Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 23.03.1999
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 21.98
Rechtsgebiete: WaffG, KrWaffG


Vorschriften:

WaffG § 28 Abs. 4, 5
WaffG § 30 Abs. 1
WaffG § 37 Abs. 1, 3, 4
WaffG § 59
KrWaffG § 6
KrWaffG § 12 Abs. 6
Leitsatz:

Wer eine gemäß § 59 WaffG anmeldepflichtige, aber nicht angemeldete Schußwaffe von Todes wegen erwirbt, hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte unter den erleichterten Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 Satz 2 WaffG.

Urteil des 1. Senats vom 23. März 1999 - BVerwG 1 C 21.98 -

I. VG Düsseldorf vom 14.11.1996 - Az.: VG 18 K 7940/95 - II. OVG Münster vom 20.08.1998 - Az.: OVG 20 A 406/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 1 C 21.98 OVG 20 A 406/97

Verkündet am 23. März 1999

Reuter Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Gielen, Dr. Mallmann, Dr. Hahn und Dr. Gerhardt

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. August 1998 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Waffenbesitzkarte für acht näher bezeichnete Schußwaffen, die sein Schwiegervater seit dem 2. Weltkrieg und nach ihm die Ehefrau des Klägers ohne behördliche Erlaubnis besessen hatten und die mit dem Tod der Ehefrau in den Besitz des Klägers als deren Alleinerbe gelangt sind. Der Beklagte lehnte den Antrag vom 3. Februar 1995 mit Bescheid vom 8. Mai 1995 ab. Die Bezirksregierung Düsseldorf wies den Widerspruch mit Bescheid vom 14. Juli 1995 zurück.

Die Verpflichtungsklage ist vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt (GewArch 1999, 117): Zwar habe der Kläger die Schußwaffen gemäß § 28 Abs. 4 Nr. 1 WaffG von Todes wegen erworben. Er könne jedoch keine Waffenbesitzkarte gemäß § 28 Abs. 5 Satz 1, § 30 Abs. 1 Satz 2 WaffG beanspruchen, weil er nicht als "Berechtigter" im Sinne dieser Vorschriften angesehen werden könne. Die Privilegierung des Erben, nach der die Waffenbesitzkarte insbesondere ohne Rücksicht auf ein Bedürfnis erteilt werde, sei nicht gerechtfertigt, wenn der Erblasser die Waffen ohne Erlaubnis besessen habe. In diesem Fall sei der Besitz von Schußwaffen gesetzlich verboten und könne untersagt werden. Sei das Eigentum des Erblassers mit der Pflicht zur Besitzaufgabe belastet, gehe es auch nur mit dieser Belastung auf den Erben über. Demgemäß sei die weitere Ausübung der tatsächlichen Gewalt durch den Erben zu versagen.

Der Kläger verfolgt mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision sein Klagebegehren weiter und macht im wesentlichen geltend: Die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 4 Nr. 1 WaffG solle der Interessenlage des Erben Rechnung tragen und ihm die Möglichkeit des Weiterbesitzes geben. Den Interessen der Öffentlichkeit werde dadurch Rechnung getragen, daß der Erbe den Nachlaß innerhalb bestimmter Fristen der Erlaubnisbehörde zur Kenntnis geben müsse und die Behörde den weiteren Besitz durch die Erteilung der Waffenbesitzkarte legitimiere. Die Richtigkeit dieser Auffassung werde durch den Vergleich mit der Rechtslage in bezug auf die nach § 37 WaffG verbotenen Gegenstände und auf Kriegswaffen bestätigt.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Der Oberbundesanwalt verteidigt das Berufungsurteil.

II.

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil steht mit Bundesrecht in Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausstellung der beantragten Waffenbesitzkarte gemäß § 28 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5, § 30 Abs. 1 Satz 2 WaffG. Dies folgt bereits daraus, daß keiner der Rechtsvorgänger des Klägers eine behördliche Erlaubnis für die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die vererbten Schußwaffen besessen hat. Auf die weiteren Anspruchsvoraussetzungen kommt es daher nicht an.

Wer Schußwaffen erwerben und die tatsächliche Gewalt über sie ausüben will, bedarf gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 WaffG der Erlaubnis in Gestalt einer Waffenbesitzkarte. Zu den Ausnahmen davon gehört der Erwerb von Todes wegen (§ 28 Abs. 4 Nr. 1 WaffG). Will der Erbe die Schußwaffen behalten, hat er binnen eines Monats seit Annahme der Erbschaft oder Ablauf der Ausschlagungsfrist die Erteilung einer Waffenbesitzkarte zu beantragen (§ 28 Abs. 5 Satz 1 und 2 WaffG). Diese darf nur versagt werden, wenn der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt (§ 30 Abs. 1 Satz 2 WaffG). Dies bedeutet insbesondere, daß der sonst gebotene Nachweis eines Bedürfnisses beim Erwerb einer Schußwaffe von Todes wegen entfällt (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG).

Gemäß § 59 Abs. 1 WaffG hatte, wer am 1. März 1976 die tatsächliche Gewalt über Schußwaffen ausgeübt hatte, für die es ihrer Art nach aufgrund des Waffengesetzes einer Erlaubnis bedurfte, diese Schußwaffen bis zum 30. Juni 1976 grundsätzlich der zuständigen Behörde schriftlich anzumelden. Zum Nachweis der Anmeldung stellte die Behörde eine Waffenbesitzkarte aus, sofern der Anmeldende die erforderliche Zuverlässigkeit besaß (§ 59 Abs. 3 Satz 1 WaffG). Nach Ablauf der Anmeldefrist darf die tatsächliche Gewalt über anmeldepflichtige, jedoch nicht angemeldete Waffen nicht mehr ausgeübt werden; die zuständige Behörde kann anordnen, daß die Waffen binnen angemessener, von ihr zu bestimmender Frist unbrauchbar gemacht oder einem Berechtigten überlassen werden und dies der zuständigen Behörde nachgewiesen wird; ferner kann sie die Waffen einziehen (§ 59 Abs. 4 i.V.m. § 37 Abs. 5 Satz 2 und 3 WaffG).

Der Gesetzgeber hat die Überleitung des - von anderen Übergangsvorschriften nicht erfaßten und hier allein in Rede stehenden - Schußwaffenbesitzes aus der Zeit vor dem 1. März 1976 unter die Bestimmungen des Waffengesetzes in § 59 WaffG abschließend geregelt. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Verbot, nach Ablauf der Anmeldefrist die tatsächliche Gewalt über anmeldepflichtige, jedoch nicht angemeldete Waffen auszuüben (§ 59 Abs. 4 Satz 1 WaffG; vgl. auch § 53 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b, Abs. 3 Nr. 7, Abs. 4 WaffG). Das Waffengesetz enthält keinen Hinweis darauf, daß etwas anderes gelten soll, wenn derartige ("illegale") Schußwaffen vererbt werden und nach dem Willen des Erben in dessen tatsächlicher Gewalt verbleiben sollen. Demgemäß führt bereits die systematische Auslegung des Waffengesetzes dazu, daß der Erbe in einem Fall wie hier keine Waffenbesitzkarte nach § 30 Abs. 1 Satz 2 WaffG beanspruchen kann.

Allein dieses Ergebnis entspricht auch den Zielen des Waffengesetzes. Die Bedürfnisprüfung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG dient dem Ziel, die Zahl der Waffenbesitzer sowie die Art und Zahl der in Privatbesitz befindlichen Schußwaffen auf das unbedingt notwendige und mit Rücksicht auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit vertretbare Maß zu beschränken (vgl. Urteile vom 24. Juni 1975 - BVerwG 1 C 25.73 - BVerwGE 49, 1 und vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 5.92 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 66 = GewArch 1993, 325). Der Gesetzgeber hat auf sie nur in bestimmten Fällen verzichtet. Die entsprechende Regelung gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 WaffG zugunsten eines Berechtigten, der eine Schußwaffe von Todes wegen erwirbt, hat er aufgrund "einer Abwägung der Sicherheitsinteressen mit der rechtlichen Stellung des Erben oder Vermächtnisnehmers" (vgl. BTDrucks 7/2379, S. 20), also zur Wahrung des Besitzstandes des Erben getroffen. Wie erwähnt, ist die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über anmeldepflichtige, jedoch nicht angemeldete Waffen verboten und in verschiedener Weise sanktioniert. Deswegen erwirbt der Erbe den verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsbestand (vgl. BVerfGE 93, 165 <174>; 97, 1 <7>) nur mit dieser Beschränkung. Mit dem Gesetzeszweck wäre es unvereinbar, wenn die Gesamtrechtsnachfolge nach dem Tod des Waffenbesitzers als solche schon den Anspruch begründete, den unerlaubten Schußwaffenbesitz auf Dauer zu legalisieren.

Entgegen der Auffassung der Revision wird dem Gesetzesanliegen nicht dadurch entsprochen, daß die Behörde nach dem Erbfall im Verfahren zur Erteilung einer Waffenbesitzkarte Kenntnis von den Schußwaffen gemäß § 28 Abs. 5 WaffG erhält und sie registriert. Zwar liegt der Regelung des § 59 WaffG eine ähnliche Erwägung zugrunde, weil mit der dort vorgesehenen Anmeldung der sicherheitspolitische Zweck verfolgt wurde, "die Schußwaffen behördlich zu registrieren und in der Hand des Besitzers festzuschreiben" (vgl. BTDrucks 7/4407, S. 11). Den Materialien läßt sich aber deutlich entnehmen, daß diese Erwägung nur für die Erfassung der bis zum Stichtag erworbenen Waffen gilt. Der Innenausschuß des Deutschen Bundestages führte zur Neufassung der §§ 58 und 59 in dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes (BTDrucks 7/2379) u.a. aus (BTDrucks 7/4407, S. 4): Der Ausschuß habe sich in Übereinstimmung mit dem Regierungsentwurf dafür entschieden, den Waffenbesitzern, die ihre Waffe nicht, wie ursprünglich vorgesehen, im ersten Halbjahr 1973 angemeldet hätten, die Möglichkeit einer neuen Anmeldung einzuräumen und ihnen Straffreiheit zu gewähren, soweit sie ihre Waffen bis zum 30. April 1976 anmeldeten. Der Ausschuß habe sich unter Zurückstellung erheblicher Bedenken aus sicherheitspolitischen Gründen dazu durchgerungen, in die vorgesehene Amnestie auch die Schußwaffen einzubeziehen, die in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1973 und dem 1. Januar 1976 illegal erworben worden seien. Er gehe davon aus, daß den Betroffenen mit der Eröffnung einer nochmaligen Anmeldefrist eine letzte Chance zur Legalisierung ihres Waffenbesitzes geboten werde. Wer diese Möglichkeit ungenutzt verstreichen lasse, müsse mit der entschädigungslosen Einziehung seiner Waffen sowie mit Bestrafung rechnen. Diese Ausführungen lassen keinen Zweifel daran, daß die rechtspolitischen Gründe dafür, für den Waffenbestand zum Stichtag Waffenbesitzkarten gemäß § 59 Abs. 3 WaffG ohne Bedürfnisprüfung zu erteilen, nicht zur Auslegung späterer Erwerbstatbestände herangezogen werden können.

Die von der Revision herangezogenen Bestimmungen über den Erwerb verbotener Waffen und Gegenstände (§ 37 Abs. 4 Nr. 1 WaffG) sowie von Kriegswaffen (§ 12 Abs. 6 Satz 1 und 2 KrWaffG) durch Erbfolge erlauben keine Rückschlüsse auf die hier zu entscheidende Frage. Soweit sie den Erwerb von Todes wegen als solchen betreffen, enthalten sie Vorschriften zu einer für den Schußwaffenbesitz in § 28 Abs. 4 Nr. 1 WaffG geregelten Frage, auf die es hier nicht ankommt. Für die dauernde Ausübung der tatsächlichen Gewalt an verbotenen Waffen und Gegenständen im Anschluß an den Erwerb von Todes wegen verweist § 37 Abs. 4 Nr. 1 WaffG auf die in § 37 Abs. 3 WaffG generell vorgesehene Möglichkeit, daß das Bundeskriminalamt Ausnahmen von den Verboten des § 37 Abs. 1 WaffG zuläßt, und sieht demnach keine Privilegierung des Erwerbs von Todes wegen vor. Entsprechendes gilt für den Besitz von Kriegswaffen, der gemäß § 12 Abs. 6 Satz 3 KrWaffG von der Überwachungsbehörde zugelassen werden kann, wenn ein öffentliches Interesse besteht, und damit im Vergleich zum allgemeinen Genehmigungstatbestand des § 6 KrWaffG sogar von der Erfüllung einer weiteren Voraussetzung abhängt. Diesen Regelungen ist der Rechtsgedanke gemeinsam, daß der Erwerb von Todes wegen es nicht rechtfertigt, den Waffenbesitz auf Dauer unter erleichterten Voraussetzungen zu gestatten. Übertragen auf den in § 28 WaffG geregelten Schußwaffenbesitz, könnte dieser Rechtsgedanke allenfalls für eine enge, nicht jedoch, wie die Revision meint, für eine weite Auslegung des Privilegierungstatbestandes des § 30 Abs. 1 Satz 2 WaffG sprechen.

Die Hinweise der Revision auf eine abweichende Verwaltungspraxis sowie auf das Unterbleiben einer Klarstellung anläßlich früherer Gesetzesänderungen sind angesichts der für die hier vertretene Auffassung sprechenden Gesichtspunkte ohne ausschlaggebendes Gewicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 16 000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück