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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 11.10.2006
Aktenzeichen: BVerwG 10 C 7.05
Rechtsgebiete: UStG, VwGO, Nds. Verwaltungsgerichtsgesetz


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 20 Buchst. a
VwGO § 61 Nr. 3
VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 2
Nds. Verwaltungsgerichtsgesetz § 8
1. Eine doppelte Behördenbeteiligung in Prozessstandschaft für ein Land ist ein Verfahrensfehler, der durch die Aufhebung der unzulässigen Beiladung der weiteren Landesbehörde auszuräumen ist. Geschieht dies erst im Revisionsverfahren, bleibt der Verfahrensfehler für das Land dann folgenlos, wenn die beklagte Behörde die fristgerechte Rechtsmitteleinlegung und -begründung durch die beigeladene Behörde vor Aufhebung der Beiladung genehmigt hat. Der Beklagte erlangt dadurch weder eine im Gesetz nicht vorgesehene Verlängerung der Rechtsmittelfrist noch verhält er sich prozessual widersprüchlich.

2. Ob ein Unternehmer dadurch, dass er eine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich macht, die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Museum in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft erfüllt, kann im Bescheinigungsverfahren nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG von der zuständigen Kultusbehörde nicht losgelöst vom Museumsbegriff in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG beurteilt und entschieden werden.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 10 C 7.05

Verkündet am 11. Oktober 2006

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2006 durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar, Prof. Dr. Rubel, Dr. Nolte und Domgörgen

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2005 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I

Die Klägerin, die ein Schifffahrtsmuseum unterhält, wendet sich mit ihrer Klage dagegen, dass ihr auf Antrag des Finanzamts Bad Bentheim durch die Bezirksregierung Weser-Ems als damals zuständige Kultusbehörde eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darüber erteilt worden ist, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in dieser Vorschrift genannten Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft erfüllt, die von der Umsatzsteuer befreit sind. Die Umsatzsteuerbefreiung hindert die Klägerin, gegenüber dem Finanzamt einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG geltend zu machen. Den gegen die Bescheinigung eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Weser-Ems zurück.

Die auf Aufhebung der Bescheinigung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Osnabrück abgewiesen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat nach Beiladung des Finanzamts Bad Bentheim das von der Klägerin mit der Berufung angefochtene Urteil geändert und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Es möge dahinstehen, ob die von der Bezirksregierung Weser-Ems ausgestellte Bescheinigung schon deswegen aufzuheben sei, weil das Finanzamt der Klägerin die Unternehmer-Eigenschaft abspreche, die eine Voraussetzung für die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG sei. Letztlich dahinstehen könne ebenso, ob die Bezirksregierung Weser-Ems im Rahmen der "Gleichartigkeitsprüfung" nicht hätte klären müssen, ob das von der Klägerin betriebene Schifffahrtsmuseum überhaupt ein Museum im Sinne des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG sei. Wenn das Verwaltungsgericht dies unter Hinweis auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für entbehrlich gehalten und nicht die Streitfrage geprüft habe, ob das klägerische Schifffahrtsmuseum eine "wissenschaftliche Sammlung" sei, verkenne es, dass die Frage der Vergleichbarkeit nur unter Einbeziehung dieses Merkmals beurteilt werden könne. Die ausgestellte Bescheinigung leide aber jedenfalls an einem anderen irreparablen Mangel, der sie rechtswidrig mache, weil sie weder von Amts wegen noch auf Antrag des Finanzamts hätte erteilt werden dürfen. Wegen der mit der Vorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG bezweckten Begünstigung von privat betriebenen Einrichtungen im Wege der Gleichstellung mit bereits von Gesetzes wegen begünstigten Einrichtungen öffentlich-rechtlicher Träger sei allein der umsatzsteuerpflichtige Unternehmer antragsbefugt.

Gegen dieses Urteil hat das Finanzamt Bad Bentheim die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Nachdem der erkennende Senat auf Bedenken hingewiesen hatte, ob das Finanzamt hätte beigeladen werden dürfen, obwohl die Bezirksregierung Weser-Ems und damit der inzwischen in deren Funktionsnachfolge als Kultusbehörde zuständig gewordene Beklagte denselben Rechtsträger - nämlich das Land Niedersachsen - repräsentiere, hat der Beklagte die Einlegung der Revision durch das Finanzamt genehmigt. Daraufhin hat der Senat die Beiladung des Finanzamts aufgehoben.

Der Beklagte macht zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen geltend: Durch das Senatsurteil vom 4. Mai 2006 - BVerwG 10 C 10.05 - sei inzwischen geklärt, dass das Finanzamt entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG befugt gewesen sei, hinsichtlich der Frage, ob ein Unternehmen die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen erfülle, ein Amtshilfeersuchen an die zuständige Kultusbehörde zu richten. Ob die sonstigen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Umsatzsteuer vorlägen, habe das Finanzamt in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Ob die Klägerin ein Unternehmen betreibe, sei für das Bescheinigungsverfahren ohne Belang. Die inzwischen geläuterte Auffassung, die das Finanzamt Bad Bentheim auf Anfrage des Senats hierzu geäußert habe, ziehe im Übrigen nicht in Zweifel, dass von der Klägerin nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu besteuernde Umsätze erzielt würden. Streitig sei lediglich die Unternehmereigenschaft des Alleingesellschafters der Klägerin, dem diese Umsätze nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eventuell zuzurechnen wären.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Juni 2005 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 19. März 2002 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Revision für unzulässig, weil eine nachträgliche Genehmigung des von einer unzuständigen Behörde eingelegten Rechtsmittels ausscheide. Zumindest könne die Revision keinen Erfolg haben, weil das Finanzamt die Unternehmer-Eigenschaft der Klägerin nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts dezidiert verneint habe. Bei Erteilung der Bescheinigung sei zudem rechtswidrig versäumt worden zu prüfen, ob das Schifffahrtsmuseum eine "wissenschaftliche Sammlung" sei. Die Frage nach der Gleichartigkeit der wahrgenommenen kulturellen Aufgabe sei logisch untrennbar mit der Frage nach der Gleichartigkeit der Einrichtung verknüpft. Das Oberverwaltungsgericht habe die zuletzt genannte Fragestellung somit zutreffend als vorgreiflich angesehen.

Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht hält die Rechtsfrage, ob die Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG einen Antrag des Unternehmers voraussetzt, durch das Senatsurteil vom 4. Mai 2006 für geklärt und nimmt zu den verbleibenden Streitpunkten keine Stellung.

II

Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht und erweist sich auch nicht im Ergebnis als richtig. Die Frage, ob die Klägerin durch die angefochtene Bescheinigung in ihren Rechten verletzt wird, lässt sich auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 VwGO). Die Revision führt somit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

1. Die Einwände, die von der Klägerin gegen die Zulässigkeit der Revision erhoben werden, schlagen nicht durch.

Zwar war die Beiladung des Finanzamts Bad Bentheim, das dieses Rechtsmittel fristgerecht eingelegt und begründet hat, im Hinblick darauf unzulässig, dass seinerzeit bereits die beklagte Bezirksregierung Weser-Ems in Prozessstandschaft für das Land Niedersachsen handelte und damit eine weitere Landesbehörde nicht in Anwendung von § 61 Nr. 3 und § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO an dem Verfahren beteiligt werden konnte (vgl. Beschlüsse vom 28. August 2002 - BVerwG 9 VR 11.02 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 142 S. 11 und vom 23. Juli 2003 - BVerwG 8 B 57.03 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 330 S. 45, 47). Die Beiladung war aber dennoch gemäß § 65 Abs. 4 Satz 3 VwGO unanfechtbar und damit bis zu ihrer Aufhebung durch den erkennenden Senat im Beschluss vom 9. August 2006 wirksam.

Die Klägerin meint, eine nachträgliche Genehmigung des vom damaligen Beigeladenen als einer unzuständigen Behörde eingelegten Rechtsmittels - wie sie hier vom Beklagten mit Schriftsätzen vom 14. März bzw. 17. Juli 2006 noch vor Aufhebung der Beiladung ausgesprochen worden ist - scheide aus, weil dies im Ergebnis auf eine im Gesetz nicht vorgesehene Verlängerung der Rechtsmittelfrist hinauslaufe; denn im Zeitpunkt der Genehmigung sei das Rechtsmittel der Revision verfristet gewesen. Darüber hinaus habe der Beklagte, indem er in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht auf eine Antragstellung und nachfolgend auf die Einlegung einer Revision verzichtet habe, eine bewusste Entscheidung getroffen, an der er sich nunmehr festhalten lassen müsse.

Dieser Argumentation vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die von einem zu Unrecht Beigeladenen eingelegten Rechtsmittel verschiedentlich mit dem Hinweis als unzulässig angesehen, dass ihm in aller Regel die für ein Rechtsmittel erforderliche materielle Beschwer fehlen wird (vgl. Urteile vom 23. August 1974 - BVerwG 4 C 29.73 - BVerwGE 47, 19 <20>, vom 10. Dezember 1970 - BVerwG 8 C 84.69 - BVerwGE 37, 43 <44 f.> und vom 31. Januar 1969 - BVerwG 4 C 83.66 - BVerwGE 31, 233 <234 f.>; Beschluss vom 18. September 2000 - BVerwG 8 B 85.00 - Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 135 S. 3 f.). Der vorliegende Fall ist jedoch durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass dem beigeladenen Finanzamt, soweit es mit seiner Revision Interessen des Landes Niedersachsen verfolgt hat, eine materielle Beschwer nicht abgesprochen werden kann, weil das Besteuerungsverfahren, in das die streitgegenständliche Bescheinigung als rechtliches Erfordernis eingebunden ist, in seiner Hand liegt. Von der Beteiligung einer "unzuständigen" Behörde kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein. Die Beiladung ist vom Senat dementsprechend nicht mangels der Behördenzuständigkeit oder eines Interesses der Finanzverwaltung an der Korrektur des Berufungsurteils beanstandet und aufgehoben worden. Die Beiladung ist vielmehr aus der Erwägung heraus als unzulässig angesehen worden, dass - trotz einer an sich auf der Hand liegenden Beschwer der Finanzverwaltung - neben der Beteiligung der beklagten Kultusbehörde eine zusätzliche Verfahrensbeteiligung des Finanzamts ausscheidet. Der Umstand, dass das Land Niedersachsen in § 8 des Nds. Verwaltungsgerichtsgesetzes vom 1. Juli 1993 (Nds. GVBl S. 176) von der Ermächtigung in § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO Gebrauch gemacht hat und damit die Klage nicht gegen die Körperschaft zu richten ist, liefert keine Rechtsgrundlage für eine doppelte Behördenbeteiligung in Prozessstandschaft für das Land Niedersachsen. Die Einführung einer von § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO abweichenden Parteibezeichnung zielt auf eine Erleichterung der Formalien bei der Klageerhebung ab und erlaubt es dem Gericht nicht, für das Land im Prozess mehrere Behörden nebeneinander zu beteiligen.

Geschieht dies - wie im vorliegenden Fall - infolge einer unzulässigen Beiladung dennoch, unterläuft dem Gericht ein Verfahrensfehler. Dieser hat nicht zur Folge, dass ein von der zu Unrecht beigeladenen Behörde eingelegtes Rechtsmittel durch die Aufhebung der Beiladung rückwirkend seine die Rechtsmittelfrist wahrende Wirkung verliert. Das gilt zumindest dann, wenn dem zu Unrecht Beigeladenen - wie hier - eine materielle Beschwer nicht abgesprochen werden kann und die beklagte Behörde dessen Prozessführung vor Aufhebung der Beiladung genehmigt. Bis zur Aufhebung der Beiladung ist das Rechtsmittel infolge des Verfahrensfehlers allenfalls schwebend unwirksam. In gewisser Weise ähnlich wie bei einem vollmachtlos eingelegten Rechtsmittel, bei dem durch die nachträgliche Genehmigung des Vertretenen die bisherige Prozessführung geheilt wird (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 17. April 1984 - GmS-OGB 2/83 - BVerwGE 69, 380 <381>), führt eine Genehmigung seitens der beklagten Behörde im vorliegenden Fall dazu, dass der von der Vorinstanz zu verantwortende Verfahrensfehler ausgeräumt wird und für den Rechtsträger, der nunmehr allein von der beklagten Behörde vertreten wird, folgenlos bleibt. Der Beklagte erlangt dadurch weder eine im Gesetz nicht vorgesehene Verlängerung der Rechtsmittelfrist noch verhält er sich prozessual widersprüchlich, wenn er die Revisionseinlegung genehmigt, obwohl er selbst keinen fristgerechten Gebrauch von dem Rechtsmittel machen wollte; denn aufgrund der fehlerhaften Beiladung hatte er keine Veranlassung, das - im Prozess fristgerecht geltend gemachte - Interesse des Beigeladenen in seine eigene Prozessführung einzubeziehen. 2. Die Revision hat in der Sache Erfolg. Sie rügt mit Recht eine Verletzung von Bundesrecht durch die Vorinstanz.

Das Berufungsurteil beruht auf der Aussage, die angefochtene Bescheinigung sei rechtswidrig, weil sie nicht auf Ersuchen des Finanzamts habe erteilt werden dürfen; nach der Vorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG sei allein der umsatzsteuerpflichtige Unternehmer antragsbefugt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 4. Mai 2006 - BVerwG 10 C 10.05 - (UR 2006, 517 = HFR 2006, 926) im Einzelnen erläutert hat, ist es im Gegenteil richtig, dass die Bescheinigungsbehörde durch das Ersuchen des zuständigen Finanzamts in das Besteuerungsverfahren in der Weise eingebunden wird, dass ihr kein Handlungsermessen verbleibt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung vorliegen. Gegen diese Auslegung erhebt die Klägerin inzwischen keine Einwände mehr.

3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht im Ergebnis als richtig. An der dort ausgesprochenen Aufhebung der angefochtenen Bescheide kann der erkennende Senat nicht festhalten. Die von der Klägerin gegen die Erteilung der Bescheinigung erhobenen Einwände gehen entweder fehl oder sie sind mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts nicht soweit überprüfbar, dass das Revisionsgericht selbst darüber entscheiden könnte, ob die Bescheinigung die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

a) Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren den Einwand erhoben hat, der rückwirkende Ausschluss des Vorsteuerabzugs habe für sie eine steuerliche Rückforderung zur Folge, mit der sie nicht habe rechnen müssen, ist dies unbehelflich. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem - den Beteiligten bekannten - Kammerbeschluss vom 29. August 2006 - 1 BvR 1673/06 - ausgeführt hat, obliegt die Prüfung der Frage, ob es unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes geboten sein kann, getätigte Umsätze erst ab dem Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheinigung als steuerfrei zu behandeln, dem Finanzamt und im Streitfall dem Finanzgericht.

b) Fehl geht der Einwand der Klägerin, die Bescheinigung sei rechtswidrig und deswegen aufzuheben, weil das Finanzamt ihr die Unternehmer-Eigenschaft abspreche. Das Berufungsurteil hat - aus seiner Sicht zutreffend - dahingestellt gelassen, ob die Unternehmer-Eigenschaft der Klägerin zu verneinen ist, und hat dementsprechend hierzu Tatsachenfeststellungen, die den Senat binden könnten (§ 137 Abs. 2 VwGO), nicht getroffen. Nach dem gegenwärtigen Sachstand, der auf Anfrage des Senats vom Finanzamt Bad Bentheim berichtet worden ist, zieht dieses die Unternehmer-Eigenschaft der Klägerin nicht länger in Zweifel. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Es kann unter diesen Umständen als unstreitig angesehen werden, dass weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht feststeht, dass der Klägerin die Unternehmer-Eigenschaft abzusprechen ist. Die Prüfung der Unternehmer-Eigenschaft der Klägerin obliegt dem Finanzamt und im Streitfall dem Finanzgericht. Ob sich in einem Fall, in dem das Besteuerungsverfahren einen Stand erreicht hat, der es zweifelsfrei zulässt, die Unternehmer-Eigenschaft zu verneinen, der Erteilung der Bescheinigung - weil sie unvermeidlich ins Leere gehen würde - ein auch im nachfolgenden Verwaltungsprozess zu beachtendes Verfahrenshindernis entgegenstehen kann, bedarf keiner Entscheidung. Dieser Sachverhalt liegt hier nicht vor, so dass es dabei bleibt, dass die Unternehmer-Eigenschaft der Klägerin nicht entscheidungserheblich ist.

c) Soweit die Klägerin rügt, bei Erteilung der Bescheinigung sei die Prüfung versäumt worden, ob das von ihr betriebene Schifffahrtsmuseum eine "wissenschaftliche Sammlung" sei, ist nicht auszuschließen, dass in dieser Hinsicht eine Rechtsverletzung vorliegt. Der Bundesfinanzhof (Urteil vom 19. Mai 1993 - V R 110/88 - BFHE 172, 163 <169>) hat zwar entschieden, dass die Kultusbehörde nicht mit Bindungswirkung für die Finanzverwaltung darüber zu befinden hat, "ob es sich bei der Einrichtung um ein Museum oder um eine sonstige in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG 1980 genannte Einrichtung handelt". Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkannt hat, darf daraus aber nicht gefolgert werden, die Entscheidung darüber, ob die Klägerin, indem sie ihre Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich macht, die gleichen kulturellen Aufgaben wie ein Museum in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft erfüllt, könne losgelöst vom Museumsbegriff in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG beurteilt und entschieden werden. Die sich daraus ergebende Frage nach der "Wissenschaftlichkeit" des Schifffahrtsmuseums lässt das Berufungsgericht dann aber in tatsächlicher Hinsicht offen. Damit fehlt es an Feststellungen zum Sachverhalt, die dem Senat ermöglichen würden, eine Zurückverweisung zu vermeiden. Im Einzelnen ist dazu Folgendes zu bemerken:

aa) Die vom Bundesfinanzhof (Urteile vom 19. Mai 1993 - V R 110/88 - a.a.O. S. 169, vom 20. April 1988 - X R 20/82 - BFHE 153, 454 <458> und vom 3. Mai 1989 - V R 83/84 - BFHE 157, 458 <462 f.>) gebilligte Praxis der Finanzverwaltung versagt der von der Kultusverwaltung erteilten Bescheinigung im Besteuerungsverfahren eine Bindungswirkung, soweit darüber zu befinden ist, ob das Unternehmen eine Einrichtung betreibt, die einer der in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen - u.a. Museen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft - "gleichartig" ist. Diese "Gleichartigkeitsprüfung" ist - wie der Bundesfinanzhof zutreffend betont - schon nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG von der weiteren "Gleichartigkeitsprüfung" zu unterscheiden, die der Kultusverwaltung zugewiesen ist und sich auf die Frage beschränkt, ob das Unternehmen die "gleichen kulturellen Aufgaben ... erfüllt" wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen. Ob eine Einrichtung der Gebietskörperschaften die in Satz 1 dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt, entscheidet die Finanzbehörde in eigener Zuständigkeit, ohne dass insoweit unter dem Gesichtspunkt der größeren Sachkunde ein Bedürfnis zur Einschaltung der Kultusbehörde besteht.

bb) Der Klägerin ist zuzugeben, dass beide "Gleichartigkeitsprüfungen" sich inhaltlich teilweise überschneiden. Es ist jedoch nicht geboten, die der Finanzverwaltung obliegende "Gleichartigkeitsprüfung" als für das Bescheinigungsverfahren - wie die Klägerin meint - denkgesetzlich vorrangig oder sonst "vorgreiflich" einzustufen. Falls die Aussagen des Berufungsurteils in der Lesart zu verstehen sind, dass wegen der "Vorgreiflichkeit" im Bescheinigungsverfahren und im nachfolgenden Verwaltungsprozess eine Vollprüfung der Frage stattzufinden hat, ob der Steuerpflichtige ein Unternehmen betreibt, das einer der in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen gleichartig ist, folgt der erkennende Senat der Vorinstanz darin nicht. Wie er durch sein Urteil vom heutigen Tage im Verfahren BVerwG 10 C 4.06 entschieden hat, können beispielsweise aus dem Begriff des Theaters Kriterien entwickelt werden, die die Feststellung tragen, dass ein Unternehmer mit einer Musical-Produktion die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie ein Theater in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, obwohl Zweifel fortbestehen, ob mit dieser Musical-Produktion auch eine "Einrichtung" betrieben wird, die für ein Theater kennzeichnend ist.

cc) Im vorliegenden Fall steht fest, dass das Schifffahrtsmuseum der Klägerin, falls die Frage der "Wissenschaftlichkeit" dieser Sammlung zu bejahen ist, alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt, die für Museen unter dem Blickwinkel ihrer kulturellen Aufgabenerfüllung kennzeichnend sind. Dies hat die Bezirksregierung Weser-Ems beanstandungsfrei ermittelt. Dass sie dabei Kriterien des internationalen Museumsbegriffs des Conseil international des musées (ICOM) herangezogen hat, lässt noch nicht einen Rechtsverstoß erkennen. Wegen der Legaldefinition des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 3 UStG kann es damit aber nicht sein Bewenden haben. Denn der internationale Museumsbegriff kennt zwar auch ein Kriterium der "Wissenschaftlichkeit" (Article 2 Status de l`ICOM: "les centres scientifiques"), geht aber in diesem Punkt möglicherweise von einem anderen Verständnis aus als das deutsche Umsatzsteuerrecht, das - neben Kunstsammlungen - nur "wissenschaftliche Sammlungen" als Museen einstuft. Ob eine Sammlung das danach maßgebliche Kriterium der "Wissenschaftlichkeit" erfüllt, richtet sich nach dem Gesamtbild der Umstände, so insbesondere danach, ob die Sammlung nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten zusammengestellt oder geordnet ist und ob sie entsprechend durch Beschriftungen und/oder Kataloge erläutert wird (so BFH, Urteil vom 19. Mai 1993 - V R 110/88 - a.a.O. S. 169). Die wissenschaftliche Vorbildung des zur Betreuung der Sammlung eingesetzten Personals kann ebenfalls ein Indiz dafür sein, dass ein Museum betrieben wird. Allerdings gilt dies mit der Einschränkung, dass dieses Personal auch tatsächlich eine wissenschaftlich zu nennende Tätigkeit ausüben muss. Das hängt wiederum nicht davon ab, ob die wissenschaftliche Tätigkeit erfolgreich ausgeübt wird oder nicht. WissenschaftlicheTätigkeit erschöpft sich nicht etwa in der Forschung. Gerade das Personal im Museumsbereich versieht häufig Tätigkeiten, denen auf andere Weise wissenschaftlicher Charakter zukommt (vgl. Beschluss vom 26. Januar 1968 - BVerwG 7 P 8.67 - BVerwGE 29, 77 <78 ff.>).

dd) Dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Mai 1993 - V R 110/88 - (a.a.O.) vermag der erkennende Senat nicht zu entnehmen, dass die Entscheidung über die "Wissenschaftlichkeit" einer Sammlung der "Gleichartigkeitsprüfung" der Finanzverwaltung vorbehalten ist. Der Bundesfinanzhof (Urteil vom 24. September 1998 - V R 3/98 - BFHE 187, 334 <336>) betont zutreffend, dass der Sinn des Bescheinigungsverfahrens darin liegt, mit der Bescheinigung das Fachwissen der zuständigen Kultusbehörde für das Besteuerungsverfahren nutzbar zu machen. Fragen der Wissenschaft zählen zur Kernkompetenz der Kultusbehörde. Ein sachlicher Grund dafür, im Bescheinigungsverfahren dennoch die Prüfung der "Wissenschaftlichkeit" einer Sammlung zugunsten der in dieser Frage nicht bewanderten Finanzverwaltung auszuklammern, ist nicht erkennbar.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Oberverwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 8. Januar 2003 für das Berufungs- und das Revisionsverfahren auf je 5 000 € festgesetzt.

Gründe:

Mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine höhere Bemessung ist der Streitwert für das Berufungs- und das Revisionsverfahren auf den Regelwert festzusetzen (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 63 Abs. 3 GKG). Das Oberverwaltungsgericht hat bei seiner höheren Streitwertfestsetzung das klägerische Interesse an der Sache nach dem Erstattungsbetrag bemessen, der von der Klägerin im Besteuerungsverfahren angeblich zurückgezahlt worden sein soll. Abgesehen davon, dass dabei möglicherweise nicht berücksichtigt worden ist, dass die Rückzahlung in Wirklichkeit zu Lasten des Alleingesellschafters der Klägerin gegangen ist, ist die wirtschaftliche Bedeutung der Rechtssache für die Klägerin, die unstreitig nur sehr niedrige Umsätze getätigt hat, schon nicht ohne Weiteres mit etwaigen Ergebnissen des Besteuerungsverfahrens gleichzusetzen. Die angefochtene Bescheinigung beeinflusst als Grundlagenbescheid den Ausgang des Besteuerungsverfahrens nur mittelbar und die dort für den Steuerschuldner zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen hängen von der Prüfung zusätzlicher Fragen ab.

Ende der Entscheidung

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