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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 6.08
Rechtsgebiete: AufenthG, AuslG 1990, AuslG 1965, Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei, VwGO, Richtlinie 2004/38/EG, ZP


Vorschriften:

AufenthG § 4 Abs. 5
AufenthG § 5 Abs. 4
AufenthG § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
AufenthG § 54 Nr. 5
AufenthG § 59
AuslG 1990 § 44 Abs. 1 Nr. 2
AuslG 1990 § 44 Abs. 1 Nr. 3
AuslG 1965 § 2 Abs. 1 Satz 2
AuslG 1965 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
AuslG 1965 § 10 Nr. 2
Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80 Art. 7
Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80 Art. 13
VwGO § 86 Abs. 1
VwGO § 137 Abs. 2
VwGO § 139 Abs. 3 Satz 4
Richtlinie 2004/38/EG Art. 16 Abs. 4
ZP Art. 41 Abs. 1
ZP Art. 59
Ein türkischer Staatsangehöriger verliert durch einen mehrjährigen haftbedingten Auslandsaufenthalt seine Rechte aus Art. 7 ARB 1/80, wenn er aus dem Bundesgebiet in der Absicht ausgereist ist, im Ausland eine Straftat zu begehen, bei deren Entdeckung er mit der Verhängung einer längeren Freiheitsstrafe rechnen musste (hier: Beteiligung an geplanten Anschlägen des "Kalifatstaates" in der Türkei).
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 1 C 6.08

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2009 durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig, Richter und Prof. Dr. Kraft und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. März 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, begehrt die Feststellung, dass die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis als Niederlassungserlaubnis fortbesteht; hilfsweise erstrebt er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dem Assoziationsratsbeschluss ARB 1/80 bzw. zum Familiennachzug.

Der am 1. Juli 1967 geborene Kläger reiste im Oktober 1981 zu seinen erwerbstätigen Eltern in das Bundesgebiet ein. Am 15. Dezember 1992 erteilte ihm die Beklagte eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Der Kläger schloss nach islamischem Ritus die Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen. Aus der Verbindung sind drei in den Jahren 1994, 1996 und 1998 geborene Kinder deutscher Staatsangehörigkeit hervorgegangen.

Am 29. Oktober 1998 wurde der Kläger in der Türkei festgenommen. Das Staatssicherheitsgericht Istanbul verurteilte ihn am 11. April 2000 wegen Mitgliedschaft in einer bewaffneten Bande bzw. einer illegalen Organisation zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten. Nach den Feststellungen in dem Strafurteil gehörte der Kläger der als bewaffnete terroristische Organisation angesehenen AFID an, die im Bundesgebiet unter der Bezeichnung "Kalifatstaat" bekannt ist und im Dezember 2001 vom Bundesminister des Inneren verboten wurde. Er sei einem Aufruf zu einem Selbstmordanschlag gefolgt und habe sich an dem Plan beteiligt, die Fatih-Moschee in Istanbul zu besetzen und dort die Fahne des "Kalifatstaates" zu öffnen, indem er Geld für die Beschaffung von Waffen übergeben habe. Des Weiteren habe man geplant, am türkischen Nationalfeiertag während der Feier ein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug auf das Atatürk-Mausoleum in Istanbul abstürzen zu lassen. Der Kläger habe bei der polizeilichen Vernehmung seine Schuld gestanden. Vor Gericht habe er die ihm zur Last gelegten Straftaten bestritten, sei aber aufgrund der Beweisaufnahme überführt.

Die nach islamischem Ritus geschlossene Ehe des Klägers wurde während der Strafhaft geschieden. Aufgrund einer Änderung des türkischen Strafrechts hat ein Schwurgericht in Istanbul den Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe im November 2004 aufgehoben.

Nach seiner Freilassung reiste der Kläger im Dezember 2004 in das Bundesgebiet ein und meldete seinen Wohnsitz bei seinen Eltern an. Am 18. Februar 2005 beantragte er bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung und erklärte, sich nicht an gewalttätigen Aktionen oder entsprechenden Planungen beteiligt zu haben. Er sei in der Türkei zu Unrecht verurteilt worden, weil die türkische Polizei sein Geständnis unter Folter erzwungen habe. Während der Inhaftierung habe er zu seinen Kindern und deren Mutter durch Briefe und Telefongespräche Kontakt gehalten; nach der Rückkehr in das Bundesgebiet baue er die Beziehung schrittweise wieder auf.

Die Beklagte wies den Kläger nach Anhörung mit Bescheid vom 29. März 2005 aus, lehnte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Nach einem erfolglosen Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes wurde der Kläger im März 2005 in die Türkei abgeschoben. Im Juni 2006 kehrte er mit einer kurzfristigen Betretenserlaubnis der Beklagten nach Deutschland zurück und hält sich seither hier auf.

Auf seine Klage hob das Verwaltungsgericht den Bescheid mit Urteil vom 11. Oktober 2005 auf und stellte fest, dass dem Kläger ein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht zusteht; im Übrigen wies es die Klage ab.

Dagegen hat die Beklagte Berufung erhoben, der sich der Kläger angeschlossen hat. In einer notariellen Urkunde vom 7. August 2006 haben der Kläger und seine frühere Frau erklärt, die elterliche Sorge über ihre drei Kinder gemeinsam ausüben zu wollen. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte die Ausweisung aufgehoben; insoweit haben die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 27. März 2008 die Entscheidung des Verwaltungsgerichts geändert, die Klage insgesamt abgewiesen und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen (InfAuslR 2009, 54). Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Beklagte die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu Recht versagt habe. Die Rechtsstellung aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 habe der Kläger verloren, weil er das Bundesgebiet für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen habe. Die haftbedingte Abwesenheit von rund sechs Jahren sei weder kurzzeitig noch werde sie von berechtigten Gründen getragen. Weder habe der Kläger in der Türkei anerkennenswerte Interessen verfolgt (z.B. Urlaub, Besuch der Familie im Heimatland) noch könne die Abwesenheit vom Bundesgebiet als von seinem Willen unabhängiger Auslandsaufenthalt angesehen werden. Dafür allein auf die Freiwilligkeit des Aufenthalts abzustellen, greife zu kurz, wenn der im Ausland inhaftierte türkische Staatsangehörige das Bundesgebiet bereits mit der Absicht verlassen habe, im Ausland eine Straftat zu begehen, bei deren Ahndung er mit der Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe habe rechnen müssen. An der Richtigkeit der vom türkischen Staatssicherheitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen bestünden keine durchgreifenden Zweifel. Selbst wenn der Kläger bei der türkischen Polizei gefoltert worden sei, sei sein dort abgelegtes Geständnis für die Verurteilung nicht maßgebend gewesen. Das Strafgericht habe sich auf eine umfangreiche Beweisaufnahme gestützt und 15 von 27 Angeklagten freigesprochen, obgleich auch diese bei der polizeilichen Vernehmung ein Geständnis abgelegt hätten. Die Richtigkeit der Feststellungen werde zudem durch im Bundesgebiet vorliegende Erkenntnisse insbesondere des Bundeskriminalamtes zur Person des Klägers gestützt. Seine gegenteiligen Einlassungen seien unglaubhaft. Das lediglich zufällige Zusammentreffen der in Istanbul festgenommenen Personen erscheine unglaubhaft, zumal die vom Kläger als Bekannte bezeichneten fünf Personen nach den Erkenntnissen des BKA ebenfalls der Braunschweiger Gemeinde des "Kalifatstaates" zuzurechnen seien. Unter Würdigung sämtlicher Erkenntnisse einschließlich seiner eigenen Angaben und den Angaben seiner früheren Frau sei der Kläger in der Türkei nicht zu Unrecht verurteilt worden. Auch nach nationalem Recht könne ihm keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden: Seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sei gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG erloschen. Einem Anspruch auf (Neu-)Erteilung stehe bereits der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG entgegen. Sowohl Ausmaß und Gewicht der geplanten terroristischen Aktionen als auch die Art der Beteiligung des Klägers machten deutlich, dass er sich in vollem Umfang mit den Zielen der AFID bzw. des "Kalifatstaates" identifiziert habe. Seine Bereitschaft, dafür sein Leben einzusetzen, begründe trotz der längere Zeit zurückliegenden Beteiligung und des zwischenzeitlich erfolgten Verbots des "Kalifatstaates" im Bundesgebiet eine gegenwärtige Gefährlichkeit. Denn der Kläger habe sich bislang von seinen Aktivitäten nicht distanziert und keine Abkehr von den Zielen der Organisationen bekundet.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass seine unbefristete Aufenthaltserlaubnis als Niederlassungserlaubnis fortgelte, denn die Erlöschensregelung des § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG sei wegen der "Standstill-Klausel" des Art. 13 ARB 1/80 nicht anwendbar. Er habe auch sein assoziationsrechtlich begründetes Aufenthaltsrecht nicht verloren. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH führe die längere Abwesenheit vom Arbeitsmarkt wegen Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe nicht zum Verlust eines assoziationsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts. Konsequenterweise komme es nicht darauf an, ob die Haftstrafe im Mitgliedstaat oder im Ausland verbüßt werde. Schließlich habe das Berufungsgericht die Feststellungen, dass der Kläger bereits bei seiner Ausreise beabsichtigt habe, in der Türkei eine Straftat zu begehen und Mitglied der Organisation AFID sei, unter Verletzung seiner Aufklärungspflicht getroffen.

Die Beklagte und der Vertreter des Bundesinteresses treten der Revision entgegen.

II

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Der gerügte Aufklärungsmangel ist nicht schlüssig dargelegt (1.). Auf der Grundlage der den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit revisiblem Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO) entschieden, dass die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des Klägers erloschen ist (2.). Die Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG kann der Kläger nicht verlangen, denn seine in Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 begründete Rechtsstellung hat er infolge des haftbedingten Aufenthalts in der Türkei verloren (3.). Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Nachzug zu seinen deutschen Kindern steht der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG entgegen (4.).

1. Der Senat ist an die im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, weil dagegen keine zulässigen Revisionsgründe vorgebracht worden sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Zwar macht die Revision mit der Aufklärungsrüge geltend, das Berufungsgericht habe seine Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt, weil es die angebotenen Zeugen u.a. zur Frage der Mitgliedschaft des Klägers in der AFID nicht vernommen habe. Die Revisionsbegründung lässt indes die gemäß § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO erforderliche Bezeichnung von Tatsachen vermissen, aus denen sich der geltend gemachte Mangel ergeben soll. Dazu gehören bei der Rüge unzureichender Sachaufklärung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ausführungen auch dazu, welches mutmaßliche Ergebnis die vermisste Beweisaufnahme im Einzelnen gehabt und inwiefern dieses Ergebnis - nach der materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz - zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Urteile vom 16. Oktober 1984 - BVerwG 9 C 284.82 - Buchholz 402.25 § 27 AsylVfG Nr. 1 und vom 13. Dezember 1988 - BVerwG 1 C 44.86 - Buchholz 451.41 § 15 GastG Nr. 4). Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung nicht. Sie trägt nicht vor, aufgrund welcher Wahrnehmungen die angebotenen Zeugen zu den Beweisthemen hätten aussagen können und was sie vermutlich ausgesagt hätten. Auf das mutmaßliche Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere das Motiv des Klägers für seine Reise in die Türkei, geht die Revision nicht ein. Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt wird damit nicht ansatzweise schlüssig in Zweifel gezogen. Nicht dargelegt wird zudem, warum sich dem Berufungsgericht eine weitere Aufklärung - auch ohne Stellung entsprechender Beweisanträge im Berufungsverfahren - hätte aufdrängen müssen (vgl. dazu Pietzner, in: Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 139 Rn. 47 m.w.N.).

2. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des Klägers ist gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1990 erloschen.

a) Ob der Auslandsaufenthalt des Klägers zwischen Oktober 1998 und Dezember 2004 zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis geführt hat, beurteilt sich nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1990. Danach erlischt eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn der Ausländer ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Entgegen der Annahme der Revision kommt es nicht auf den Willensentschluss des Ausländers und den Grund für seinen Auslandsaufenthalt an. Die Materialien zum Ausländergesetz 1990 machen deutlich, dass mit der neuen, den Erlöschensgrund der Nr. 2 ergänzenden Regelung Rechtsklarheit geschaffen werden sollte. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist steht unwiderleglich fest, dass der Ausländer aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grund ausgereist ist und seine Aufenthaltsgenehmigung damit erloschen ist. Zur Vermeidung unbeabsichtigter Härten hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, dass die Ausländerbehörde eine längere, für den Bestand der Aufenthaltsgenehmigung unschädliche Frist bestimmen kann (BTDrucks 11/6321 S. 71). Anders als in dem von der Revision angeführten Fall, der der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bremen (Urteil vom 30. November 2005 - Az. 4 K 1013/05 - InfAuslR 2006, 198) zugrunde lag, hatte der Kläger - wie der umfangreiche Briefwechsel mit seiner Familie belegt - die Möglichkeit, an die Ausländerbehörde heranzutreten und seine Rechte zu wahren.

b) Die Anwendung der Vorschrift durch das Berufungsgericht verstößt nicht gegen die Stillhalteklauseln in Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4 = InfAuslR 1982, 33) - ARB 1/80 - und Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP.

Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Vertragsparteien für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Gemäß Art. 41 Abs. 1 ZP werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Diese Stillhalteklauseln sind in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar (EuGH, Urteil vom 20. September 1990 - Rs. C-192/89 - Sevince - NVwZ 1991, 255 <256 Rn. 26> zu Art. 13 ARB 1/80, Urteil vom 11. Mai 2000 - Rs. C-37/98 - Savas - InfAuslR 2000, 326 Rn. 54 und Urteil vom 20. September 2007 - Rs. C-16/05 - Tum und Dari - NVwZ 2008, 61 Rn. 46 zu Art. 41 Abs. 1 ZP).

Die Standstill-Klauseln stehen neben den unmittelbar anwendbaren Regelungen der Art. 6 und 7 ARB 1/80, die türkischen Arbeitnehmern und deren Familienangehörigen im Gemeinschaftsrecht wurzelnde Beschäftigungs- und Aufenthaltsrechte vermitteln. Sie zielen auf die den Mitgliedstaaten verbliebene Kompetenz, die Einreise türkischer Staatsangehöriger in ihr Hoheitsgebiet und dort die erstmalige Aufnahme einer Beschäftigung zu regeln (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-317/01 und Rs. C-369/01 - Abatay u.a. - Slg. I-12301 Rn. 80; Urteil vom 20. September 2007 - Rs. C-16/05 - Tum und Dari - a.a.O. Rn. 57). Diese nationale Regelungszuständigkeit unterliegt jedoch dem Vorbehalt, dass neue Vorschriften die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den Zugang zur Beschäftigung sowie den damit verbundenen Aufenthalt eines türkischen Staatsangehörigen nicht strengeren Bedingungen als denjenigen unterwerfen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der jeweiligen Stillhalteklausel in dem betreffenden Mitgliedstaat galten (EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-317/01 und Rs. C-369/01 - Abatay u.a. - a.a.O. Rn. 66 bis 74; Urteil vom 20. September 2007 - Rs. C-16/05 - Tum und Dari - a.a.O. Rn. 53, 58 und 63). Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die genannten Verschlechterungsverbote ist darauf abzustellen, ob die von den zuständigen Behörden angewandte innerstaatliche Regelung die rechtliche Situation des türkischen Staatsangehörigen im Verhältnis zu den Vorschriften, die beim Inkrafttreten der Verbote 1972 bzw. 1980 galten, erschwert, für ihn also ungünstiger ist; dabei sind die Rechtsprechung zu den damaligen Vorschriften und eine mit dieser in Einklang stehende Verwaltungspraxis zu berücksichtigen (Urteil vom 26. Februar 2002 - BVerwG 1 C 21.00 - BVerwGE 116, 55 <60, 61 f.> mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 11. Mai 2000 - Rs. C-37/98 - Savas - a.a.O. Rn. 70 f.; vgl. auch Urteil vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-317/01 und Rs. C-369/01 - Abatay u.a. - a.a.O. Rn. 116).

Ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. Binnenmarkt zugeschnittenen Standstill-Klauseln sachlich überhaupt die Erlöschenstatbestände für Aufenthaltstitel erfassen und ob, sofern dies zutrifft, im Fall des Klägers die Voraussetzungen einer der genannten Standstill-Klauseln vorliegen und er sich auf sie zu berufen vermag, kann jeweils dahinstehen. Denn der Aufenthalt des Klägers wurde keinen neuen Beschränkungen unterworfen, da die Anwendung des § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG 1990 sich im Vergleich zu § 9 Abs. 1 AuslG 1965 nicht zu seinem Nachteil auswirkt.

Der Revision ist einzuräumen, dass das Ausländergesetz 1965 - anders als das Ausländergesetz 1990 - keinen Verlusttatbestand für eine Aufenthaltserlaubnis enthielt, der allein an den Ablauf einer zeitlich bestimmten Frist für die Wiedereinreise anknüpfte. Das ist aber nach dem ergebnisbezogenen Prüfungsmaßstab der Verschlechterungsverbote im vorliegenden Fall unerheblich; denn der über sechsjährige Auslandsaufenthalt des Klägers hätte auch den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG 1965 erfüllt. Danach erlosch eine Aufenthaltserlaubnis, wenn der Ausländer das Bundesgebiet aus einem seiner Natur nach nicht vorübergehenden Grunde verließ. Diese Vorschrift, der die Neufassung in § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1990 entsprach (BTDrucks 11/6321 S. 71; vgl. heute § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG), greift nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur dann, wenn der seiner Natur nach nicht vorübergehende Grund bereits im Zeitpunkt der Ausreise vorlag, sondern auch dann, wenn er erst während des Aufenthalts des Ausländers im Ausland eintrat. Wesentlich ist auch die Dauer der Abwesenheit: Je länger sie währt und je deutlicher sie über einen bloßen Besuchs- und Erholungsaufenthalt im Ausland hinausgeht, desto mehr spricht dafür, dass der Auslandsaufenthalt nicht nur vorübergehender Natur ist. Für die Beurteilung ist nicht allein auf den inneren Willen des Ausländers abzustellen; maßgebend sind vielmehr die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalls (Beschlüsse vom 28. April 1982 - BVerwG 1 B 148.81 - und vom 30. Dezember 1988 - BVerwG 1 B 135.88 - Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 2 und 4). Daher kommen als Erlöschensgründe nicht nur solche in Betracht, die im Willen des Ausländers liegen, sondern auch solche, die er nicht ausräumen oder sonst beeinflussen kann und die ihn davon abhalten, in das Bundesgebiet zurückzukehren (Beschluss vom 15. April 1998 - BVerwG 1 B 6.98 - juris Rn. 11). Führt somit auch die Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG 1965 zum Erlöschen der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis des Klägers, wirkt sich die Einführung des § 44 Abs.1 Nr. 3 AuslG 1990 nicht zu seinem Nachteil aus.

3. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 ist unbegründet.

Gemäß § 4 Abs. 5 AufenthG ist ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird auf Antrag ausgestellt. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben sind; denn der Kläger hat seine Rechtsstellung gemäß Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 verloren.

Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften können die Aufenthaltsrechte nach Art. 7 ARB 1/80 nur unter zwei Voraussetzungen beschränkt werden: Entweder stellt die Anwesenheit des türkischen Wanderarbeitnehmers im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 dar, oder der Betroffene hat das Hoheitsgebiet dieses Staates für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen (vgl. EuGH, Urteile vom 16. März 2000 - Rs. C-329/97 - Ergat - Slg. 2000, I-1487 Rn. 45, 46 und 48 und zuletzt vom 18. Dezember 2008 - Rs. C-337/07 - Altun - NVwZ 2009, 235 Rn. 62). Dabei ist grundsätzlich vom abschließenden Charakter der beiden genannten Verlustgründe auszugehen (Urteil vom 9. August 2007 - BVerwG 1 C 47.06 - BVerwGE 129, 162 Rn. 15 und Beschluss vom 24. April 2008 - BVerwG 1 C 20.07 - NVwZ 2008, 1020 Rn. 20). Daraus folgt, dass ein gemäß Art. 7 ARB 1/80 assoziationsberechtiger türkischer Staatsangehöriger sein Aufenthaltsrecht nicht allein deshalb verlieren kann, weil er wegen der Verurteilung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe keine Beschäftigung ausgeübt hat und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stand; denn die Rechtsstellung der in Art. 7 ARB 1/80 genannten Familienangehörigen hängt nicht von der Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ab (EuGH, Urteil vom 25. September 2008 - Rs. C-453/07 - Er - NVwZ 2008, 1337 Rn. 31 f.).

Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob der Kläger wegen seines persönlichen Verhaltens im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung eine tatsächliche und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 darstellt. Es ist vielmehr auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen davon ausgegangen, dass der Kläger im Oktober 1998 ausgereist ist, um in der Türkei ein Staatsschutzdelikt zu begehen, dort wegen dieses Delikts eine Freiheitsstrafe von über sechs Jahren verbüßt hat und die Bundesrepublik Deutschland demzufolge für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat. Diese Schlussfolgerung teilt der Senat.

Der Gerichtshof hat zur Auslegung dieses Verlustgrundes in der Sache Ergat (Urteil vom 16. März 2000 - Rs. C-329/97 - a.a.O. Rn. 48) auf sein Urteil in der Sache Kadiman (Urteil vom 17. April 1997 - Rs. C-351/95 - NVwZ 1997, 1104 Rn. 48) verwiesen. Jener Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem der Ehemann seiner Frau während eines Urlaubs in der Türkei den Reisepass entwendet hatte, so dass sie erst nach fünf Monaten in das Bundesgebiet zurückkehren konnte. Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit dem anspruchsbegründenden Drei-Jahres-Zeitraum des Art. 7 Satz 1 1. Gedankenstrich ARB 1/80 ausgeführt, dass kurzzeitige Unterbrechungen der Lebensgemeinschaft zwischen Familienangehörigem und Stammberechtigtem, die ohne die Absicht erfolgen, den gemeinsamen Wohnsitz im Aufnahmemitgliedstaat in Frage zu stellen, den Zeiten gleichzustellen seien, während der der betroffene Familienangehörige tatsächlich mit dem türkischen Arbeitnehmer zusammengelebt habe. Erst recht habe dies für einen weniger als sechsmonatigen Aufenthalt des Betroffenen in seinem Heimatland zu gelten, wenn dieser Aufenthalt nicht von seinem eigenen Willen abhängig gewesen sei. Diese Ausführungen gelten - wie aus dem Verweis des Gerichtshofs in der Sache Ergat ersichtlich - entsprechend für den Verlust der assoziationsrechtlichen Stellung bei der Prüfung, ob ein Familienangehöriger den Mitgliedstaat für einen nicht unerheblichen Zeitraum ohne berechtigte Gründe verlassen hat.

Im Übrigen ist das Verständnis des Erlöschensgrundes vom Ziel und Zweck des Art. 7 ARB 1/80 her zu bestimmen. Für die aus dieser Vorschrift abgeleiteten Rechte gilt, dass sie sich nach ihrer Entstehung aus der Abhängigkeit von der beschäftigungsbezogenen Rechtsstellung des Stammberechtigten lösen und der allmählichen Integration der Familienangehörigen im Mitgliedstaat dienen sollen (EuGH, Urteil vom 7. Juli 2005 - Rs. C-373/03 - Aydinli - Slg. 2005, I-6181 Rn. 23; allgemein Urteil vom 18. Juli 2007 - Rs. C-325/05 - Derin - Slg. 2007, I-6495 Rn. 53 und 71); dem hat sich der Senat angeschlossen (Urteil vom 9. August 2007 - BVerwG 1 C 47.06 - BVerwGE 129, 162 <Rn. 16>). Des Weiteren darf nicht außer Betracht bleiben, dass bei einem Unionsbürger bzw. dessen Familienangehörigen die zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreitende Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat - ohne Differenzierung nach Gründen - zum Verlust des erworbenen Rechts auf Daueraufenthalt führt (Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl EG Nr. L 158 vom 30. April 2004, berichtigt ABl EG Nr. L 229 S. 35 vom 29. Juni 2004 und ABl EG Nr. L 204 S. 28 vom 4. August 2007 - Unionsbürgerrichtlinie). Denn die Konkretisierung der Voraussetzungen für den Wegfall einer assoziationsrechtlichen Rechtsstellung aus Art. 7 ARB 1/80 muss sich an dem Besserstellungsverbot in Art. 59 ZP messen lassen. Diese Vorschrift bestimmt, dass der Türkei (hier: türkischen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen) in den vom Zusatzprotokoll erfassten Bereichen (hier: Freizügigkeit der Arbeitnehmer) keine günstigere Behandlung gewährt werden darf als diejenige, die sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft aufgrund des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft untereinander einräumen. Auch wenn der Vergleich der Rechtsstellung der Familienangehörigen von türkischen Arbeitnehmern auf der einen und Unionsbürgern auf der anderen Seite im Wege einer Gesamtbetrachtung durchzuführen ist (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 - Rs. C-325/05 - Derin - a.a.O. Rn. 62 ff.; dem folgend Urteil vom 9. August 2007 - BVerwG 1 C 47.06 - a.a.O. Rn. 20), wirken die Unionsbürger betreffenden Regelungen auf die richterrechtliche Ausformung der assoziationsrechtlichen Stellung und ihrer Verlustgründe zumindest als Orientierungsrahmen ein.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben erweist sich der über sechs Jahre andauernde Aufenthalt des Klägers in der Türkei als nicht unerheblicher Zeitraum. Der Kläger hat eine Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes verbracht, die länger ist als die in Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zur Begründung assoziationsrechtlicher Positionen von Familienangehörigen festgelegten Zeiten von drei und fünf Jahren. Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, dass ein derart langer Auslandsaufenthalt geeignet ist, die Integration eines türkischen Familienangehörigen im Bundesgebiet grundlegend in Frage zu stellen. Schließlich beträgt der Zeitraum mehr als das Dreifache der für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen in Art. 16 Abs. 4 RL 2004/38/EG geregelten Frist für den Verlust des Daueraufenthaltsrechts.

Der Kläger, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts das Bundesgebiet in der Absicht verlassen hatte, in der Türkei ein Staatsschutzdelikt zu begehen, bei dessen Aufdeckung er mit der Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe rechnen musste und das im Übrigen auch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft unter Strafe steht, kann sich nicht auf berechtigte Gründe für seinen haftbedingten Auslandsaufenthalt in der Türkei berufen. Mit Blick auf den Zweck des Art. 7 ARB 1/80, die allmähliche Integration der Familienangehörigen des türkischen Arbeitnehmers im Mitgliedstaat zu fördern, steht es außer Frage, dass die Absicht, im Ausland ein Verbrechen zu begehen, das Verlassen des Bundesgebietes nicht zu rechtfertigen vermag. Dieser Zweck des Auslandsaufenthalts ist vielmehr Ausdruck mangelnder Integration im Bundesgebiet und widerspricht dem Anliegen der Vorschrift in hohem Maße. Hat sich das bewusst eingegangene Risiko der Entdeckung und anschließender Inhaftierung im Ausland realisiert, kann der Kläger nicht geltend machen, er habe den Wohnsitz im Aufnahmemitgliedstaat nicht in Frage stellen wollen und der Auslandsaufenthalt sei nicht von seinem Willen abhängig gewesen. Denn die Erwartung jedes Straftäters, nicht entdeckt zu werden, erweist sich weder als legitim noch als rechtlich schutzwürdig. Sie stellt den auf eigenem Willen beruhenden Tatentschluss nicht in Frage; zudem erscheint die Berufung darauf im vorliegenden Zusammenhang als rechtsmissbräuchlich.

Gegen den Verlust seiner Rechte aus Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 wendet der Kläger vergeblich ein, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs blieben assoziationsrechtliche Positionen durch Haftzeiten, in denen der Betroffene dem Arbeitsmarkt des Mitgliedsstaates nicht zur Verfügung stehe, unberührt. Deshalb könne es nicht darauf ankommen, wo die Haft verbüßt werde. Dieser Einwand berücksichtigt nicht, dass der hier gegebene Verlustgrund nicht an die haftbedingte Abwesenheit vom Arbeitsmarkt anknüpft. Ob der Betreffende dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stand, ist ohne Bedeutung, weil die Rechtsstellung der in Art. 7 ARB 1/80 genannten Familienangehörigen nicht von der Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis abhängt (EuGH, Urteil vom 25. September 2008 - Rs. C-453/07 - Er - a.a.O. Rn. 31). Vielmehr erweist sich der Rechtsverlust als Folge des Umstands, dass der Kläger das Bundesgebiet in der Absicht verlassen hatte, in der Türkei ein Verbrechen zu begehen, und sich das bewusst eingegangene Risiko der Entdeckung der Tat mit der Folge der Verhängung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe realisiert hat. Dass die Zeit des Aufenthalts in einer türkischen Haftanstalt, die der Ahndung eines bereits bei Verlassen des Bundesgebiets geplanten Verbrechens diente, assoziationsrechtlich nicht als von berechtigten Gründen getragen angesehen werden kann, erscheint unter den Umständen des hier vorliegenden Falles als "acte claire". Daher bedarf es hierzu keiner Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV.

4. Dem äußerst hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Nachzug zu seinen deutschen Kindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG) steht bereits der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG entgegen.

a) Nach § 5 Abs. 4 AufenthG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen, wenn u.a. der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5 AufenthG vorliegt. Dieser setzt voraus, dass Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Vorläufer dieser Regelung war der durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz (Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002, BGBl I S. 361) neu eingeführte Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AuslG 1990. Durch Streichung des Attributs "international" im Aufenthaltsgesetz wollte der Gesetzgeber den nationalen wie den internationalen Terrorismus erfassen; der räumliche Anwendungsbereich der Vorschrift wurde demzufolge erweitert und erfasst alle terroristischen Aktivitäten unabhängig davon, wo sie stattfinden (BTDrucks 15/420 S. 70; vgl. auch BTDrucks 16/5065 S. 183 zu Nr. 42).

Zutreffend ist das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen davon ausgegangen, dass der Kläger durch seine Mitgliedschaft in der Organisation AFID einer Vereinigung angehört hat, die den Terrorismus unterstützt hat. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist in den Grundzügen geklärt, unter welchen Voraussetzungen von einer - völkerrechtlich geächteten - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln auszugehen ist (vgl. dazu Urteil vom 15. März 2005 - BVerwG 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 23.98 - BVerwGE 109, 12 <20> mit Hinweis auf BVerfGE 80, 315 <339>). Demzufolge ist die von der AFID geplante Besetzung der Fatih-Moschee mit Sprengstoff und Waffen als terroristisch anzusehen. Das Gleiche gilt für den geplanten Anschlag auf das Atatürk-Mausoleum in Istanbul durch ein mit Sprengstoff beladenes Flugzeug, durch den die obersten Repräsentanten des türkischen Staates am türkischen Nationalfeiertag getötet werden sollten. Da der Kläger persönlich an den Anschlagsvorbereitungen in der Türkei beteiligt war, steht außer Frage, dass ihm diese Aktivitäten der Organisation zuzurechnen sind.

Mit Bundesrecht als noch vereinbar erweist sich die Würdigung des Berufungsgerichts, die Aktivitäten des Klägers aus dem Jahr 1998 begründeten auch im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung eine "gegenwärtige" Gefährlichkeit. Der erst im Gesetzgebungsverfahren eingefügte zweite Halbsatz des § 54 Nr. 5 AufenthG beruht auf der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BTDrucks 15/3479 S. 2 und 8). Allerdings ließ bereits die Begründung des Regierungsentwurfs zum Aufenthaltsgesetz erkennen, dass abgeschlossene Sachverhalte aus der Vergangenheit ohne gegenwärtige oder künftige Relevanz für die Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels außer Betracht bleiben sollten. Der Versagungsgrund solle nicht greifen, wenn eine Sicherheitsbeeinträchtigung nicht mehr zu erwarten sei; die Beurteilung obliege regelmäßig den Sicherheitsbehörden (BTDrucks 15/420 S. 70). Diese Regelung verlangt bei länger zurückliegenden Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen grundsätzlich eine gegenwartsbezogene Beurteilung des Ausländers und dessen Gefährlichkeit auf der Grundlage aktueller Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden.

Obwohl die sicherheitsbehördliche Einschätzung des Klägers vom 27. Januar 2005 im Gerichtsverfahren nicht aktualisiert worden ist, beruht die Würdigung des Berufungsgerichts in dem hier vorliegenden Fall nicht auf zu schmaler Tatsachengrundlage. Dessen Bewertung, dass der Kläger mit seiner Beteiligung an den Aktivitäten der AFID eine erhebliche kriminelle Energie, Gewaltbereitschaft und Radikalität gezeigt hat, die ohne Distanzierung oder sonst erkennbare Abkehr noch fortwirkt, ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Allein der mit der Haftverbüßung und dem anschließenden Aufenthalt im Bundesgebiet verbundene Zeitablauf reicht nicht aus, um das in seiner Person zutage getretene extreme Gefahrenpotential als nicht mehr gegeben anzusehen. Für einen Persönlichkeitswandel, die Aufgabe der politischen Ziele oder zumindest eine Abkehr vom Einsatz terroristischer Mittel ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich; für derartige ihm günstige Umstände aus seiner Sphäre ist der Kläger darlegungspflichtig (§ 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Dieser bestreitet vielmehr nach wie vor seine Zugehörigkeit zu den fraglichen Organisationen und seine Beteiligung an den damals geplanten Aktionen. Eine unter den hier vorliegenden Umständen erforderliche persönliche Distanzierung ist daher nicht ansatzweise zu erkennen. Deshalb liegt kein abgeschlossener Sachverhalt vor, der eine Zäsur zu den früheren Aktivitäten begründen könnte. Für das Vorliegen einer Ausnahme gemäß § 5 Abs. 4 Satz 2 AufenthG fehlt erst recht jeder Anhaltspunkt.

b) Die Verschlechterungsverbote des Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP stehen der Anwendung des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG nicht entgegen.

Zum einen liegen die Voraussetzungen dieser Vorschriften nicht vor. Der Kläger hat - wie oben dargelegt - seine Rechtsposition aus Art. 7 ARB 1/80 verloren. Er hält sich infolge seiner Wiedereinreise ohne Visum und des von der ihm erteilten kurzfristigen Betretenserlaubnis nicht gedeckten Aufenthalts nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Deshalb kann er sich nicht auf Art. 13 ARB 1/80 berufen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2003 - Rs. C-317/01 und Rs. C-369/01 - Abatay u.a. - a.a.O. Rn. 84). Aus Art. 41 Abs. 1 ZP vermag er ebenfalls nichts zu seinen Gunsten herzuleiten. Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zielt auf einen Daueraufenthalt, dessen Zweck weder von der Niederlassungs- (Art. 43 Abs. 2 EGV) noch von der Dienstleistungsfreiheit (Art. 50 EGV) gedeckt wird (vgl. im Übrigen zur Unvereinbarkeit eines beabsichtigten Daueraufenthalts mit der Berufung auf die Dienstleistungsfreiheit: EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 - Rs. 196/87 - Steymann - Slg. 1988, 6159; Urteil vom 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02 - Zhu und Chen - Slg. 2004, I-9925 Rn. 22).

Zum anderen wirkt sich die Anwendung des § 5 Abs. 4 i.V.m. § 54 Nr. 5 AufenthG im Vergleich zu den Erteilungsvoraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis in § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 nicht zum Nachteil des Klägers aus. Nach dieser Vorschrift durfte eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Anwesenheit des Ausländers Belange der Bundesrepublik Deutschland nicht beeinträchtigt hat. Umgekehrt musste die Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn die künftige (weitere) Anwesenheit des Ausländers Belange der Bundesrepublik Deutschland in gewichtiger Weise beeinträchtigt hat (sog. Negativschranke; vgl. Urteil vom 21. Oktober 1980 - BVerwG 1 C 19.78 - BVerwGE 61, 105 <107 f.>). Zur Konkretisierung des weit verstandenen Begriffs der Belange der Bundesrepublik Deutschland wurde in der Rechtsprechung u.a. auf die Maßstäbe des die Ausweisung regelnden § 10 Abs. 1 AuslG 1965 zurückgegriffen. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 AuslG 1965 konnte ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn er wegen einer Straftat oder einer Tat verurteilt worden ist, die im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Straftat wäre. Demgemäß hätte dem Kläger wegen Erfüllung dieses Ausweisungsgrundes und seiner fortbestehenden Gefährlichkeit auch bei Zugrundelegung des § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 bereits aus Rechtsgründen keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden können.

5. Die Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden (§ 59 i.V.m. § 50 Abs. 1 und 2, § 58 AufenthG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt (§ 45 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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