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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 24.03.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 2086/02
Rechtsgebiete: BVerfGG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2086/02 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Kammergerichts vom 4. Dezember 2002 - 1 AR 1452/02 - 5 Ws 631/02 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. Oktober 2002 - 542 StVK 225/02 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 24. Februar 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

Der verfassungsrechtliche Maßstab für die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist geklärt (vgl. BVerfGE 70, 297 <307 ff., 311 ff.>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 6. April 1995 - 2 BvR 1087/94 -, NJW 1995, S. 3048 - auch JURIS). Wegen des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützten Freiheitsrechts des Täters ist bei der gebotenen Gesamtwürdigung die vom Täter ausgehende Gefahr zur Schwere des mit der Maßregel verbundenen Eingriffs ins Verhältnis zu setzen. Die weitere Unterbringung des Täters rechtfertigt sich nur, wenn infolge seines Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Die Beurteilung hat sich demnach darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Zu erwägen sind das frühere Verhalten des Untergebrachten und von ihm bislang begangene Taten. Je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bereits andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges sein.

Die fachgerichtlichen Entscheidungen werden diesem Maßstab gerecht. Die Fachgerichte haben die Fortdauer des Maßregelvollzugs der Unterbringung im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr, erhebliche rechtswidrige Taten zu begehen, gewürdigt und damit die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme geprüft und begründet. Das getroffene Abwägungsergebnis begegnet nach den Grundsätzen der verfassungsgerichtlichen Überprüfbarkeit fachgerichtlicher Entscheidungen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 95, 96 <127 f.>) keinen Bedenken.

Die Annahme, der Beschwerdeführer werde in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, ist verfassungsrechtlich unbedenklich, da bereits einfachrechtlich Körperverletzungen als erheblich angesehen werden (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., 2001, § 63 Rn. 12). Die Fachgerichte haben daher zu Recht bei der Gefahrenprognose auf die verschiedenen Körperverletzungen abgestellt, die der Beschwerdeführer im Rahmen der Vorbelastung, bei der Anlasstat und während der vorübergehenden Aussetzung des Maßregelvollzugs begangen hat.

Die Annahme, eine Gefährdung bestehe solange fort wie der Untergebrachte keine Einsichtsfähigkeit zeige und zwangsweise einer Medikation zugeführt werden müsse, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Fachgerichte haben in Anlehnung an die medizinische Begutachtung durch einen Sachverständigen und die ärztlichen Stellungnahmen des psychiatrischen Krankenhauses das Gefährdungspotential in Abhängigkeit vom psychobezogenen Gesundheitszustand gesehen. Es ist nicht erkennbar, dass die Beurteilung der Fachgerichte auf unzutreffenden oder veralteten medizinischen Beurteilungen beruht.

Selbst wenn anlässlich der Anhörung im August 2002 eine in den letzten acht Monaten anhaltende Stabilisierungstendenz festgestellt worden sein sollte, begründet dies keine Zweifel an der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Fachgerichte. Angesichts der mehrfach begangenen Körperverletzungen und der Gefahr für das hohe Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) ist dieser Zeitraum zu kurz bemessen, um die angenommene Gefahrenprognose als verfassungswidrig einzustufen.

Auch die Dauer der Unterbringung des Beschwerdeführers verlangt angesichts des bestehenden Gefahrenpotentials derzeit keine andere verfassungsrechtliche Bewertung der Verhältnismäßigkeit. Anhaltspunkt für eine langandauernde Unterbringung ist der Strafrahmen derjenigen Tatbestände, die der Täter verwirklicht hat und an die seine Unterbringung anknüpft, oder der Delikte, die von ihm drohen (vgl. BVerfGE 70, 297 <316>). Bei einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren bei Körperverletzungen gebietet die seit der Aussetzung der Maßregel verstrichene Zeit von vier Jahren keine andere Bewertung aus verfassungsrechtlicher Sicht.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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