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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 08.11.2001
Aktenzeichen: 2 BvR 2257/00
Rechtsgebiete: BVerfGG, StGB, StPO, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 92
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 23 Abs. 1 Satz 2
StGB § 263
StGB § 53
StPO § 306 Abs. 2
StPO § 97
StPO § 100c
GG Art. 10
GG Art. 13 Abs. 2
GG Art. 19 Abs. 4
GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 13 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 2 BvR 2257/00 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 8. November 2001 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Beschlagnahme von Beweisgegenständen nach formfehlerhafter Durchsuchung.

I.

Das Amtsgericht erließ einen Durchsuchungsbeschluss wegen Verdachts von Straftaten nach "§§ 263, 53 StGB". Ziel der Durchsuchung waren "insbesondere Aufzeichnungen über Bankgeschäfte, `TradingsprogrammeŽ o.ä.". Durchsuchungsort sollten u.a. Wohnräume einschließlich aller "Nebengelasse" sein. Die Durchsuchung wurde vollzogen. Dabei wurden zahlreiche Gegenstände, die als Beweismittel in Betracht gezogen wurden, sichergestellt.

Der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Durchsuchungsanordnung half der Ermittlungsrichter insoweit ab, als er den Durchsuchungsbeschluss aufhob. Zugleich ordnete er die Beschlagnahme einer Reihe von schriftlichen Unterlagen, Computerdisketten und eines Personalcomputers an. Der Beschwerdeführer sei verdächtig, über die Vermittler Mittmann und Weiss so genannte "Tradingprogramme" als angeblich risikolose Geldanlage mit Jahresrenditen von 800 % angeboten zu haben, obwohl derartige Finanzprodukte nicht existierten.

Das Landgericht hob die Beschlagnahme des Computers auf und verwarf die Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung im Übrigen. Es bestehe der Verdacht des versuchten Kapitalanlagebetruges. Das Beschwerdevorbringen zu einem freiwilligen Rücktritt vom Versuch bedürfe noch näherer Überprüfung, ohne dass deshalb der für die Beschlagnahme erforderliche Anfangsverdacht derzeit entfalle. Formale Mängel des Durchsuchungsbeschlusses führten grundsätzlich nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Die Beschlagnahme sei auch nicht unverhältnismäßig, zumal dem Beschwerdeführer im Bedarfsfall Kopien der Unterlagen überlassen werden könnten.

II.

Der Beschwerdeführer sieht sich in seinen Rechten aus Art. 13 Abs. 1 und 2, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG verletzt. Die Beschlagnahme beruhe auf der fehlerhaft angeordneten Durchsuchung und perpetuiere den durch diese verursachten Grundrechtsverstoß. Der Durchsuchungsbeschluss leide an zahlreichen Mängeln, mit denen sich das Landgericht nicht auseinander gesetzt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folge aus dem Verstoß gegen die Beweiserhebungsregeln bei der Durchsuchung ein Beweisverwertungsverbot.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg; denn sie ist entspricht nicht den Begründungsanforderungen gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG.

1. Der Durchsuchungsbeschluss ist bereits im Abhilfeverfahren nach § 306 Abs. 2 StPO aufgehoben worden. Der Verfassungsbeschwerdeangriff hiergegen geht deshalb fehl.

2. Die Beschlagnahmeanordnung des Ermittlungsrichters ist durch die Sachentscheidung des Landgerichts im Beschwerdeverfahren ersetzt worden. Auch der Beschluss des Ermittlungsrichters vom 24. August 2000 besitzt für das Verfassungsbeschwerde-Verfahren daher keine eigenständige Bedeutung.

3. Die Angriffe auf die teilweise Verwerfung der Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung sind unsubstantiiert.

a) Dies gilt zunächst für die Beanstandung des rechtlichen Ansatzes des Landgerichts.

Der Formfehler der Durchsuchungsanordnung wurde dadurch kompensiert, dass die Durchsuchungsanordnung vom Amtsgericht im Wege der Abhilfe nach § 306 Abs. 2 StPO aufgehoben wurde und den rechtlich selbständigen Entscheidungen über die Beschlagnahme eine konkrete Beschreibung der strafrechtlichen Vorwürfe, die Gegenstand der Ermittlungen sind, zu Grunde gelegt wurde. Warum dies nicht ausreichend sein soll, wird in der Verfassungsbeschwerde-Begründung nicht näher erläutert. Insbesondere geht der Beschwerdeführer nicht darauf ein, dass Durchsuchung (§§ 102, 105 StPO) und Beschlagnahme (§§ 94, 98 StPO) getrennte Entscheidungsgegenstände darstellen und das Gesetz kein Beschlagnahmeverbot für Fälle fehlerhafter Durchsuchungen, die zur Sicherstellung von Beweisgegenständen führen, aufstellt, sondern in § 97 StPO nur andere Beschlagnahmeverbote regelt. Der Beschwerdeführer macht ein Verwertungsverbot außerhalb des geschriebenen Rechts geltend. Mit dieser Frage hat sich das Landgericht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers befasst. Es hat angenommen, Verfahrensfehler bei der Durchsuchung führten grundsätzlich nicht zur Unverwertbarkeit der dabei aufgefundenen Beweise. Es hat insbesondere auf BGH, NJW 1989, S. 1741 <1744> verwiesen, wo angenommen worden war, ein formaler Fehler bei der Durchsuchung - in jenem Fall fehlte die richterliche Gestattung einer erneuten Durchsuchung - hätte die Beweiserlangung bei hypothetisch rechtmäßiger Vorgehensweise nicht gehindert. Ähnlich lag der Fall im Ausgangsverfahren, weil zwar die Tatbeschreibung in dem Durchsuchungsbeschluss mangelhaft war, aber bei korrekter Vorgehensweise auf Grund einer genaueren Tatbeschreibung zu demselben Resultat der Beschlagnahme von Unterlagen bezüglich des Vorwurfs des Kapitalanlagebetruges im Zusammenhang mit "Tradingprogrammen" geführt hätte. Dies wird durch die Nachbesserung der Verdachtsbeschreibung im Abhilfe- und Beschlagnahmebeschluss des Ermittlungsrichters unterstrichen. Warum eine Verlaufshypothese zur Fehlerfolgenprüfung verfassungsrechtlich zu beanstanden sei, trägt der Beschwerdeführer nicht vor. Dies ist ein Substantiierungsmangel der Verfassungsbeschwerde-Begründung (vgl. zu Substantiierungsanforderungen bei unselbständigen Beweisverwertungsverboten auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. März 2000 - 2 BvR 2017, 2039/94 -, StV 2000, S. 233 <234>). Soweit der Beschwerdeführer sich stattdessen auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Folgen einer Verletzung des Art. 10 GG (BGH, Urteil vom 18. April 1980 - 2 StR 731/79 -, BGHSt 29, 244 ff.) oder einer Verletzung des Art. 13 Abs. 1 GG durch Einsatz technischer Mittel in Wohnungen vor der Novellierung des § 100c StPO (BGH, Beschluss vom 15. Januar 1997 - StB 27/96 -, StV 1997, S. 114 ff.) beruft, erklärt er nicht, warum diese andersartigen Konstellationen hier relevant sein sollen.

b) Auch bei der Beanstandung der Ausfüllung des rechtlichen Ansatzes durch das Landgericht gehen die Ausführungen des Beschwerdeführers schon bei der Prüfung der einfach-rechtlichen Ausgangslage fehl.

Nach herrschender Meinung ist bei der Frage eines Beweisverwertungsverbots wegen Mängeln der Durchsuchungsanordnung eine Abwägung des Strafverfolgungsinteresses mit dem betroffenen Individualinteresse erforderlich (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 94 Rn. 21 m.w.N.). Die Ausführungen des Beschwerdeführers zum Grad des Rechtsverstoßes bei der Durchsuchungsanordnung als einem der Abwägungsfaktoren sind unzutreffend; auf das konkrete Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit als gegenläufigen Abwägungsfaktor geht er nicht ein. Soweit er einzelne Fehler des Durchsuchungsbeschlusses benennt, ergibt sich aus seinem Vortrag nicht, dass diese derart gravierend sind, dass sie im vorliegenden Fall zwingend zu einem Verbot der Beschlagnahme führen müssten.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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