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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 07.10.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 2118/01
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2118/01 -

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 5. November 2001 - Ws 1223/01 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 12. September 2001 - 1 Qs 96/2001 -,

c) den Kostenansatz des Kostenbeamten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Regensburg vom 21. Juni 2001 - 47 VRs 12440/99- c-01 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 7. Oktober 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 5. November 2001 - Ws 1223/01 - und des Landgerichts Regensburg vom 12. September 2001 - 1 Qs 96/2001 - sowie der Kostenansatz des Kostenbeamten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Regensburg vom 21. Juni 2001 - 47 VRs 12440/99- c-01 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes, soweit ihm hierdurch die Kosten der im Rahmen der Briefkontrolle angefallenen Dolmetschertätigkeit auferlegt worden sind.

Die Entscheidungen werden insoweit aufgehoben, und die Sache wird an den Kostenbeamten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Regensburg zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten.

Gründe:

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist die Frage, ob im Ermittlungs- und Hauptverfahren entstandene Dolmetscherkosten für die Übersetzung von Telefonüberwachungsprotokollen und von privater Post des inhaftierten Beschuldigten vom Staat zu tragen sind oder ob sie dem Verurteilten auferlegt werden dürfen.

I.

1. Der Beschwerdeführer ist tschechischer Staatsangehöriger und der deutschen Sprache nicht mächtig. Er wurde wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz in Untersuchungshaft genommen und schließlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt. Zugleich wurden ihm die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen auferlegt.

Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens stellte die Staatsanwaltschaft dem Beschwerdeführer Kosten u.a. für die Übersetzung von im Rahmen einer Telefonüberwachung aufgezeichneten Gespräche, die in tschechischer Sprache geführt worden waren, in Höhe von 8.747,53 DM in Rechnung. Im fachgerichtlichen Verfahren wehrte sich der Beschwerdeführer sowohl gegen die Überbürdung selbst als auch gegen die Höhe der geltend gemachten Kosten.

Ebenfalls in Rechnung gestellt wurden dem Beschwerdeführer die im Rahmen der Briefkontrolle angefallenen Übersetzungskosten für Briefe, die der Beschwerdeführer während der Untersuchungshaft vor allem an seine Familie gesandt hatte. Insoweit beläuft sich der eingeforderte Betrag auf 11.494,20 DM.

Der Beschwerdeführer gibt an, es sei ihm zwar bekannt gewesen, dass der Schriftverkehr überwacht werde, nicht jedoch, welche Kostenlast er durch die Korrespondenz mit seiner Familie verursachen werde. Niemand habe ihn darauf aufmerksam gemacht.

2. Die im fachgerichtlichen Verfahren ausgeschöpften Rechtsmittel waren erfolglos.

Das Landgericht wies die Erinnerung des Beschwerdeführers zurück. Zur Begründung führte die Strafkammer aus, bei den Telefonüberwachungskosten handele es sich um Auslagen der Staatskasse, die vom Verurteilten erhoben werden dürften. Die im Rahmen der Briefkontrolle angefallenen Übersetzungskosten hätten keine zu Verteidigungszwecken erforderliche Post zum Gegenstand gehabt, sodass auch insoweit eine Überbürdung auf den Verurteilten zulässig sei. Art. 6 Abs. 3 e MRK garantiere nur die unentgeltliche Übersetzung für Erklärungen und Schriftstücke, auf die der Beschuldigte zu seiner Verteidigung angewiesen sei.

Das Oberlandesgericht bestätigte diese Rechtsauffassung in seiner Beschwerdeentscheidung. Der Strafsenat verneinte zudem eine Hinweispflicht und führte hierzu aus, Art und Ausführung der Briefkontrolle stünden im Ermessen des Haftrichters. Dieser könne die Kontrolle auf Stichproben beschränken oder anordnen, dass zur schnelleren oder effektiveren Kontrolle der Post der Dolmetscher am Gerichtsort erscheine, um dort die Übersetzung vorzunehmen oder die Post persönlich abzuholen. Im konkreten Fall sei eine unrichtige Sachbehandlung nicht erkennbar. Die mit der Kontrolle und Übersetzung verbundene relativ hohe Kostenlast müsse grundsätzlich vom Beschuldigten bzw. Verurteilten hingenommen werden.

II.

Mit der Verfassungsbeschwerde werden ein Verstoß der fachgerichtlichen Entscheidungen gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und eine Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren gerügt.

Zur Begründung trägt er vor, Landgericht und Oberlandesgericht hätten in ihrer Argumentation zwei wesentliche Aspekte übersehen. Ihr Ausgangspunkt, der Staat könne nicht in allen Bereichen der staatlichen Über- und Unterordnung jedem immer einen unentgeltlichen Dolmetscher zur Verfügung stellen, sei zu pauschal. Denn der Beschwerdeführer verlange nicht, dass seine privaten Briefe auf Kosten der Allgemeinheit übersetzt werden. Vielmehr gehe es um ein Strafverfahren, in dem staatliche Eingriffe in die Privatsphäre des Betroffenen besonders gravierend seien. Deshalb müssten die dem Beschuldigten verbleibenden Rechte besonders "gepflegt" werden. Dies gelte umso mehr, je stärker in seine Rechtspositionen eingegriffen werde.

Während im Alltag bei Verständigungsproblemen auf die unentgeltliche Hilfe von Freunden oder Familienangehörigen zurückgegriffen werden könne, sei dies während einer Inhaftierung nicht möglich, da der Kontakt zu diesen Personen unterbrochen sei. Es stehe auch nicht im Ermessen des inhaftierten Beschuldigten zu entscheiden, ob, wie und zu welchem Preis seine private Korrespondenz übersetzt werde. Er habe zumeist keine Möglichkeit, Kosten, die er sich nicht leisten könne, zu vermeiden, indem er günstigere Übersetzungshilfen in Anspruch nehme. Die einzige Möglichkeit, die ein inhaftierter Beschuldigter habe, um seine Verschuldung wegen entstehender Übersetzungskosten zu vermeiden, sei, die Korrespondenz einzustellen oder - bei entsprechender Aufklärung über die entstehenden Kosten - zu berechnen, wie viele Zeilen er sich monatlich leisten könne. Insofern sei seine Situation eine besondere und lasse sich nicht verallgemeinern.

Die in den angegriffenen Entscheidungen vertretene Rechtsauffassung mache die Möglichkeit des inhaftierten Beschuldigten, Kontakt zur Außenwelt zu halten, von seiner finanziellen Situation abhängig. Damit liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 und Abs. 1 GG vor, denn die Benachteiligung erfolge nicht nur wegen der Sprache, sondern auch wegen der Finanzkraft.

Zudem werde in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers gemäß Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen, da die Überbürdung der Dolmetscherkosten zur Verschuldung und damit zu einer erhöhten Rückfallgefahr führe.

III.

Auf Nachfrage der Kammer haben das Bundesministerium der Justiz und die Landesjustizministerien mitgeteilt, wie die Praxis jeweils verfährt. Im Ergebnis zeigt sich folgendes Bild:

1. Die Dolmetscherkosten, die im Zuge der Kontrolle priva-ter Post des inhaftierten Beschuldigten entstehen, werden auf Bundesebene in den vom Generalbundesanwalt geführten Ermittlungsverfahren sowie in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen dem Verurteilten nicht auferlegt. In den Ländern Berlin, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein erfolgt hingegen eine Überbürdung, während die Praxis in den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen uneinheitlich verfährt.

2. Die im Rahmen der Besuchsüberwachung des inhaftierten Beschuldigten anfallenden Dolmetscherkosten werden auf Bundesebene sowie in den Ländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nicht erhoben. In Ansatz gebracht werden sie hingegen in den Ländern Berlin, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Uneinheitlich verfährt die Praxis in den Ländern Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

3. Soweit Dolmetscherkosten bei Telefonüberwachungsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren entstehen, werden diese auf Bundesebene sowie in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen dem Verurteilten nicht auferlegt. In den Ländern Baden-Württem-berg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und dem Saarland verfährt die Praxis entgegengesetzt, und in den Ländern Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Praxis uneinheitlich.

IV.

Die Verfassungsbeschwerde ist in einer die Zuständigkeit der Kammer eröffnenden Weise begründet. Die angefochtenen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG,soweit sie die Dolmetscherkosten für die Brief- und Besuchskontrolle inhaftierter Beschuldigter zum Gegenstand haben. Soweit sie hingegen die im Rahmen von Telefonüberwachungsmaßnahmen anfallenden Dolmetscherkosten betreffen, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

1. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG steht der Schlechterstellung von in Untersuchungshaft befindlichen fremdsprachigen Angeklagten bei Kosten der Briefkontrolle und Besuchsüberwachung grundsätzlich entgegen.

a) Nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf niemand wegen seiner Sprache benachteiligt oder bevorzugt werden. Die Sprache darf grundsätzlich nicht als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden. Das gilt auch dann, wenn die Regelung nicht auf eine solche Ungleichbehandlung abzielt, sondern an sich andere Ziele verfolgt (vgl. BVerfGE 85, 191 <206>; 97, 35 <43> - unter Aufgabe des zuvor [in BVerfGE 39, 334 <368>; 59, 128 <157>; 75, 40 <70>] vertretenen Finalitätserfordernisses). Ausnahmen können, etwa auf der Grundlage einer Abwägung mit kollidierendem Verfassungsrecht, gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 85, 191 <207 ff.>; 92, 91 <109>).

Ebenso wie für die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes kommt es hierbei auf die materiellen Wirkungen einer Regelung in der Wirklichkeit an, faktische Benachteiligungen werden also gleichfalls erfasst (vgl. BVerfGE 97, 35 <43>; Osterloh, in: Sachs, GG, 3. Auflage, Art. 3 Rn. 255 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 6. Auflage, Art. 3 Rn. 108). Auch mangelnde Sprachkenntnisse können grundsätzlich dem Diskriminierungsverbot unterfallen (vgl. BVerfGE 39, 334 <368>; Osterloh, in: Sachs, GG, 3. Auflage, Art. 3 Rn. 299; Starck, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Band I, 4. Auflage, Art. 3 Rn. 352 f., 363 f.).

b) Die einem fremdsprachigen Angeklagten in Untersuchungshaft auferlegten Dolmetscherkosten für die Übersetzung seiner privaten Post und für die Kontrolle seiner Besuche werden zwar auf die allgemeine Kostenvorschrift des § 464 StPO gestützt, die nicht nach dem in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Kriterium differenziert; sie sind gleichwohl unmittelbare Folge der mangelnden Sprachkenntnisse.

Im Falle der Verurteilung des Angeklagten wird zwar das staatliche Verfolgungsinteresse bestätigt, sodass die Auferlegung der Kosten des Strafverfahrens grundsätzlich gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 18, 302 <304>; 31, 137 <140 f.>). Einem deutschen Verurteilten entstehen Dolmetscherkosten in diesem Rahmen jedoch nicht, und dem fremdsprachigen Verurteilten entstehen sie nur wegen seiner mangelnden Sprachkenntnisse. Er erleidet im Verhältnis zum Deutschen in einer vergleichbaren Situation einen Nachteil auf Grund seiner Sprachunkundigkeit. Ihm wird die Freiheit genommen, kostenlosen Briefkontakt zu halten (auf das Freiheitselement des Grundrechts abstellend insbesondere Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn. 140 f.).

Der Schutzbereich des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist also betroffen. Die hiergegen angebrachte Argumentation (OLG Koblenz, StV 1997, S. 429 <430> mit zustimmender Anmerkung von Kühne, StV 1997, S. 430 ff.) überzeugt nicht (für eine Freistellung von den Kosten hingegen u.a. Franke, in: Karlsruher Kommentar, 4. Auflage, § 464 a Rn. 4a; Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, Art. 6 MRK Rn. 24; Paulus, in: KMR, StPO, § 464 a Rn. 10; nicht eindeutig Hilger, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 464 a Rn. 8 a.E.). Es geht nicht um schlichte Eingriffsverwaltung, sondern um einen sensiblen Grundrechtsbereich. Dem in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten ist die ihm durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit seiner Person genommen; er kann sich nicht frei bewegen und - worauf der Beschwerdeführer zu Recht hinweist - einen Sprachmittler aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis bitten, eine Übersetzung für ihn vorzunehmen. Grundsätzlich ist zudem das Recht auf unüberwachten und unkontrollierten Briefverkehr zu gewährleisten (zu Art. 2 Abs. 1: vgl. BVerfGE 35, 35 <39 f.>; 35, 311 <315 ff.>; 57, 170 <177 ff.>; zu Art. 10 Abs. 1 GG bei der Kontrolle ausgehender Briefe: BVerfGE 33, 1 <11>; zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG: BVerfGE 33, 1 <14 ff.>; 42, 234 <236 f.>), und schließlich ist, soweit der Briefverkehr - wie hier - den familiären Kontakt betrifft, Art. 6 Abs. 1 GG berührt (vgl. BVerfGE 57, 170 <178 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1996 - 2 BvR 2137/95 -, NJW 1997, S. 185).

Damit werden auch die Gründe deutlich, die eine unterschiedliche Behandlung der mit der Verfassungsbeschwerde thematisierten Kostenarten rechtfertigen. Bei der Brief- und Besuchskontrolle entzieht der Staat dem inhaftierten Beschuldigten die Möglichkeit, kostenfrei Kontakt zur Außenwelt zu halten, und verweigert ihm dieses einem deutschen Beschuldigten gewährte Recht. Die Telefonüberwachung und nachfolgende Übersetzung der gefertigten Protokolle stellen hingegen notwendige Ermittlungshandlungen zur Aufklärung einer Straftat dar, die deutsche Beschuldigte oder ausländische, aber der deutschen Sprache mächtige Beschuldigte, die fremdsprachige Telefonate führen, in gleicher Weise treffen können.

c) Da Art. 3 Abs. 3 GG keinen Gesetzesvorbehalt aufweist, wird der Gesetzgeber nicht zu Einschränkungen des Grundrechts ermächtigt. Möglich ist aber eine Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht (BVerfGE 85, 191 <209>; 92, 91 <109>; Osterloh, a.a.O., Rn. 254). Hier kommt als Einschrän-kung nur die Sicherung der Verfahrensdurchführung in Betracht.

Die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung seiner Schuld und seine Bestrafung wie auch der Freispruch des Unschuldigen sind die wesentlichen Aufgaben der Strafrechtspflege (vgl. BVerfGE 39, 1 <45 ff.>; 88, 203 <257 f.>; siehe auch BVerfGE 51, 324 <343>), die zum Schutz der Bürger den staatlichen Strafanspruch in einem justizförmigen und auf die Ermittlung der Wahrheit ausgerichteten Verfahren in gleichförmiger Weise durchsetzen soll (vgl. BVerfGE 57, 250 <275>; 80, 367 <378>; 100, 313 <389>). Der Erlaß von Strafnormen und deren Anwendung in einem rechtsstaatlichen Verfahren sind Verfassungsaufgaben. Die staatliche Strafrechtspflege darf auf dem Weg zu einer Entscheidung unter bestimmten Voraussetzungen in Grundrechte Verdächtiger und bei Nachweis einer schuldhaft begangenen Straftat in Rechte des Täters eingreifen. Konflikte zwischen den Rechten des Beschuldigten und dem Verfassungsgebot des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes und seiner Durchsetzung im Verfahren sind durch Abwägung aufzulösen. Lässt sich ein Ausgleich nicht herstellen, so ist unter Berücksichtigung der falltypischen Gestaltung und der besonderen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, welches Interesse zurückzutreten hat (vgl. zu Art. 5 GG: BVerfGE 35, 202 <225>; 59, 231 <261 ff.>; 67, 213 <228>; siehe auch BVerfGE 81, 278 <292>; 93, 1 <21>).

Zweck der Untersuchungshaft ist die Sicherung des Verfahrens. Auch die Brief- und Besuchskontrolle dient diesem Ziel, insbesondere der Verhinderung von Verdunkelungsmaßnahmen, Fluchtplänen oder sonstigen verfahrenswidrigen Handlungen; der Brief- und Besuchsverkehr darf zur Sicherung dieser Ziele eingeschränkt werden (vgl. BVerfGE 15, 288 <293> - zur Vorgängervorschrift von § 119 Abs. 3 StPO; 34, 384 <395 f.>; 57, 170 <177>).

Der Besuchsverkehr unterliegt unabhängig davon, ob ein Dolmetscher hinzuzuziehen ist, bereits aus Gründen der Anstaltssicherheit und -ordnung einer so starken Reglementierung, dass die mangelnden Sprachkenntnisse des Inhaftierten nicht zu einer noch weiter gehenden Einschränkung des Besuchsrechts führen dürfen. Die in diesem Zusammenhang für Übersetzungsleistungen anfallenden Kosten sind also regelmäßig vom Staat zu übernehmen (vgl. OLG Frankfurt, StV 1986, S. 24 <25>; OLG Düsseldorf, NStZ 1991, S. 403). Dies gilt in gleicher Weise für Briefe des inhaftierten Beschuldigten.

In Bezug auf den Briefverkehr des Untersuchungsgefangenen kann es dem Zweck der Untersuchungshaft zuwiderlaufen, wenn dieser einen unverhältnismäßigen Aufwand bei der Kontrolle notwendig macht (vgl. OLG Stuttgart, MDR 1973, S. 335). Ein nicht mehr hinzunehmender Aufwand kann grundsätzlich auch in unverhältnismäßig hohen (vgl. OLG München, NStZ 1984, S. 332 <333>) oder objektiv überflüssigen (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1994, S. 559) Übersetzungskosten bestehen (OLG Brandenburg, NStZ-RR 1997, S. 74).

Dabei haben die Strafverfolgungsbehörden zunächst darauf zu achten, dass nicht in jedem Fall eine Übersetzung erforderlich, die pauschale Anordnung der Übersetzung mithin grundsätzlich nicht zulässig ist. Die Entscheidung dieser Frage ist Sache des jeweiligen Einzelfalls; hierbei spielen der Haftgrund (bei Vorliegen von Verdunkelungsgefahr wird eine Übersetzung eher erforderlich sein als beim Haftgrund der Fluchtgefahr; hier reichen ggf. Stichproben) und der Adressat des Briefes (bei mutmaßlichen Tatbeteiligten in Abgrenzung zu engen Familienangehörigen oder Lebenspartnern) eine wichtige Rolle. Erst wenn ermessensfehlerfrei eine Übersetzung überhaupt erforderlich angesehen wird, stellt sich die Frage, in welchem Umfang die anfallenden Übersetzungskosten vom Staat zu tragen sind. Auch dies ist eine Frage des Einzelfalls (Dauer der Inhaftierung, Adressat des Briefes etc.) und kann nicht generell zu einer Begrenzung etwa von einem Brief pro Woche führen (so aber LG Berlin, StV 1994, S. 325 unter Berufung auf OLG München, NStZ 1984, S. 332 f.).

In jedem Fall wird der Inhaftierte vor Weiterleitung an einen Dolmetscher darauf hinzuweisen sein, dass er ggf. Übersetzungskosten selbst zu tragen hat, um ihm die Möglichkeit zu geben, diese Aufwendungen zu sparen.

Da im konkreten Fall keinerlei Differenzierung vorgenommen und offenbar die Übersetzung sämtlicher Briefe angeordnet worden ist, ohne den Beschwerdeführer auf die ggf. entstehenden Kosten hinzuweisen, können die angegriffenen Entscheidungen hinsichtlich der für die Briefkontrolle entstandenen Übersetzungskosten keinen Bestand haben.

Die Auferlegung der Kosten für die Übersetzung der Telefonüberwachungsprotokolle verstößt hingegen nicht gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.

2. Die Grundsätze fairen Verfahrens sind durch die Überbürdung dieser Kosten nicht verletzt.

a) Jeder Ausländer hat im Verfahren vor Gerichten der Bundesrepublik dieselben prozessualen Grundrechte sowie denselben Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren wie jeder Deutsche (vgl. BVerfGE 40, 95 <98>). Das folgt unmittelbar aus diesen Grundrechten selbst, die, ebenso wie das Recht auf ein faires Verfahren, als wesentlicher Grundsatz eines rechtsstaatlichen Verfahrens (BVerfGE 38, 105 <111>) für jedermann gelten.

Das Recht auf ein faires Verfahren verbietet es, den der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten zu einem unverstandenen Objekt des Verfahrens herabzuwürdigen; er muss in die Lage versetzt werden, die ihn betreffenden wesentlichen Verfahrensvorgänge verstehen und sich im Verfahren verständlich machen zu können (BVerfGE 64, 135 <145>).

Den insoweit an die Ausgestaltung des Strafverfahrens gestellten Anforderungen haben Rechtsordnung und Rechtspraxis in Konkretisierung des Verfassungsgebots in weitem Umfang Rechnung getragen. Dem der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten werden im Strafverfahren Übersetzungshilfen gewährt, die es ihm ermöglichen, sich gegen den strafrechtlichen Vorwurf zur Wehr zu setzen und dadurch seine Rolle als Subjekt des Verfahrens auszufüllen.

Die hierfür entstehenden Kosten sind dem Freigesprochenen nicht und dem Verurteilten nur ausnahmsweise aufzuerlegen (§ 464 c StPO). Mit dieser Vorschrift ist der Gesetzgeber den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 e MRK und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gefolgt (EGMR, NJW 1979, S. 1091 <1092>; Begründung der Gesetzesänderung in BTDrucks 11/4394, S. 11 zu Artikel 2).

b) Bei den Übersetzungen der Telefonüberwachungsprotokolle geht es allerdings um Dolmetscherleistungen zu Gunsten der Justiz, ohne dass dadurch der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsinteressen betroffen wäre. Die Frage, ob die der Absicherung des fairen Verfahrens für den Beschuldigten dienende Norm des Art. 6 Abs. 3 e MRK gleichwohl eingreift, ist umstritten (für eine Gleichstellung aller Übersetzungskosten OLG Düsseldorf, MDR 1981, S. 74 f.; a.A.: OLG Koblenz, StV 1997, S. 429 f.; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1998, S. 158; OLG Stuttgart, Die Justiz 1984, S. 191 <192>).

Auf der Hand liegt, dass Art. 6 Abs. 3 e MRK nicht unmittelbar angewendet werden kann. Die Vorschrift spricht nur vom Recht des Beschuldigten, unentgeltlich einen Dolmetscher verlangen zu können. Zu prüfen ist allenfalls eine entsprechende Anwendung in der Weise, dass jedwede Inanspruchnahme von Dolmetschern gegenüber fremdsprachigen Beschuldigten als unentgeltlich zu behandeln wäre. Das OLG Düsseldorf (a.a.O.) hat dies unter Hinweis auf den von Art. 6 Abs. 3 e MRK intendierten allgemeinen Nachteilsausgleich für den fremdsprachigen Beschuldigten angenommen.

Diese Interpretation ist von Verfassungs wegen nicht geboten. Sinn und Zweck der in Art. 6 Abs. 3 MRK enthaltenen Regelung ist es, dem fremdsprachigen Angeklagten Mindestrechte zu gewährleisten, um ihm die Beteiligung an der auf Deutsch geführten Verhandlung zu ermöglichen. Mit dieser Gewährleistung hat das Interesse der Ermittlungsbehörden an übersetzten Telefonmitschnitten einer Telefonüberwachungsmaßnahme nichts zu tun. Es geht nicht um die Beteiligungsmöglichkeiten des Beschuldigten und sein Verständnis vom Verfahren, sondern darum, den Ermittlungsbehörden fremdsprachige Texte verständlich zu machen. Die den angegriffenen Entscheidungen zu Grunde liegende Auffassung, Art. 6 Abs. 3 e MRK sei auf Fälle der vorliegenden Art nicht anzuwenden, ist daher jedenfalls vertretbar. Gleiches gilt für die Auslegung des § 464 c StPO.

Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird gemäß § 93d Abs. 3 BVerfGG abgesehen.

V.

Die angegriffenen Entscheidungen sind - soweit der Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden ist - gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben, und die Sache ist an den Kostenbeamten der Staatsanwaltschaft zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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