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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 03.11.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 168/02
Rechtsgebiete: FGO, GG


Vorschriften:

FGO § 115
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 168/02 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen die Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 20. Juli 2001 - I B 156/00 und I B 157/00 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Broß, Di Fabio und Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 3. November 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl 1972 II S. 1022, DBA-Schweiz). Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens streiten über die steuerliche Behandlung der in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Beschwerdeführerin.

I.

1. Das DBA-Schweiz bezweckt die Vermeidung doppelter Besteuerung der Staatsangehörigen beider Vertragsstaaten.

Die meisten Staaten besteuern im Rahmen ihrer Einkommen- und Körperschaftsteuer das weltweit erzielte Einkommen in der in ihrem Gebiet ansässigen Personen, daneben aber stets auch die Einkünfte, die Nichtansässige innerhalb ihres Gebiets erzielt haben (sogenannte inländische Einkünfte). Ist jemand im Gebiet eines Staates ansässig, der dem Prinzip der Welteinkommensbesteuerung folgt, und erzielt er in einem anderen Staat Einkünfte, so ergibt sich Doppelbesteuerung. In den auf ein Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (MA-OECD) zurückgehenden Doppelbesteuerungsabkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten gegenseitig, diejenigen Steuern nicht oder nur in begrenzter Höhe zu erheben, die das Abkommen dem jeweils anderen Vertragsstaat zur ausschließlichen oder primären Besteuerung zuweist (vgl. Vogel, Internationales Steuerrecht, DStZ 1997, S. 269 ff.). Von den insgesamt sieben Kapiteln dieses Musterabkommens sind für den hier zu beurteilenden Fall insbesondere die Sondervorschriften des Kapitels VI (Art. 24 bis 26) einschlägig. Art. 24 MA-OECD enthält eine Reihe von Diskriminierungsverboten. Die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten dürfen im jeweils anderen Vertragsstaat steuerlich nicht schlechter behandelt werden als dessen Staatsangehörige. Weitere Diskriminierungsverbote schützen Unternehmungen, die Betriebsstätten in dem anderen Vertragsstaat unterhalten, ferner die Empfänger bestimmter Zahlungen und die Inhaber von Kapitalbeteiligungen. Art. 24 MA-OECD soll den völkerrechtlichen Diskriminierungsschutz für den Bereich des Steuerrechts konkretisieren. Er greift deshalb über den engeren Anwendungsbereich der Verteilungsnormen des Abkommens hinaus. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 24 MA-OECD ist damit lediglich, dass von einem Vertragsstaat Steuern erhoben werden.

Nach Art. 25 DBA-Schweiz dürfen Staatangehörige eines Vertragsstaats in dem anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung, denen die Staatsangehörigen des anderen Staates "unter gleichen Verhältnissen" unterworfen sind. Staatsangehörige der Schweiz sind gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe h, Doppelbuchstabe bb u.a. DBA-Schweiz "alle juristischen Personen, die nach dem in der Schweiz geltenden Recht errichtet worden sind".

2. Die Beschwerdeführerin ist eine Universität und hat ihren Sitz in der Schweiz. Nach dem dortigen Recht ist sie eine öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit.

a) Im Jahre 1989 erbte die Beschwerdeführerin einen Miteigentumsanteil an einem in Deutschland belegenen vermieteten Grundstück. Das hierfür zuständige Finanzamt Frankfurt/Main I stellte die Einkünfte der Grundstücksgemeinschaft für die Streitjahre (1990 bis 1995) gesondert und einheitlich fest; die Bescheide wurden bestandskräftig. Daraufhin wies das Finanzamt die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehe, die im Inland steuerpflichtig seien. Das Finanzamt setzte gegenüber der Beschwerdeführerin Körperschaftsteuer für die Streitjahre fest. Die Körperschaftsteuerbescheide enthielten zugleich Zinsfestsetzungen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO 1977). Einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlass der Zinsen lehnte das Finanzamt ab.

b) Gegen die Festsetzung wendete sich die Beschwerdeführerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Sie machte geltend, dass ihre Heranziehung zur Körperschaftsteuer mit Art. 25 DBA-Schweiz nicht vereinbar sei. Das Hessische Finanzgericht wies die Klage ab. Eine Vorabentscheidung nach Art. 234 EG sei nicht einzuholen, weil sich im vorliegenden Verfahren keine Frage der Auslegung des EG-Vertrages stelle. Die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG sei nicht einschlägig, da die Schweiz, nach deren Recht die Beschwerdeführerin errichtet und in der sie ansässig sei, nicht Mitglied der EG sei. Die Klage sei auch unbegründet. Ein Verstoß gegen Art. 25 DBA-Schweiz liege nicht vor. Dass die Beschwerdeführerin anders als grundsätzlich eine Universität mit Sitz im Inland mit ihren inländischen Vermietungseinkünften körperschaftsteuerpflichtig sei, verstoße nicht gegen Art. 25 DBA-Schweiz. Die Vorschrift verbiete nur, eine nach dem Recht der Schweiz gegründete Körperschaft in der Bundesrepublik "unter gleichen Verhältnissen" einer anderen oder belastenden Besteuerung zu unterwerfen als eine nach deutschem Recht gegründete. Steuerpflichtige mit Sitz im Ausland befänden sich jedoch hinsichtlich der Steuerpflicht gerade in unterschiedlichen tatsächlichen Verhältnissen. Das Diskriminierungsverbot richte sich nur gegen eine Benachteiligung auf Grund der Staatsangehörigkeit, die bei Kapitalgesellschaften dem Gründungsstatut entspreche. Entsprechend habe der Bundesfinanzhof bereits zur vergleichbaren Regelung des Art. XX Abs. 1 DBA-Großbritannien entschieden (vgl. BFHE 115, 524).

c) Das Finanzgericht ließ die Revision nicht zu. Dagegen richtete sich die von der Beschwerdeführerin eingelegte und auf grundsätzliche Bedeutung, Divergenz und Verfahrensrügen gestützte Nichtzulassungsbeschwerde. Der Bundesfinanzhof verwarf die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. Der Bundesfinanzhof führte aus, nach § 115 FGO in der maßgeblichen Fassung sei die Revision zuzulassen, wenn entweder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe oder das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs oder des Bundesverfassungsgerichts abweiche oder wenn das Urteil auf einem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könne. Alle diese Zulassungsgründe könnten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nur dann berücksichtigt werden, wenn sie dargelegt oder bezeichnet worden seien. Fehle es an der hiernach gebotenen Darlegung oder Bezeichnung von Zulassungsgründen, so sei die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig. Die Beschwerdeführerin habe eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht im Sinne des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt. Sie habe nicht aufgezeigt, dass und weshalb in dem Streitfall eine Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig sei. Ausführungen hierzu seien nicht deshalb entbehrlich, weil die Beschwerdeführerin geltend mache, dass die angefochtene Entscheidung gegen die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit verstoße. Dies könne zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung allenfalls dann ausreichen, wenn die Beschwerdeführerin aufgezeigt hätte, dass sie sich als in der Schweiz gegründetes Rechtssubjekt auf das vom EuGH angewendete Gemeinschaftsrecht berufen könne. Das sei aber nicht geschehen.

Die Beschwerdeführerin habe auch nicht dargelegt, dass sich aus Art. 25 DBA-Schweiz ein Grundsatz der Inländergleichbehandlung ergebe. Das Finanzgericht habe der Vorschrift nur ein Verbot der Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit entnommen, nicht nach dem Sitz. Diese Einschätzung entspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu mit Art. 25 DBA-Schweiz vergleichbaren Regelungen.

d) Auch die Klage wegen der Zinsfestsetzung gemäß § 233a AO 1977 blieb erfolglos. Der Bundesfinanzhof verwarf gleichfalls die Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

Die Beschwerdeführerin sieht sich in ihren Grundrechten aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 2 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

1. Es stelle einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar, dass der Bundesfinanzhof im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde Art. 25 DBA-Schweiz nicht dem EuGH vorgelegt habe.

Denn es bestehe ein Grundsatz der Inländergleichbehandlung. Das europäische Recht verbiete eine Differenzierung zwischen juristischen Personen nach ihrem Sitz. Aus den Entscheidungen des EuGH vom 14. Februar 1995 - Schuhmacker - Rs. C-279/93 (Slg. 1995 I-225), vom 27. Juni 1996 - Asscher - Rs. C-107/94 (Slg 1996 I-3089) sowie vom 21. September 1999 - Saint-Gobain - Rs. C-307/97 (Slg. 1999 I-6161) zur Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages ergebe sich zudem, dass ein Diskriminierungsverbot für beschränkt Steuerpflichtige bestehe. Dies habe der EuGH gerade für den Fall betont, dass der Sitzstaat nicht in der Lage sei, die Vergünstigungen zu gewähren. Auch hier sei die Schweiz, die Universitäten freistelle, nicht in der Lage, die Defizite, die sich aus der Steuererhebung in Deutschland ergäben, zu kompensieren. Über Art. 19 Abs. 3 GG sei Art. 3 Abs. 1 GG auch auf die Beschwerdeführerin anwendbar.

2. Es stelle auch eine willkürliche Auslegung des Art. 25 DBA-Schweiz dar, einem schweizerischen Staatsangehörigen die Berufung auf Gemeinschaftsrecht zu versagen, auf das sich ein deutscher Staatsangehöriger in gleicher Lage berufen könne.

Art. 3 Abs. 1 GG finde auf die Beschwerdeführerin Anwendung. Art. 19 Abs. 3 GG schließe zwar grundsätzlich die Anwendung von Grundrechten gemäß Art. 1 bis 19 GG auf ausländische juristische Personen aus, dies könne aber nicht uneingeschränkt gelten (vgl. BGHZ 76, 387, 394). Stelle eine gesetzliche Regelung nach dem Willen des Gesetzgebers bestimmte Gruppen für konkrete Fälle der Besteuerung gleich, müsse diese Gleichstellung umfassend, also auch verfassungsprozessual erfolgen.

Es liege auch eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor. Es fehle an der gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Ausrichtung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Nehme man an, dass gemeinnützige Körperschaften nicht die notwendige Leistungsfähigkeit für Steuern aufbrächten, so sei es unschlüssig, diese Regelung für beschränkt Steuerpflichtige nicht anzuwenden. Es fehle der Beschwerdeführerin nach eigenem Satzungsrecht und wegen des Wesens der Universität die Möglichkeit zur Sitzverlegung. So werde offensichtlich, dass eine Differenzierung nach dem Sitz einer juristischen Person unter Verweis auf die Möglichkeit, nach deutschem Recht den Sitz zu wechseln, zu einer Diskriminierung ausländischer, nicht verlegbarer Körperschaften führe.

3. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG an das Bundesverfassungsgericht zur Frage eines völkerrechtlichen Rechtsschutzprinzips wäre nach Auffassung der Beschwerdeführerin erforderlich gewesen.

4. Gegen Art. 103 Abs. 1 GG hätten die Gerichte dadurch verstoßen, dass sie den Vortrag der Beschwerdeführerin zur Anwendbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen übergangen hätten.

III.

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie wirft keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG auf (zur Vorlagepflicht an den EuGH als gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vgl. BVerfGE 82, 159 <194 ff.>). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt. Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

2. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht verletzt.

a) Die Beschwerdeführerin ist parteifähig, soweit sie eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend macht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann sich eine ausländische juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG jedenfalls auf die Prozessgrundrechte berufen (vgl. BVerfGE 18, 440 <447>; 64, 1 <11>).

b) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit aber unbegründet.

aa) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährt einen subjektiven Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Durch diese grundrechtsähnliche Gewährleistung wird das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht zu einem Kontrollorgan, das jeden einem Gericht unterlaufenen, die Zuständigkeit des Gerichts berührenden Verfahrensfehler korrigieren müsste. Vielmehr beurteilt das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeitsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als Teil des rechtsstaatlichen Objektivitätsgebots, das auch die Beachtung der Kompetenzregeln fordert, die den oberen Fachgerichten die Kontrolle über die Befolgung der Zuständigkeitsordnung überträgt und auf den Instanzenzug begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht beanstandet deshalb die Auslegung und Anwendung von Zuständigkeitsnormen nur, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheinen und offensichtlich unhaltbar sind (vgl. BVerfGE 29, 198 <207>; 82, 159 <194 ff.>).

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG umfasst auch die Zuständigkeit des EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG (vgl. BVerfGE 82, 159 <195 f.>). Die Nichteinleitung eines nach Art. 234 Abs. 3 EG gebotenen Vorlageverfahrens kann eine der einheitlichen Auslegung bedürftige Frage des Gemeinschaftsrechts der Entscheidung des gesetzlichen Richters vorenthalten und damit das Ergebnis der Entscheidung beeinflussen.

bb) Der Bundesfinanzhof hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aber nicht dadurch verletzt, dass er den EuGH nicht angerufen hat. Der hier zu beurteilende Fall wirft entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin keine Frage des Gemeinschaftsrechts im Sinne des Art. 234 Abs. 1 EG auf.

Die Ausgangsverfahren betreffen die Auslegung und Anwendung des zwischen Deutschland und der Schweiz bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens, also eines völkerrechtlichen Vertrags. Dass Gemeinschaftsrecht nicht zur Anwendung kommen kann, ergibt sich schon daraus, dass die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union und das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Amtsblatt der Europäischen Union L 114 vom 30. April 2002, S. 6 ff.) erst am 1. Juni 2002, d.h. nach Erlass des mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschlusses in Kraft getreten ist (vgl. Art. 25 des Abkommens und die Mitteilung über das Inkrafttreten, Amtsblatt der Europäischen Union L 114 vom 30. April 2002, S. 480). Vorliegend ist daher, worauf der Bundesfinanzhof zutreffend hinweist, der personelle Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts nicht eröffnet. Natürliche und juristische Personen schweizerischer Nationalität können sich nicht auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages berufen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des EuGH.

Das gilt zunächst für die Urteile Asscher, Schuhmacker und Centros - Rs. C-212/97 (Slg. 1999, I-1459), die in den Ausgangsverfahren jeweils natürliche oder juristische Personen eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft betrafen. Das Urteil vom 21. September 1999 des EuGH - Saint Gobain - auf Vorlage des Finanzgerichts Köln betraf im Ausgangssachverhalt zwar die Anwendung eines zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem Drittstaat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens, betroffen war aber die deutsche Niederlassung eines Unternehmens mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat. Der EuGH entschied, Art. 52 EG-Vertrag (jetzt Artikel 43 EG) und Art. 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG) erforderten, dass einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat unter den gleichen Voraussetzungen wie Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland bestimmte Vergünstigungen des Doppelbesteuerungsabkommens zukommen müssten.

3. Ein Verstoß gegen Art. 100 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG scheidet bereits mangels eines tauglichen Vorlagegegenstands aus. Eine vorliegend anwendbare Norm des Völkergewohnheitsrechts ist nicht ersichtlich oder benannt. Das gilt auch für das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte "Rechtsschutzprinzip".

4. Auch Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, da sich die angegriffenen Entscheidungen mit dem Vortrag der Beschwerdeführerin zur Anwendbarkeit des europäischen Gemeinschaftsrechts auseinander setzen und lediglich auf Grund einer rechtlichen Würdigung zu einem anderen als dem von der Beschwerdeführerin beantragten Ergebnis gelangen.

5. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG kann ebenfalls nicht festgestellt werden.

a) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG geltend macht, ist bereits zweifelhaft, ob die Beschwerdeführerin die Grundrechtsrüge zulässig erheben kann. Dem könnte Art. 19 Abs. 3 GG entgegenstehen, wonach Grundrechte "auch für inländische juristische Personen [gelten], soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind". Inwieweit Art. 19 Abs. 3 GG ein Umkehrschluss dahingehend zu entnehmen ist, dass ausländischen juristischen Personen keine Grundrechtsträgerschaft und damit im Verfassungsbeschwerde-Verfahren keine Parteifähigkeit zukommt, hat das Bundesverfassungsgericht bisher nicht abschließend geklärt (vgl. BVerfGE 21, 207 <208 f.>; 23, 229 <236>; BVerfGE 18, 441 <447>; 64, 1 <11>).

b) Die Frage kann hier jedoch offen bleiben, weil die Verfassungsbeschwerde hinsichtlich der Rüge des Art. 3 Abs. 1 GG aus anderen Gründen erfolglos ist. Die Rüge des Art. 3 Abs. 1 GG genügt den Begründungsanforderungen gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG nicht.

Zu dem Hinweis der Beschwerdeführerin, aus Art. 25 DBA-Schweiz ergebe sich ein "Grundsatz der Inländergleichbehandlung", der die Anknüpfung an den ausländischen Sitz verbiete, hat bereits das Finanzgericht in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, die genannte Vorschrift verbiete nur Differenzierungen nach der Staatsangehörigkeit dahin, dass die "Staatsangehörigkeit" einer Gesellschaft im abkommensrechtlichen Sinne durch das Gründungsstatut bestimmt werde und dass deshalb bei juristischen Personen der Sitz ein abkommensrechtlich zulässiges Differenzierungskriterium sei. Diese Einschätzung entspricht, wie auch der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss feststellt, der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu mit Art. 25 DBA-Schweiz vergleichbaren Regelungen und der einhelligen Meinung in der Literatur.

Angesichts dessen hätte die Beschwerdeführerin näher darlegen müssen, warum die Rechtsauffassung der angegriffenen Entscheidungen derart sachfremd sein soll, dass sie als objektiv willkürlich erscheint. Das ist nicht geschehen. Sie stützt sich auf Gemeinschaftsrecht, das aber, wie dargelegt, auf Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz nicht anwendbar ist.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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