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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 2 BvR 2592/06
Rechtsgebiete: BVerfGG, RVG, GG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93a Abs. 2
BVerfGG § 93b
RVG § 51
RVG § 51 Abs. 1 Satz 1
RVG § 51 Abs. 1 Satz 5
GG Art. 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2592/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. November 2006 - III-3 (s) RVG 73/06 -

und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 10. Januar 2007 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe:

1. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht ausreichend begründet.

Ob dem Beschwerdeführer durch die Gebührenfestsetzung des Oberlandesgerichts bei Fortführung der Pflichtverteidigung in dem vor dem Strafsenat anhängigen Strafverfahren ein grundrechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer abverlangt wird, kann das Bundesverfassungsgericht auf Grund des mitgeteilten Sachverhalts nicht beurteilen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Senats- und Kammerentscheidungen ausgeführt, dass das Institut der Pflichtverteidigung eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken darstellt, die das Grundrecht des betroffenen Rechtsanwalts auf freie Ausübung seines Berufes berührt (vgl. BVerfGE 39, 238 <241 f.>; 68, 237 <253 f.>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. August 2005 - 2 BvR 896/05 -, NJW 2005, S. 3699). Als staatlich erzwungene Maßnahme zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens ist eine solche Indienstnahme nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn dem Verteidiger für die von ihm geleistete Tätigkeit eine Vergütung zufließt, die dem Eintritt einer für ihn unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung vorbeugt (vgl. BVerfGE 54, 251 <271>; 68, 237 <255>).

Diesem verfassungsrechtlichen Gebot einer finanziellen Kompensation des staatlichen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit der Rechtsanwälte im Falle einer Beiordnung als Verteidiger hat der Gesetzgeber mit § 51 RVG in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen (vgl. BTDrucks 15/1971, S. 201). § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG sieht die Bewilligung einer Pauschgebühr für das Strafverfahren vor, wenn die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit auf Grundlage der gesetzlichen Gebührentatbestände für den Verteidiger unzumutbar wäre. Grundsätzlich erfolgt die Festsetzung einer solchen Pauschgebühr nach Abschluss der gerichtlichen Instanz (vgl. Madert, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 17. Aufl. 2006, § 51 Rn. 18). Im Einzelfall kann es für den Anwalt - insbesondere bei lang andauernden Strafverfahren - jedoch wirtschaftlich unzumutbar sein, bis zur Bewilligung der Pauschgebühr auf das Prozessende zu warten. Aus diesem Grund erlaubt es § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG, dem Verteidiger einen Vorschuss auf die zu erwartende Pauschgebühr zu gewähren. Dieser Vorschuss muss "angemessen" sein, das heißt er muss in seiner Höhe so bemessen sein, dass er dem Anwalt ein Zuwarten auf die endgültige Festsetzung der Pauschgebühr wirtschaftlich ermöglicht.

Der Beschwerdeführer behauptet zwar, der ihm vom Oberlandesgericht zugebilligte Vorschuss auf die Pauschgebühr sei zu niedrig und damit unangemessen im Sinne dieser Maßstäbe. Er trägt jedoch nicht ausreichend Tatsachen vor, die diese Behauptung untermauerten. So beziffert er in der Verfassungsbeschwerde zwar dezidiert seine Ausgaben. Hingegen fehlen ähnlich konkrete Angaben zu den Einnahmen, die er seit Übernahme der Pflichtverteidigung erzielt hat. Insoweit belässt es der Beschwerdeführer bei den vagen Angaben, sein Notariat und seine anwaltliche Tätigkeit neben dem Strafverfahren seien rückläufig. Erst eine detaillierte Einnahmen-Ausgaben-Aufstellung des Kanzleibetriebs des Beschwerdeführers würde die Kammer zu der Prüfung der Angemessenheit des bewilligten Vorschusses befähigen. Denn nur dann könnte sie abschließend darüber befinden, ob dem Beschwerdeführer angesichts seiner wirtschaftlichen Situation ohne Anhebung des bewilligten Vorschusses aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zugemutet werden kann, die Verteidigung im Strafverfahren vor dem Oberlandesgericht bis zur endgültigen Festsetzung der Pauschgebühr fortzuführen.

2. Da die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist, erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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