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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 03.12.1997
Aktenzeichen: BVerwG 1 B 219.97
Rechtsgebiete: AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

AuslG § 49
AuslG § 50
AuslG § 51
AuslG § 53
AsylVfG § 13
AsylVfG § 14
AsylVfG § 18
AsylVfG § 19
AsylVfG § 24
AsylVfG § 29
AsylVfG § 30
AsylVfG § 31
AsylVfG § 32
AsylVfG § 34
AsylVfG § 55
AsylVfG § 67
Beschluß des 1. Senats vom 3. Dezember 1997 - BVerwG 1 B 219.97

Leitsatz:

Ein Asylantrag im Sinne von § 13 Abs. 1 AsylVfG, der noch nicht gemäß § 14 Abs. 1 und 2 AsylVfG beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gestellt ist (Asylgesuch), hindert die Ausländerbehörde nicht daran, die Ausreisepflicht des Ausländers durchzusetzen, dessen Aufenthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG erloschen ist, und steht einer Prüfung der Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG durch die Ausländerbehörde nicht grundsätzlich entgegen.

I. VG Kassel vom 19.12.1995 - Az.: VG 4 E 3057/95 (4) II. VGH Kassel vom 19.08.1997 - Az.: VGH 7 UE 350/96


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 1 B 219.97 VGH 7 UE 350/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 3. Dezember 1997

durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Groepper und Dr. Gerhardt

beschlossen:

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. August 1997 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 DM festgesetzt.

G r ü n d e :

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche und revisibles Recht betreffende Frage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Beklagte hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, "ob das Vorbringen in der Begründung eines Widerspruchs gegen eine ausländerbehördliche Verfügung, mit dem politische Verfolgung geltend gemacht wird, als Asylgesuch zu werten ist mit der Folge, daß ohne förmliche Asylantragstellung beim allein dafür zuständigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge die asylverfahrensrechtliche Wirkung eintritt, daß die Ausländerbehörde für den Erlaß der Abschiebungsandrohung und der Feststellung, daß Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen, unzuständig wird". Wie der Beschwerdebegründung zu entnehmen ist, geht es dem Beklagten nicht um die Klärung der Frage, wann ein Asylgesuch vorliegt; damit bedarf es keiner Erörterung, ob die diesbezügliche Annahme des Berufungsgerichts sachlich gerechtfertigt ist. Vielmehr will er vor dem Hintergrund des Berufungsurteils sinngemäß geklärt wissen, ob die Ausländerbehörde mit dem Vorliegen eines Asylantrags im Sinne von § 13 AsylVfG, der noch nicht "förmlich", d.h. gemäß § 14 AsylVfG beim Bundesamt gestellt ist, die Zuständigkeit für den Erlaß der Abschiebungsandrohung und die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG verliert. Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie läßt sich unmittelbar aus dem Gesetz beantworten.

Nach § 13 Abs. 1 AsylVfG liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen läßt, daß er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder daß er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm die in § 51 Abs. 1 AuslG bezeichneten Gefahren drohen. Das Vorliegen eines Asylantrags in diesem Sinne (Asylgesuch) bewirkt, daß allein das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über den geltend gemachten Schutzanspruch zu entscheiden hat (vgl. insbesondere §§ 29, 30 AsylVfG, § 51 Abs. 2 Satz 2 AuslG; ferner § 14 Abs. 2 Satz 2, § 18 Abs. 1, § 18 a AsylVfG). Ferner ist einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, der Aufenthalt im Bundesgebiet zur Durchführung des Asylverfahrens gestattet (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Die Aufenthaltsgestattung erlischt; wenn der Ausländer innerhalb von zwei Wochen, nachdem er um Asyl nachgesucht hat, noch keinen Asylantrag gestellt hat (§ 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG); stellt der Ausländer den Asylantrag nach Ablauf dieser Frist, tritt die Aufenthaltsgestattung wieder in Kraft (§ 67 Abs. 2 AsylVfG).

Danach ist von einem Asylgesuch der Asylantrag im engeren Sinne zu unterscheiden. Gemäß § 14 Abs. 1 AsylVfG ist der Asylantrag bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Stelle zugeordnet ist. In den in § 14 Abs. 2 AsylVfG genannten Fällen ist der Asylantrag beim Bundesamt zu stellen; in diesen Fällen leitet die Ausländerbehörde einen bei ihr eingereichten schriftlichen Asylantrag unverzüglich dem Bundesamt zu. Sucht ein Ausländer an der Grenze oder bei einer Ausländerbehörde oder der Polizei um Asyl nach, ist er grundsätzlich an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung weiterzuleiten (§ 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 AsylVfG). Mit der Antragstellung beginnt das Verfahren beim Bundesamt (§§ 23 ff. AsylVfG). Zu den Pflichten des Bundesamtes nach Antragstellung gehört auch, darüber zu entscheiden, ob Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen (§ 24 Abs. 2 AsylVfG; vgl. auch § 31 Abs. 3 und 5, § 32 AsylVfG). Bei negativem Ausgang des Asylverfahrens erläßt das Bundesamt grundsätzlich die Abschiebungsandrohung nach §§ 50, 51 Abs. 4 AuslG (§ 34 AsylVfG).

Daraus folgt für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage:

Das Vorliegen eines Asylgesuchs berührt die Zuständigkeit der Ausländerbehörden für Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreisepflicht als solche nicht. Das Asylgesuch steht einer Abschiebung des Ausländers und deren Androhung durch die Ausländerbehörde vor Stellung eines Asylantrags aber materiellrechtlich entgegen, soweit der Aufenthalt des Ausländers gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestattet ist und daher keine Ausreisepflicht besteht (§ 49 Abs. 1 AuslG). Entfällt die Aufenthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG, kann die Ausländerbehörde die Ausreisepflicht nach den allgemeinen Vorschriften des Ausländergesetzes durchsetzen. Eine ausländerbehördliche Abschiebungsandrohung erledigt sich demgemäß allein aufgrund eines Asylgesuchs nicht, weil sie ihren Zweck noch nicht endgültig verfehlt hat (VGH Mannheim NVwZ-RR 1993, 443 <444>; a.A. OVG Koblenz AuAS 1995, 118). Hier nicht zu erörtern ist die Frage, ob ein Ausländer darauf vertrauen darf, daß die Ausländerbehörde ihn an die zuständige Aufnahmeeinrichtung weiterleitet (§ 19 Abs. 1 AsylVfG) bzw. ein bei ihr eingereichtes Asylgesuch unverzüglich dem Bundesamt zuleitet (§ 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG), und welche rechtlichen Folgen dies für die Durchsetzung der Ausreisepflicht haben könnte. Der Kläger hat sich auf eine entsprechende Pflichtverletzung nicht berufen, sondern im Gegenteil ausdrücklich abgelehnt, einen Asylantrag zu stellen. Auf die Frage, wie das Asylgesuch in einem derartigen Fall weiterzubehandeln ist, kommt es hier ebenfalls nicht an.

Die Ausländerbehörde ist bis zur Stellung eines Asylantrags (im engeren Sinn) nicht grundsätzlich gehindert, im Rahmen der Durchsetzung der Ausreisepflicht über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG zu befinden. Die bereits mit dem Asylgesuch begründete ausschließliche Zuständigkeit des Bundesamtes erstreckt sich nur auf den Schutz vor politischer Verfolgung; die Zuständigkeit für die Feststellung von Abschiebungshindernissen gemäß § 53 AuslG wächst dem Bundesamt erst mit Stellung des Asylantrags im engeren Sinne zu. Allerdings wirft, das mit dem Asylgesuch begründete Entscheidungsmonopol des Bundesamtes die Frage auf, ob die Ausländerbehörde neben den Umständen, die unabhängig von der geltend gemachten politischen Verfolgung Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG begründen können, auch die behaupteten Verfolgungsmaßnahmen unter Eliminierung ihres politischen Charakters unter dem Blickwinkel des § 53 AuslG zu würdigen hat (vgl. VGH Mannheim VBlBW 1994, 454 <456>; OVG Schleswig InfAuslR 1993, 18 <20>; OVG Hamburg DVBl 1996, 628 <629>). Das Beschwerdevorbringen gibt indes keinen Anlaß, auf diese Frage näher einzugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 GKG.

Meyer Groepper Gerhardt



Ende der Entscheidung

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