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Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.01.2002
Aktenzeichen: 2 BvR 2142/01
Rechtsgebiete: BVerfGG, StPO, KWKG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
StPO § 240
StPO § 338 Nr. 8
StPO § 244 Abs. 3
KWKG § 1 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4 Satz 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2142/01 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 2001 - 1 StR 376/01 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 9. Januar 2002 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind entschieden (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie ist teils unzulässig, teils unbegründet.

1. Die Beanstandung der Beschlussbegründung in Bezug auf die Revisionsrüge der Verletzung von §§ 240, 338 Nr. 8 StPO geht fehl. Die Auslegung und Anwendung des § 338 Nr. 8 StPO, der eine Ausprägung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und des daraus abgeleiteten Anspruchs des Angeklagten auf effektive Verteidigung ist, ist zunächst eine Frage des einfachen Rechts. Verfassungsrechtliche Relevanz kann sie dann erlangen, wenn der Bedeutungsgehalt des Anspruchs des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren vom Bundesgerichtshof verkannt wurde oder dessen Anwendung des Revisionsverfahrensrechts gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstößt, weil sie das Rügerecht leer laufen lässt (vgl. BVerfGE 96, 27 <39>).

Die vom Strafsenat im konkreten Fall vorgenommene Wertung ist unter diesem Maßstab nicht zu beanstanden. Sinn und Zweck des auf den Beweisantrag der Verteidigung erstatteten Gutachtens des Ingenieurs M. war es, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Baureihen des in Rede stehenden Fahrzeugs festzustellen, um etwaige Abweichungen zwischen dem Modellfahrzeug, an dem der Sprengversuch unternommen worden ist, und dem Fahrzeug des Geschädigten offen zu legen. Zu diesem Zweck hat der Sachverständige Auskünfte bei der Firma Daimler-Chrysler eingeholt. Den Namen der Auskunftsperson wollte der Verteidiger hier zu einem erneuten Beweisantrag mit der gegensätzlichen Behauptung verwenden. Dieser Antrag wäre aber, ohne entsprechende Anknüpfungstatsachen, "aufs Geratewohl" gestellt gewesen und hätte damit allein den Regeln der Amtsaufklärungspflicht unterlegen (vgl. Herdegen, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 244 Rn. 44 m.w.N.); er hätte mithin ohne Weiteres mit Blick auf die bislang gehörten drei Sachverständigen abgelehnt werden können. Um der Ablehnung des beabsichtigten Antrags entgegen zu wirken, hätte der Verteidiger Erkundigungen einholen müssen, ob für einen gegenbeweislichen Antrag überhaupt Anhaltspunkte zu finden sind. Eine Nachfrage beim Hersteller wäre also ohnehin erforderlich gewesen, so dass es vertretbar ist, die Verweigerung der Namensnennung der Auskunftsperson nicht als "wesentliche" Beeinträchtigung der Verteidigung anzusehen.

2. Soweit die Zurückweisung des Beweisantrags auf Verlesung des Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gerügt wird, ist die Verfassungsbeschwerde unsubstantiiert und damit unzulässig.

Dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs von sachfremden Erwägungen getragen ist, lässt sich weder dem angefochtenen Beschluss noch der Verfassungsbeschwerde entnehmen, da die mitgeteilten Informationen zur Beurteilung nicht ausreichen. Allein die mangelnde Erwähnung eines in § 244 Abs. 3 StPO aufgeführten Ablehnungsgrundes kann weder der Revision noch der Verfassungsbeschwerde zum Erfolg verhelfen, solange ein Ablehnungsgrund erkennbar ist. Dies könnten hier die Ablehnungsgründe des Erwiesenseins oder der Unerheblichkeit sein. Für die Entscheidung hierüber wäre es jedoch erforderlich gewesen, die konkrete Zielrichtung des Beweisantrags darzulegen, die sich offenbar aus dem zuvor gestellten Antrag nebst ablehnenden Beschlusses ergibt, und insbesondere diesen in Beweisantrag und Beschluss in Bezug genommenen Antrag nebst vorhergehenden Beweisbeschlusses vorzulegen oder ihrem wesentlichen Inhalt nach mitzuteilen.

3. Der behauptete Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG durch die Zurückweisung der Sachrüge ist nicht dargelegt, die Verfassungsbeschwerde mithin ebenfalls unzulässig. Dies gilt in gleicher Weise, soweit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG gerügt sein soll. Denn hierzu hätte es näherer Ausführungen dazu bedurft, wieso die kritisierte Auslegung der Vorschrift nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar ist. Nach den landgerichtlichen Feststellungen handelte es sich entgegen dem Vorbringen in der Verfassungsbeschwerde bei dem Tatmittel nicht um eine Attrappe, sondern um eine voll ausgestattete Handgranate (sie enthielt Plastiksprengstoff und eine Splitterladung von bis zu 3000 Stahlsplittern und führte - nach Einbau eines Zünders - zu einer Detonation), bei der lediglich der Zünder fehlte. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, den Schutzbereich des Kriegswaffenkontrollgesetzes wegen ihrer Gefährlichkeit auch für solche Gegenstände zu eröffnen, die gattungsmäßig unter die Kriegswaffenliste fallen und deren Funktionstüchtigkeit nicht dauernd und endgültig aufgehoben ist, bei denen die Funktionsstörung vielmehr ohne Weiteres wieder behoben werden kann (vgl. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 38 ff.; Rn. 47 ff.; 54; BGH, NStZ 1985, S. 367; NJW 1992, S. 1053 f.; OLG Stuttgart, NStZ 1982, S. 33 <34>). Hierfür spricht auch der Wortlaut von § 1 Abs. 2 KWKG, wonach in die Kriegswaffenliste alle Gegenstände aufgenommen werden sollen, "die geeignet sind, allein, in Verbindung miteinander oder mit anderen Gegenständen ... Zerstörungen oder Schäden an Personen oder Sachen zu verursachen ...".

Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Landgerichts war der Zünder hier in wenigen Momenten und ohne Werkzeug einsetzbar. Dass es sich um einen verbotenen Gegenstand handelt, bedeutet - wie auch der Erwerb der Handgranate selbst belegt - nicht, dass es dem Beschwerdeführer nur schwer möglich gewesen wäre, über seine Bezugsquelle oder andere Personen an einen Zünder zu gelangen.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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