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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 2589/06
Rechtsgebiete: HDO


Vorschriften:

HDO § 98
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2335/06 - - 2 BvR 2589/06 -

In den Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden

gegen 1. den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Oktober 2006 - 24 DH 1745/06 - (früher: 24 DH 3187/05) -

- 2 BvR 2335/06 -,

2. den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2006 - 24 DH 1745/06 -

- 2 BvR 2589/06 -

und Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Gerhardt gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 12. September 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigen sich die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Ablehnung der Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrags. Das Ausgangsverfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof - Disziplinarhof - war bereits Gegenstand der Verfassungsbeschwerde 2 BvR 513/06, der die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 12. Juli 2006 überwiegend stattgab.

I.

1. Durch den genannten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wurden zwei den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzende Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs aufgehoben, mit denen ein Befangenheitsantrag abgelehnt und die Beschwerde gegen die Ablehnung der Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrags durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main zurückgewiesen worden waren.

2. a) Die abgelehnten Richter erklärten im Folgenden mit dienstlichen Äußerungen vom 8., 15. und 18. September 2006 jeweils, dass aus ihrer Sicht ihre gegen § 98 der Hessischen Disziplinarordnung (HDO) verstoßende Mitwirkung an dem Beschluss vom 23. Juli 2004 nicht geeignet sei, die Besorgnis der Befangenheit ihnen gegenüber zu begründen.

b) Mit dem angegriffenen Beschluss vom 11. Oktober 2006 wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Ablehnungsgesuch gegen die Richter R., B. und H. erneut zurück, entschied aber diesmal in einer anderen Besetzung. In der Sache hieß es, das Ablehnungsgesuch sei zulässig, aber nach Maßgabe des § 21 Satz 1 HDO in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 1 StPO unbegründet. Trotz der Entscheidung der abgelehnten Richter über den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers bestünden keine Anhaltspunkte für eine Besorgnis der Befangenheit. Diese setze voraus, dass ein Grund vorliege, der geeignet sei, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dies treffe dann zu, wenn der Ablehnende bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Dabei komme es zwar auf den Standpunkt des Ablehnenden an, nicht aber auf seinen möglicherweise einseitigen subjektiven Eindruck und auf seine möglicherweise unzutreffenden Vorstellungen vom Sachverhalt. Der Ablehnende müsse daher Gründe für sein Ablehnungsbegehren vorbringen, die jedem unbeteiligten Dritten einleuchteten. Solche Gründe seien in der bloßen Mitwirkung eines Richters an Vorentscheidungen im Verfahren des Ablehnenden in der Regel nicht zu sehen. Ein Richter könne auch nicht wegen der Beteiligung an früheren Verfahren des Ablehnenden abgelehnt werden, selbst wenn ihm dabei ein Prozessverstoß unterlaufen sei. Die in den früheren Verfahren geäußerten Rechtsmeinungen rechtfertigten für sich allein die Ablehnung nicht, selbst wenn sie auf einem Verfahrensfehler, einem tatsächlichen Irrtum oder einer unrichtigen oder unhaltbaren Rechtsansicht beruhen sollten. Ein verständiger Verfahrensbeteiligter könne und müsse in der Regel davon ausgehen, dass der Richter sich dadurch nicht für künftige Entscheidungen festgelegt habe.

Im vorliegenden Verfahren habe der Beschwerdeführer zwar zu Recht gerügt, dass die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juli 2004 verfahrensfehlerhaft ergangen sei, da die dem Beschluss zugrunde liegende Rechtsansicht, § 98 HDO gelte nicht für das Verfahren über die Zulassung des Wiederaufnahmeantrags, unzutreffend sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch sein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der abgelehnten Richter allein aus der verfahrensfehlerhaften Entscheidung über seinen Wiederaufnahmeantrag abgeleitet, ohne einen konkreten Anhaltspunkt für eine innere Haltung der abgelehnten Richter aufzuzeigen und glaubhaft zu machen, der ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflusst haben könnte. Der Verfahrensverstoß allein vermöge indes die Ablehnung des Richters nicht zu rechtfertigen. Etwas anderes gelte auch nicht deshalb, weil das Bundesverfassungsgericht festgestellt habe, dass die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch den Beschluss vom 21. Dezember 2005 auf willkürlichen Erwägungen beruhte. Diese objektive Feststellung lasse keinen Rückschluss auf die innere Haltung der abgelehnten Richter zu. Mit der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen das Willkürverbot sei nicht zugleich die Feststellung verbunden, dass der Antragsteller bei vernünftiger Würdigung des Sachverhalts Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln.

3. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 16. November 2006 wies der Hessische Verwaltungsgerichtshof - nunmehr wieder in der Besetzung mit den Richtern R., B. und H. - erneut die Beschwerde gegen den Beschluss der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vom 24. November 2005 zurück. Zur Begründung hieß es zunächst, dass der Entscheidung trotz des Inkrafttretens des Hessischen Disziplinargesetzes (HDG) vom 21. Juli 2006 nach der entsprechenden Übergangsvorschrift (§ 90 Abs. 6 Satz 3 HDG) die Bestimmungen der Hessischen Disziplinarordnung zugrunde zu legen seien. In der Sache wiederholte der Senat seine Ausführungen in dem vom Bundesverfassungsgericht aufgehobenen Beschluss vom 23. Januar 2006 und machte sie sich nochmals zu eigen. Die weiteren Stellungnahmen des Beschwerdeführers rechtfertigten keine andere Beurteilung. Auf die vom Beschwerdeführer hervorgehobene begriffliche Unterscheidung von Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit komme es im Ergebnis nicht an, weil nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen beide Voraussetzungen in der Person des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitraum nicht erfüllt gewesen seien. Deshalb sei auch der vom Beschwerdeführer ins Feld geführte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 1 DB 1.05 - auf seinen Fall nicht übertragbar.

II.

Der Beschwerdeführer sieht sich durch die beiden angegriffenen Entscheidungen in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 33 Abs. 5, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

1. Im Verfahren 2 BvR 2335/06 trägt der Beschwerdeführer vor, er sei "unschuldig" aus dem Dienst entfernt worden. Die neuerliche Zurückweisung seines Ablehnungsgesuchs sei wiederum rechtswidrig. Die abgelehnten Richter seien bereits nach § 42a Satz 1 Nr. 4 HDO kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen, da sie in dem Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer tätig gewesen seien. Es bestehe aber auch die Besorgnis der Befangenheit. Der Verstoß der abgelehnten Richter gegen § 98 HDO wiege schwer und stelle nicht bloß einen leichteren Verfahrensfehler dar. Es entspreche der Auffassung von Literatur und Rechtsprechung, dass bei Richtern, deren vorangegangene Entscheidungen gegen das Willkürverbot verstoßen hätten, die Besorgnis der Befangenheit bestehe. Dies habe die angegriffene Entscheidung vom 11. Oktober 2006 nicht berücksichtigt.

2. Im Verfahren 2 BvR 2589/06 legt der Beschwerdeführer nochmals dar, weshalb aus seiner Sicht seine Entfernung aus dem Dienst zu Unrecht erfolgt sei. Die erneute Ablehnung der Beschwerde gegen die Versagung eines Unterhaltsbeitrags berücksichtige nicht hinreichend den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 1 DB 1.05 -. Es sei im Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts willkürlich, von ihm besondere Bemühungen um einen Arbeitsplatz zu fordern, da er dem Arbeitsmarkt infolge seiner Arbeitsunfähigkeit nicht zur Verfügung stehe. Dies habe er durch die ärztlichen Stellungnahmen vom 12. Oktober und vom 12. Dezember 2005 nachgewiesen.

3. Der Beschwerdeführer beantragt ferner, das Land Hessen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, rückwirkend seit August 2003 monatliche Unterhaltsbeiträge in Höhe der letzten Dienstbezüge, hilfsweise rückwirkend seit Februar 2004 in Höhe von 75 % des erdienten Ruhegehalts, unter Anrechnung der geleisteten Unterhaltsbeiträge zu bezahlen.

III.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) sind nicht erfüllt. Den Verfassungsbeschwerden kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerden haben keine Aussicht auf Erfolg.

1. Der angegriffene Beschluss vom 11. Oktober 2006 entzieht den Beschwerdeführer nicht seinem gesetzlichen Richter.

a) Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet dem Einzelnen das Recht auf den gesetzlichen Richter.

Ziel der Verfassungsgarantie ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfGE 17, 294 <299>; 48, 246 <254>; 82, 286 <296>; 95, 322 <327>). Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden (vgl. BVerfGE 95, 322 <327>).

Deshalb verpflichtet Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG den Gesetzgeber dazu, eine klare und abstrakt-generelle Zuständigkeitsordnung zu schaffen, die für jeden denkbaren Streitfall im Voraus den Richter bezeichnet, der für die Entscheidung zuständig ist. Jede sachwidrige Einflussnahme auf die rechtsprechende Tätigkeit von innen und von außen soll dadurch verhindert werden. Die Gerichte sind bei der ihnen obliegenden Anwendung der vom Gesetzgeber geschaffenen Zuständigkeitsordnung verpflichtet, dem Gewährleistungsgehalt und der Schutzwirkung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG angemessen Rechnung zu tragen.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darüber hinaus auch einen materiellen Gewährleistungsgehalt. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und der die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet (vgl. BVerfGE 10, 200 <213 f.>; 21, 139 <145 f.>; 30, 149 <153>; 40, 268 <271>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>). Der Gesetzgeber hat deshalb in materieller Hinsicht Vorsorge dafür zu treffen, dass die Richterbank im Einzelfall nicht mit Richtern besetzt ist, die dem zur Entscheidung anstehenden Streitfall nicht mit der erforderlichen professionellen Distanz eines Unbeteiligten und Neutralen gegenüberstehen. Die materiellen Anforderungen der Verfassungsgarantie verpflichten den Gesetzgeber dazu, Regelungen vorzusehen, die es ermöglichen, einen Richter, der im Einzelfall nicht die Gewähr der Unparteilichkeit bietet, von der Ausübung seines Amtes auszuschließen.

b) Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters durch die Rechtsprechung, der die Anwendung der Zuständigkeitsregeln und die Handhabung des Ablehnungsrechts im Einzelfall obliegt, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden; andernfalls müsste jede fehlerhafte Handhabung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind aber jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286 <299>). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts (vgl. BVerfGE 29, 45 <49>; 82, 159 <197>; 87, 282 <286>) beruht oder ob sie darauf hindeutet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt, kann nur angesichts der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

2. Gemessen an diesen Maßstäben verletzt der angegriffene Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Oktober 2006 Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. Die Anwendung der Ausschließungs- und Befangenheitsvorschriften in dieser Entscheidung war nicht willkürlich.

a) Eines Eingehens auf § 42a Satz 1 Nr. 4 HDO bedurfte es nicht. Dieser Ausschließungsgrund, nach welchem ein Richter unter anderem dann von der Ausübung des Richteramts ausgeschlossen ist, wenn er in dem Disziplinarverfahren gegen den Beamten tätig gewesen ist, bezieht sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 63, 262 <264>) und der disziplinarrechtlichen Literatur (Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl. 2003, § 48 Rn. 5; Weiß, in: GKÖD Bd. II M § 48 BDG Rn. 29) zu den gleich lautenden § 51 Satz 1 Nr. 4 BDO und § 48 Abs. 1 Nr. 4 BDG nicht auf frühere richterliche Tätigkeit. Diese gefestigte Rechtsmeinung, die zur Begründung unter anderem auf die entsprechende Regelung in § 22 Nr. 4 StPO hinweist, kann nicht als willkürlich angesehen werden. Die entgegenstehende Auffassung des Beschwerdeführers, die er - soweit ersichtlich - erstmals im Verfassungsbeschwerdeverfahren geltend gemacht hat, musste daher vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof auch nicht geprüft und erörtert werden.

b) Die Zurückweisung des Befangenheitsantrags beruht nicht auf Willkür.

aa) Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat sich in dem angegriffenen Beschluss mit dem Begriff der Besorgnis der Befangenheit eingehend auseinandergesetzt und ihn unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 32, 288 <290>; 82, 30 <38>) dahingehend ausgelegt, dass der Ablehnungsgrund dann eingreife, wenn der Ablehnende bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. In Konkretisierung dieses Maßstabs führt der Hessische Verwaltungsgerichtshof dann weiter aus, solche Ablehnungsgründe folgten auch dann nicht aus der Mitwirkung des abgelehnten Richters an einer Vorentscheidung, wenn diese auf einem Verfahrensfehler, einem tatsächlichen Irrtum oder einer unrichtigen oder sogar unhaltbaren Rechtsansicht beruhten, da ein verständiger Verfahrensbeteiligter davon ausgehen könne und müsse, dass der Richter sich dadurch nicht für künftige Entscheidungen festgelegt habe. Diese Ausführungen, die im Einklang mit der in dem angegriffenen Beschluss herangezogenen Literatur und Rechtsprechung stehen, sind aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.

bb) Auf dieser rechtlichen Grundlage gelangt der mit der Verfassungsbeschwerde zu 1. angegriffene Beschluss zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juli 2004 zwar unter Verstoß gegen § 98 HDO und damit verfahrensfehlerhaft ergangen sei, der Beschwerdeführer jedoch keinen Anhaltspunkt für eine innere Haltung der abgelehnten Richter aufgezeigt und glaubhaft gemacht habe, der ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit in dem vorliegenden Verfahren störend beeinflusst haben könne. Diese Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Maßstäbe begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Besorgnis der Befangenheit ist bei Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Objektivität des abgelehnten Richters gegeben und setzt daher die Feststellung von Tatsachen voraus, die einen Schluss auf die innere Haltung der abgelehnten Richter ermöglichen. Dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof allein in der Mitwirkung an der fehlerhaften Vorentscheidung solche Tatsachen nicht gesehen hat, entspricht der überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, wonach zur Vorbefassung als solcher noch besondere Umstände hinzutreten müssen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen können, und hierfür Rechtsfehler vorangegangener Entscheidungen nicht ausreichen (vgl. neben den in dem angegriffenen Beschluss erwähnten Auffassungen BGHSt 48, 4 <8>; 50, 216 <221>; BayObLGSt 2001, S. 111 <114>; Pfeiffer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 24 Rn. 6; Siolek, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Stand: Juli 2006, § 24 Rn. 38 f.).

cc) Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat schließlich die Besorgnis der Befangenheit auch nicht aus dem Umstand abgeleitet, dass die Kammer im Beschluss vom 12. Juli 2006 die frühere Zurückweisung des Befangenheitsgesuchs als willkürlich angesehen hatte. Auch insoweit führt der Hessische Verwaltungsgerichtshof aus, dass mit der Feststellung eines objektiven Verstoßes gegen das Willkürverbot nicht zugleich die Feststellung verbunden sei, dass ein Betroffener bei vernünftiger Würdigung Anlass habe, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Dieser Gang der Begründung ist seinerseits frei von Willkür.

Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, dass sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit dieser Rechtsauffassung in Widerspruch zur überwiegenden Meinung - die in dem angegriffenen Beschluss auch durch einen Verweis auf eine entsprechende Kommentarstelle deutlich gemacht wird - setzt (vgl. nochmals BGHSt 48, 4 <8>; 50, 216 <221>; BayObLGSt 2001, S. 111 <114>; Pfeiffer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 24 Rn. 6; Siolek, in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Stand: Juli 2006, § 24 Rn. 39), die bei auf Willkür beruhenden Vorentscheidungen regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit als gegeben ansieht.

Ein Verfassungsverstoß folgt indessen noch nicht daraus, dass ein Gericht sich einer herrschenden Meinung nicht anschließt. Abweichende Auslegungen derselben Norm verletzen das Gleichbehandlungsgebot nicht. Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG). Ein Gericht braucht deshalb bei der Auslegung und Anwendung von Normen einer vorherrschenden Meinung nicht zu folgen. Es ist selbst dann nicht gehindert, eine eigene Rechtsauffassung zu vertreten und seinen Entscheidungen zugrunde zu legen, wenn alle anderen Gerichte - auch die im Rechtszug übergeordneten - den gegenteiligen Standpunkt einnehmen. Die Rechtspflege ist wegen der Unabhängigkeit der Richter konstitutionell uneinheitlich (BVerfGE 87, 273 <278>).

Der angegriffene Beschluss ist auch nicht inhaltlich willkürlich. Von willkürlicher Missdeutung kann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfGE 87, 273 <279>). Die Grenze zur Willkür ist erst überschritten, wenn die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr verständlich ist, es sich also um eine krasse Fehlentscheidung handelt (BVerfGE 89, 1 <14>).

Das ist hier nicht der Fall. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat seine Auffassung mit dem Verweis darauf, dass ein pauschaler Schluss von einer objektiv willkürlichen Rechtsauffassung in einer Vorentscheidung auf eine fehlende Unparteilichkeit und Objektivität in einem folgenden Verfahren unzulässig sei, und damit im Einklang mit den zuvor dargelegten, verfassungsrechtlich unbedenklichen Maßstäben begründet. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der - auch dem Beschluss der Kammer vom 12. Juli 2006 zugrunde liegende - Begriff der Willkür objektiv zu verstehen ist und keinen subjektiven Schuldvorwurf enthält (BVerfGE 86, 59 <63>; 87, 273 <279>). Die Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, zu der in der Entscheidung der abgelehnten Richter zutage getretenen objektiven Willkür müssten noch weitere, im Subjektiven liegende Umstände hinzutreten, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen, steht damit nicht im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dasselbe gilt hinsichtlich des Umstands, dass der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Prüfung auch die dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter berücksichtigt hat (vgl. BVerfGE 31, 145 <165>).

Es verhält sich auch nicht so, dass die herrschende Meinung sich mit diesen Erwägungen, die die angegriffene Entscheidung tragen, bereits auseinandergesetzt und sie widerlegt oder abgelehnt hätte. Vielmehr lässt die überwiegende Auffassung eine inhaltliche, an die dargelegten Voraussetzungen der Besorgnis der Befangenheit anknüpfende Begründung nahezu vollständig vermissen und vermag jedenfalls nicht auf den ersten Blick ohne weiteres zu überzeugen, sodass die hiervon abweichende Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls nicht willkürlich ist. Die herrschende Meinung sieht zwar in einer zuvor von dem abgelehnten Richter vertretenen unhaltbaren Rechtsansicht, nicht aber in einer willkürlichen Rechtsauffassung einen Grund für die Besorgnis der Befangenheit. Sie erläutert indessen diese - schwerlich nachvollziehbare und in der Praxis kaum umzusetzende - Differenzierung zwischen Unhaltbarkeit und Willkür nicht näher und legt auch nicht dar, weshalb nur im Falle der Willkür Zweifel an der Objektivität im Folgeverfahren bestehen, ohne dass es des Hinzutretens weiterer Umstände bedürfte. Dieser Schluss von der objektiven Willkür auf die Besorgnis subjektiver Voreingenommenheit drängt sich indessen nicht in einer Weise auf, die zur Unvertretbarkeit der Gegenauffassung führte.

Das Vorliegen besonderer, zur objektiven Willkür hinzutretender Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof schließlich ebenfalls ohne Verfassungsverstoß verneint. Der Beschwerdeführer hat weder - wie er selbst einräumt - in seinem Befangenheitsantrag vom 14. Dezember 2005 noch in seinem späteren Vorbringen - auch nicht in dem von ihm besonders erwähnten Schriftsatz vom 4. Oktober 2006 - Gesichtspunkte dargelegt, die über die gegen § 98 HDO verstoßende Vorbefassung der abgelehnten Richter hinausgingen und die der Hessische Verwaltungsgerichtshof noch zu berücksichtigen gehabt hätte. Insbesondere führt die vom Beschwerdeführer hervorgehobene Entscheidung des Landgerichts Hamburg nicht zu einem anderen Ergebnis, da dieser die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof nicht geteilte Prämisse zugrunde liegt, dass eine Willkürfeststellung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich zur Besorgnis der Befangenheit führe (LG Hamburg, Beschluss vom 14. Juli 2004 - 620 KLs 5/04 -, JURIS, Rn. 5 und 14, insoweit in StV 2004, S. 590 nicht abgedruckt).

3. Keinen Erfolg hat die Verfassungsbeschwerde auch, soweit sie sich gegen den Beschluss vom 16. November 2006 wendet, mit welchem die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss der Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main erneut zurückgewiesen wurde.

Mit ihren Angriffen gegen die vorangegangenen Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, namentlich über die Entfernung des Beschwerdeführers aus dem Dienst, verkennt die Verfassungsbeschwerde, dass die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit dieser früheren Entscheidungen auf die Verfassungsmäßigkeit des angegriffenen Beschlusses keinen Einfluss hat.

4. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden erledigen sich die Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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