Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: 2 BvR 2061/03
Rechtsgebiete: BVerfGG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2061/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 9. September 2003 - 2 Ws 630/03 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 5. Februar 2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht vorliegt (§§ 93a Abs. 1, 93b BVerfGG). Der Verfassungsbeschwerde kommt grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung nicht zu, und die Annahme ist zur Durchsetzung der Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte des Beschwerdeführers nicht angezeigt, weil die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG an die richterliche Überprüfung der Fortdauer einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus stellen, ergeben sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluss wird diesen Anforderungen gerecht.

Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigen Gründen eingeschränkt werden darf. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie die des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts und auch die Anstaltsunterbringung gefährlicher Verurteilter zum Schutze der Allgemeinheit (vgl. BVerfGE 22, 180 <219>; 58, 208 <224 f.>; 66, 191 <195>; 70, 297 <307>; 90, 145 <172>). Ebenso wie für die Anordnung gilt auch für jede Überprüfung und Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung, dass aus dem Freiheitsrecht sowohl Anforderungen an das Verfahren und dabei insbesondere an eine zuverlässige Wahrheitserforschung folgen als auch eine strenge Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen hat (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 66, 191 <195>; 70, 297 <308 f., 311 f.>; 86, 288 <317, 326>). Je länger eine Unterbringung im Maßregelvollzug bereits dauert, desto strenger sind diese Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung, um der Gefahr von Routinebeurteilungen vorzubeugen und sicherzustellen, dass der Richter eine das Gewicht des Freiheitsanspruchs berücksichtigende eigene Entscheidung auf gesicherter Tatsachengrundlage aufbaut. Der Richter hat allgemeine Wendungen zu vermeiden und seine Würdigung eingehend abzufassen, um seine Bewertung substantiiert offen zu legen, nach der die vom Verurteilten ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch aufwiegt (vgl. BVerfGE 70, 297 <310 f., 316>).

Das Oberlandesgericht, das weitgehend auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug nimmt, hat eine der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ausreichend Rechnung tragende Bewertung und Abwägung vorgenommen, die auf zureichender Sachverhaltsaufklärung beruht. Verstöße gegen Verfassungsrecht sind nicht zu erkennen. Die von der ärztlichen Stellungnahme vermittelten Bewertungen hat das Landgericht in einer mündlichen Anhörung des Beschwerdeführers bestätigt gefunden. Dass die befassten Gerichte die von dem Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit nach einer Betrachtung der abgeurteilten Taten und der sachverständigen Begutachtung des derzeitigen Persönlichkeitszustandes, der maßgeblich von der nicht bewältigten Alkoholabhängigkeit bestimmt ist, als so erheblich bewertet haben, dass eine Freilassung nicht verantwortet werden könne, ist auch bei Anlegen strenger Maßstäbe verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Dass an die Abwägung zwischen dem Schutzinteresse der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers wegen der bereits langjährigen Unterbringungszeit besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind, haben die Gerichte ausdrücklich ausgeführt und berücksichtigt. Mit Rücksicht auf die Bewährung des Beschwerdeführers in gewährten Vollzugslockerungen hat das Landgericht die Überprüfungsfrist verkürzt (§ 67e Abs. 3 Satz 1 StGB). Es wird auch zu prüfen haben, ob angesichts der Unterbringungszeit dem besonderen Gewicht des Freiheitsgrundrechts und dem Gebot sorgfältiger Sachverhaltsaufklärung dadurch entsprochen werden sollte, dass ein anstaltsfremder Sachverständiger hinzugezogen wird (vgl. BVerfGE 70, 297 <310 f.>).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück