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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.05.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 1588/02
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 32
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93b
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1588/02 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 2. September 2002 - 1 Ws 362/02 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Halle vom 15. August 2002 - 30 StVK 513/02 -,

c) mittelbar das Gesetz über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (UnterbringungsG - UBG) vom 6. März 2002 des Landes Sachsen-Anhalt, GVBl 2002, S. 80 f.

hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 27. Mai 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die vorläufige Entlassung aus der Unterbringung aufgrund des sachsen-anhaltischen Gesetzes über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 6. März 2002.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Nach § 32 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Auch im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (vgl. BVerfGE 66, 39 <56>; stRspr). Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweise sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem Ausgang des Verfassungsbeschwerde-Verfahrens muss das Bundesverfassungsgericht vielmehr die Folgen abwägen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfGE 87, 334 <338>; stRspr; vgl. auch Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Dezember 1998 - 2 BvR 2033/98 -, NStZ 1999, S. 156).

2. a) Die Verfassungsbeschwerde ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Sie wirft die verfassungsrechtlich nicht geklärte Frage auf, ob die nachträgliche sichernde Unterbringung rechtskräftig verurteilter Straftäter der Gesetzgebungskompetenz der Länder oder des Bundes unterfällt. Eine Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch die Unterbringung aufgrund Landesgesetzes ist deshalb nicht von vornherein auszuschließen.

b) Die notwendige Folgenabwägung führt zur Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Ergeht die einstweilige Anordnung nicht, erweist sich später die Verfassungsbeschwerde jedoch als begründet, so kann die Unterbringungsanordnung in der Zwischenzeit vollstreckt werden. Dabei handelt es sich um einen erheblichen, grundsätzlich nicht wieder gutzumachenden Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person (vgl. BVerfGE 15, 223 <226>; 18, 146 <147>; 22, 178 <180>; 84, 341 <344>).

Ergeht die einstweilige Anordnung, wird die Verfassungsbeschwerde aber später als unbegründet zurückgewiesen, so wiegen die damit verbundenen Nachteile hier jedoch schwerer. Nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausführungen der im fachgerichtlichen Verfahren angehörten Sachverständigen, von deren fachlicher Beurteilung sich die Gerichte in ihren angegriffenen Entscheidungen haben leiten lassen und gegen die in der Sache keine Einwendungen erhoben worden sind, ist bei dem Beschwerdeführer aufgrund seiner schweren Persönlichkeitsstörung mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer sehr schnellen Wiederholung brutaler Straftaten bis hin zur Tötung wehrloser Opfer auszugehen. Im Hinblick auf die konkrete Gefahr, dass es erneut zu gewalttätigen Straftaten gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit Dritter durch den Beschwerdeführer kommen könnte, wäre mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung ein erheblicher Nachteil für das Wohl der Allgemeinheit zu besorgen, der einen möglicherweise zeitlich begrenzten Eingriff in das Freiheitsrecht des Beschwerdeführers überwiegt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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