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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 2 BvR 561/03
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 561/03 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

a) den Beschluss des Kammergerichts vom 6. März 2003 - 1 AR 15/03 - 4 Ws 6/03 -,

b) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 16. Oktober 2002 - 511 Qs 14/02, 511 Qs 19/02 -,

c) den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. März 2002 - 511 Qs 14/02, 511 Qs 19/02 -,

d) den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 10. Dezember 2001 - 350 Bl 154/01 -

hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richter Di Fabio und Landau gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 16. Februar 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 10. Dezember 2001 - 350 Bl 154/01 - sowie der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. März 2002 - 511 Qs 14/02, 511 Qs 19/02 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes).

Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.

2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe:

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zulässigkeit einer Anordnung über die Entnahme von Körperzellen zum Zweck der molekulargenetischen Untersuchung und Speicherung nach § 2 DNA-IFG in Verbindung mit § 81 g Abs 1 Nr. 2 StPO.

I.

1. Das Landgericht Berlin verurteilte den bis dahin nicht vorbestraften, im Jahre 1945 geborenen Beschwerdeführer mit Urteil vom 19. Oktober 1982, rechtskräftig seit dem 26. November 1985, wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Nach den Urteilsfeststellungen hatte der Beschwerdeführer am 18. Mai 1982 eine Prostituierte in einen von ihm eingerichteten, schallgeschützten sowie am Eingang elektronisch gesicherten Kellerraum verbracht, dort überwältigt, entkleidet und gefesselt, um in der Folge an der Geschädigten gegen deren Willen sadistische und diese erniedrigende, sexualbezogene Handlungen vorzunehmen.

2. Nachdem der Beschwerdeführer die Hälfte der Strafe verbüßt hatte, setzte die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 11. April 1987 die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung aus, weil dem Beschwerdeführer, der in relativ geordnete familiäre und berufliche Verhältnisse zurückkehren könne, eine günstige Sozialprognose zu stellen sei. Die Gefahr eines Rückfalls in frühere kriminelle Verhaltensweisen erscheine als gering, zumal er nach Durchführung des Strafverfahrens und fast einem Jahr Strafvollzug anscheinend die Einsicht in das Unrecht seines früheren Verhaltens gewonnen und sich seither straffrei geführt habe.

3. Im Jahr 1997 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Mord an einer Prostituierten, konnte ihn jedoch als Täter ausschließen und stellte das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein. Der Beschwerdeführer war als mutmaßlicher Kunde der Ermordeten in diesen Verdacht geraten; die Ermittlungen wiesen darauf hin, dass er jedenfalls im September 1997 eine Prostituierte zu sich nach Hause genommen und mit ihrem Einverständnis sadistisch misshandelt hatte.

4. Einen auf diese Erkenntnisse gestützten Antrag auf Entnahme und Untersuchung molekulargenetischen Materials des Beschwerdeführers gemäß § 2 DNA-IFG in Verbindung mit § 81 g Abs. 1 Nr. 2 StPO lehnte das Amtsgericht am 18. Mai 2000 ab.

5. Am 30. Mai 2001 beantragte die Staatsanwaltschaft erneut, Körperzellen des Beschwerdeführers zu entnehmen sowie zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters zu untersuchen. Diesen Antrag lehnte das Amtsgericht zwar zunächst am 15. November 2001 ab, ordnete dann aber auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft - ohne den Beschwerdeführer zuvor anzuhören - mit Beschluss vom 10. Dezember 2001 gemäß § 2 DNA-IFG in Verbindung mit § 81 g StPO die Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung an. Zur Begründung führte es aus, im Hinblick auf die Erkenntnisse aus dem im Jahre 1997 geführten Ermittlungsverfahren sei festzustellen, dass es sich bei der im Jahr 1982 begangenen Tat um eine (sado-masochistische) "Neigungstat" gehandelt habe; der Beschwerdeführer nutze "offensichtlich immer noch den Tatort aus dem Jahre 1982", um seine sexuellen Neigungen auszuleben.

6. Die dagegen vom Beschwerdeführer am 3. Januar 2001 eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht mit Beschluss vom 8. März 2002 als unbegründet und führte aus, die vom Amtsgericht unterlassene Anhörung des Beschwerdeführers habe es im Beschwerdeverfahren nachgeholt; die Anordnung sei "im Ergebnis" nicht zu beanstanden, weil das Amtsgericht zu Recht eine Gefahrenprognose bejaht habe.

7. Nachdem die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine vom Beschwerdeführer eingelegte Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 683/02 mit Beschluss vom 2. Juli 2002 mangels Nachverfahrens nach § 33 a StPO a.F. nicht zur Entscheidung angenommen hatte, beantragte der Beschwerdeführer am 19. September 2002 beim Landgericht, die Anhörung nachzuholen; diesen Antrag wies das Landgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2002 zurück. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Beschwerde verwarf das Kammergericht mit Beschluss vom 6. März 2003 als unbegründet.

II.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Anordnung des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2001, die Entscheidungen des Landgerichts vom 8. März 2002 (Verwerfung der Beschwerde) und 16. Oktober 2002 (Zurückweisung des Antrags nach § 33 a StPO a.F.) sowie den Beschluss des Kammergerichts vom 6. März 2003. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Er trägt vor, die Anordnung nach § 2 DNA-IFG in Verbindung mit § 81 g Abs. 1 Nr. 2 StPO beruhe auf einer ungenügenden Sachaufklärung und Abwägung. Aufgrund der ihm im Rahmen der Bewährungsentscheidung bescheinigten günstigen Sozialprognose, seiner anschließenden von einer weiteren sozialen Festigung getragenen straffreien Führung, des langen Zeitablaufs seit der Anlasstat sowie der vorangegangenen zweimaligen Verneinung der Anordnungsvoraussetzungen hätten hier erhöhte Begründungsanforderungen bestanden, denen die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht würden. Zudem seien sado-masochistische Neigungen und Kontakte zu Prostituierten nicht strafbar und daher auch nicht geeignet, eine Negativprognose im Sinne des § 81 g StPO zu begründen. Außerdem hätten die Fachgerichte seinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, ohne dass das Nachverfahren des § 33 a StPO a.F. den Gehörsverstoß beseitigt habe.

B.

Die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin hat von einer Stellungnahme abgesehen.

C.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die Anordnung des Amtsgerichts und der Beschluss des Landgerichts vom 8. März 2002 verletzten sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, wird die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit in einer die Entscheidungzuständigkeit der Kammer ergebenden Weise zulässig und offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sie sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 16. Oktober 2002 und den Beschluss des Kammergerichts vom 6. März 2003 richtet. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Die im Verfahren nach § 33 a StPO a.F. ergangenen Entscheidungen entfalten keine selbständige Beschwer.

II.

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2001 und der Beschluss des Landgerichts vom 8. März 2002 verletzen das Recht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

1. a) Die Feststellung, Speicherung und (künftige) Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greifen in das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfGE 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>). Es gewährt Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe von individualisierten oder individualisierbaren Daten (vgl. BVerfGE 65, 1 <43>; 67, 100 <143>). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 65, 1 <44>; 67, 100 <143>).

b) Nach der Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts trägt die gesetzliche Regelung in § 2 DNA-IFG in Verbindung mit § 81 g StPO dem Schrankenvorbehalt für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausreichend Rechnung (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000, BVerfGE 103, 21 <33>). Nach dieser Bestimmung muss wegen der Art oder Ausführung der bereits abgeurteilten Straftat, der Persönlichkeit des Verurteilten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme bestehen, dass gegen ihn künftig erneut Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden. Zwar wird keine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall gefordert; die Prognose der Gefahr der Wiederholung muss aber auf schlüssigen, verwertbaren und nachvollziehbaren Tatsachen beruhen, welche die richterliche Annahme der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten von erheblicher Bedeutung belegen, für die das DNA-Identifizierungsmuster einen Aufklärungsansatz durch einen (künftigen) Spurenvergleich bieten kann. Die Anordnung kann nur auf Umstände gestützt werden, denen Aussagekraft für die Wahrscheinlichkeit einer künftigen Tatbegehung zukommt. Dabei bedarf es nach zureichender Sachaufklärung der Feststellung positiver, auf den Einzelfall bezogener Gründe für die Annahme einer Wiederholungsgefahr sowie einer Abwägung der bedeutsamen Umstände; die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts reicht nicht aus (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 2000, BVerfGE 103, 21 <36 f.>).

2. Die im Tenor aufgehobenen fachgerichtlichen Entscheidungen verletzen das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung.

a) Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass die Fachgerichte eine Anlasstat von erheblicher Bedeutung angenommen haben. Der Beschwerdeführer war hier wegen einer schwerwiegenden Sexualstraftat zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Der Beschwerdeführer hatte dabei nicht nur mehrere Strafgesetze verletzt, sondern die konkrete Ausführung der Tat war auch von erheblicher Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber der Geschädigten gekennzeichnet.

b) Die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts entsprechen jedoch nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, welche an die Begründung der außerdem vorausgesetzten Gefahr neuer erheblicher Straftaten (Negativprognose) zu stellen sind.

aa) Die Anlasstat lag zum Zeitpunkt dieser Entscheidungen bereits außerordentlich lange Zeit zurück (neunzehn Jahre und sieben Monate bzw. neunzehn Jahre und zehn Monate). Zudem erging die Anordnung wenige Monate vor Ablauf der registerrechtlichen Tilgungsfrist; gemäß §§ 36, 46 Abs. 1 Nr. 3 BZRG ist die Tilgungsreife nach Ablauf von zwanzig Jahren seit dem Erlass des Urteils und damit im Oktober 2002 eingetreten. Weiterhin hat sich der Beschwerdeführer in dieser Zeit nicht nur straffrei geführt, sondern ihm war bereits im Jahr 1987, fünf Jahre nach der Tat, von der Strafvollstreckungskammer eine günstige Sozialprognose gestellt worden. Dieser Entscheidung zufolge lebte er schon damals in geordneten Verhältnissen; nach dem Vortrag des Beschwerdeführers haben sich seine Lebensverhältnisse seitdem privat und beruflich weiter gefestigt. Schließlich hatte das Amtsgericht sowohl im Mai 2000 als auch im November 2001 die Stellung einer Negativprognose im Sinne des § 81 g StPO verneint, ohne dass danach neue, den Beschwerdeführer belastende Tatsachen bekannt geworden wären. Diese Gesichtspunkte führten jedenfalls in ihrer Gesamtheit dazu, dass eine Negativprognose hier eines besonderen Begründungsaufwands bedurft hätte.

bb) Schon die Entscheidung des Amtsgerichts weist durchgreifende Begründungsmängel auf.

So ist das Amtsgericht von einer unrichtigen Tatsachengrundlage ausgegangen. Die nicht näher belegte Annahme, der Beschwerdeführer nutze weiterhin die bereits bei der Tatbegehung verwendeten Kellerräume, traf schon nach Aktenlage nicht zu.

Zudem hat das Amtsgericht nicht nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher Tatsachen es seine Entscheidung getroffen hat. Es fehlte an der Angabe, auf welche Akten das Gericht zurückgegriffen und welcher Quellen es sich bei der Verwertung von Erkenntnissen aus dem 1997 geführten Ermittlungsverfahren bedient hat.

Darüber hinaus lassen die Ausführungen die gebotene umfassende Auseinandersetzung mit den zu Gunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallenden Umständen vermissen. Schon bedingt durch die unterlassene Anhörung des Beschwerdeführers ist das Amtsgericht auf dessen jetzige Lebensumstände, insbesondere seine berufliche und private Situation sowie seine möglichen Konsequenzen aus der Strafverbüßung, nicht eingegangen. Ebenso wenig hat es sich mit den Erwägungen in den vorangegangenen, die Negativprognose noch verneinenden Entscheidungen sowie mit der im Jahr 1987 zu Gunsten des Beschwerdeführers getroffenen Bewährungsentscheidung auseinandergesetzt. So hat es sich nicht damit befasst, dass der unterstellten jahrelangen Praxis des Beschwerdeführers, seine sado-masochistischen Neigungen mit Prostituierten auszuleben, eine Eskalationsgefahr innewohnen mag, diese Verhaltensweisen jedoch, sofern sie sich im Rahmen eines vorherigen (wirksam erteilten) Einverständnisses halten, nicht strafbedroht sind und es hier gerade an Anhaltspunkten für in diesem Zusammenhang begangene weitere Straftaten fehlt. Schließlich hat es auch nicht näher dargelegt, welchen Begriff der "Neigungstat" es zugrunde gelegt und auf welche Erkenntnisse es daraus abgeleitete Schlussfolgerungen gestützt hat.

cc) Auch die Entscheidung des Landgerichts wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht gerecht. Die Kammer hat sich die Begründung des Amtsgerichts möglicherweise zu Eigen gemacht ("im Ergebnis nicht zu beanstanden"). Um den Grundrechtseingriff zu rechtfertigen, reichte es hier aber nicht aus, das Ergebnis der vom Amtsgericht getroffenen Entscheidung lediglich zu billigen; vielmehr hätte das Landgericht die Negativprognose auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung begründen müssen. Dabei hätte es sich auch näher mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen, er habe die bei der Tat verwendeten, offenbar für die Vornahme sado-masochistischer Handlungen hergerichteten Kellerräume entgegen der Annahme des Amtsgerichts schon längst aufgegeben. Die bloße Mitteilung des Ergebnisses der in der Beschwerdeinstanz durchzuführenden Prüfung war nicht geeignet, die Anforderungen an die Begründung des Grundrechtseingriffs zu erfüllen und damit die Mängel der Ausgangsentscheidung zu heilen.

III.

Ob darüber hinaus ein Verstoß gegen den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) vorliegt, bedarf keiner Entscheidung, da die Verfassungsbeschwerde bereits wegen der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Erfolg hat.

D.

Die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2001 und des Landgerichts vom 8. März 2002 sind gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben; die Sache ist zu erneuter Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG hat das Land Berlin dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen in vollem Umfang zu erstatten.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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