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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 03.02.2003
Aktenzeichen: 2 BvR 319/02
Rechtsgebiete: BVerfGG


Vorschriften:

BVerfGG § 93a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 319/02 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Januar 2002 - (1) 003 Ws 8/02 (10/02) -,

b) den Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 6. Dezember 2001 - 5 StVK 191/01 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)

am 3. Februar 2003 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Soweit der Beschwerdeführer rügt, mit dem Vollzug der Sicherungsverwahrung sei ohne vorherige Prüfung nach § 67c Abs. 1 StGB begonnen worden, übersieht er, dass eine entsprechende Entscheidung in dem Beschluss des Landgerichts Kassel vom 1. November 1999 (StVK 632/98) und in dem auf sein Rechtsmittel hin ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 4. Januar 2000 (3 Ws 1+2/2000) liegt. Dass diese Entscheidungen, die auch einen Strafaussetzungsantrag zum Gegenstand hatten, bereits rund ein Jahr vor dem Ende des Strafvollzugs getroffen wurden, verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.

a) Grundlage für die Entziehung der persönlichen Freiheit sind das Vorliegen eines formellen Gesetzes (Art. 2 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG) und eine vorherige richterliche Entscheidung (Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG). Jede zwangsweise Unterbringung ohne diese Voraussetzungen ist ein verfassungswidriger Eingriff in die Freiheit der Person (vgl. BVerfGE 22, 180 <218 f.>).

Das Gesetz bestimmt in § 67c Abs. 1 StGB, dass die Prüfung der Erforderlichkeit des Maßregelvollzugs "vor dem Ende des Vollzugs der Strafe" zu erfolgen hat. Nicht ausdrücklich festgelegt hat der Gesetzgeber dagegen, wann die Prüfung nach § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB frühestens erfolgen darf. Die Frage ist daher im Lichte des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3, Art. 104 Abs. 1 und 2 GG nach dem Zweck der Vorschrift zu beantworten: Die Prüfung soll ergeben, ob die Unterbringung nach dem Ende des Strafvollzugs mit Rücksicht auf den Maßregelzweck noch erforderlich ist; sie soll die dem Urteil zugrunde liegende Prognose auf Grund der später gesammelten Erkenntnisse ergänzen. Die Prüfung ist daher erst sinnvoll, wenn sich sicherer als im Urteilszeitpunkt beurteilen lässt, ob die Aussetzung der Maßregel verantwortet werden kann. Die Entscheidung nach § 67c StGB darf von dem Ende der Strafe deshalb nicht so weit entfernt sein, dass in der Zwischenzeit noch mit Ereignissen und neuen Erkenntnissen gerechnet werden muss, die die Prognose maßgeblich ändern (vgl. OLG Stuttgart, NStZ 1988, S. 45; Horstkotte, in: Leipziger Kommentar, StGB, 10. Aufl., § 67c Rn. 33).

b) Nach Prüfung von § 57 Abs. 1 StGB und § 67c Abs. 1 StGB hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kassel in ihrem rund ein Jahr vor dem Strafende gefassten Beschluss vom 1. November 1999 hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer sich vor einer Aussetzung von Strafe und Maßregel erst noch im Rahmen von Vollzugslockerungen über einen längeren Zeitraum in Freiheit bewähren müsse; zudem solle das Wagnis einer derartigen Erprobung bei der Disposition des Verurteilten nur in kleinen Schritten erfolgen. Hierin wird deutlich, dass nach Einschätzung des Gerichts innerhalb des verbleibenden letzten Jahres der Freiheitsstrafe nicht mehr mit Ereignissen und neuen Erkenntnissen, die auf die Entscheidung über die Aussetzung der Maßregel Einfluss nehmen könnten, zu rechnen war. Angesichts dessen war es vertretbar, bereits zu diesem frühen Zeitpunkt über die Vollziehung der Maßregel zu entscheiden. Andernfalls hätte nur wenige Monate nach der Beendigung des Beschwerdeverfahrens vor dem Oberlandesgericht erneut ein Verfahren zur Prüfung derselben, bereits entschiedenen Frage eingeleitet werden müssen. Dies war nicht geboten. Auf Antrag des Beschwerdeführers wurde zudem ein Jahr nach dem Strafende erneut die Notwendigkeit der weiteren Maßregelvollstreckung geprüft.

2. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, die Gerichte seien in den angegriffenen Entscheidungen auf seine Beanstandung, es fehle an einer Entscheidung nach § 67c StGB, nicht eingegangen, übersieht er, dass diese ausdrücklich den vorgenannten Beschluss des Landgerichts Kassel vom 1. November 1999 (StVK 632/98) in Bezug genommen haben, der die Entscheidung nach § 67c StGB enthält.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.



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