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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 02.07.2008
Aktenzeichen: 2 BvR 877/06
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 16a
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES

- 2 BvR 877/06 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen

das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 23. Februar 2006 - 2 E 792/05.A (4) -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Richter Mellinghoff, die Richterin Lübbe-Wolff und den Richter Gerhardt am 2. Juli 2008 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 23. Februar 2006 - 2 E 792/05.A (4) - verletzt die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes.

Das Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Wiesbaden zurückverwiesen.

Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern ihre Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Abweisung einer Klage als offensichtlich unbegründet.

1. Die im Jahre 2001 und 2003 in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Beschwerdeführer sind die Kinder von L.H. und A.N. Die Eltern lebten nach eigenen Angaben zuletzt im Dorf A. in Aserbaidschan und suchten nach ihrer Einreise im Jahre 2000 als armenische Volkszugehörige um politisches Asyl nach. Die gegen die ablehnenden Bescheide des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt) gerichteten Klagen wies das Verwaltungsgericht Wiesbaden im Oktober 2002 ab. In dem Urteil ließ das Verwaltungsgericht die Frage offen, ob sich die Eltern tatsächlich in Aserbaidschan aufgehalten oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht womöglich in der Russischen Föderation hatten. Jedenfalls überschreite der als Fluchtgrund allein angegebene Umstand, sie hätten ihr Haus infolge einer Privatisierung verloren, nicht die für einen asylerheblichen Eingriff relevante Schwelle.

2. Zu Beginn des Jahres 2005 leitete das Bundesamt Asylverfahren für die Beschwerdeführer ein. In diesem Verfahren äußerten sich die Beschwerdeführer nicht. Die fingierten Asylanträge lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 1. Juni 2005 unter Versagung von Abschiebungsschutz und Androhung der Abschiebung nach Aserbaidschan als offensichtlich unbegründet ab. Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer am 14. Juni 2005 Klagen, zunächst unter Hinweis auf den Akteninhalt des Bundesamtes mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamtes vom 1. Juni 2005 aufzuheben, sie als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorlägen, dass sie Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention seien und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG bestünden. Parallel dazu suchten sie um vorläufigen Rechtsschutz nach.

3. a) Mit Beschluss vom 6. Juli 2005 ordnete der Richter am Verwaltungsgericht B. als gesetzlicher Einzelrichter die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung mit der Begründung an, es bestünden ernstliche Zweifel daran, dass die Bestimmung des § 14a Abs. 2 AsylVfG auf die Beschwerdeführer, die lange vor Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes geboren seien, Anwendung finde. Unter dem 7. Juli 2005 übertrug die Kammer, nachdem den Beschwerdeführern zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden war, den Rechtsstreit in der Hauptsache auf den Einzelrichter. Der Richter am Verwaltungsgericht B. hörte die Beschwerdeführer zu der Absicht, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, und fragte im August 2005 an, ob mit Blick auf den Ausgang des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die Klage unter Rücknahme des Asyl- und Abschiebungsschutzbegehrens auf die Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes beschränkt werde. Nachdem die Beschwerdeführer keine derartige Prozesserklärung abgaben, wies der Einzelrichter darauf hin, dass in den Klageanträgen möglicherweise eine stillschweigende (Asyl-) Antragstellung zu sehen sei. Den hierauf gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lehnte er ab und änderte gemäß § 80 Abs. 7 VwGO mit Beschluss vom 19. September 2005 den Eilrechtsbeschluss dahingehend, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zurückgewiesen wurde. Zur Begründung hieß es, aufgrund der im Hauptsacheverfahren abgegebenen Erklärung, die Klageanträge in vollem Umfang aufrecht erhalten zu wollen, sei nunmehr davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer die Durchführung von Asylverfahren für sich beantragten, womit die formellen Voraussetzungen für eine Asylantragstellung nach § 13 AsylVfG erfüllt seien.

Die Beschwerdeführer hatten mit Schriftsatz vom 21. Juli 2005 geltend gemacht, die Fiktion einer Asylantragstellung nach § 14a Abs. 2 AsylVfG scheitere möglicherweise auch daran, dass sie staatenlos, also keine Ausländer im Sinne von § 13 AsylVfG seien. Es werde daher beantragt, festzustellen, dass keine Asylanträge gestellt worden seien; die übrigen Anträge würden lediglich als Hilfsanträge aufrechterhalten. Hierzu sei weiterer Beweis zu erheben. Im weiteren Verlauf machten die Beschwerdeführer geltend, eine teilweise Klagerücknahme sei unter anderem deshalb nicht zu verantworten, weil im Falle einer abweichenden Beurteilung des Anwendungsbereichs des § 14a Abs. 2 AsylVfG in höherer Instanz die Rücknahme des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte und Abschiebungsschutz mit erheblichen Nachteilen verbunden sei. Es müsse möglich sein, in gerichtlichen Verfahren nicht nur formell, sondern auch inhaltlich vorzutragen, ohne zugleich stillschweigend einen Asylantrag zu stellen. Im Übrigen sei es Praxis der Innenbehörden der Republik Aserbaidschan gewesen, vor Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsgesetzes 1998 armenische Volkszugehörige aus den Melderegistern zu tilgen, um sie mit dem Inkrafttreten auszubürgern. Die Frage, ob sie im Falle ihrer Abschiebung in die Republik Aserbaidschan politischer Verfolgung unterlägen, bedürfe der Klärung. Im September 2005 beantragten sie, die Sache wegen besonderer Schwierigkeit auf die Kammer zurückzuübertragen. Mit Schriftsatz vom 9. November 2005 wiederholten und vertieften die Beschwerdeführer ihr Vorbringen und lehnten den Richter am Verwaltungsgericht B. wegen Besorgnis der Befangenheit ab, da dessen unhaltbare rechtliche Konstruktion erst aufgetaucht sei, als sie sich "sperrig" gegenüber einer für den Richter angenehmen, aber für sie gefährlichen Verfahrensweise gezeigt hätten. Mit dienstlicher Äußerung vom 18. November 2005 erläuterte der abgelehnte Richter seine Rechtsauffassung. Die Beschwerdeführer erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme und wiederholten ihren Antrag, die Kammer möge ohne den Richter B. über die Klage entscheiden.

b) Im Januar 2006 verfügte der Richter am Verwaltungsgericht K. die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 23. Februar 2006. Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte die Mutter der Beschwerdeführer einen schriftsätzlich vorformulierten Befangenheitsantrag "gegen den Einzelrichter" mit der Begründung, es sei vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht über den offenen Befangenheitsantrag entschieden worden. Ferner stellte sie näher konkretisierte Beweisanträge zu den Fragen, ob die Beschwerdeführer Ausländer oder Staatenlose seien, ob sie in die Republik Aserbaidschan abgeschoben werden oder selbst in diese einreisen könnten und wie sich die wirtschaftliche und soziale Lage armenischer Volkszugehöriger in Aserbaidschan im Allgemeinen und in ihrer Herkunftsregion im Besonderen darstelle. Ferner solle Beweis erhoben werden über eine nicht in der Akte der Beklagten befindliche "amtsinterne Orientierungshilfe".

Der Einzelrichter lehnte den Befangenheitsantrag als rechtsmissbräuchlich ab, da er sich allein auf den früheren Berichterstatter B. beziehe. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer (§ 76 Abs. 3 AsylVfG) erklärte er für weder dargelegt noch gegeben. Soweit Beweis erhoben werden solle zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer, sei dies nicht entscheidungserheblich. Gleiches gelte hinsichtlich der Frage, ob die Beschwerdeführer in die Republik Aserbaidschan abgeschoben werden oder selbst in diese einreisen könnten. Die "amtsinterne Orientierungshilfe" werde der Entscheidung nicht zugrundegelegt und sei dem Gericht auch nicht bekannt. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb die beantragte Beweiserhebung angesichts der vom Gericht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnisquellen und Entscheidungen zu darüber hinausgehenden Erkenntnissen führen könne.

4. Mit angegriffenem Urteil vom 23. Februar 2006, nach Angaben der Beschwerdeführer zugegangen am 25. März 2006, wies das Verwaltungsgericht die im Hauptantrag auf Aufhebung des Ausgangsbescheides des Bundesamtes sowie auf Feststellung eines nicht gestellten Asylantrages und im Hilfsantrag auf Anerkennung als Asylberechtigte und Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise der Voraussetzungen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis Abs. 7 AufenthG, gerichtete Klage als offensichtlich unbegründet ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht Folgendes aus: Die zulässige Klage sei sowohl im Haupt- wie auch im Hilfsantrag offensichtlich unbegründet. In Bezug auf den Hauptantrag sei das Gericht der Auffassung, dass § 14a AsylVfG entsprechend auch auf Fälle angewendet werden könne, in denen Kinder vor dem 1. Januar 2005 in das Bundesgebiet eingereist oder hier geboren seien. Dies stelle keine unzulässige Rückwirkung dar. Es sei vielmehr darauf abzustellen, dass der Asylantrag erst mit Zugang der Anzeige nach § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG und somit erst mit Wirkung für die Zukunft als gestellt gelte. Im Übrigen sei der Hauptantrag auch deshalb "offensichtlich unzulässig", weil die Beschwerdeführer beantragt hätten, sie als Asylberechtigte anzuerkennen. Da sie trotz entsprechenden gerichtlichen Hinweises ausdrücklich an diesem Antrag festgehalten hätten, könnten sie sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt, wie bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dargelegt, nicht mehr darauf berufen, Asylanträge seien zu keinem Zeitpunkt gestellt worden. Der Hilfsantrag sei ebenfalls offensichtlich unbegründet. Dabei könne offenbleiben, ob die Beschwerdeführer individuell vorverfolgt gewesen seien, ob sie tatsächlich der armenischen Volksgruppe in Aserbaidschan angehörten und ob diese Bevölkerungsgruppe dort in der Vergangenheit Gruppenverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen sei. Denn die Beschwerdeführer verfügten jedenfalls über eine inländische Fluchtalternative in Berg Karabach. Hierzu verwies das Verwaltungsgericht auf Ausführungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 30. Mai 2003 - 3 UE 858/02.A -, welche der Auffassung auch des Schleswig-Holsteinischen, des Nordrhein-Westfälischen und des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts entsprächen. An dieser Einschätzung sei auch nach den neueren Erkenntnisquellen festzuhalten. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof sei in einer jüngeren Entscheidung vom 15. September 2005 - 3 UE 2381/04.A - unter Auswertung der Erkenntnisquellen zu dem Ergebnis gekommen, dass aserbaidschanische Staatsangehörige armenischer Volkszugehörigkeit heute bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan am Ort der inländischen Fluchtalternative Berg Karabach vor erneuten asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen hinreichend sicher und dort auch keinen anderen existenziellen Bedrohungen ausgesetzt seien, die so am Herkunftsort nicht bestünden. Dem schließe das Gericht sich an. Die Enklave Berg Karabach sei von Deutschland über Armenien "ohne Probleme" erreichbar. Die Beschwerdeführer könnten danach entweder durch Beantragung des Flüchtlingsstatus in Armenien oder durch Beantragung einer Einreiseerlaubnis nach Berg Karabach in dessen ständiger Vertretung in Eriwan ihre Einreise erreichen. Zwar seien die Lebensbedingungen in Berg Karabach schwierig und die Beschwerdeführer könnten nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Ihre ebenfalls ausreisepflichtigen Eltern beherrschten jedoch die armenische Sprache; das sei für eine Ansiedlung in Berg Karabach ausreichend. Selbst wenn für die Beschwerdeführer das wirtschaftliche Existenzminimum in Berg-Karabach nicht gewährleistet sei, rechtfertige dies im Übrigen nicht die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG. Das fehlende Existenzminimum sei in diesem Falle deshalb nicht verfolgungsbedingt, weil die dort herrschende Notlage keine andere sei als die am Herkunftsort.

II.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 16a GG sowie des Rechtsstaatsprinzips und "aller sonst nach Auffassung des Gerichts noch in Betracht kommender Grundrechte". Die Sache habe besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufgewiesen, weshalb der gesetzliche Richter allein die Kammer und nicht der Einzelrichter gewesen sei. Schon die Anwendbarkeit von § 14a Abs. 2 AsylVfG auf vor dem 1. Januar 2005 geborene Kinder sei sehr umstritten. So habe das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Anwendbarkeit der Bestimmung auf "Altfälle" verneint. Die im Widerspruch zur Ausgangsentscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren stehende Auslegung ihrer Klageanträge im Hauptsacheverfahren als Asylanträge beruhe auf Willkür. Die Erkenntnislage des Verwaltungsgerichts sei im Übrigen eine besonders schlechte und veraltete. Schwierig sei vor allem die Frage der Erreichbarkeit sowohl der Republik Aserbaidschan als auch der Republik Berg Karabach. Dass Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan aus Deutschland an die Grenze der Republik Armenien reisen und dort neben der Gewährung von Asyl die Staatsangehörigkeit Armeniens sowie einen Nationalpass beantragen sollten, um nach deren Erhalt die inländische Fluchtalternative zu erreichen, sei unzumutbar. Jedenfalls sei zu klären, welche Anforderungen hinsichtlich der Erreichbarkeit zu stellen seien. Der Begriff der offensichtlichen Unbegründetheit sei vollkommen verkannt worden. Es stelle sich zusätzlich das Problem der Befangenheit der beteiligten Richter. Über den Befangenheitsantrag sei trotz wiederholter Hinweise bis zuletzt nicht entschieden worden, womit sich auch die Kammer befangen gezeigt habe. Stattdessen sei in der mündlichen Verhandlung der von der Kammer offenbar "neu berufene" Einzelrichter K. erschienen. Dessen Zuständigkeit sei aber unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehbar, da es offenbar an einem allgemeinen Geschäftsverteilungsplan in Verbindung mit einem kammerinternen Geschäftsverteilungsplan gefehlt habe und der Richter am Verwaltungsgericht B. durch einen - nicht aufgehobenen - Beschluss der Kammer zum Einzelrichter bestimmt worden sei. Die Befangenheit des Einzelrichters K. habe sich überdies auch aus der Verdrehung ihres Antrags in einen Asylantrag ergeben. Die grundlose Ablehnung aller Beweisanträge verletzten ebenfalls ihre Grundrechte, insbesondere das Grundrecht auf rechtliches Gehör.

Das Hessische Ministerium der Justiz sowie das Bundesamt erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme, von der sie keinen Gebrauch gemacht haben. III.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde gemäß § 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG zur Entscheidung an und gibt ihr, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer angezeigt ist, statt. Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig und offensichtlich begründet im Sinne von § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

Da die Entscheidung des Verwaltungsgerichts infolge der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unanfechtbar ist, haben die Beschwerdeführer gemäß § 90 Abs. 2 BVerfGG den Rechtsweg erschöpft. Dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführer wegen des gerügten Gehörsverstoßes keine Anhörungsrüge gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben haben. Dieser Weg ist nicht zu beschreiten, wenn die Anhörungsrüge offensichtlich aussichtslos wäre (vgl. BVerfGK 7, 115 <116>; 7, 403 <407>). Dies ist hier der Fall. Zwar rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG durch die "grundlose Ablehnung aller Beweisanträge". Dabei gehen sie jedoch ausweislich der Pauschalität und ohne weiteres ins Auge fallenden Unrichtigkeit dieses Vorwurfs von grundsätzlich falschen Voraussetzungen über den Gewährleistungsgehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör in Bezug auf Beweisanträge (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 7. Dezember 2006 - 2 BvR 722/06 -, DVBl 2007, S. 253) aus. Unter diesen Umständen kann den Beschwerdeführern nicht entgegengehalten werden, sie hätten sich zunächst auf den Weg der Anhörungsrüge begeben müssen.

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet.

Die Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet verstößt gegen das mit der Verfassungsbeschwerde sinngemäß als verletzt gerügte Grundrecht der Beschwerdeführer auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 16a Abs. 1 GG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt die Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt. Aus den Entscheidungsgründen muss sich klar ergeben, weshalb das Gericht zu einem Urteil nach § 78 Abs. 1 AsylVfG kommt, warum also die Klage nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist. Denn durch diese Darlegungspflicht wird die Gewähr für die materielle Richtigkeit verstärkt (BVerfGE 65, 76 <95 f.>; 71, 276 <292 f.>). Die schlichte Behauptung, die Klage sei offensichtlich unbegründet, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Februar 1993 - 2 BvR 1869/92 -, InfAuslR 1993, S. 146 <149> und der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 1993 - 2 BvR 2075/92 -; NVwZ 1993, S. 769). Die Entscheidungsgründe müssen die Maßstäbe erkennen lassen, die der Klageabweisung als offensichtlich unbegründet zugrundeliegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. November 2000 - 2 BvR 1684/98 -, juris, Rn. 4), sowie eine an diesen orientierte Auseinandersetzung mit dem Einzelfall enthalten. Dabei darf das Gericht sich nicht mit dem Hinweis begnügen, dass die von ihm gewonnenen Erkenntnisse "eindeutig" oder "evident" seien, denn mit der Verwendung von Ausdrücken, die nichts anderes bedeuten als "offensichtlich", wird die vom Gesetz geforderte Offensichtlichkeit nicht begründet, sondern nur behauptet (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juli 1990 - 2 BvR 2005/89 -, InfAuslR 1991, S. 89 <92>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Februar 2008 - 2 BVR 1262/07 -, www.bverfg.de).

Diese Grundsätze gelten nicht nur für Verfahren, die auf die Feststellung der Asylberechtigung im engeren Sinne oder eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 20. September 2001 - 2 BvR 1392/00 -, InfAuslR 2002, S. 146 <148> m.w.N.) gerichtet sind, sondern auch für die Abweisung der Klage auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG als offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, BeckRS 2007, 20179). Sie gelten daher auch in dem hier gegebenen Fall, in dem die primär gegen die Fiktion einer Asylantragstellung und lediglich hilfsweise auf die Anerkennung als Asylberechtigter und Gewährung von Abschiebungsschutz gerichteten Klagen ohne Differenzierung als insgesamt offensichtlich unbegründet abgewiesen werden.

Den dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt das verwaltungsgerichtliche Urteil weder bei der Behandlung des Haupt- noch bei der des Hilfsantrages. Das Gericht hat auf jede Darstellung der die Klageabweisung als offensichtlich unbegründet bestimmenden Maßstäbe verzichtet und an keiner Stelle dargelegt, warum sich ihm die Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet geradezu aufdrängte. Für eine sorgfältige Darstellung der hierfür maßgeblichen Erwägungen hätte gerade im vorliegenden Fall Veranlassung bestanden.

a) Soweit es den Hauptantrag betrifft, war die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 14a Abs. 2 AsylVfG auf vor dem 1. Januar 2005 in Deutschland geborene Kinder im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht nur in der erstinstanzlichen (verneinend etwa VG Braunschweig, Urteil vom 8. Juli 2005 - 6 A 151/05 -, juris; VG Münster, Urteil vom 31. Mai 2005 - 3 L 371/05.A -, juris; VG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2005 - A 11 K 10676/05 -, juris), sondern auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten (verneinend OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. Februar 2006 - 3 B 35.05 -, AuAS 2006, S. 114) und höchstrichterlich noch nicht geklärt. Insofern durfte das Verwaltungsgericht nicht - in Abkehr von seiner noch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vertretenen Auffassung - ohne weiteres von einer eindeutigen Anwendbarkeit der Bestimmung ausgehen. Auch die Begründung, dass sich die Beschwerdeführer im Hinblick auf ihre bekräftigten Klageanträge nicht mehr "darauf berufen" könnten, dass keine Asylanträge gestellt worden seien, war mit Blick auf das Offensichtlichkeitsurteil erläuterungsbedürftig. Auf eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung vermochte sich das Verwaltungsgericht insoweit gleichfalls nicht zu berufen. Die von ihm indirekt - durch Verweis auf den vorausgegangenen Beschluss nach § 80 Abs. 7 VwGO - in Bezug genommene Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 27. Februar 1985 - 1 UE 50/81 -, NVwZ 1985, S. 498 f.) stellte anhand eines Streitfalls aus dem Beamtenrecht lediglich in allgemeiner Form fest, dass Anträge nach § 22 VwVfG auch konkludent gestellt werden können, wobei für die Auslegung des entsprechenden Verhaltens der sich aus den Handlungen ergebende objektive Erklärungsinhalt Hilfe biete. Es bleibt schon unklar, ob das Verwaltungsgericht nach diesen Maßstäben von einer konkludenten Asylantragstellung ausging oder - worauf die Formulierung, die Beschwerdeführer könnten sich auf eine nicht erfolgte Antragstellung "nicht berufen", hindeutet - auf den Gesichtspunkt eines rechtsmissbräuchlichen oder widersprüchlichen Verhaltens abstellen wollte. In Anbetracht der frühen Klarstellung im Schriftsatz der anwaltlich nicht vertretenen Beschwerdeführer vom 21. Juli 2005 lag nicht die Annahme einer konkludenten Asylantragstellung, sondern die gegenteilige Annahme nahe, dass das Asylbegehren von Anfang an und unverändert lediglich hilfsweise für den Fall geltend gemacht werden sollte, dass das Gericht entgegen dem Hauptantrag von einer fingierten Asylantragstellung ausgehen würde (zur Auslegung von Klageanträgen im Asylverfahren vgl. BVerwG, Urteil vom 21. November 2006 - 1 C 10.06 -, BVerwGE 127, 161) - ein Antragsverhalten, das weder für den Vorwurf der Widersprüchlichkeit noch gar für den der Missbräuchlichkeit einen Anhaltspunkt bietet.

b) In der Behandlung des hilfsweisen Begehrens gehen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu seinem Offensichtlichkeitsurteil gleichfalls nicht über die wiederholte pauschale Feststellung hinaus, den Beschwerdeführern stehe ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte offensichtlich nicht zu und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG lägen offensichtlich ebenso wenig vor wie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG. Dies genügt schon den oben dargestellten formalen Anforderungen nicht. Die durch das Verwaltungsgericht zum Beleg seines Offensichtlichkeitsurteils neben den Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs herangezogenen Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte, dass Berg Karabach als inländische Fluchtalternative in Betracht komme und auch grundsätzlich über Armenien erreichbar sei, gingen im Übrigen auf die Jahre 2002 bis 2004 zurück. Zu der aufgestellten Offensichtlichkeitsbehauptung passt es auch nicht, dass das Verwaltungsgericht die für die Beurteilung des Bestehens einer inländischen Fluchtalternative nicht unerheblichen Fragen, ob die "Kläger" (gemeint: die Eltern der Beschwerdeführer) tatsächlich individuell verfolgt waren, ob sie staatenlos waren, der armenischen Volksgruppe in Aserbaidschan angehörten und ob die armenische Bevölkerungsgruppe dort in der Vergangenheit Gruppenverfolgungsmaßnahmen ausgesetzt war, zunächst offengelassen hatte, um bei der Bewertung der inländischen Fluchtalternative sodann ohne weiteres zu unterstellen, die Beschwerdeführer könnten sich als armenische Volkszugehörige vorübergehend in Armenien aufhalten und ihre Einreise nach Berg Karabach danach entweder durch Beantragung des Flüchtlingsstatus in Armenien oder durch Beantragung einer Einreiseerlaubnis nach Berg Karabach in dessen ständiger Vertretung in Eriwan erreichen. In gleicher Weise erläuterungsbedürftig war es auch, dass das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Sicherung des wirtschaftlichen Existenzminimums auf einen Vergleich zwischen den Verhältnissen in Berg Karabach einerseits und der wirtschaftlichen Lage in Nachitschewan oder anderen Teilen Aserbaidschans meinte abstellen zu können, obgleich es den Herkunftsort der Beschwerdeführer für unerheblich erachtet hatte.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in einem Urteil vom 20. Februar 2006 - 9 B 04.30117 - (juris) die Umstände des dortigen Falles eingehend geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die mit erheblichen Mühen und zeitlicher Verzögerung verbundene Rückkehr nach Berg Karabach nicht zumutbar sei, weil sich die Rückkehrer zunächst um die armenische Staatsangehörigkeit bemühen oder in Armenien einen Asylantrag stellen müssten. Auch wenn dieses nur wenige Tage vor der angegriffenen Entscheidung ergangene Urteil dem Verwaltungsgericht noch nicht verfügbar gewesen sein dürfte, verdeutlicht es den bereits zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Klärungs- und Begründungsbedarf. Mit Beschluss vom 15. Juni 2006 - 1 B 122/05 - (juris) hat das Bundesverwaltungsgericht erstmals die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, welche Anforderungen an eine inländische Fluchtalternative (konkret: Erreichbarkeit des Gebiets von Berg Karabach für aus Aserbaidschan stammende armenische Volkszugehörige) zu stellen seien.

3. Den Beschwerdeführern entsteht ohne die Nichtannahme auch ein besonders schwerer Nachteil. Ungeachtet des Umstandes, dass der Anwendungsbereich des § 14a Abs. 2 AsylVfG für vor dem 1. Januar 2005 in Deutschland geborene Kinder nunmehr im Sinne der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts geklärt ist (vgl. BVerwGE 127, 161), ist nicht deutlich abzusehen, dass auch die Entscheidung über den Hilfsantrag im Falle einer Aufhebung und Zurückverweisung wiederum zum Nachteil der Beschwerdeführer ausfiele. Die Anwendung des einfachen Rechts ist in erster Linie Sache der Fachgerichte (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Mit Beschluss vom 22. März 2007 - 1 B 97.06 - (Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 32) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass es nicht zumutbar ist, wenn ein Asylsuchender auf ein Gebiet verwiesen wird, das der Ausländer erst nach Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit oder des Flüchtlingsstatus in einem Drittstaat erreichen kann. Bei seiner erneuten Entscheidung und Beurteilung der inländischen Fluchtalternative hat das Verwaltungsgericht zudem § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in der Fassung des Art. 1 Nr. 48 Buchst. a) cc) des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 27. August 2007 (BGBl I S. 1969 <1982>) und damit auch Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl L 304 vom 30. September 2004) zu beachten und sich mit der Frage zu befassen, ob eine inländische Fluchtalternative nach neuer Rechtslage weiterhin dann angenommen werden kann, wenn im Herkunftsland zwar ein verfolgungsfreies Gebiet besteht, der Schutzsuchende dort jedoch sonstigen existenziellen Gefahren ausgesetzt ist, die ihm am bisherigen Aufenthaltsort in gleicher Weise drohen (verneinend bereits Bayerischer VGH, Urteil vom 31. August 2007 - 11 B 02.31724 -, juris, Rn. 130; zum Ganzen nunmehr BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 10.07, 10 C 11.07, 10 C 12.07 -).

4. Aufgrund der festgestellten Grundrechtsverletzung wird das angegriffene Urteil aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht Wiesbaden zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG). Auf die weiteren erhobenen Rügen kommt es nicht an. IV.

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Ende der Entscheidung

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