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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 16.07.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 1912/98
Rechtsgebiete: GG, BVerfGG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
BVerfGG § 93a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1912/98 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 1998 - 3 ZB 98.1978 -,

b) das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 19. Juni 1998 - AN 17 K 98.00013 (2), AN 17 K 98.00014 (1), AN 17 K 98.00271 (1), AN 17 K 98.00273 (2) -,

c) den Gerichtsbescheid des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 28. April 1998 - AN 17 K 98.00013 (2), AN 17 K 98.00014 (1), AN 17 K 98.00271 (1), AN 17 K 98.00273 (2) -,

d) die Widerspruchsbescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. Februar 1998 - Z 1.6 - 4086 -,

e) den Widerspruchsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 16. Dezember 1997 - Z 1.53 - 2200 -,

f) den Widerspruchsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15. Dezember 1997 - Z 1.53 - 2200 -,

g) den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25. November 1997 - Z 1.6 - 4086 -,

h) den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11. November 1997 - Z 1.6 - 4086 -,

i) den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 8. September 1997 - Z 1.53 - 2200 -,

j) den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 4. September 1997 - Z 1.53 - 2200 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Di Fabio und die Richterin Lübbe-Wolff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 16. Juli 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die miteinander verheirateten Beschwerdeführer sind Bundesbeamte. Ihre Anträge auf Gewährung von Auslandstrennungsgeld sowie von Sonderurlaub und Reisebeihilfen für Familienheimfahrten wurden für den Zeitraum abgelehnt, für den sie beide an unterschiedliche Auslandsdienstorte abgeordnet waren und keinen Haushalt im Inland führten. Sie rügen mit der Verfassungsbeschwerde in erster Linie eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch die angegriffenen gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen.

II.

Die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde, der keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt, ist mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Verfassungsrechte angezeigt (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

1. Soweit die Beschwerdeführer sich gegen die Versagung von Sonderurlaub nach § 11 Abs. 2 der Verordnung über Sonderurlaub für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst (Sonderurlaubsverordnung - SUrlV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. April 1997 (BGBl I S. 978) und von Reisebeihilfen nach § 13 Abs. 1 der Verordnung über das Auslandstrennungsgeld (Auslandstrennungsgeldverordnung - ATGV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Juli 1997 (BGBl I S. 1883) wenden, steht bereits der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende allgemeine Grundsatz der Subsidiarität der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde entgegen. Es lässt sich mangels Vorlage des Berufungszulassungsantrags oder Wiedergabe seines wesentlichen Inhalts in der Verfassungsbeschwerdeschrift nicht feststellen, ob die Beschwerdeführer das Berufungszulassungsverfahren im Blick auf den behaupteten Verfassungsverstoß angemessen betrieben haben. Auch den knappen Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, was insoweit im Berufungszulassungsantrag vorgetragen wurde, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung schon im fachgerichtlichen Verfahren auszuräumen.

Soweit die Versagung von Sonderurlaub und Reisebeihilfen angegriffen wird, genügt die Verfassungsbeschwerde im Übrigen auch nicht den Anforderungen an eine substantiierte Begründung gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG. Das Verwaltungsgericht hat die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit zusätzlichen Heimaturlaubs nach der Verordnung über den Erholungs- und Heimaturlaub der in das Ausland entsandten Beamten des Auswärtigen Dienstes (Heimaturlaubsverordnung - HUrlV) vom 18. Januar 1991 (BGBl I S. 144) in der Fassung vom 5. Dezember 1992 (BGBl I S. 2006) verwiesen. Hiermit setzt die Verfassungsbeschwerde sich nicht auseinander.

2. Die mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffene Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 ATGV, wonach Auslandstrennungsgeld nach den §§ 6 bis 8 Abs. 1 und 2 und § 10 nicht gezahlt wird, wenn beide Ehegatten die Anspruchsvoraussetzungen nach der Auslandstrennungsgeldverordnung erfüllen, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sie auch den Fall erfasst, dass die Ehegatten an verschiedenen Dienstorten im Ausland tätig sind. Dies gilt in gleicher Weise für die bis 31. Dezember 1997 geltende Fassung der ATGV vom 18. Juli 1997 (BGBl I S. 1883) wie für die ab dem 1. Januar 1998 geltende Fassung vom 22. Januar 1998 (BGBl I S. 189), durch die sich die hier maßgebliche Rechtslage, wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, nicht geändert hat.

a) Nach Art. 3 Abs. 1 GG ist der Gesetzgeber gehalten, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Es verbleibt ihm freilich - zumal bei Regelungen des Besoldungs- und Versorgungsrechts - ein weiter Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfGE 71, 39 <52 f.>; 76, 256 <330>; 93, 386 <397>; stRspr). Dem Gesetzgeber steht es insbesondere frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (vgl. BVerfGE 71, 39 <53>; 76, 256 <295, 330>). Der Gesetzgeber hat die Grenzen der ihm zustehenden weiten Gestaltungsfreiheit - mit der Folge einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG - erst überschritten, wenn die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, d.h. wenn die gesetzliche Differenzierung sich - sachbereichsbezogen - nicht auf einen vernünftigen rechtfertigenden Grund zurückführen lässt (vgl. BVerfGE 71, 39 <58>; 75, 108 <157>; 76, 256 <329>; 93, 386 <397>; stRspr).

Dieser Maßstab gilt für0 den Erlass von Rechtsvorschriften durch Organe der Exekutive entsprechend, wobei der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum hier enger ist, weil er nur in dem von der Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen besteht. In diesem Rahmen muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und hat sich von sachfremden Erwägungen freizuhalten (vgl. BVerfGE 69, 150 <160> m.w.N.).

b) Gemessen an diesem Maßstab liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor. Die Ausschlussklausel des § 12 Abs. 1 Satz 1 ATGV entspricht dem spezifischen Regelungszweck der Verordnung (aa>) und beruht, wie dieser selbst, auf Besonderheiten des Regelungsbereichs, die geeignet sind, die mit der Regelung verbundenen Differenzierungen zu rechtfertigen (bb>).

aa) Die Ausschlussklausel des § 12 Abs. 1 Satz 1 ATGV wird dem Regelungszweck dieser Verordnung gerecht: Aus § 1 Abs. 2 ATGV ergibt sich, dass Zweck der Gewährung von Auslandstrennungsgeld von vornherein nur die Entschädigung für getrennte Haushaltsführung mit Bezug zur bisherigen Wohnung ist; der dort geführte Haushalt muss beibehalten werden (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. Januar 1992 - 1 A 1136/89 -, RiA 1992, S. 266; Meyer/Fricke, Reisekosten im öffentlichen Dienst, Kommentar, Gruppe 24, § 4 ATGV a.F. Rn. 12). Das Auslandstrennungsgeld soll insbesondere die Kosten der Weiterführung des Haushalts der Familie am bisherigen Wohnort abgelten (vgl. Meyer/Fricke, a.a.O., § 1 ATGV a.F. Rn. 45). Folgerichtig schließt § 12 Abs. 1 Satz 1 ATGV die Zahlung von Auslandstrennungsgeld aus, wenn beide Ehegatten anspruchsberechtigt sind. Diese Ausschlussklausel kommt nach § 12 Abs. 1 Satz 2 ATGV nicht zur Anwendung, wenn andere Familienangehörige in der bisherigen Wohnung verbleiben; denn in diesem Fall wird der bisherige Haushalt - wenn auch mit verringerter Personenzahl - fortgeführt; das Auslandstrennungsgeld wird dann dem Ehegatten mit den höheren Dienstbezügen gezahlt. Dass der Ausschluss nach § 12 Abs. 1 Satz 1 ATGV vom Verordnungsgeber auch für den Fall der Abordnung beider Ehegatten an unterschiedliche Auslandsdienstorte gewollt ist, ergibt sich auch aus der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 3 ATGV, wonach Satz 1 entsprechend anwendbar ist, wenn der Ehegatte Trennungsgeld nach § 3 der für Abordnungen im Inland geltenden Trennungsgeldverordnung bezieht. Dies belegt, dass die Ausschlussklausel nicht nur bei gemeinsamer Abordnung an einen Ort Anwendung finden soll.

Diese Regelung hält sich im Rahmen der Verordnungsermächtigungen des § 14 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes über die Umzugskostenvergütung für die Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst und Soldaten (Bundesumzugskostengesetz - BUKG) vom 11. Dezember 1990 (BGBl I S. 2682) und des § 22 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 des Gesetzes über die Reisekostenvergütung für die Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst und Soldaten (Bundesreisekostengesetz - BRKG) in der Fassung vom 13. November 1973 (BGBl I S. 1621), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2049). Nach § 22 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 BRKG erhalten Beamte und Richter für Abordnungen ohne Zusage der Umzugskostenvergütung zwischen dem Inland und dem Ausland für die ihnen dadurch entstehenden notwendigen Auslagen unter Berücksichtigung der häuslichen Ersparnis ein Trennungsgeld nach einer Rechtsverordnung. Durch § 14 Abs. 1 BUKG wird der Bundesminister des Auswärtigen ermächtigt, für Auslandsumzüge durch Rechtsverordnungen nähere Vorschriften über die notwendige Umzugskostenvergütung sowie das notwendige Trennungsgeld zu erlassen. Nach § 14 Abs. 3 Nr. 1 BUKG ist insbesondere die Entschädigung für getrennte Haushaltsführung zu regeln. Weitere Vorgaben enthält die Verordnungsermächtigung nicht. Die Auslandstrennungsgeldverordnung erfüllt insgesamt den Ermächtigungsauftrag, den aus dienstlicher Veranlassung entstehenden Mehraufwand getrennter Haushaltsführung abzugelten, indem sie die funktionsbezogene Bemessung des Mehraufwands für die zurückgebliebene Familie zum Maßstab macht (vgl. Meyer/Fricke, a.a.O., § 1 ATGV a.F. Rn. 13).

bb) Gemessen an dem unter aa) dargestellten Regelungszweck, der sich in dem von den Ermächtigungsnormen abgesteckten Rahmen hält, werden - gleichzeitig abgeordnete - Eheleute gleich behandelt, unabhängig davon, ob sie an einen oder an zwei Orte im Ausland abgeordnet sind. Der Tatbestand, den das Auslandstrennungsgeld ausgleichen soll (Kosten der getrennten Haushaltsführung bei Beibehaltung der bisherigen Wohnung), liegt in beiden Fallgruppen nicht vor.

Der Verordnungsgeber hat nicht dadurch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, dass das Getrenntleben (doppelter Haushalt) an zwei Orten im Ausland nicht gesondert durch Auslandstrennungsgeld abgegolten wird. Dies wäre nur gleichheitswidrig, wenn zwischen der Gruppe der im Ausland an verschiedenen Dienstorten getrennt lebenden Beamten und derjenigen mit getrennten Haushalten im Inland keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestünden, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Derartige Unterschiede, die die ungleiche Behandlung rechtfertigen, sind aber gegeben:

Zum einen durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass verheiratete Beamte mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 1 GG regelmäßig nicht für längere Zeit an unterschiedliche Dienstorte abgeordnet werden und in den verbleibenden Ausnahmefällen die trennungsbedingten Mehraufwendungen durch den Bezug von Auslandsbesoldung hinreichend abgegolten sind. Zwar dient die erhöhte Auslandsbesoldung nach den §§ 52 ff. BBesG, deren wesentlicher Bestandteil der Auslandszuschlag nach § 55 BBesG ist, nicht dem Ausgleich dieser Aufwendungen, sondern der Abgeltung von Mehraufwendungen, die durch das Leben im Ausland selbst entstehen. Bei der Bemessung des - steuerfrei gewährten - Zuschlags nach § 55 BBesG werden indessen nicht nur materielle Gesichtspunkte, sondern auch - nicht messbare - immaterielle Belastungen berücksichtigt (vgl. Schwegmann/Summer/Massner, Bundesbesoldungsgesetz, Kommentar, § 55 Rn. 2).

Zum anderen wird der trennungsbedingte Mehraufwand auch dadurch erheblich gemindert, dass die Beschwerdeführer den Hausrat aus der beibehaltenen Wohnung im Inland während der Dauer ihrer gleichzeitigen Auslandsabordnung an den jeweiligen Dienstorten nutzen können, ohne dass ihnen insoweit eine zusätzliche finanzielle Belastung entsteht. Denn ausweislich des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts ist beiden Beschwerdeführern Umzugskostenvergütung zugesagt worden. Wird aber mangels Verbleibens eines Familienangehörigen im Inland dort kein Haushalt mehr geführt, erscheint die Aufteilung und Nutzung des vorhandenen Hausrats an den Auslandsdienstorten zumutbar. Der trennungsbedingte Mehraufwand ist damit vorliegend ungleich geringer als in Fällen, in denen der bisherige Haushalt im Inland beibehalten wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ausschlussklausel des § 12 Abs. 1 Satz 1 ATGV nicht die Erstattung der Miete für die beibehaltene Wohnung im Inland betrifft; vielmehr hat hier nach § 12 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz ATGV einer der Beschwerdeführer Anspruch auf Mietersatz. Als von der Ausschlussklausel des § 12 Abs. 1 Satz 1 ATGV betroffen verbleibt also nur ein kaum bezifferbarer Mehraufwand infolge der Notwendigkeit, sich im Ausland getrennt zu verpflegen. Dass der Verordnungsgeber diese relativ geringe Belastung nicht gesondert durch Auslandstrennungsgeld abgegolten hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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