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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverfassungsgericht
Beschluss verkündet am 04.03.2005
Aktenzeichen: 2 BvR 99/03
Rechtsgebiete: EStG, BVerfGG, GG


Vorschriften:

EStG § 79 Satz 1
EStG § 79 Satz 2
EStG § 86 Abs. 2 Satz 1
EStG § 88
EStG § 90
EStG § 98
BVerfGG § 90 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG § 93a
BVerfGG § 93b
GG Art. 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 99/03 -

In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde

gegen § 86 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz in der Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz - AVmG) vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1310)

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch den Vizepräsidenten Hassemer, die Richterin Osterloh und den Richter Mellinghoff gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 4. März 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

Die Verfassungsbeschwerde wendet sich sinngemäß unmittelbar gegen die durch Art. 6 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz - AVmG) vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1310) eingeführte, vor ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2002 durch Art. 11 Nr. 2 des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926) geänderte Vorschrift des § 86 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG).

I.

1. Liegen bei Ehegatten die Voraussetzungen für die Wahl einer Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 EStG) vor und hat nur ein Ehegatte nach § 79 Satz 1 EStG einen originären Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage im Rahmen der sog. "Riester-Rente", so räumt § 79 Satz 2 EStG auch dem anderen Ehegatten einen Anspruch auf eine Altersvorsorgezulage ein, wenn ein auf seinen Namen lautender Altersvorsorgevertrag besteht (abgeleitete Zulagenberechtigung). Nach der Gesetzesbegründung soll diese Regelung der Tatsache Rechnung tragen, dass auch der nicht pflichtversicherte Ehegatte von der Rentenniveauabsenkung des Pflichtversicherten betroffen ist (vgl. BRDrucks 764/00, S. 151).

Gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 EStG hat ein nach § 79 Satz 2 EStG begünstigter Ehegatte einen Anspruch auf eine ungekürzte Altersvorsorgezulage allerdings nur dann, wenn sein originär berechtigter Ehegatte seinen Mindesteigenbeitrag unter Berücksichtigung der den Ehegatten insgesamt zustehenden Zulagen erbracht hat. Erbringt der zum begünstigten Personenkreis nach § 79 Satz 1 EStG gehörende Ehegatte seinen Mindesteigenbeitrag nicht in voller Höhe, so wirkt sich der für diesen Ehegatten ermittelte Kürzungsfaktor auf die den Ehegatten zu gewährenden Zulagen in gleicher Weise aus (vgl. auch BRDrucks 764/00, S. 152).

2. Die Beschwerdeführerin ist nach eigenen Angaben verheiratet und nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversicherte Hausfrau; im Jahr 2002 betreute sie ihren damals dreijährigen Sohn. Ihr pflichtversicherter Ehemann hat auf seinen Namen keinen Altersvorsorgevertrag abgeschlossen.

3. Die Beschwerdeführerin wendet gegen die Vorschrift des § 86 Abs. 2 Satz 1 EStG im Wesentlichen ein, selbst wenn sie eigene Beiträge auf einen auf ihren Namen lautenden Altersvorsorgevertrag entrichte, bleibe ihr eine Altersvorsorgezulage versagt, wenn ihr originär zulageberechtigter Ehemann keinen derartigen Vertrag abschließe. Sie sei auf das Wohlwollen und die finanziellen Möglichkeiten ihres Ehemannes angewiesen, wenn sie eine staatliche Förderung in Gestalt der Altersvorsorgezulage erhalten wolle. Als nicht pflichtversicherte Hausfrau werde sie hierdurch unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG benachteiligt. Die Ausschöpfung des Rechtswegs sei ihr nicht zumutbar, denn aufgrund der eindeutigen Rechtslage sei von vorneherein absehbar, dass sie mit ihrem Begehren auf Gewährung einer Altersvorsorgezulage keinen Erfolg haben werde.

II.

Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <250>).

1. Eine unmittelbar gegen gesetzliche Bestimmungen eingelegte Verfassungsbeschwerde erfordert, dass ein Beschwerdeführer durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist (z.B. BVerfGE 60, 360 <370>; 97, 157 <164>; 100, 313 <354>; 102, 197 <206 f.>; jeweils m.w.N.; stRspr). Unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn die angegriffene Bestimmung, ohne eines weiteren Vollzugsakts zu bedürfen, die Rechtsstellung des Beschwerdeführers verändert.

Eine derartige Betroffenheit der Beschwerdeführerin ist weder hinreichend substantiiert dargelegt noch sonst erkennbar.

Gemäß § 88 EStG entsteht zwar der Anspruch auf die Zulage mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Altersvorsorgebeiträge geleistet worden sind (Beitragsjahr). Die Zulage ist jedoch für jedes Beitragsjahr nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu beantragen und zwar bis zum Ablauf des zweiten Kalenderjahres, das auf das Beitragsjahr folgt; grundsätzlich ist der Antrag bei dem Anbieter (z.B. Bank, Versicherung) des Altersvorsorgevertrages einzureichen (§ 89 Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Anbieter übermittelt die Daten an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte -BfA-, die als Zentrale Stelle (§ 81 EStG) im Verfahren nach § 90 EStG zu ermitteln hat, ob und in welcher Höhe ein Zulageanspruch besteht. Bei entsprechendem Antrag des Zulageberechtigten setzt die BfA die Zulage durch Bescheid fest (§ 90 Abs. 4 EStG). Gegen diesen Festsetzungsbescheid ist Einspruch und Klage an das Finanzgericht gegeben; gemäß § 98 EStG ist in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die auf Grund des Abschnitts XI des EStG ergehenden Verwaltungsakte ausdrücklich der Finanzrechtsweg gegeben.

2. Auch für Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze gilt der in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz der Subsidiarität. Danach ist auch die Verfassungsbeschwerde eines von der angegriffenen Regelung selbst, gegenwärtig und unmittelbar Betroffenen unzulässig, wenn er vor Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die allgemein zuständigen Gerichte erlangen kann; damit soll neben der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts erreicht werden, dass dieses nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage entscheiden muss (vgl. z.B. BVerfGE 97, 157 <165>; 102, 197 <207>, jeweils m.w.N.).

Die Verfassungsbeschwerde zeigt nicht hinreichend deutlich auf, dass es nicht geboten ist, dem Bundesverfassungsgericht vor seiner Befassung mit der hier angegriffenen Rechtsnorm die Fallanschauung der Fachgerichte zu vermitteln (vgl. z.B. BVerfGE 72, 39 <43 f.> m.w.N.). Abgesehen davon entspricht es der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung (hier ausdrücklich in § 98 EStG), dass vorrangig die Fachgerichte selbst Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen gewähren (vgl. BVerfGE 72, 39 <43>).

3. Ergänzend wird auf die Belehrung des Präsidialrats vom 19. Dezember 2002 Bezug genommen. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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