkeit in die jeweilige Umwelt bzw. Gemeinschaft beobachtet werden. Die damit angestrebte Totalbeobachtung, die Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Beschuldigten erbringen soll, die er von sich aus nicht preisgeben will, von denen aber erhofft wird, dass er sie unter der Einflussnahme Dritter offenbart, ist unzulässig. Denn eine solche Maßnahme liefe auf die Umgehung des verfassungsrechtlich garantierten Schweigerechts des Beschuldigten und einen Verstoß gegen § 136 a StPO hinaus. Verfassungsrechtlich steht einer solchen Totalbeobachtung der unantastbare Kernbereich des Persönlichkeitsrechts des Beschuldigten entgegen, der dadurch zum bloßen Objekt staatlicher Wahrheitsfindung gemacht würde, dass sein Verhalten nicht mehr als Ausdruck seiner Individualität, sondern nur noch als wissenschaftliche Erkenntnisquelle verwertet würde.

Das Oberlandesgericht hat daher zu Recht ausgeführt, eine wörtliche Erfassung von Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beobachtung sei nur dann zulässig, wenn ihre Freiwilligkeit außer Frage stehe oder der Beschwerdeführer vor einer Befragung auf die beabsichtigte Dokumentation ausdrücklich hingewiesen wurde. Mit einem Einverständnis des anwaltlich beratenen Beschwerdeführers, der von der neuerlichen und gegen seinen Willen angeordneten Untersuchung offensichtlich nur Nachteile erwartet, konnten jedoch das Gericht ebenso wenig wie der Gutachter rechnen. Reduzierte sich die Auswahl der Maßnahmen damit auf die schlichte Beobachtung des Verhaltens des Beschwerdeführers, so ist nicht mehr nachvollziehbar, wie hierdurch der Zweck der Untersuchung hätte erreicht werden können. Dies gilt insbesondere angesichts der beschränkten organisatorischen Möglichkeiten der Krankenabteilung der Justizvollzugsanstalt Stuttgart und der den Beschwerdeführer in besonderem Maße psychisch und physisch beeinträchtigenden Situation kurz vor Beginn der Hauptverhandlung, die Anlass für den Erlass der einstweiligen Anordnung waren. Diese Umstände hätten sowohl vom Gutachter als auch vom Gericht eruiert und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden müssen. Die durch die Anordnung der Unterbringung zur Beobachtung geschaffene Situation erfüllt danach die Rahmenbedingungen für eine weitere Erlangung von Erkenntnissen im Konzept des Zweitgutachters nicht.

(2) Weder in der angegriffenen Entscheidung noch in der zugrunde liegenden Stellungnahme des Zweitgutachters wird zudem dargelegt, dass und warum die Unterbringung des Beschwerdeführers für die Beurteilung seiner Schuldfähigkeit unerlässlich im genannten Sinne sein sollte. Die Unerlässlichkeit ergibt sich auch nicht von selbst aus dem angestrebten Zweck der Maßnahme. Der Erstgutachter ist ohne eine Unterbringung zu der von ihm gestellten Diagnose - Persönlichkeitsstörung - gelangt. Entgegen den Ausführungen des Zweitgutachters steht als Ergebnis des Erstgutachtens nicht die Diagnose in Zweifel, sondern die Frage, ob sich aus dieser Diagnose hinreichende Anhaltspunkte für die Voraussetzungen des § 21 StGB ergeben. Die Diagnose zu verifizieren, soll jedoch die Beobachtung des Beschwerdeführers dienen oder zu widerlegen, ohne dass der Zweitgutachter und ihm folgend die Gerichte darlegen, ob auch ohne diese Maßnahme eine Überprüfung der Diagnose möglich ist. Vielmehr hat der Zweitgutachter gegenüber dem Oberlandesgericht eingeräumt, die Unterbringung sei dann nicht erforderlich, wenn der Beschwerdeführer sich einer Exploration stelle. Bei dieser Sachlage hätte es jedoch erörtert werden müssen, warum der weitere Sachverständige nicht auf die Erhebung des ersten Sachverständigen hätte zurückgreifen können; zumindest wäre es erforderlich gewesen darzulegen, dass und warum trotz der bereits erfolgten Exploration eine weitere Untersuchung notwendig ist.

3. Nach alledem kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberlandesgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es die Tragweite des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erkannt und berücksichtigt hätte. Ob in der angeordneten Verlegung und Beobachtung des Beschwerdeführers ein Verstoß gegen die Grundsätze fairen Verfahrens liegt, kann danach dahin stehen.

IV.

Wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers ist die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht Karlsruhe zurückzuverweisen (vgl. § 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG), damit erneut über die Beschwerde gegen die Unterbringungsanordnung entschieden werden kann.

Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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