Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 27.12.2000
Aktenzeichen: 2 BvR 2205/99
Rechtsgebiete: BVerfGG, AuslG, AsylVfG, GG


Vorschriften:

BverfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93d Abs. 1 Satz 3
AuslG § 50
AuslG § 50 Abs. 4
AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 50 Abs. 3 Satz 2
AsylVfG § 34
AsylVfG § 34 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG § 70 Abs. 1
GG Art. 25
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 3
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2205/99 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des irakischen Staatsangehörigen

R ...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Heinrich Freckmann und Koll., Dormannstraße 28, Hannover -

gegen

a) den Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. Oktober 1999 - 9 L 4012/99 -,

b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 17. September 1999 - 6 A 1734/97 -,

c) den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 11. März 1997 - A 2131839-438 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Sommer, Broß, Di Fabio gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 27. Dezember 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Dem Beschwerdeführer, einem irakischen Staatsangehörigen, der seit seinem achten Lebensjahr in Syrien lebte und dort auch seine Ehefrau, eine jordanische Staatsangehörige, geheiratet hat, wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) unter Ablehnung seines Asylbegehrens Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak zuerkannt. Gleichzeitig drohte ihm das Bundesamt aber die Abschiebung nach Jordanien an. Nachdem Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht die Abschiebungsandrohung gebilligt hatten, hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und 3, 25 sowie 103 Abs. 1 GG rügt.

II.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor, denn der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde besitzt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

Die angegriffenen Entscheidungen beruhen nicht auf einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots verstoßenden Auslegung und Anwendung des § 34 AsylVfG in Verbindung mit §§ 51 Abs. 1, 50 Abs. 4 AuslG. Der Beschwerdeführer bemängelt in diesem Zusammenhang, die Fachgerichte hätten verkannt, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 51 Abs. 1 AuslG bestandskräftig geworden sei und er - so lange das Bundesamt diese Feststellung nicht aufgehoben habe - nicht auf einen Schutz durch den jordanischen Staat verwiesen werden könne. Damit missversteht er das Verhältnis zwischen der Feststellung des Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG und der Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG. Diese wird nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vom Bundesamt nach den §§ 50 und 51 Abs. 4 AuslG erlassen, wenn der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Der Beschwerdeführer wurde nicht als Asylberechtigter anerkannt. Dass er - wie mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht - zwischenzeitlich einen Flüchtlingspass und gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG eine Aufenthaltsbefugnis erhalten hat, steht der Abschiebungsandrohung nicht entgegen (vgl. dazu auch Marx, Kommentar zum AsylVfG, 4. Aufl. 1999, § 34 AsylVfG Rn. 3, 8). Die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG, die nur eine relative Schutzposition verleiht (vgl. BVerfGE 94, 49 <97>), hindert den Erlass der Abschiebungsandrohung nicht, so lange diese sich an den Vorgaben der §§ 50 und 51 Abs. 4 AuslG orientiert (vgl. auch § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG, wonach das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 51 AuslG dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegen steht).

In der Androhung ist jedoch nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf (hier: Irak) und nach § 51 Abs. 4 Satz 2 AuslG der Staat, in den die Abschiebung erfolgen darf (hier: Jordanien). Dieser gesetzlich verankerten Bezeichnungspflicht kommt Rechtsschutz verstärkende Wirkung zu: Sie soll dem Betreffenden bereits in einem frühen Stadium der Abschiebung in effektiver Weise die Möglichkeit eröffnen, der Frage nachzugehen, ob der ins Auge gefasste Zielstaat einer Abschiebung seinen Status nach § 51 Abs. 1 AuslG als politischer Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und insbesondere das in Art. 33 GFK verankerte Refoulement-Verbot beachten wird, um gegebenenfalls insoweit um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 1997, AuAS 1997, 115 <116 f.>). Art. 33 Abs. 1 GFK und der insoweit nahezu wortgleiche § 51 Abs. 1 AuslG verbieten die Abschiebung in einen Staat, in dem Leben oder Freiheit des Ausländers aus Gründen der GFK bedroht sind; das umfasst auch die hinreichende Sicherheit vor einer Weiterschiebung in einen solchen Staat. Daher ist bei einem Flüchtling, der den Status nach § 51 Abs. 1 AuslG genießt, die Androhung der Abschiebung in einen Drittstaat ausgeschlossen, in dem ihm die Gefahr der Überstellung an den Verfolgerstaat droht (vgl. BVerfGE 94, 49 <92 f.>). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es daher entscheidend auf die Prüfung der hinreichenden Sicherheit hiervor an, nicht hingegen allein darauf, ob der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.

Sowohl das Verwaltungsgericht wie auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht sind unter Auswertung der eingeholten Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, diese hinreichende Sicherheit vor Weiterschiebung bestehe für den Beschwerdeführer in Jordanien. Dass diese Erkenntnisquellen das von den Fachgerichten gefundene Ergebnis nicht trügen, ist weder erkennbar noch vom Beschwerdeführer dargetan. Indem die Verfassungsbeschwerde das Gegenteil behauptet, setzt sie lediglich die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Beschwerdeführers an die Stelle derjenigen der Fachgerichte, ohne einen darin liegenden Verfassungsverstoß, insbesondere im Hinblick auf das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG substantiiert geltend zu machen. Dasselbe gilt im Hinblick auf die Behauptung, dass eine Abschiebung nach Jordanien nur dann möglich sei, wenn die Bundesrepublik Deutschland eine Zusicherung des jordanischen Staates erhielte, dass dem Beschwerdeführer dort die Mindestgarantien der GFK erhalten blieben. Auch insofern wird nur die eigene, von den Fachgerichten abweichende Auffassung des Beschwerdeführers wieder gegeben. Ob die Abschiebungsandrohung eine verbindliche Übernahmeerklärung des Abschiebezielstaats voraussetzt (so Marx, a.a.O., Rn. 14), ist zwar in Literatur und Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt (s. die Nachweise bei Marx, a.a.O.), wird aber jedenfalls nicht grundsätzlich von Verfassungs wegen gefordert (vgl. BVerfGE 94, 49 <92 f., 99 f.>).

Dass dem Beschwerdeführer im Gegensatz zu anderen Personen, die den Status nach § 51 Abs. 1 AuslG genießen, die Abschiebung nach Jordanien angedroht wurde, beruht auch auf einem vor dem Gleichheitsgrundsatz hinreichend tragfähigen Grund: Im Falle des Beschwerdeführers lässt sich aufgrund der jordanischen Staatsangehörigkeit seiner Ehefrau eine Abschiebung nach Jordanien in Betracht ziehen, während in anderen Fällen der Flüchtlingsanerkennung nach § 51 Abs. 1 AuslG kein möglicher Abschiebezielstaat erkennbar ist.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt ohne weiteres, dass auch ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 25 GG (vgl. BVerfGE 23, 288 <300>, 31, 145 <177> jeweils mit weireren Nachweisen) nicht in Betracht kommt: Die Androhung der Abschiebung in den Drittstaat Jordanien verletzt hier - wie dargelegt - Art. 32 und 33 GFK nicht, so dass offen bleiben kann, ob es sich insoweit um allgemeine Regeln des Völkerrechts handelt.

Soweit der Beschwerdeführer eine Überraschungsentscheidung durch das Verwaltungsgericht und damit eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG rügt, hätte er dies gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bereits im fachgerichtlichen Verfahren im Rahmen des Antrags auf Zulassung der Berufung geltend machen können und müssen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück