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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 24/03
Rechtsgebiete: BVerfGG, StVollzG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93b
BVerfGG § 93a Abs. 2
StVollzG § 11
StVollzG § 11 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 24/03 -

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 4. Dezember 2002 - Ws 1238/02 -,

b) den Beschluss der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing vom 12. September 2002 - StVK 138/02 -,

c) den Bescheid der Justizvollzugsanstalt Straubing vom 23. April 2002 - I d - I c 3 - 104/99 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richter Jentsch, Broß und die Richterin Lübbe-Wolff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 26. Februar 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

1. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers angezeigt; sie hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind weder die angegriffene Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, mit der die Gewährung von Ausgang abgelehnt wurde, noch die sie bestätigenden gerichtlichen Entscheidungen im Ergebnis verfassungsrechtlich zu beanstanden.

a) Der in dem Bescheid vom 23. April 2002 geäußerten Auffassung, wonach Erprobungen durch Vollzugslockerungen (§ 11 Abs. 2 StVollzG) nicht durchführbar seien, ohne dass "gleichzeitig die berechtigten Sicherheitsinteressen der Öffentlichkeit hinter ein risikobehaftetes Experimentierfeld zurücktreten müssten", kann nicht entnommen werden, dass die Justizvollzugsanstalt einen zu strengen Bewertungsmaßstab angelegt hätte. Zwar kommt der Erprobung, wie es das Bundesverfassungsgericht für den Fall der Aussetzung der weiteren Vollstreckung einer Unterbringung formuliert hat, in den Grenzen der Verantwortbarkeit der "Charakter eines Experiments" zu (vgl. BVerfGE 70, 297 <313>). Die Gefahrenprognose, von der nach § 11 Abs. 2 StVollzG abhängt, ob einem Gefangenen Vollzugslockerungen gewährt werden können, ist stets mit einer unaufhebbaren Restunsicherheit behaftet. Schon deshalb kann die Ablehnung von Vollzugslockerungen nicht allein auf die pauschale Feststellung gestützt werden, dass die Möglichkeit eines Missbrauchs sich nicht mit Sicherheit ausschließen lasse. Vielmehr hat die Justizvollzugsanstalt im Rahmen einer Gesamtwürdigung nähere Anhaltspunkte darzulegen, welche geeignet sind, die Prognose einer Flucht- oder Missbrauchsgefahr in der Person des Gefangenen zu konkretisieren (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. April 1998 - 2 BvR 1951/96 -, NStZ 1998, S. 430 f., m.w.N.).

Diese Anforderungen hat die Justizvollzugsanstalt bei ihrer Entscheidung über die vom Beschwerdeführer beantragten Vollzugslockerungen nicht verkannt. Die oben wiedergegebenen, vom Beschwerdeführer beanstandeten Ausführungen stellen entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keine Umschreibung des angelegten rechtlichen Maßstabs dar. Vielmehr handelt es sich bei ihr lediglich um eine Bilanzierung der Faktenlage, verbunden mit dem Hinweis auf die sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen. Die beanstandeten Ausführungen stehen am Ende einer Darlegung und Bewertung des prognoserelevanten Sachverhalts. Dabei hat sich die Justizvollzugsanstalt keineswegs auf lediglich pauschale Aussagen beschränkt. Sie ist nach eingehender Würdigung der Besonderheiten der Lebensgeschichte und der Problematik der Persönlichkeit des Beschwerdeführers sowie unter Berücksichtigung seines unmittelbar die Straffälligkeit betreffenden Werdegangs mit dem frühen Beginn der Kriminalität, mit der großen Anzahl von schweren Straftaten und der hohen Rückfallgeschwindigkeit zu dem Schluss gelangt, dass derzeit auch unter Berücksichtigung festgestellter Ansätze zu einer positiven Entwicklung nach wie vor ernstlich zu befürchten sei, der Beschwerdeführer werde den begehrten Ausgang dazu nutzen, sich dem Maßregelvollzug zu entziehen oder erneute Straftaten zu begehen.

Dem lässt sich nicht entnehmen, dass die Justizvollzugsanstalt bei ihrer Entscheidung einen Bewertungsmaßstab angelegt hätte, der den Grundrechten des Beschwerdeführers im Rahmen der Abwägung zu wenig Gewicht beigemessen hätte. Die ablehnende Entscheidung der Justizvollzugsanstalt beruht auf der Einschätzung, dass die Gewährung von Ausgang derzeit ein unvertretbares Risiko darstellen und damit die Grenzen der Verantwortbarkeit überschreiten würde. Diese Einschätzung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der begehrte Ausgang, wie die Justizvollzugsanstalt in ihrer Begründung hervorhob, nicht in Begleitung von Vollzugspersonal, sondern in Begleitung von Geschwistern des sicherungsverwahrten Beschwerdeführers hätte erfolgen sollen.

b) In Anbetracht dessen begegnet auch die den Bescheid der Justizvollzugsanstalt bestätigende Entscheidung der Strafvollstreckungskammer keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar deutet die in der Beschlussbegründung der Strafvollstreckungskammer verwendete Formulierung, dass nach Ermittlung des Sachverhalts "ein Missbrauch letztlich nicht auszuschließen" sei, darauf hin, dass das Gericht einen zu engen Prüfungsmaßstab angelegt hat. Denn die bloße Tatsache, dass sich ein Missbrauch prinzipiell nicht mit letzter Sicherheit ausschließen lässt, vermag die Versagung von Vollzugslockerungen nicht zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 70, 297 <313>).

Ebensowenig lässt die pauschale Bezugnahme auf die Verwaltungsvorschrift Nr. 7 Abs. 1 zu § 11 StVollzG hinreichend deutlich erkennen, dass das Gericht den Grundrechten des Beschwerdeführers ausreichend Rechnung getragen hat. Auf die Frage, ob die Strafvollstreckungskammer hier den verfassungsrechtlichen Bewertungsmaßstab verfehlt hat, kommt es jedoch nicht entscheidend an. Die Vollzugsbehörde hat, wie bereits ausgeführt, ohne Anhaltspunkte für Willkür eine rechtlich vertretbare Entscheidung getroffen. Auch bei Anlegung des verfassungsrechtlich gebotenen Bewertungsmaßstabs war die Ablehnung der Gewährung von Ausgang rechtlich nicht zu beanstanden. Insofern wäre bei Aufhebung und Zurückverweisung keine andere Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zu erwarten. Sollte daher eine Maßstabsverfehlung auf der Ebene der landgerichtlichen Entscheidung vorgelegen haben, hätte sich diese jedenfalls nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt. In Anbetracht dessen hält auch die den Beschluss des Landgerichts bestätigende Entscheidung des Oberlandesgerichts verfassungsgerichtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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