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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 7.03
Rechtsgebiete: AsylVfG, AuslG


Vorschriften:

AsylVfG § 34
AsylVfG § 41 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG § 41 Abs. 2
AuslG § 50 Abs. 3 Satz 2
AuslG § 53 Abs. 6
Eine im Asylverfahren ergangene Abschiebungsandrohung ist grundsätzlich auch dann rechtmäßig, wenn hinsichtlich des Zielstaats Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt werden.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 1 C 7.03

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 5. Februar 2004 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, Hund, Richter und Prof. Dr. Dörig

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 13. Februar 2003 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine in seinem Asylverfahren verfügte Abschiebungsandrohung.

Der 1965 geborene Kläger stammt aus dem Kosovo im ehemaligen Jugoslawien. Er reiste 1992 nach Deutschland ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 12. Dezember 1995 ab (Nr. 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr. 2) sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen (Nr. 3), und drohte ihm die Abschiebung nach Jugoslawien an (Nr. 4).

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage beschränkte der Kläger im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens auf die Schutzgewährung nach § 53 AuslG. Das Verwaltungsgericht hat das Bundesamt mit Urteil vom 19. Februar 2001 zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG wegen der Gefahr einer wesentlichen Verschlimmerung der psychischen Erkrankung des Klägers verpflichtet. Zugleich hob es den Bescheid des Bundesamtes auf, soweit er Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG versagte und dem Kläger die Abschiebung androhte. Die Aufhebung der Abschiebungsandrohung begründete es damit, dass Jugoslawien nicht als Zielstaat der Abschiebung hätte benannt werden dürfen. § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG sei erweiternd dahin auszulegen, dass in der Abschiebungsandrohung auch der Staat zu bezeichnen sei, in den der Ausländer nach § 53 Abs. 6 AuslG - wie hier - nicht abgeschoben werden dürfe. Dies sei mit der Androhung der Abschiebung in denselben Zielstaat nicht vereinbar.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung hat sich der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) ausschließlich gegen die Aufhebung der Abschiebungsandrohung gewandt. Mit Urteil vom 13. Februar 2003 hat das Berufungsgericht das verwaltungsgerichtliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen, soweit mit ihr die Aufhebung der Abschiebungsandrohung unter Nr. 4 des angefochtenen Bescheides begehrt worden war. Zur Begründung führte es aus, die Androhung der Abschiebung nach Jugoslawien sei rechtmäßig. Die sich aus § 34 AsylVfG i.V.m. §§ 50, 51 Abs. 4 AuslG ergebenden Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung lägen vor, denn der Kläger sei nicht als Asylbewerber anerkannt und besitze keine Aufenthaltsgenehmigung. Die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG berühre das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Er erstrebt weiterhin die Aufhebung der Abschiebungsandrohung nach Jugoslawien. Dies sei schon deshalb geboten, weil ein Bundesstaat Jugoslawien nicht mehr existiere. Darüber hinaus sei die Abschiebungsandrohung aber auch aus den vom erstinstanzlichen Gericht angeführten Gründen insgesamt rechtswidrig.

Der Bundesbeauftragte verteidigt die Entscheidung des Berufungsgerichts.

II.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht hat die Klage gegen die angegriffene Abschiebungsandrohung zu Recht abgewiesen. Die Abschiebungsandrohung hat Bestand, obwohl das Verwaltungsgericht das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) rechtskräftig dazu verpflichtet hat festzustellen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in Bezug auf den Abschiebezielstaat - hier: Jugoslawien - vorliegen.

Rechtsgrundlage der Abschiebungsandrohung des Bundesamtes ist § 34 AsylVfG. Danach ist einem Ausländer die Abschiebung nach §§ 50, 51 Abs. 4 AuslG anzudrohen, wenn er nicht als Asylberechtigter anerkannt wird und keine Aufenthaltsgenehmigung besitzt. Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 AuslG soll die Abschiebung unter Bestimmung einer Ausreisefrist angedroht werden. Zudem soll in der Androhung der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll (§ 50 Abs. 2 Satz 1 AuslG).

Diesen Voraussetzungen entspricht die Abschiebungsandrohung in Ziff. 4 des Bescheides vom 12. Dezember 1995. Das Bundesamt hat den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt, er besitzt auch keine Aufenthaltsgenehmigung. Gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 AuslG stehen dem Erlass der Androhung Abschiebungshindernisse und Duldungsgründe nach den §§ 51, 53 bis 55 AuslG und damit auch das festgestellte Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG nicht entgegen. § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG erfordert im Falle eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG keine Einschränkung der Abschiebungsandrohung durch Ausschluss eines bestimmten Staates. Vielmehr ist - nach dem eindeutigen Wortlaut - die Pflicht zur Bezeichnung auf Staaten beschränkt, in die der Ausländer nach den §§ 51, 53 Abs. 1 bis 4 AuslG nicht abgeschoben werden darf. Das hat der früher für das Asylrecht zuständige 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts für die hier zu beurteilende Abschiebungsandrohung auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage in ständiger Rechtsprechung entschieden (vgl. Urteil vom 29. März 1996 - BVerwG 9 C 116.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 3, S. 14; Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 19.96 - BVerwGE 104, 260 <265>). Der 9. Senat hat dies unter anderem darin begründet gesehen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG nur zu einer zeitweiligen Vollziehbarkeitshemmung der im Übrigen in ihrem Bestand unberührt bleibenden Abschiebungsandrohung führen. Das folge aus § 41 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AsylVfG, aber auch aus § 56 Abs. 2 AuslG, wonach eine aufgrund des Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG auszusprechende Duldung befristet sei. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten.

Die Rechtsprechung findet eine weitere Stütze in den Materialien zur Neuregelung der Abschiebungsandrohung in § 50 AuslG. Der Gesetzgeber erstrebte mit dieser Novellierung durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 eine Verfahrensbeschleunigung (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 12. Februar 1992, BTDrucks 12/2062, S. 43 zu Nr. 5). Zu diesem Zweck sollte die Entscheidung über die Abschiebungsandrohung und die Erteilung einer Duldung voneinander getrennt werden. Duldungsgründe sollten dem Erlass der Abschiebungsandrohung grundsätzlich nicht entgegenstehen (BTDrucks 12/2062, S. 43 f.). Die unmittelbare Abschiebungsmöglichkeit bei Wegfall des Duldungsgrundes, ohne dass zuvor der Ausschluss bestimmter Zielstaaten in der Abschiebungsandrohung aufgehoben werden müsste, entspricht dem Beschleunigungszweck der gesetzlichen Regelung (vgl. Hailbronner, AuslG, § 50 Rn. 14 e).

Der Kläger kann sich für seine Auffassung, Jugoslawien habe nicht als Zielstaat der angedrohten Abschiebung bezeichnet werden dürfen, nicht auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 19. November 1996 (BVerwG 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 <257 ff.>) berufen. Gegenstand der damaligen Entscheidung war keine auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage erlassene Abschiebungsandrohung des Bundesamtes, sondern eine solche der Ausländerbehörde. Ob an dieser Rechtsprechung in derartigen Fällen festzuhalten wäre, bedarf hier keiner Entscheidung.

Die angedrohte Abschiebung ist schließlich nicht deshalb rechtswidrig, weil der Zielstaat Jugoslawien nicht mehr existiert. Vielmehr gilt die Androhung nunmehr für die an die Stelle der Bundesrepublik Jugoslawien getretene Republik Serbien und Montenegro als Rechtsnachfolgerin fort (vgl. Urteil vom 8. Mai 2003 - BVerwG 1 C 4.02 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

Ende der Entscheidung

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