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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 07.09.1999
Aktenzeichen: BVerwG 1 C 9.99
Rechtsgebiete: GG, AuslG, Abk. Int. Zivilluftfahrt, LuftVG


Vorschriften:

GG Art. 16 Abs. 2 Satz 2 a.F.
AuslG 1965 § 18 Abs. 5 Satz 1
Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt Art. 13
Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Luftverkehr Art. 11
Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Luftverkehr Art. 13
LuftVG § 21 a
Leitsatz:

Ein Beförderungsverbot gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 bezweckt die Beachtung der allgemeinen Einreisevorschriften durch ein Luftfahrtunternehmen und berührt die Asylgewährleistung gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. nicht.

Urteil des 1. Senats vom 7. September 1999 - BVerwG 1 C 9.99 -

I. VG Köln vom 10.05.1988 - Az.: VG 12 K 1205/87 - II. OVG Münster vom 15.03.1989 - Az.: OVG 17 A 1780/88 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 1 C 9.99 OVG 17 A 1780/88

Verkündet am 7. September 1999

Reuter Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 1999 durch den Vorsitzenden Richter Meyer und die Richter Gielen, Dr. Hahn, Groepper und Dr. Gerhardt

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. März 1989 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Bundesminister des Innern untersagte im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr der Klägerin mit Anordnung vom 12. Februar 1987, auf den Strecken zwischen Paris und der Bundesrepublik Deutschland Ausländer in das Bundesgebiet zu befördern, wenn diese nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, die sie aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit vor der Einreise benötigen, sofern sie hiervon nicht befreit sind. Die auf § 18 Abs. 5 AuslG 1965 gestützte und in ihrer Wirkung auf sechs Monate nach ihrer Bekanntgabe beschränkte Anordnung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Klägerin trotz vorangegangener Abmahnungen am 31. Januar 1987 17 Ausländer ohne die erforderlichen Sichtvermerke in das Bundesgebiet befördert habe und nicht bereit sei, die gebotenen Paß- und Visakontrollen einzuführen.

Die Klägerin hat gegen diese Anordnung Klage erhoben, die sie als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterführt. Sie ist vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt, das in § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 vorgesehene Beförderungsverbot bezwecke, einem Mißbrauch des Asylrechts zu begegnen; dadurch werde weder das subjektive Grundrecht noch der objektive Wertgehalt des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. verletzt; auch sonst sei das Beförderungsverbot rechtmäßig (vgl. im einzelnen NVwZ 1989, 1090).

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte und der Oberbundesanwalt verteidigen das Berufungsurteil im Ergebnis.

Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 14. April 1992 - BVerwG 1 C 45.89 - das Verfahren ausgesetzt, um gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen, ob § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 wegen Verletzung des Grundgesetzes nichtig ist, soweit sich diese Vorschrift auf die Beförderung asylsuchender Ausländer auf dem Luftweg erstreckt. Der Senat hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Insbesondere sei die Klägerin klagebefugt, denn sie könne durch das Beförderungsverbot in ihren Betriebsrechten verletzt sein. Die Anordnung begegne keinen Bedenken im Hinblick auf die im Gesetz vorgesehene Zuständigkeit des Bundes, ihre Bestimmtheit und Begründung. Sie sei auch in materiellrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, wenn ihre Rechtsgrundlage mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Der Anwendung des § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 stünden weder völkerrechtliche Vorschriften noch allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts entgegen. Die Anordnung lasse keinen Ermessensfehler erkennen und genüge dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insbesondere sei die Anordnung nicht unzumutbar, weil die die Klägerin treffenden Nachteile nicht außer Verhältnis zu dem mit der Maßnahme angestrebten Ziel stünden, Belastungen des Staates aufgrund der Einreise und des (längeren) Verbleibs dazu nicht berechtigter Ausländer zu vermindern. § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 sei jedoch mit dem objektiven Wertgehalt des in Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. gewährleisteten Asylrechts unvereinbar, soweit das Beförderungsverbot Asylsuchende einschließe, weil die Verfassung Asylsuchenden die Einreise ohne Sichtvermerk grundsätzlich gewährleiste. Ein Verstoß gegen den objektiven Wertgehalt des Asylrechts führe zur teilweisen Nichtigkeit des § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965. Die gegen die Klägerin erlassene Anordnung sei dann mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, auch wenn sie sich nicht auf das Grundrecht des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. berufen könne (vgl. im einzelnen Buchholz 402.24 § 18 AuslG Nr. 1 = NVwZ 1992, 682 = InfAuslR 1992, 262 <Parallelentscheidung - BVerwG 1 C 48.89 ->).

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 2. Dezember 1997 - 2 BvL 55, 56/92 - (BVerfGE 97, 49) die Vorlage für unzulässig angesehen und Bedenken geäußert, die die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage betreffen. Es hat im wesentlichen ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe nicht ausreichend dargelegt, inwiefern die der Klägerin zustehenden subjektiven Rechte durch das Beförderungsverbot eingeschränkt würden. Diese Rechte würden durch die Beförderungsgenehmigung in Verbindung mit dem internationalen Luftfahrtrecht bestimmt, und es sei nicht erkennbar, daß diese Rechte durch die Rechte der Asylsuchenden erweitert würden.

Die Beteiligten verfolgen ihr Revisionsbegehren weiter.

II.

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das angefochtene Urteil steht im Ergebnis mit revisiblem Recht in Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Der erkennende Senat hat im Beschluß vom 14. April 1992 ausgeführt, daß die Anordnung vom 12. Februar 1987 in formeller Hinsicht keinen Bedenken begegnet. An dieser Beurteilung ist festzuhalten. Insoweit haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Auf die Ausführungen in Abschnitt II A. 2 des genannten Beschlusses wird daher Bezug genommen.

2. Die Anordnung vom 12. Februar 1987 ist auch in materiellrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

a) Die Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965. Nach dieser Vorschrift konnte der Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr einem Beförderungsunternehmer untersagen, Ausländer auf dem Luft- oder Seeweg in den Geltungsbereich des Ausländergesetzes zu befördern, wenn diese nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, die sie aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit vor der Einreise benötigen, sofern sie hiervon nicht befreit sind. Die Anordnung hält sich im Rahmen dieser Vorschrift. Der Bundesminister des Innern hat mit ihr von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, ein Beförderungsverbot zu aktualisieren, das bereits aus den Vorschriften des Luftverkehrs- und des Ausländerrechts folgt. § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 bildete die Rechtsgrundlage dafür, Beförderungsunternehmen aufzugeben, sich an die Grenzen ihrer Betriebsrechte zu halten, nicht aber dafür, die ihnen eingeräumten Betriebsrechte einzuschränken. So verstanden berührt die Vorschrift die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Asylrechts gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. nicht.

Die Rechte der Klägerin bestimmen sich nach der ihr gemäß § 21 a Satz 1 LuftVG zur Durchführung des Fluglinienverkehrs von und nach Deutschland erteilten Betriebsgenehmigung. In Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Luftverkehr vom 4. Oktober 1955 (BGBl 1956 II S. 1077/1957 II S. 1299) ergibt sich daraus die Berechtigung, Fluggäste in Deutschland abzusetzen und aufzunehmen. Das Abkommen bestimmt allerdings in Art. 3 Abs. 3, daß die Gesetze und Verordnungen eines jeden der beiden Vertragsstaaten, welche die Einreise in sein Gebiet, den Aufenthalt in oder die Ausreise aus seinem Gebiet von Fluggästen, Besatzungen, Post oder Fracht betreffen (z.B. Vorschriften über Einreise, Ausreise, Einwanderung, Pässe, Zölle, Quarantäne), auf die Fluggäste, Besatzungen, Post oder Fracht der Luftfahrzeuge des anderen Vertragsstaates Anwendung finden. Dementsprechend sieht das gemäß Art. 11 des Abkommens vorrangige Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (BGBl 1956 II S. 411/934) in Art. 13 vor, daß die Gesetze und Vorschriften eines Vertragsstaates über den Ein- und Ausflug von Fluggästen, Besatzungen oder Fracht eines Luftfahrzeugs nach oder aus seinem Hoheitsgebiet, wie z.B. Einreise-, Abfertigungs-, Einwanderungs-, Paß-, Zoll- und Quarantänevorschriften, durch oder in bezug auf die Fluggäste, Besatzungen oder Fracht bei dem Ein- und Ausflug sowie während des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Staates zu befolgen sind. Das Recht der Klägerin, Fluggäste in Deutschland abzusetzen, besteht nur im Rahmen der nationalen Einreisevorschriften. Es ist nicht gegeben in bezug auf Ausländer, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit eine Aufenthaltserlaubnis (Visum) vor ihrer Einreise benötigen, diese aber nicht besitzen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 2 AuslG 1965; § 5 Abs. 1 Nr. 2 DVAuslG a.F.).

Dem Beschluß des Senats vom 14. April 1992 liegt die Auffassung zugrunde, es gehöre - vorbehaltlich einer Anordnung nach § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 - zu den Rechten der Klägerin, Asylsuchende auch bei Fehlen des nach allgemeinen Bestimmungen erforderlichen Sichtvermerks in das Bundesgebiet einzufliegen. Denn aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. folge, daß Asylsuchenden ohne einen sonst erforderlichen Sichtvermerk die Einreise unmittelbar aus dem Verfolgerland in das Bundesgebiet grundsätzlich nicht verwehrt werden dürfe (stRspr; vgl. Urteil vom 3. Juni 1997 - BVerwG 1 C 1.97 - BVerwGE 105, 28 <32> m.w.N.). An dieser Beurteilung der Rechtsposition der Klägerin hält der erkennende Senat in Würdigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Dezember 1997 - 2 BvL 55, 56/92 - (BVerfGE 97, 49 <63 ff.>) nicht fest. Die erwähnte Gewährleistung des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. vermittelt dem Ausländer, der das Bundesgebiet erreicht hat, ein persönliches, auf einen bestimmten Aufenthaltszweck beschränktes grundsätzliches Einreise- und Aufenthaltsrecht (vgl. Urteil vom 3. Juni 1997, a.a.O., S. 32 f.). Dies ändert aber nichts an den allgemeinen Einreisevorschriften, die für die Bestimmung des Inhalts und der Grenzen der Betriebsrechte der Klägerin maßgeblich sind. Bei dem aus Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. abgeleiteten Einreise- und Aufenthaltsrecht Asylsuchender handelt es sich auch nicht um eine Befreiung von der Sichtvermerkspflicht im Sinne des § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965. Die Vorschrift bezieht sich, wie der Senat im Beschluß vom 14. April 1992 dargelegt hat, gerade auch auf Asylsuchende. Eine Befreiung liegt demnach nur in den im Ausländergesetz 1965 und der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen vor. Das Einreise- und Aufenthaltsrecht Asylsuchender dient deren Schutz, erweitert aber nicht die Betriebsrechte der Beförderungsunternehmen (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Dezember 1997, a.a.O., S. 66). Wie der Senat ebenfalls bereits im Beschluß vom 14. April 1992 betont hat, verleiht das Grundrecht auf Asyl den Beförderungsunternehmen keine Rechte, in denen sie durch Anordnungen gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 verletzt sein könnten. Die Fluggesellschaften sind demgemäß von vornherein nicht berechtigt, einen Ausländer im Hinblick auf seine Behauptung einzufliegen, er sei zwar aufgrund seiner Staatsangehörigkeit visumspflichtig, jedoch zur Einreise in das Bundesgebiet ohne Visum befugt, weil er um Asyl nachsuchen wolle. Die Klägerin kann sich deswegen auch nicht mit Erfolg darauf berufen, Beförderungsverbote wie das vorliegende höhlten die verfassungsrechtliche Asylgewährleistung aus.

Der erkennende Senat hat die Einwendungen der Klägerin gegen die Vereinbarkeit des § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 mit völkerrechtlichen Vorschriften und allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts bereits von dem Rechtsstandpunkt aus zurückgewiesen, der dem Beschluß vom 14. April 1992 zugrunde liegt. Auf die dortigen Erwägungen kann verwiesen werden, weil sie in keinem Zusammenhang mit der Frage stehen, ob Privilegien der Asylsuchenden gemäß Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. zu den allgemeinen Einreisevorschriften gehören, die Inhalt und Grenzen der Betriebsrechte der Klägerin bestimmen.

b) Die Anordnung vom 12. Februar 1987 läßt im übrigen Rechtsfehler in der Anwendung des § 18 Abs. 5 Satz 1 AuslG 1965 nicht erkennen. Insbesondere bestand für den Erlaß der Anordnung hinreichender Anlaß, nachdem die Klägerin am 31. Januar 1987 und zuvor über ihre Betriebsgenehmigung hinaus zahlreiche Personen ohne Sichtvermerk nach Deutschland befördert hatte. Die Anordnung genügt ferner, was schon im Beschluß vom 14. April 1992 dargelegt worden ist, den rechtlichen Anforderungen an die Ermessensausübung, namentlich dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Schließlich ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß deutsche Luftfahrtunternehmen im gegebenen Zusammenhang günstiger gestellt wären als die Klägerin.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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