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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 09.12.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 2450/07
Rechtsgebiete: GG, KostO, BNotO


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 70 Abs. 1
GG Art. 105
GG Art. 106
KostO § 131 Abs. 1
BNotO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren

...

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts

durch

den Vizepräsidenten Voßkuhle,

die Richterin Osterloh und

den Richter Mellinghoff

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG

in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl. I S. 1473)

am 9. Dezember 2008

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Kostenerhebung durch baden-württembergische Amtsnotare aufgrund der Kostenordnung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

1.

Mit einem am 22. Januar 2004 vor einem badischen Amtsnotar beurkundeten Vertrag wurde eine OHG unter Beitritt der beschwerdeführenden GmbH in eine GmbH & Co. KG umstrukturiert. Wegen der dabei vereinbarten Einbringung von Grundstücken war die Vereinbarung gemäß § 311b BGB notariell beurkundungspflichtig. Auf der Grundlage eines Geschäftswertes von 7.429.632,35 EUR wurden gemäß §§ 36, 38 KostO Notarkosten in Höhe von 21.694,90 EUR einschließlich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.

2.

a)

Vor den Fachgerichten wendete sich die Beschwerdeführerin gegen diesen Kostenansatz und rügte einen Verstoß gegen Gemeinschafts- und Verfassungsrecht. Ihre weitere Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 26. Oktober 2007 - 14 Wx 54/05 - als unbegründet zurückgewiesen. Der Kostenerhebung stehe die Richtlinie 69/335/EWG (Gesellschaftsteuerrichtlinie) nicht entgegen. Das Beurkundungserfordernis ergebe sich vorliegend aus § 311b BGB, der nicht an die Rechtsform anknüpfe, sondern daran, dass ein Grundstück übertragen wird, unabhängig vom Zweck des Vertrags. Diese allgemein und für jedermann geltende Formvorschrift sei keine Formalität im Sinne von Art. 10 Buchst. c der Gesellschaftsteuerrichtlinie. Zutreffend sei zwar, dass die Grundstückseinbringung zur Erhöhung des Kapitals erfolgt sei. Die Beurkundungspflicht werde aber nicht durch die Kapitalerhöhung ausgelöst, sondern nur dadurch, dass im Zuge der Kapitalerhöhung Grundstücke übertragen werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Juni 2006 (Rs. C-264/04, NJW 2006, S. 2972). Der dortige Sachverhalt habe die Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften betroffen, die nach § 6 UmwG beurkundungspflichtig war. In Rede stand vor dem Europäischen Gerichtshof die in Vollzug der Verschmelzung erhobene Gebühr für die Berichtigung des Grundbuchs. Ausgangspunkt war hier also eine Kapitalzuführung, die als solche formbedürftig war (§ 6 UmwG), während sich im vorliegenden Fall die Beurkundungspflicht völlig unabhängig von einer Kapitalzuführung aus § 311b BGB ergab. Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 28. Juni 2007 (Rs. C-466/03, NJW 2007, S. 3051) gehe fehl. Dort handelte es sich um eine Beurkundungspflicht allein aufgrund der Rechtsform (§ 15 Abs. 3, § 53 Abs. 2 GmbHG). Im Ergebnis sei eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 Abs. 3 EG nicht veranlasst.

b)

Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde, mit der eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht wird. Die Gebührenfestsetzung sei nach dem Geschäftswert erfolgt, nicht nach dem "tatsächlichen Aufwand". Dieser betrage auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift des Finanzministeriums Baden-Württemberg (GABl vom 18. Oktober 1995, S. 567) "bestenfalls 260,- EUR". Mit der Verfassungsbeschwerde werden im Wesentlichen die folgenden Rügen vorgetragen:

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei wegen Nichtvorlage an den Europäischen Gerichtshof verletzt. Die Beschwerdeführerin habe sich bereits im fachgerichtlichen Verfahren auf den Standpunkt gestellt, die Gebührenerhebung verstoße gegen die Gesellschaftsteuerrichtlinie. Sie habe mehrfach die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angeregt. Eine Formalität im Sinne von Art. 10 Buchst. c der Gesellschaftsteuerrichtlinie könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs jeder Beurkundungsvorgang sein, der einer Kapitalansammlung dienlich ist.

Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, weil der sich aus § 311b BGB ergebende Beurkundungszwang im Falle der Einbringung von Grundstücken in eine GmbH & Co. KG nicht mit einem Beurkundungszwang nach den gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhöhungsregelungen gleichgestellt werde. Eine Gebührenerhebung, die in ihrer Bemessung zwischen gesellschaftsrechtlichen und anderen Geschäften unterscheidet, verletze den Gleichheitssatz, weil eine verhältnismäßige Gleichheit der Abgaben, die für Beurkundungs- und Beglaubigungsvorgänge im staatlichen Notariat zu erheben sei, gewahrt werden müsse. Für gesellschaftsrechtliche Vorgänge seien daher insgesamt nur aufwandsbezogene Gebühren zulässig.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.> ).

1.

Soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Gesellschaftsteuerrichtlinie rügt, ist eine Grundrechtsverletzung nicht feststellbar. Dabei kann offen bleiben, ob die Rüge bereits daran scheitert, dass ein Gleichheitsverstoß grundsätzlich nicht damit begründet werden kann, dass unterschiedliche Hoheitsträger innerhalb ihrer jeweiligen Rechtsetzungskompetenz unterschiedliche Sachregelungen treffen (BVerfGE 10, 354 <371> ; 42, 20 <27> ; 52, 42 <57 f. >; 93, 319 <351>; vgl. auch BVerfGK 3, 310 <313 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammerdes Ersten Senats vom 1. Oktober 2004 - 1 BvR 2221/03 -, NJW 2005, S. 737 <738> ). Denn die durch die Gesellschaftsteuerrichtlinie mittelbar bewirkte Zweiteilung des Systems der Notargebühren in Baden-Württemberg führt zwar zu einer Ungleichbehandlung. Diese hat ihren Ursprung und sachlichen Grund aber jedenfalls im beschränkten Schutzzweck der Gesellschaftsteuerrichtlinie, der sich nicht ohne weiteres auf Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie übertragen lässt.

2.

Die angegriffene Entscheidung verletzt auch nicht Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 2 Satz 2 GG (BVerfGE 73, 339 <366> ). Allerdings führt nicht jeder Verstoß gegen die in Art. 234 Abs. 3 EG statuierte Vorlagepflicht zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht kann vielmehr erst eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung dieser Norm offensichtlich unhaltbar, mithin willkürlich ist (BVerfGE 29, 198 <207> ; 82, 159 <194 ff.>). Eine solche Handhabung von Art. 234 Abs. 3 EG ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar.

Das Oberlandesgericht hat bereits den Tatbestand des Art. 10 der Gesellschaftsteuerrichtlinie verneint und stützt sich dabei auch auf die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Das Bundesverfassungsgericht hat nicht zu entscheiden, ob diese Auslegung der Gesellschaftsteuerrichtlinie angesichts der zum Entscheidungszeitpunkt bekannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. insbesondere die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Oktober 1998, Rs. C-152/97, BeckRS 2004, S. 74482, vom 29. September 1999, Rs. C-56/98, Slg. I 1999-8/9 <B>, S. 6449, vom 21. März 2002, Rs. C-264/00, Slg. I 2002-3 <B>, S. 3335, vom 30. Juni 2005, Rs. C-165/03, DStRE 2005, S. 980, vom 15. Juni 2006, Rs. C-264/04, NJW 2006, S. 2972 und vom 28. Juni 2007, Rs. C-466/03, NJW 2007, S. 3051) zutreffend ist. Die Verneinung der Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG ist aber jedenfalls nicht willkürlich.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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