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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 15.03.1999
Aktenzeichen: 2 BvR 2307/94
Rechtsgebiete: BVerfGG


Vorschriften:

BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 90 Abs. 1
BVerfGG § 90 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2307/94 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

des Herrn B...

- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Heinrich Deubner und Koll., Mozartstraße 13, Karlsruhe -

gegen

a) den Beschluß des Landeskirchenausschusses der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 5. Oktober 1994 - LKA/B - 12/1994 -,

b) den Bescheid des Oberkirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vom 1. Juni 1994 - Nr. B 105/6a.1 -

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin Präsidentin Limbach und die Richter Winter, Hassemer gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 15. März 1999 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen kirchliche Entscheidungen, welche das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers als Pfarrer bei der Evangelischen Landeskirche in Württemberg betreffen.

Mit dem angegriffenen Bescheid des Oberkirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Württemberg wurde der Beschwerdeführer nach § 57 Abs. 2 Ziff. 2 Pfarrergesetz der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mit sofortiger Wirkung in den Wartestand versetzt, weil seine Stellung in der Gemeinde unhaltbar geworden sei und ein gedeihliches Wirken in einer anderen Gemeinde oder in einem anderen Arbeitsbereich nicht erwartet werden könne. Hiergegen hat der Beschwerdeführer erfolglos Beschwerde zum Landeskirchenausschuß der Evangelischen Landeskirche in Württemberg eingelegt. Den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten hat er nicht beschritten.

II.

Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die angegriffenen kirchlichen Entscheidungen seien Akte der öffentlichen Gewalt im Sinne von § 90 Abs. 1 BVerfGG. Gegen diese habe gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und aufgrund der staatlichen Justizgewährungspflicht der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet werden müssen.

Die auch vom Bundesverfassungsgericht vertretene Auffassung, wonach Maßnahmen der Kirchen im Bereich des kirchlichen Dienstrechts dem rein innerkirchlichen Bereich zugehörten und staatlicher Gerichtsbarkeit nicht unterlägen, sei angesichts der in der Literatur vorgebrachten Kritik zu überdenken. Es sei eine Abwägung im Einzelfall zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und dem für alle geltenden Gesetz erforderlich (Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV). Wenn, wie hier, das vom geistlichen Amtsverhältnis zu unterscheidende kirchliche Dienstverhältnis betroffen sei, dürfe staatlicher Rechtsschutz nicht vollkommen versagt werden.

In der Sache verletzten die angegriffenen Entscheidungen neben der staatlichen Justizgewährpflicht auch Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 33 Abs. 5 GG.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>).

Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 90 Abs. 2 BVerfGG unzulässig. Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg zu den staatlichen Fachgerichten nicht erschöpft. Zwar ist es zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer angesichts der Rechtsprechung der staatlichen Fachgerichte, die sogenannte Statusklagen grundsätzlich als unzulässig ansehen (vgl. BVerwGE 66, 241 <242 ff.>; 95, 379 <381 f.>), eine von dieser Rechtsprechung abweichende Entscheidung hätte erwarten können.

Dennoch war die Erschöpfung des Rechtswegs geboten und zumutbar (vgl. BVerfGE 9, 3 <7 f.>; 78, 155 <160>; 91, 93 <106 f.>).

Das in § 90 Abs. 2 BVerfGG bestimmte Erfordernis, vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts den Rechtsweg zu erschöpfen, verfolgt den Zweck, dem Bundesverfassungsgericht vor seiner Entscheidung die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Gerichte, insbesondere der jeweiligen obersten Gerichtshöfe des Bundes, zu vermitteln (BVerfGE 78, 155 <160>). Nun liegt zwar eine gefestigte Rechtsprechung der Fachgerichte zu der Frage staatlichen Rechtsschutzes in Statussachen vor, die auch Gegenstand verfassungsgerichtlicher Überprüfung war und hierbei nicht beanstandet wurde (vgl. Bundesverfassungsgericht, Vorprüfungsausschuß, Beschluß vom 1. Juni 1983 - 2 BvR 453/83 -, NJW 1983, S. 2569).

Dies verkennt auch der Beschwerdeführer nicht. Er macht aber geltend, daß diese Rechtsprechung angesichts der zwischenzeitlich im Schrifttum vorgebrachten Argumente zu überdenken sei. Dann aber erfordert es der mit dem Gebot der Rechtswegerschöpfung verfolgte Zweck, daß der Beschwerdeführer diese Argumente zunächst den Fachgerichten vorträgt, damit dem Bundesverfassungsgericht nicht die Möglichkeit verschlossen wird, deren Auffassung zu den nunmehr geäußerten Bedenken bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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