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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 25.01.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 325/06
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 325/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2005 - I OWi 226/05 -,

b) die Verfügung des Landgerichts Augsburg vom 6. Mai 2005 - 6 Qs 230/05 -,

c) den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 31. März 2005 - I OWi 226/05 -

hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Broß, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 25. Januar 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Beschlüsse des Amtsgerichts Augsburg vom 31. März 2005 - I OWi 226/05 - und vom 16. Dezember 2005 - I OWi 226/05 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Augsburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die - ohne Erhebung der vom Beschwerdeführer beantragten Beweise - durch das Amtsgericht erfolgte Verwerfung des Antrags des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Bescheid der Bußgeldbehörde, mit dem diese den Einspruch des Beschwerdeführers gegen einen Bußgeldbescheid unter Hinweis auf einen Rechtsmittelverzicht verwarf.

I.

1. Der Beschwerdeführer war Mitgeschäftsführer des Unternehmens M. mit Hauptsitz in der Tschechischen Republik und Verantwortlicher für den Einsatz von Arbeitnehmern dieses Unternehmens bei Bauvorhaben in der Bundesrepublik Deutschland.

Das Hauptzollamt Augsburg setzte mit Bußgeldbescheid vom 16. Februar 2005 gegen den Beschwerdeführer wegen des Vorwurfs der unzulässigen Beschäftigung ausländischer Staatsangehöriger eine Geldbuße in Höhe von 9.000 Euro fest. Der Bescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung in deutscher Sprache. Auf der folgenden Seite ist eine Zahlungsaufforderung und darunter folgender Text abgedruckt: "Der o.g. Bescheid wurde mir heute persönlich ausgehändigt. Nach Belehrung über die Folgen dieser Aussage erkläre ich, dass ich auf die Einlegung von Rechtsmitteln gegen diesen Bescheid verzichte." Es folgen Datum und Unterschrift des Beschwerdeführers.

Den gegen diesen Bußgeldbescheid eingelegten Einspruch des Beschwerdeführers vom 21. Februar 2005 verwarf das Hauptzollamt Augsburg mit Bescheid vom 7. März 2005 als unzulässig, da der Beschwerdeführer bei Aushändigung des Bußgeldbescheids am 17. Februar 2005 im Beisein seines Verteidigers einen Rechtsmittelverzicht unterschrieben habe.

2. Der Beschwerdeführer beantragte hiergegen die gerichtliche Entscheidung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 OWiG in Verbindung mit § 62 OWiG, da der Rechtsmittelverzicht unwirksam sei. Der Beschwerdeführer sei nach Aufforderung beim Hauptzollamt erschienen, um dazu Stellung zu nehmen, dass den Arbeitnehmern der M. und diesem Unternehmen selbst vorgeworfen wurde, trotz Widerrufs der Arbeitsgenehmigungen auf einer Baustelle in Ingolstadt gearbeitet zu haben. Hierbei sei er von seiner Tochter, die so gut deutsch spreche, dass sie habe übersetzen können, begleitet worden. Er sei davon ausgegangen, dass das Verfahren nur gegen das genannte Unternehmen sowie die Arbeitnehmer, nicht jedoch gegen ihn persönlich geführt würde. Der ebenfalls anwesende Rechtsanwalt sei nicht als sein Verteidiger, sondern als Verteidiger des Unternehmens aufgetreten. Ihm seien dann zwei Bußgeldbescheide überreicht worden, wobei sich einer gegen das Unternehmen und einer gegen ihn persönlich gerichtet habe. Er habe den gegen ihn persönlich gerichteten Bußgeldbescheid entgegengenommen und den Empfang durch seine Unterschrift bestätigt, wobei er davon ausgegangen sei, dass er nur den Erhalt bestätigt habe, wie dies auch bei dem Bußgeldbescheid gegen das Unternehmen richtig vermerkt gewesen sei. Eine mündliche Rechtsmittelbelehrung oder eine Übersetzung oder Erläuterung der schriftlichen Rechtsmittelbelehrung seien nicht erfolgt. Entgegen dem Textvordruck sei auch keine Belehrung über den Rechtsmittelverzicht erteilt worden. Vor allem habe seine Tochter diesbezüglich nichts übersetzt und werde daher ebenso wie Rechtsanwalt H. bezeugen können, dass eine derartige Belehrung nicht erfolgt sei.

3. Das Amtsgericht Augsburg verwarf mit Beschluss vom 31. März 2005 den Antrag als unbegründet. Die Verwaltungsbehörde habe zu Recht ausschließlich darauf abgestellt, dass der zweifellos prozessfähige Beschwerdeführer eine wirksame Erklärung im Sinne des § 302 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG abgegeben habe. Die Behauptung, keine Rechtsbehelfsbelehrung erhalten zu haben, sei durch den Inhalt des Bußgeldbescheides widerlegt.

4. Mit Schriftsatz vom 28. April 2005, der beim Amtsgericht per Telefax am selben Tag einging, beantragte der Beschwerdeführer, den Beschluss vom 31. März 2005 aufzuheben. Dieser sei unter Verstoß gegen den Grundsatz des Anspruchs auf rechtliches Gehör zustande gekommen. Das Gericht habe die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise missachtet und sich mit dem Vortrag der fehlenden Übersetzung des Bußgeldbescheides und der darin enthaltenen Rechtsmittelbelehrung in die tschechische Sprache nicht auseinander gesetzt. Der Beschwerdeführer sei Tscheche und verstehe kein Deutsch. Es fänden sich im angegriffenen Beschluss auch keine Ausführungen zum Vorbringen, wonach ihm der Rechtsmittelverzicht gleichsam untergeschoben worden sei.

5. Gemäß Verfügung vom 2. Mai 2005, die dem Beschwerdeführer ausweislich der Akten nicht bekanntgegeben wurde, half das Amtsgericht dem Rechtsmittel nicht ab; ein solches sei nicht statthaft. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege nicht vor. Es legte die Akten dem Landgericht Augsburg vor.

6. Mit Verfügung vom 6. Mai 2005 äußerte sich der Vorsitzende der 6. Strafkammer des Landgerichts Augsburg dahin, dass das als Gegenvorstellung zu behandelnde Schreiben vom 28. April 2005 keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung gebe.

Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. August 2005 - 2 BvR 1004/05 - nicht zur Entscheidung angenommen, da der Rechtsweg nicht erschöpft war.

7. Daraufhin brachte der Beschwerdeführer gegenüber dem Amtsgericht seinen Schriftsatz vom 28. April 2005 in Erinnerung und wiederholte die dortigen Anträge unter ausdrücklicher Stützung auf § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 33a StPO. Er sei entgegen dem Vermerk im Bußgeldbescheid nicht über die Bedeutung und die Folgen des Rechtsmittelverzichts belehrt worden. Hierzu habe er Beweis angeboten, der bis heute nicht erhoben worden sei.

8. Das Hauptzollamt nahm mit Schreiben vom 30. September 2005 hierzu wie folgt Stellung: Am 16. Februar 2005 sei mit Rechtsanwalt H. ein Telefonat geführt worden, das habe erkennen lassen, dass dem Beschwerdeführer alles daran gelegen sei, die Sache einvernehmlich abzuschließen und wieder Arbeitsgenehmigungen für seine Arbeitnehmer zu erhalten. Er sei deshalb mit seiner Tochter als Dolmetscherin und Rechtsanwalt H. am 17. Februar 2005 auf der Dienststelle erschienen. Hier seien dem Beschwerdeführer im Beisein seines Verteidigers und der Dolmetscherin der gegen ihn gerichtete Bußgeldbescheid, ein zweiter Bußgeldbescheid gegen die Firma M. und das Vernehmungsprotokoll übergeben worden. Es sei deshalb nicht verwunderlich, dass der Beschwerdeführer den Rechtsmittelverzicht unterschrieben habe. Er habe sich nur dahin geäußert, dass er den Bußgeldbescheid nicht sofort bezahlen könne. Aufgrund der Tatsache, dass Rechtsanwalt H. nahezu jede von den Ermittlungsbeamten gestellte Frage kommentiert und sich mit dem Beschwerdeführer beraten habe, teilweise auch die Angaben im Vernehmungsprotokoll formuliert habe, habe davon ausgegangen werden müssen, dass Rechtsanwalt H. die rechtliche Vertretung des Beschwerdeführers übernommen habe. Rechtsanwalt H. habe jeden Bußgeldbescheid vorher gelesen und sich mit dem Beschwerdeführer besprochen. Es sei davon auszugehen, dass es sich um den Rechtsbeistand des Beschwerdeführers gehandelt habe. Somit sei seitens der Verwaltungsbehörde explizit keine mündliche Belehrung über die Folgen des Rechtsmittelverzichts erteilt worden. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der Anwesenheit der Tochter keine sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten gehabt und sei aufgrund der erfolgten Unterredungen und Absprachen mit einem Rechtsanwalt in der Lage gewesen, zu erkennen und zu verstehen, welche Schriftstücke er gegengezeichnet habe.

9. Hierzu erwiderte der Beschwerdeführer, er habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, er werde den Bußgeldbescheid akzeptieren und bezahlen. Dies ergebe sich auch aus der Vernehmungsniederschrift vom 17. Februar 2005, wonach er erst durch seinen Anwalt überprüfen lassen wollte, ob er zur Bezahlung verpflichtet sei. Er habe den Bußgeldbescheid also gerade nicht akzeptieren wollen.

Wie das Hauptzollamt einräume, sei der Beschwerdeführer über die Folgen des Rechtsmittelverzichts nicht mündlich belehrt worden. Zum Beweis der Tatsache, dass die Erklärung über den Rechtsmittelverzicht dem Beschwerdeführer vor der Unterzeichnung nicht übersetzt worden sei, beantrage er die förmliche Vernehmung seiner Tochter. Er habe nicht verstanden, was diese Erklärung bedeute. Er habe gedacht, er bestätige den Erhalt des Schreibens.

10. Hierzu entgegnete das Hauptzollamt unter dem 11. November 2005, die Tochter des Beschwerdeführers habe diesem die gesamte Vernehmung ins Tschechische übersetzt, worauf der Beschwerdeführer jede Seite einzeln unterschrieben habe. Bei der Aushändigung des Bescheides sei in der Niederschrift folgendes aufgenommen worden: "Wenn ich gefragt werde, ob ich heute bereit bin, einen Bußgeldbescheid über 9.000 Euro zu bezahlen, antworte ich, das kann ich schon deshalb nicht, weil ich kein Geld dabei habe und weil ich von meinem Anwalt überprüfen lassen möchte, ob ich dazu verpflichtet bin." Nach Rücksprache mit dem Vernehmungsbeamten gehe aus dieser Äußerung jedoch nicht hervor, dass der Beschwerdeführer den Bußgeldbescheid nicht akzeptieren würde.

11. Das Amtsgericht wies mit Beschluss vom 16. Dezember 2005 die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers zurück. Eine Belehrung über die Folgen des Verzichts auf einen Rechtsbehelf sehe § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 302 StPO nicht vor. Es sei lediglich nach den Grundsätzen des Rechts auf ein faires Verfahren dafür zu sorgen, dass ein rechtsunkundiger Betroffener nicht in eine von ihm nicht gewollte Erklärung hineingedrängt werde. Hiervon könne nach den wechselseitigen Darstellungen, die das Gericht eingeholt habe, keine Rede sein. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der Begleitung durch die sprachkundige Tochter und einen Rechtsanwalt zweifellos erkannt, dass gegen ihn persönlich ein Bußgeldverfahren durchgeführt worden sei und er selbst auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs verzichtet habe. Eine Verkürzung des rechtlichen Gehörs sei auch durch das nachträgliche Vorbringen des Beschwerdeführers nicht ersichtlich.

II.

1. Mit seiner fristgemäß eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte auf Gewährung des rechtlichen Gehörs und auf ein faires Verfahren.

Das Amtsgericht sei den aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Grundsätzen, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch in Erwägung zu ziehen, nicht gerecht geworden. Es habe sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass der streitgegenständliche Rechtsmittelverzicht nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei, nicht auseinandergesetzt. Es gehe im Gegenteil von einer wirksamen Erklärung aus, ohne den vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sachverhalt in seine Erwägungen mit einzubeziehen. Es finde sich keinerlei Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer die von ihm unterzeichnete Verzichtserklärung überhaupt verstanden habe und warum sich in dem in annähernd allen Punkten gleichlautenden Bußgeldbescheid gegen die Firma M. eine derartige Verzichtserklärung nicht finde. Hierbei handele es sich um Indizien, die für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen der Behörde sprächen.

Das Vorbringen sei geeignet, berechtigte Zweifel am ordnungsgemäßen Zustandekommen der Rechtsmittelverzichtserklärung hervorzurufen. Um diese auszuräumen, hätte das Amtsgericht eine Beweisaufnahme anordnen oder zumindest in seinen Entscheidungsgründen mitteilen müssen, warum es das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht für entscheidungserheblich und die Beweisaufnahme für entbehrlich halte.

Auch das Vorbringen, dass mangels Übersetzung keine wirksame Rechtsbehelfsbelehrung erfolgt sei, habe keine Berücksichtigung gefunden. Das Gericht setze sich zwar mit dieser Frage auseinander, gewähre dem Beschwerdeführer aber letztlich kein rechtliches Gehör, indem es im Beschluss vom 31. März 2005 ausschließlich auf die Akten Bezug nehme und auf eine Verbescheidung der Beweisanträge verzichte. Das Gericht wolle einen vom Beschwerdeführer behaupteten falschen Akteninhalt dadurch widerlegen, dass es diesen Akteninhalt beiziehe. Der Beschwerdeführer habe zum Beweis für die nicht erfolgte Übersetzung der Rechtsmittelbelehrung seine als Dolmetscherin anwesende Tochter angeboten. Das Amtsgericht habe diesen Beweisantrag übergangen und somit den Anspruch des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs vereitelt.

Der auf die Anhörungsrüge ergangene Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Dezember 2005 vermöge die Gehörsverletzung nicht zu heilen. Der Beschwerdeführer habe stets vorgetragen, dass er nicht anwaltlich vertreten und ihm die streitgegenständliche Rechtsmittelverzichtserklärung nicht übersetzt worden sei. Das Gericht übergehe diesen Vortrag und die hierzu gestellten Beweisanträge und lege seiner Entscheidung die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer habe aufgrund der Begleitung durch seine sprachkundige Tochter und einen Rechtsanwalt zweifellos erkennen können, dass gegen ihn persönlich ein Bußgeldverfahren durchgeführt worden sei und er selbst auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs verzichtet habe. Diese Annahme beruhe auf einer reinen Mutmaßung. Auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Umständen, unter denen der Rechtsmittelverzicht von ihm unterzeichnet worden sei, finde keine Berücksichtigung.

Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auf dem gerügten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich nach Vernehmung sämtlicher Zeugen herausgestellt hätte, dass die Rechtsmittelverzichtserklärung für unwirksam zu erachten gewesen wäre. Damit hätte auch der Verwerfungsbescheid des Hauptzollamts vom 7. März 2005 aufgehoben werden müssen.

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hatte Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 94 Abs. 2 BVerfGG). Es vertritt die Ansicht, die Verfassungsbeschwerde sei mangels eigenständiger Beschwer des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Verfügung des Landgerichts vom 6. Mai 2005 sowie den Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Dezember 2005 unzulässig, im Übrigen unbegründet. Vor allem verletze die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts vom 31. März 2005 in Verbindung mit dem Beschluss vom 16. Dezember 2005 den Beschwerdeführer nicht in seinem grundrechtlich geschützten Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Es seien keine Umstände ersichtlich, dass tatsächliches Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden wäre. Das Amtsgericht habe sich bei seiner Entscheidung auf das Wesentliche, nämlich die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts beschränken können. Ein schwerwiegender Willensmangel bei dessen Abgabe habe beim Beschwerdeführer nicht vorgelegen. Ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung würde einen solchen nicht darstellen. Der Beschwerdeführer hätte sich vor Abgabe einer Erklärung wie der Unterzeichnung amtlicher Schriftstücke über deren Inhalt vergewissern müssen. Wenn er dies unterlasse, etwa weil seine Tochter ihm den Inhalt weder übersetze noch er bei ihr nachfrage, was er unterschreibe, und zudem keine Rückfrage bei dem zur Beratung stehenden Anwalt erfolge, liege es ausschließlich in der Verantwortung des Beschwerdeführers, wenn er dennoch eine Unterschrift leiste. Es sei nicht Aufgabe der Verwaltungsbehörde oder der Gerichte, nicht offensichtlich irrige Vorstellungen des Erklärenden zu schützen. Ein offensichtlicher Irrtum sei nicht erkennbar gewesen und habe auch nicht daraus resultiert, dass der Beschwerdeführer zunächst erklärt habe, er könne den Bußgeldbescheid nicht bezahlen und wolle seine Zahlungsverpflichtung durch seinen Anwalt überprüfen lassen, da es durchaus nicht ungewöhnlich sei, dass ein Betroffener zunächst erkläre, er werde den Bußgeldbescheid oder das Urteil nicht akzeptieren, es sich jedoch dann anders überlege und einen Rechtsmittelverzicht abgebe.

Es liege auch keine Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Gewährleistung eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vor.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 31. März 2005 in Verbindung mit dem Beschluss vom 16. Dezember 2005 zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihr statt. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer gemäß § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Weise offensichtlich begründet; die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig. Vor allem ist der Rechtsweg erschöpft. Der Beschwerdeführer hat mit dem beim Amtsgericht am 28. April 2005 eingegangenem Schriftsatz vom 28. April 2005 unter Berufung auf den unter Verletzung des rechtlichen Gehörs zustande gekommenen Beschluss des Amtsgerichts vom 31. März 2005 einen gemäß § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 33a StPO zulässigen Antrag gestellt (vgl. hierzu Kurz, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 62 Rn. 25 a.E. und Rn. 30). Diesem Rechtsbehelf hat das Amtsgericht zunächst nicht abgeholfen und ihn dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dort hat zuerst der hierzu weder sachlich noch funktionell zuständige Vorsitzende Richter der 6. Strafkammer entschieden. Auf Nachfrage des Beschwerdeführers hat sich das Amtsgericht jedoch mit der Anhörungsrüge befasst und hierüber die Entscheidung vom 16. Dezember 2005 getroffen, die dem Verteidiger des Beschwerdeführers am 19. Januar 2006 zugestellt worden ist. Die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist am 11. Februar 2006 fristgemäß eingegangen.

II.

Das Amtsgericht hat das Grundrecht des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 1 GG auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt, indem es den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Hauptzollamts Augsburg vom 7. März 2005 verworfen hat, ohne dessen Beweisangeboten zur Frage der Wirksamkeit der Rechtsmittelverzichtserklärung nachzukommen.

1. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll unter anderem gewährleisten, dass der Einzelne nicht bloßes Objekt des Verfahrens ist, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommt, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (vgl. BVerfGE 7, 275 <279>; 55, 1 <5 f.>; 57, 250 <275>). Es soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die von den Fachgerichten zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfGE 50, 32 <35>; 60, 247 <249>; 60, 250 <252>; 69, 141 <143>). In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der dem jeweiligen Verfahren zugrunde liegenden Prozessordnungen die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (BVerfGE 60, 247 <249>; 60, 250 <252>; 69, 141 <143>). Hierbei verbürgt die durch Art. 103 Abs. 1 GG abgesicherte prozessuale Befugnis des Betroffenen die Möglichkeit, durch entsprechende Anträge, die zu bescheiden sind, auf die Beischaffung bestimmter Beweismittel zu dringen, gewährt aber kein Recht auf ein bestimmtes Beweismittel (vgl. BVerfGE 57, 250 <274>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. August 1996 - 2 BvR 1304/96 -, NJW 1997, S. 999 <1000>) und auch keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Die Nichtberücksichtigung eines von den Fachgerichten als erheblich angesehenen Beweisangebots verstößt aber dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfGE 69, 141 <143 f.>).

2. Das ist hier der Fall.

a) Verwirft die Verwaltungsbehörde den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig, so ist hiergegen gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig. Das gerichtliche Verfahren richtet sich gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG nach den dort genannten Verfahrensvorschriften der Strafprozessordnung.

Das Verfahren nach § 62 OWiG führt zur vollständigen Überprüfung der angefochtenen Maßnahme - hier der Verwerfung des Einspruchs durch das Hauptzollamt aufgrund des für wirksam erachteten Rechtsmittelverzichts des Beschwerdeführers - in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Das Gericht kann gemäß der nach § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 308 Abs. 2 StPO Ermittlungen anordnen und selbst vornehmen, also etwa einen Zeugen selbst vernehmen oder durch die Verwaltungsbehörde oder Polizei vernehmen lassen (vgl. Kurz, a.a.O., § 62 Rn. 24; Lemke/Mosbacher, OWiG, 2. Aufl. 2005, § 62 Rn. 30; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 308 Rn. 6). Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 308 StPO ist anerkannt, dass das Beschwerdegericht die Ermittlungen so weit zu erstrecken hat, wie das erforderlich ist, um die Begründetheit der Beschwerde beurteilen zu können (vgl. Frisch, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Stand: Oktober 1998, § 308 Rn. 32). In diesem Rahmen muss das Beschwerdegericht grundsätzlich alle zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen von Amts wegen anstellen (vgl. BayObLGSt 1952, 8 <9>; 1952, 54 <55>; so auch Engelhardt, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 308 Rn. 17 und Plöd, in: KMR - Kommentar zur StPO, Stand: März 1998, § 308 Rn. 5). Auf welche Art und durch welche Mittel die erforderliche Aufklärung bewirkt wird, bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen ohne Bindung an Anträge (so BayObLGSt 1952, 8 <9>; 1952, 54 <55>; KG, Beschluss vom 29. November 1968 - 2 Ws 229/68 -, JR 1969, S. 194; Engelhardt, a.a.O., § 308 Rn. 17; Frisch, a.a.O., § 308 Rn. 30; Matt, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., Stand: 1. Juni 2003, § 308 Rn. 18 f.; Meyer-Goßner, a.a.O., § 308 Rn. 6; Plöd, a.a.O., § 308 Rn. 5) im Wege des Freibeweises ohne Bindung an die Grundsätze der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit (vgl. Frisch, a.a.O., § 308 Rn. 30; Matt, a.a.O., § 308 Rn. 19; Plöd, a.a.O., § 308 Rn. 5).

Der Umfang der Ermittlungen wird durch den Gegenstand des Rechtsbehelfs bestimmt und begrenzt (vgl. zu § 308 Abs. 2 StPO: Engelhardt, a.a.O., § 308 Rn. 17; Frisch, a.a.O., § 308 Rn. 32; Matt, a.a.O., § 308 Rn. 20; Plöd, a.a.O., § 308 Rn. 5). Gegenstand ist bei einem Antrag nach § 69 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG ausschließlich die Wirksamkeit des Einspruchs (vgl. Bohnert, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 69 Rn. 66; vgl. auch Lemke/Mosbacher, a.a.O., § 69 Rn. 8), also im vorliegenden Verfahren die Frage der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts.

Im Hinblick auf die Unwiderruflichkeit eines Rechtsmittelverzichts (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 29. November 1983 - 4 StR 681/83 -, NStZ 1984, S. 181 m.w.N., vom 12. Januar 1999 - 4 StR 649/98 -, NStZ 1999, S. 364 m.w.N., und vom 19. Januar 1999 - 4 StR 693/98 -, NStZ 1999, S. 258 <259>) werden im Strafverfahren hohe Anforderungen an die Eindeutigkeit dieser Prozesserklärung gestellt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 25. Juni 1971 - Ss [OWi] 77/71 -, VRS Bd. 41, S. 440 <442>; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 25. Mai 1992 - 1 Ws 269/92 -, VRS Bd. 83, S. 358 <359>; Ruß, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 302 Rn. 11). Bei nicht eindeutigen oder nicht entsprechend den Formvorschriften im Strafprozess protokollierten Erklärungen ist der wirkliche Wille im Freibeweisverfahren zu erforschen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. März 1999 - 1 Ws 240-243/99 -, VRS Bd. 97, S. 138).

b) Die äußere Verzichtserklärung des Beschwerdeführers ist zwar eindeutig. In besonderen Fällen können jedoch schwerwiegende Willensmängel bei der Erklärung des Rechtsmittelverzichts aus Gründen der Gerechtigkeit dazu führen, dass eine Verzichtserklärung von Anfang an unwirksam ist (vgl. BGHSt 17, 14 <18 f.>; 45, 51 <53>; BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1997 - 1 StR 732/96 -, NStZ-RR 1997, S. 173; vom 6. Mai 1999 - 4 StR 79/99 -, NStZ 1999, S. 526; vom 13. Januar 2000 - 4 StR 619/99 -, NStZ 2000, S. 441 <442>; s.a. BGH, Beschluss vom 26. April 1995 - 3 StR 600/94 -, NStZ 1995, S. 556 f. zur Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts wegen unzulässiger Willensbeeinflussung; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Juli 1981 - 2 Ws 334/81 -, NStZ 1982, S. 521); denn im Hinblick auf die Unwiderruflichkeit des Rechtsmittelverzichts kann es mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar sein, wenn der Angeklagte nur aus formellen Gründen an den äußeren Wortsinn einer Erklärung gebunden wird, der mit seinem Willen nicht in Einklang steht (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juni 1952 - 4 StR 117/52 -, JZ 1952, S. 568; OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Mai 1981 - 1 Ss 27/81 -, MDR 1981, S. 956 <957>). Hierbei entscheidet die Art des Willensmangels und seiner Entstehung darüber, ob überwiegende Gründe der Gerechtigkeit den Vorrang vor dem Gebot der Rechtssicherheit beanspruchen müssen (vgl. BGHSt 17, 14 <18 f.>).

c) Gerade dann, wenn keine Belehrung über die dem Betroffenen zu Gebote stehenden Rechtsmittel erfolgte, setzt die Wirksamkeit des Verzichts voraus, dass sich der zu belehrende Betroffene der vollen Tragweite seiner Erklärung bewusst ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 8. November 1982 - 3 Ws 532/82 -, NJW 1983, S. 530 <531>). Dies gilt vor allem, wenn der Erklärende Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat und ohne anwaltlichen Beistand ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 3. November 1993 - 1 Ws 539/93 -, wistra 1994, S. 156; s.a. OLG Hamm, a.a.O., NJW 1983, S. 530; Ruß, a.a.O., § 302 Rn. 11; Frisch, in: Systematischer Kommentar zur StPO, Stand: Mai 1997, § 302 Rn. 19; OLG Schleswig, Beschluss vom 16. November 1965 - 2 Ws 269/65 -, RPfleger 1966, S. 214; Plöd, in: KMR - Kommentar zur StPO, Stand: Februar 2006, § 302 Rn. 15d). Allein die Anwesenheit eines Dolmetschers ändert hieran nichts, da dessen Aufgabe lediglich darin besteht, sprachlich bedingte Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Verfahrensbeteiligten zu überbrücken, ihm aber keine beratende Funktion zukommt (vgl. OLG Hamm, a.a.O., NJW 1983, S. 530 <531>). Anders ist es, wenn dem der deutschen Sprache nicht hinreichend kundigen Betroffenen ein zuverlässiger Dolmetscher zur Verfügung stand, der Betroffene nicht lebensunerfahren ist, es sich um keinen besonders schwerwiegenden Tatvorwurf und keine besonders hohe Sanktion handelt (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 14. Juni 1982 - Ss 303/82 -, NStZ 1982, S. 520; Plöd, a.a.O., § 302 Rn. 15c) oder eine vorherige Absprache mit einem Verteidiger stattfand (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. September 1986 - 1 StR 461/86 -, NStZ 1987, S. 221 und vom 22. September 1993 - 3 StR 279/93 -, wistra 1994, S. 29; s. hierzu auch BGH, a.a.O., NStZ 1999, S. 364).

d) Unabhängig hiervon muss gesichert sein, dass derjenige, der einen Rechtsmittelverzicht erwägt, die für und gegen einen solchen Entschluss sprechenden Gründe reiflich überlegen kann und nicht an unüberlegten und vorschnellen Erklärungen festgehalten wird. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass in Strafverfahren dem Angeklagten vor Erklärung eines Rechtsmittelverzichts regelmäßig Gelegenheit gegeben werden muss, sich mit seinem Verteidiger zu besprechen, oder dass der Verteidiger Gelegenheit erhalten muss, seinen Mandanten zu beraten (vgl. BGHSt 18, 257 <260>; 19, 101 <103 f.>; 45, 51 <57>). Hiervon ausgehend wird ein bindender Rechtsmittelverzicht nicht angenommen, solange Angeklagter und Verteidiger zu erkennen geben, dass sie die Frage des Verzichts noch miteinander oder mit Dritten erörtern wollen (vgl. BGHSt 18, 257 <260>; 19, 101 <103 ff.>; s.a. BGH, a.a.O., NStZ 1999, S. 364; NStZ 1999, S. 526; NStZ 2000, S. 441 <442>; Ruß, a.a.O., § 302 Rn. 12). Für das Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz kann jedenfalls insofern nichts anderes gelten, als auch hier der erklärte Wille, die Sache noch mit einem Anwalt oder Dritten besprechen zu wollen, als Ausdruck fehlenden Willens zu sofortigem Rechtsmittelverzicht berücksichtigt werden muss.

e) Diesen rechtsstaatlichen Erfordernissen wurde hier nicht Rechnung getragen. Auf die bei der Aushändigung des Bußgeldbescheides gestellte Frage, ob der Beschwerdeführer bereit sei, einen Bußgeldbescheid über 9.000 Euro zu bezahlen, erklärte dieser laut Vernehmungsniederschrift vom 17. Februar 2005, dies könne er schon deshalb nicht, weil er kein Geld dabei habe und weil er von seinem Anwalt überprüfen lassen möchte, ob er dazu verpflichtet sei. Da sich aus der Vernehmungsniederschrift kein Hinweis darauf ergibt, dass der Beschwerdeführer bis zur Unterschrift unter der Verzichtserklärung von dem anwesenden Rechtsanwalt beraten worden wäre oder seine Meinung geändert haben könnte, hätte dies dem Amtsgericht Anlass geben müssen, den Widerspruch zwischen der protokollierten Äußerung des Beschwerdeführers und der unterzeichneten Verzichtserklärung durch weitere Ermittlungen aufzuklären, zumal auch entgegen der schriftlichen Verzichtserklärung keine mündliche Belehrung über die Folgen des Rechtsmittelverzichts erteilt worden war, wie das Hauptzollamt in seiner Stellungnahme vom 30. September 2005 eingeräumt hat, und sich in der Niederschrift kein Hinweis auf eine Übersetzung der Verzichtserklärung durch die Tochter des Beschwerdeführers findet.

Soweit das Hauptzollamt ausführt, die Tochter des Beschwerdeführers habe diesem die ganze Vernehmung ins Tschechische übersetzt, worauf dieser jede Seite einzeln unterschrieben habe, besagt dies nichts zu einer Übersetzung auch der Verzichtserklärung, da sich eine solche gerade nicht in der Vernehmungsniederschrift befindet.

f) Die vom Amtsgericht zu den Umständen der Verzichtserklärung eingeholten Stellungnahmen des Hauptzollamts konnten ersichtlich zur Aufklärung des genannten Widerspruchs nichts beitragen. Im Schreiben vom 30. September 2005 gab das Hauptzollamt die Äußerung des Beschwerdeführers unvollständig dahingehend wieder, dass dieser geäußert habe, den Bußgeldbescheid nicht sofort bezahlen zu können. Im Schreiben vom 11. November 2005 zitierte es dann wörtlich die Stelle der Vernehmungsniederschrift, in der sich der Beschwerdeführer bei Aushändigung des Bußgeldbescheides zur Frage der Akzeptierung abschlägig äußerte. Die Wertung dieser Äußerung ("nach Rücksprache mit dem Vernehmungsbeamten ... ging aus seiner Äußerung nicht hervor, dass der Betroffene den Bußgeldbescheid nicht akzeptieren werde"), geht an der entscheidenden Frage, ob die Äußerung verdeutlicht, dass ein Wille zum Rechtsmittelverzicht nicht bestand, vorbei.

Über diesen nach Aktenlage unauflöslichen Widerspruch hat sich das Amtsgericht hinweggesetzt und die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweismittel, die Anhörung seiner Tochter und des Rechtsanwalts H., ignoriert. Die Außerachtlassung dieser für die Wirksamkeit der unterschriebenen Verzichtserklärung vor allem im Hinblick auf die Frage einer Übersetzung durch die Tochter des Beschwerdeführers erheblichen Beweisangebote findet im Prozessrecht keine Stütze und stellt damit einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG dar.

In der Entscheidung über die Anhörungsrüge macht das Amtsgericht keine Ausführungen dazu, warum es die Vernehmung der benannten Zeugen für entbehrlich hält und "die wechselseitigen Darstellungen", also allein die schriftlichen Stellungnahmen des Hauptzollamts und des Verteidigers des Beschwerdeführers für ausreichend erachtet. Es hat sich mit der Rüge des Beschwerdeführers, dass durch die Ablehnung der Durchführung der beantragten Beweisaufnahme der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei, nicht auseinander gesetzt.

Ausführungen hierzu waren bei gegebener Sachlage auch nicht entbehrlich. Angesichts des nicht aufgelösten Widerspruchs zwischen der Erklärung des Beschwerdeführers, den Bußgeldbescheid ohne Rücksprache mit seinem Verteidiger nicht zu akzeptieren, und dem schriftlich erklärten Rechtsmittelverzicht drängt es sich auf, dass das unter Beweis gestellte Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe nicht gewusst, was er unterschreibe, und sei auch nicht von einem Verteidiger vertreten worden, für die Beurteilung des Antrags wesentlich war und auch nach der Rechtsauffassung des Amtsgerichts von zentraler Bedeutung sein musste.

Soweit das Amtsgericht ausführt, der Beschwerdeführer habe aufgrund der Begleitung durch die sprachkundige Tochter und einen Rechtsanwalt zweifellos erkannt, dass er auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs verzichtet habe, unterstellt das Amtsgericht einen Sachverhalt, dessen Gegenteil der Beschwerdeführer gerade durch die Benennung dieser Personen als Zeugen unter Beweis gestellt hat und der durch die Niederschrift des Hauptzollamts nicht getragen wird.

3. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. Es lässt sich nicht ausschließen, dass das Amtsgericht bei entsprechender Beweisaufnahme im Sinne des Beschwerdeführers entschieden hätte (BVerfGE 28, 17 <19 f.>).

4. Es kann dahinstehen, ob gleichzeitig eine Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren oder des dem allgemeinen Gleichheitssatz entspringenden Willkürverbots vorliegt.

III.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

IV.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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