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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 31.01.2001
Aktenzeichen: BVerwG 11 A 6.00
Rechtsgebiete: GG, VwVfG, AEG


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1
VwVfG § 74 Abs. 2 Satz 3
AEG § 18 Abs. 1 Satz 2
AEG § 20 Abs. 7 Satz 1
Leitsatz:

Für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Erschütterungen im Schienenverkehr kommt es nicht nur auf die Höhe der maximal zu erwartenden Erschütterung an (vgl. DIN 4150-2: Schwingstärke KBFmax), sondern auch auf die Häufigkeit der Erschütterungsereignisse (vgl. DIN 4150-2: Beurteilungs-Schwingstärke KBFTr).

Urteil des 9. Senats vom 31. Januar 2001 - BVerwG 11 A 6.00 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 11 A 6.00

Verkündet am 31. Januar 2001

Oertel Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2001 durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel und Dr. Gerhardt

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Planfeststellungsbeschluss vom 26. Januar 2000 dahin gehend zu ergänzen, dass dem Kläger gegen die Beigeladene ein Anspruch auf Geldentschädigung für die Minderung des Verkehrswerts seines Grundstücks zusteht, die durch die vorhabenbedingte Erhöhung von Art, Stärke und Zahl der Erschütterungsimmissionen eintritt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten des Verfahrens tragen der Kläger die Hälfte sowie die Beklagte und die Beigeladene je ein Viertel. Die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

Gründe:

I.

1. Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in Berlin-Wedding, das seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit einem fünfgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus bebaut ist. Das Gebäude wird im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss als Laden eines Einzelhandelsbetriebs genutzt. Im 2. bis 4. Obergeschoss befinden sich je Stockwerk zwei Mietwohnungen. Das 5. Obergeschoss ist nicht ausgebaut.

Das Grundstück des Klägers grenzt im Norden unmittelbar an das Bahngelände des Berliner Innenrings. In dem hier in Rede stehenden Bereich bestehen die Bahnanlagen seit etwa 1890 aus vier auf einem ca. 5 m hohen Damm geführten Gleisen, von denen die beiden nördlichen seit 1929 durch die damals elektrifizierte S-Bahn ("Ring-S-Bahn") und die beiden südlichen für den Güterverkehr ("Ringgüterbahn") genutzt wurden. Nach der Teilung Berlins wurden Teile der Strecke nur noch mangelhaft oder überhaupt nicht mehr instand gesetzt, und der Verkehr ging erheblich zurück. Der S-Bahn-Verkehr wurde 1980 eingestellt. Im Baunutzungsplan vom 11. März 1958 in der Fassung vom 28. Dezember 1960 (ABl Berlin 1961 S. 742) sind das Grundstück des Klägers und seine Umgebung als "beschränktes Arbeitsgebiet" ausgewiesen.

2. Im Juni 1998 beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen beim Eisenbahn-Bundesamt die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für das Vorhaben, den Berliner Innenring zwischen den Straßen Nordufer und Hochstraße (Planfeststellungsabschnitt 26) in geänderter Form wieder aufzubauen und dabei zugleich eine neue Fernbahnverbindung vom und zum geplanten neuen Lehrter Bahnhof herzustellen. Nach dem eingereichten Plan sind im Bereich des Grundstücks des Klägers u.a. folgende Maßnahmen vorgesehen:

- Wiederaufbau der nördlich gelegenen S-Bahn-Gleise unter Verschiebung der Lage des nördlichen Gleises um 1,5 m nach Süden und des südlichen Gleises um 48 cm nach Norden mit um ca. 50 cm erhöhter Gradiente,

- Wiederaufbau und Elektrifizierung der südlich gelegenen Gleise der Ringgüterbahn unter Verschiebung der Lage des südlichen Gleises um 1,09 m und des nördlichen Gleises um 60 cm nach Süden mit um ca. 50 cm erhöhter Gradiente,

- Abriss, Neubau und Verbreiterung der Eisenbahnüberführung über die Reinickendorfer Straße mit getrennten Überbauten für S- und Fernbahn,

- Errichtung einer hochabsorbierenden Lärmschutzwand in Höhe von 2 m auf der neuen südlichen Stützwand und von 1 m auf der nördlichen Schulterstützwand im Dammkronenbereich.

Ferner war vorgesehen, als aktive Schallschutzmaßnahme das Gleispflegeverfahren "Besonders überwachtes Gleis" anzuwenden und verbleibende Schallschutzansprüche durch passive Maßnahmen am jeweiligen Immissionsort nach Maßgabe der Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung abzudecken, was auch für das Gebäude des Klägers dem Grunde nach zugesagt wurde.

Die im Gebäude des Klägers, das wegen seiner Holzbalkendecken eine besonders schwingungsempfindliche Bausubstanz aufweist und nur ca. 10 m vom geplanten südlichen Fernbahngleis entfernt liegt, auftretenden Erschütterungen wurden angesichts der Vorbelastung des Grundstücks als hinnehmbar angesehen. Die maximale bewertete Schwingstärke (vgl. DIN 4150-2) bei Vorbeifahrt eines IC-Zuges auf dem südlichen Fernbahngleis erreicht folgende Werte:

Erdgeschoss Laden: KBFmax 1,09 1. OG Laden: KBFmax 1,13 4. OG Schlafzimmer: KBFmax 3,78

Unter Berücksichtigung aller für 2010 prognostizierten Züge (täglich 462 S-Bahnen, 196 Regionalzüge, 40 Güterzüge, 84 ICE-Züge und 72 IC/IR/D-Züge) sind als Beurteilungs-Schwingstärken hiernach folgende Werte zu erwarten:

Erdgeschoss Laden: KBFTr tags 0,36/nachts 0,23 1. OG Laden: KBFTr tags 0,36/nachts 0,24 4. OG Schlafzimmer: KBFTr tags 1,17/nachts 0,75

3. Innerhalb der bis zum 12. August 1998 laufenden Einwendungsfrist erhob der Kläger Einwendungen hinsichtlich des Lärm- und Erschütterungsschutzes, wobei er verschiedene Minderungsmaßnahmen vorschlug.

Er widersetzte sich der Verlegung des südlichen Ringgütergleises nach Süden und verlangte, die Gleise so weit wie möglich nach Norden zu rücken. Die entschädigungslose Hinnahme der zu erwartenden Immissionen sei ihm nicht zuzumuten, da als Vorbelastung allenfalls die Wiederaufnahme des vor der Teilung der Stadt bestehenden Betriebes zu berücksichtigen sei. Nach dem in den 30er-Jahren geschaffenen Bahnsystem sei sein Grundstück weder durch Personenzugverkehr noch durch Abstellfahrten von aus Süden kommenden Zügen vorbelastet gewesen. Nunmehr sei ein völlig anderes Bahnsystem geplant. Zumindest habe er deshalb Anspruch auf Ausgleichszahlung gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG.

Aufgrund der zu erwartenden starken Belastung des Grundstücks durch bau- und betriebsbedingte Erschütterungen sowie wegen des unschönen Ausblicks auf die Bahnanlage nebst Lärmschutzwand werde das schon durch den Straßenverkehr stark belastete Haus noch schwerer vermietbar sein als bisher. Das Grundstück werde daher von der Vorhabenträgerin übernommen werden müssen.

4. Mit Beschluss vom 26. Januar 2000, berichtigt am 7. Februar 2000, stellte das Eisenbahn-Bundesamt den Plan für das Vorhaben fest.

In der Nebenbestimmung Teil A 4.1.4 wurde der Vorhabenträgerin u.a. aufgegeben, die von ihr aufgestellte Prognose der Erschütterungsimmissionen in der Nachbarschaft binnen sechs bis zwölf Monaten nach Inbetriebnahme des Streckenabschnitts messtechnisch zu überprüfen und die Ergebnisse dem Eisenbahn-Bundesamt mitzuteilen. Sollte sich dabei eine rechtlich relevante Abweichung zum Nachteil der Nachbarn ergeben, sei die Vorhabenträgerin verpflichtet, binnen sechs Monaten eine Planung zur Durchführung eines ergänzenden Planfeststellungsverfahrens zwecks Festsetzung von Schutzvorkehrungen bzw. Entschädigung beim Eisenbahn-Bundesamt vorzulegen.

Die Einwendungen des Klägers wurden zurückgewiesen.

5. Gegen den Planfeststellungsbeschluss hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte erklärt, dass in Änderung des Planfeststellungsbeschlusses der passive Schallschutz für das Haus des Klägers neu berechnet werde auf der Basis der Immissionsgrenzwerte von 64 dB(A) tags und 54 dB(A) nachts. Die Beigeladene hat dieser Änderung zugestimmt. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, als mit der Klage hilfsweise weitergehende Lärmschutzmaßnahmen bzw. Entschädigungsleistungen für Lärmimmissionen verlangt worden waren.

Zur Begründung seiner im Übrigen aufrechterhaltenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:

Wirklicher Grund für die Gleisverlegung nach Süden dürfte sein, dass der Bahnkörper aufgrund der für die Elektrifizierung notwendigen Aufstellung von Strommasten mehr Platz benötige. Als Alternative zur vorgesehenen Aufstellung eigener Oberleitungsmasten für jedes der beiden Fernbahngleise wäre es möglich, Masten nur entlang des südlichen Fernbahngleises aufzustellen und diese mit einem beide Gleise überspannenden Ausleger zu versehen. Dadurch könnte der vorgesehene Abstand von 5,6 m zwischen dem südlichen S-Bahngleis und dem nördlichen Fernbahngleis auf das zwischen den beiden Fernbahngleisen vorgesehene Maß von 4 m verringert werden. Auch für eine Verschiebung der gesamten Trasse nach Norden wäre ausreichend Platz. Bei der Festlegung der Gleisabstände hätten jedenfalls seine Grundrechte in die Abwägung eingestellt werden müssen.

Die in seinem Hause zu erwartenden Erschütterungen seien unzumutbar. Die Anhaltswerte der DIN 4150-2 für Gewerbe- und Mischgebiete würden nachts und teilweise auch tags ebenso überschritten wie die Zumutbarkeitsgrenze von KBFmax = 0,4. Unter diesen Umständen sei bereits eine Erhöhung der maximalen bewerteten Schwingstärke um 0,1 eine bewältigungsbedürftige Änderung. Zu einer Erhöhung der Erschütterungsbelastung führe zudem nicht nur die Verschiebung der Gleise nach Süden, sondern auch der Ausbau auf höhere Achslasten, da die Ringgütergleise nie für schwere Schnellzüge ausgelegt gewesen seien. Durch die Installation computergesteuerter Signaltechnik könne das Zugaufkommen zusätzlich erhöht werden. Jedenfalls erhöhe bereits die Gleisverschiebung die Erschütterungsimmissionen in beachtlicher Weise.

Dass auch bei Einsatz des von ihm vorgeschlagenen Feder-Masse-Systems G. noch Einwirkungen im spürbaren und unzumutbaren Bereich verblieben, bedeute nicht, dass keine Vorsorgemaßnahmen getroffen werden könnten, sondern höchstens, dass daneben noch eine zusätzliche Ausgleichszahlung bewilligt werden müsse. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass dieses System in Frequenzbereichen unter 12 Hz nur geringe Wirksamkeit entfalte. Nach dem Werbematerial der Firma G. sei beispielsweise ein Objekt in Berlin mit einer Frequenz von 7 Hz erfolgreich abgedämmt worden.

Hinsichtlich der für den Einbau des Systems G. veranschlagten Mehrkosten liege ein Abwägungsmangel vor, weil der Planfeststellungsbeschluss nicht ausführe, welche Kosten für den Bau insgesamt veranschlagt würden.

Ein Abwägungsmangel liege auch darin, dass die negativen Folgen des sekundären Luftschalls, der von den erschütterten Bauteilen ausgehe, nicht in die Abwägung eingestellt worden sei.

Grundsätzlich müsse die Methode, mit der die immissionsrechtliche Vorbelastung hier festgestellt worden sei, in Frage gestellt werden. Zu vergleichen sei die jeweilige Vollauslastung nach dem Ausbauzustand vor dem 2. Weltkrieg und nach dem geplanten Ausbauzustand. Die Beschränkung der Entwurfsgeschwindigkeit auf 100 km/h sei nicht nachvollziehbar, da die Oberleitung auf 200 km/h und der Gleisabstand auf 160 km/h ausgelegt seien. Es sei also sehr wohl möglich, dass einige Züge mit einer höheren Geschwindigkeit als 100 km/h führen. Im Übrigen könne bei der Frage der Vorbelastung nicht außer Betracht bleiben, dass auf der stillgelegten Bahnanlage seit Jahrzehnten kein nennenswerter Verkehr mehr stattgefunden habe. Die vorgesehene erstmalige Aufnahme eines Fern- und Regionalbahnverkehrs auf dem Nordring sei keine Fortsetzung des Bahnverkehrs, der bereits früher dort stattgefunden habe, sondern Folge der grundsätzlichen verkehrspolitischen Entscheidung, einen neuen Zentralbahnhof zu bauen. Ohne diesen neuen Bahnhof wären die Fern- und Regionalzüge von Nordosten wie früher zum Stettiner Bahnhof bzw. Nordbahnhof und von Nordwesten zum alten Lehrter Bahnhof gefahren, ohne den Bahnhof Wedding zu berühren.

Bei der gebotenen Zusammenschau von Schall- und Erschütterungsimmissionen drohe ihm durch das Vorhaben eine Verringerung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit seines Grundstücks, die eine weitgehende Entwertung bedeute. Der Verkehrswert seines Grundstücks sei vom zuständigen Finanzamt für Ende 1995 auf 1 307 000 DM geschätzt worden, wovon 852 974 DM auf den Gebäudeertragswert entfielen. Die dieser Berechnung zugrunde liegende Jahresrohmiete habe damals 86 400 DM an gewerblichen Mieten und 39 227 DM an Wohnungsmieten betragen.

Der Kläger beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss vom 26. Januar 2000 aufzuheben,

hilfsweise

festzustellen, dass der genannte Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf,

weiter hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, der Beigeladenen die Übernahme seines Grundstücks gegen Enteignungsentschädigung aufzugeben,

weiter hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, den Planfeststellungsbeschluss mit folgender Auflage zu versehen:

mit aktiven Vorsorgemaßnahmen, die sicherstellen, dass in seinem Wohn- und Geschäftshaus keine höheren Erschütterungsimmissionen als 0,4 KBFmax auftreten,

weiter hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, über den Erschütterungsschutz für sein Wohn- und Geschäftshaus unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,

höchst hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Erschütterungsimmissionen auf sein Grundstück eine angemessene Entschädigung in Geld zu bewilligen.

6. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, die Gleisverlegung nach Süden beruhe darauf, dass nach den Planungsvorschriften für mehrgleisige Strecken in Verbindung mit den einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften der Gleisachsabstand zwischen nördlichem Fernbahngleis und südlichem S-Bahngleis von bisher 4,45 auf 5,60 m vergrößert werden müsse. Bei einer weiteren Gleisachsverschiebung Richtung Norden hätten das denkmalgeschützte Empfangsgebäude des S-Bahnhofs Wedding und der denkmalgeschützte Zugangsbereich zur R. Straße nicht erhalten werden können. Ein weiterer Zwangspunkt sei insoweit die weiter östlich am Fuße der Stützmauer gelegene Zuwegung für die vorhandene Bebauung nordöstlich der G.-straße, die insbesondere für die Zufahrt von Rettungs- und Einsatzfahrzeugen erhalten bleiben müsse und mit Leitungstrassen mehrerer Versorgungsträger belegt sei. Im Übrigen würde eine Verschiebung der Gleise in Richtung Norden zu stärkeren Immissionen für die Bewohner der L. Straße führen.

Ansprüche auf erschütterungsmindernde Maßnahmen bei einem Änderungsvorhaben beständen erst dann, wenn durch Hinzutreten weiterer Erschütterungswirkungen zu der planungsrechtlich vorhandenen Vorbelastung infolge des Änderungsvorhabens die Erschütterungen in beachtlicher Weise erhöht würden und gerade darin eine zusätzliche unzumutbare Belastung liege. In den Planunterlagen sei die Erschütterungsvorbelastung unter Zugrundelegung der Gleislage von 1939 und des Betriebsprogramms für 2010 ermittelt und mit den bei geänderter Gleislage mit demselben Betriebsprogramm zu erwartenden Erschütterungen verglichen worden. Dabei ergebe sich eine vorhabenbedingte Erhöhung der maximalen bewerteten Schwingstärke KBFmax von ca. 10 %. Die hohe Vorbelastung beruhe auf ungünstiger Resonanzkopplung, die durch das Alter des Gebäudes, seine besonders schwingungsempfindliche Bausubstanz und relativ große Räume mit Holzbalkendecken bedingt sei. Die prognostizierte Erhöhung sei nicht erheblich, weil erst eine Erhöhung um 25 % wahrnehmbar sei, wie sich bei Laborversuchen im Bereich zwischen 0,2 und 1,6 KBFmax ergeben habe. Die Grenze der Eigentums- oder Gesundheitsgefährdung werde von den zu erwartenden Erschütterungsimmissionen noch nicht überschritten. Wenn die Wohnungen nach Wiederinbetriebnahme der Strecke nur noch eingeschränkt vermietbar seien, beruhe dies nicht auf dem Ausbauvorhaben, sondern auf der vorbelastenden Prägung des Grundstücks durch seine Nachbarschaft zu einem Schienenweg. Die Anzahl der Züge sei für die Beurteilung der Erschütterungseinwirkungen ohne Belang.

Unabhängig davon wäre der Einbau des Systems G. hier nicht in Frage gekommen, weil er unverhältnismäßig hohe Kosten bei nur geringem Erfolg am Grundstück des Klägers und weiteren erheblichen Auswirkungen zur Folge gehabt hätte.

Mit dem Vorbringen zum sekundären Luftschall sei der Kläger ausgeschlossen, da er keine entsprechenden Einwendungen erhoben habe.

Die Berücksichtigung der Vollauslastung der Strecke anstelle des Betriebsprogramms für 2010 könne der Kläger nicht verlangen. Die Beschränkung der Entwurfsgeschwindigkeit auf 100 km/h beruhe auf den als Zwangspunkten vorhandenen Gleisbögen mit Überhöhung und dürfe schon wegen der entsprechenden signaltechnischen Ausrüstung nicht überschritten werden.

Eine gemeinsame Bewertung von Schall- und Erschütterungsimmissionen habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Ein Entschädigungsanspruch wegen angeblich erschwerter Verwertung des Grundstücks im Wirtschaftsleben stehe dem Kläger nicht zu.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie schließt sich mit vertiefenden Ausführungen im Wesentlichen dem Vorbringen der Beklagten an.

7. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Augenscheinseinnahme Beweis erhoben; für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die in der Niederschrift vom 30. Juni 2000 protokollierten Feststellungen verwiesen. Das Gericht hat ferner durch Beschluss vom 18. Juli 2000 - BVerwG 11 VR 2.00 - den Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss anzuordnen, abgelehnt.

In dem genannten Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht u.a. darauf hingewiesen, bei summarischer Prüfung spreche manches dafür, dass die Beklagte die Erschütterungsvorbelastung am Haus des Klägers und ihre Erhöhung durch das planfestgestellte Vorhaben fehlerhaft ermittelt und bewertet habe, weil der Planfeststellungsbeschluss - erstens - insoweit maßgeblich nur auf die Höhe, nicht aber auf die Häufigkeit der bisher und künftig zu erwartenden Erschütterungen abstelle und weil - zweitens - bei der Berechnung der Vorbelastung im Erschütterungsgutachten für die Regionalzüge nicht das Referenzspektrum für Güterzüge, sondern dasjenige für IC-Züge angesetzt worden sei, die auf dem bisherigen Gleisbestand ohne die Verbindung zum neuen Lehrter Bahnhof realistischerweise nicht hätten verkehren können, aber schon aufgrund der höheren Referenzgeschwindigkeit auch höhere Erschütterungswerte ergäben. Aufgrund einer entsprechenden Verfügung des Berichterstatters hat die Beigeladene daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des von ihr beauftragten Erschütterungsgutachters vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass im Hause des Klägers bei Zugrundelegung des Betriebsprogramms für 2010 mit Ausnahme der Züge vom und zum neuen Lehrter Bahnhof (täglich 148 Regionalzüge sowie sämtliche ICE-, IC-, IR- und D-Züge), unter Ansatz der Güterzugspektren auch für die Regionalzüge sowie ohne Berücksichtigung der geplanten Gleislageänderung mit folgender Erschütterungsbelastung zu rechnen gewesen wäre:

Erdgeschoss Laden: KBFmax = 0,78; KBFTr tags 0,15/nachts 0,11 1. OG Laden: KBFmax = 0,98; KBFTr tags 0,18/nachts 0,12 4. OG Schlafzimmer: KBFmax = 2,19; KBFTr tags 0,39/nachts 0,28

Bei Ansatz der IC-Spektren für die Regionalzüge hätten sich hiernach folgende Werte ergeben:

Erdgeschoss Laden: KBFmax = 0,99; KBFTr tags 0,17/nachts 0,12 1. OG Laden: KBFmax = 1,02; KBFTr tags 0,18/nachts 0,13 4. OG Schlafzimmer: KBFmax = 3,42; KBFTr tags 0,52/nachts 0,34

Die Beigeladene trägt hierzu vor, sie halte es für problematisch, die Fernverkehrszüge vom und zum Lehrter Bahnhof bei der Vorbelastung nicht zu berücksichtigen. Angesichts der Bedeutung Berlins im nationalen und internationalen Zugverkehr sei die Annahme unrealistisch, dass in dem hier in Rede stehenden Streckenabschnitt ohne die Teilung Deutschlands nur Nahverkehrszüge gefahren wären. Vielmehr wären auch Fernverkehrszüge in Richtung Norden, Nordosten und Osten gefahren. Jedenfalls sei der Güterverkehr im Bereich des Grundstücks des Klägers vor Ende des Zweiten Weltkriegs erheblich stärker gewesen als nun vorgesehen.

Die Beklagte ist demgegenüber nunmehr der Auffassung, dass bei der Ermittlung der Vorbelastung die vom und zum Lehrter Bahnhof verkehrenden Züge nicht hätten angesetzt werden dürfen, da die dadurch eintretende Steigerung der Verkehrsimmissionen erst durch die u.a. in dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss genehmigte Errichtung der Nordostkurve vom Lehrter Bahnhof auf den Innenring ermöglicht werde. Im Personenverkehr seien deshalb statt der künftig zu erwartenden 303 Züge tags und 49 Züge nachts nur noch 42 Züge tags und sechs Züge nachts als Erschütterungsvorbelastung in Ansatz zu bringen, wie dies bereits in der schalltechnischen Untersuchung geschehen sei.

Es sei jedoch nicht sachgerecht, für alle diese Züge ausschließlich die Referenzspektren für Güterzüge anzusetzen. Nicht das jeweilige Wagenmaterial, sondern die Art der Lokomotiven beeinflusse das Referenzspektrum wesentlich. Da die IC-Züge im Berliner Raum eine den Zügen des Regionalverkehrs gleiche oder sehr ähnliche Lokbespannung aufwiesen, spreche nichts dagegen, für die Züge des Personennahverkehrs die Referenzspektren für IC-Züge und nicht die für Güterzüge anzuwenden. Die Unterschiedlichkeit der Referenzspektren für Güter- und IC-Züge sei nicht auf den leichten Unterschied der mittleren erfassten Geschwindigkeit zurückzuführen, die 100 km/h bei den Güterzugspektren und 115 km/h bei den IC-Spektren betrage, sondern beruhe auf der unterschiedlichen Lokbespannung. Deshalb sei die maximale bewertete Schwingstärke bei Vorbeifahrt eines IC-Zuges auch für die Vorbeifahrt eines Regionalzuges in Ansatz zu bringen, so dass sich an der im Planfeststellungsbeschluss angenommenen Vorbelastung und deren nur geringer Erhöhung nichts ändere.

Eine Bewertung der wesentlich stärkeren Erhöhung der Beurteilungs-Schwingstärke sei demgegenüber hier nicht erforderlich, da es an Ausbaustrecken nicht auf die Einhaltung der Anhaltswerte im Flussdiagramm der DIN 4150-2 ankomme, sondern auf die Zumutbarkeit der vorhabenbedingten Immissionserhöhungen. Bei einer nur geringfügigen Erhöhung des KBFmax-Wertes komme es auf eine Beurteilung des Anstiegs des KBFTr-Wertes nicht mehr an. Es gebe nämlich keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Bewertung des KBFTr-Wertes allein - ohne Betrachtung des KBFmax-Wertes - bereits die Bewertung tragen könne, der Anstieg der Erschütterungen sei unzumutbar.

Der Kläger trägt hierzu vor, die zu erwartende erhebliche Erhöhung der Zahl der Vorbeifahrten dürfe nicht ohne rechtliche Folgen bleiben. Statt der auf den Fernbahngleisen zu erwartenden 392 Züge seien nur 40 Güterzüge als Vorbelastung anzusetzen, weil auch Regionalverkehr auf der Strecke Moabit-Gesundbrunnen nie stattgefunden habe. Der Gleisabstand von 3,5 m sei für Personenzüge zu gering gewesen.

II.

Soweit der Rechtsstreit von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen kann die Klage nur mit dem letzten Hilfsantrag Erfolg haben.

1. Mit dem auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrag und dem auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit gerichteten ersten Hilfsantrag ist die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet. Denn der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet an keinem Rechtsfehler, der seine - vollständige oder teilweise - Aufhebung oder zumindest die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit auf die vorliegende Klage hin rechtfertigen könnte.

Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses erhebt der Kläger keine Rügen; für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers ist auch nichts ersichtlich.

Aus dem Vortrag des Klägers und dem vom Gericht dazu ermittelten Sachverhalt folgt auch keine Verletzung des materiellen Rechts, die dem Hauptantrag oder dem ersten Hilfsantrag zum Erfolg verhelfen könnte. Insoweit rügt der Kläger eine Reihe von Mängeln bei der durch § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG gebotenen Abwägung. Ein solcher Mangel kann jedoch nur dann zur Aufhebung oder Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auch zur Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen, wenn er gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG erheblich - also offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen - ist und nicht durch eine Planergänzung behoben werden kann (vgl. BVerwGE 100, 370 <372 f.>; 104, 123 <129>; 106, 241 <245>; Beschlüsse vom 9. September 1996 - BVerwG 11 VR 31.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 17 S. 64, und vom 1. April 1998 - BVerwG 11 VR 13.97 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 63 S. 14). Derartige Mängel liegen hier nicht vor.

a) Der Kläger beanstandet zu Unrecht die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Verschiebung der Lage des südlichen Gleises der Ringgüterbahn um etwa 1 m in Richtung auf sein Grundstück als abwägungsfehlerhaft. Die von ihm geforderte Verringerung der Gleisabstände oder die Verschiebung der gesamten Trasse nach Norden brauchte sich dem Planungsträger nicht als Alternative aufzudrängen, zumal die Gleislage auf die Immissionssituation des klägerischen Grundstücks nur geringfügigen Einfluss hat.

Hierzu hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 18. Juli 2000 darauf hingewiesen, dass nach den Unfallverhütungsvorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der einzuhaltenden Gefahrenbereiche bis zu 120 km/h fahrender Züge von 2,3 m und der Notwendigkeit eines Bewegungsraums von 80 cm außerhalb dieser Gefahrenbereiche für Personen zwischen den Gleisen ein geringerer Abstand als 5,4 m zwischen dem südlichen S-Bahngleis und dem nördlichen Fernbahngleis unabhängig von der Aufstellung der Fahrleitungsmasten von vornherein nicht in Betracht zu ziehen war. Die Belange der Unfallverhütung hätten auch im Rahmen einer Abwägung mit den Immissionsschutzbelangen des Klägers nicht zurückgestellt werden dürfen. Dass die Beklagte die zusätzliche Anordnung von Fahrleitungsmasten zum Anlass genommen hat, der Planung fernbahnseitig den schon in der Richtlinie DS 800 03 der Deutschen Bundesbahn von 1992 vorgesehenen und in der Richtlinie 800.0130 der Beigeladenen von 1997 wiederholten Gefahrenbereich für Fernbahnen von mindestens 2,5 m zugrunde zu legen, der nach den Unfallverhütungsvorschriften bei einer Geschwindigkeit von bis zu 160 km/h einzuhalten ist, kann als Sicherheitsreserve nicht beanstandet werden.

Die vom Kläger vorgeschlagene Alternative, Fahrleitungsmasten nur entlang des südlichen Fernbahngleises aufzustellen und diese mit einem beide Gleise überspannenden Ausleger zu versehen, würde demnach allenfalls eine Reduzierung der Gleisverlegung nach Süden um 20 cm mit einer entsprechend geringen Reduzierung der erhöhten Immissionsbelastung des Gebäudes des Klägers ermöglichen. Sie wäre jedoch nach dem nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Beklagten und der Beigeladenen mit erheblichen betrieblichen Nachteilen bei Unterhaltungsarbeiten bzw. im Störfall verbunden, weil bei dieser Strecke mit hoher betrieblicher Zugdichte dann stets der Verkehr auf beiden Fernbahngleisen gleichzeitig zum Erliegen käme. Ein offensichtlicher Abwägungsmangel lässt sich insoweit unter diesen Umständen nicht feststellen.

Nichts anderes gilt für den Vorschlag des Klägers, die gesamte Trasse nach Norden zu verschieben. Wie bereits im Planfeststellungsbeschluss ausgeführt ist und sich bei der Augenscheinseinnahme bestätigt hat, wäre eine über die bereits vorgesehene Verschiebung des südlichen S-Bahngleises um ca. 50 cm nach Norden hinausgehende weitere Verschiebung der Trasse mit einer noch stärkeren Beeinträchtigung der denkmalgeschützten Anlagen des historischen S-Bahnhofs in diesem stadtbildprägenden Bereich verbunden. Dazu gehören insbesondere der Treppenaufgang aus dem Empfangsgebäude an der Lindower Straße und das frühere Eingangsgebäude an der Reinickendorfer Straße, das sich an die Stützmauer des nordwestlichen Widerlagers der dortigen S-Bahnbrücke anschließt und einer nennenswerten Nordverschiebung dieses Widerlagers entgegensteht. Dass die Beklagte sich in der Kollision zwischen den Belangen des Denkmalschutzes und dem Interesse des Klägers, von der allein durch die Gleisverlegung verursachten geringfügigen Immissionserhöhung verschont zu bleiben, für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen Belangs entschieden hat, stellt als solches keinen Abwägungsmangel dar (vgl. BVerwGE 48, 56 <64>; stRspr).

b) Der Kläger beanstandet des Weiteren die Entscheidung der Beklagten, keinen aktiven Erschütterungsschutz für sein Grundstück anzuordnen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, die Beklagte habe abwägungsfehlerhaft von dem Einbau des erschütterungsmindernden Feder-Masse-Systems G. abgesehen, muss er sich entgegenhalten lassen, dass diese Brückenkonstruktion eine Planungsvariante darstellt, die der Planungsträger - trotz ihrer Vorteile für den Erschütterungsschutz - aus Kostengründen verwerfen durfte.

Zu den von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belangen, die gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind, gehört auch das Interesse an einer kostengünstigen Lösung (vgl. zum inhaltsgleichen § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG: BVerwG, Beschluss vom 30. September 1998 - BVerwG 4 VR 9.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 142 S. 291 m.w.N.). Auf diesem Hintergrund stellt es keinen Abwägungsmangel dar, wenn die Planfeststellungsbehörde davon absieht, zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer eine wesentliche Änderung des Planvorhabens zu verlangen, die vom Träger des Vorhabens unverhältnismäßige, nicht mehr vertretbare Aufwendungen erfordern würde. Bei welcher Höhe dies anzunehmen ist, kann grundsätzlich nicht losgelöst von der objektiven Gewichtigkeit der zu schützenden, vom Vorhaben nachteilig betroffenen Belange beurteilt werden und bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Die Kostenerwägungen, aus denen sich die Beklagte gegen eine Anordnung des Einbaus des Systems G. entschieden hat, sind auf der Grundlage dieses Maßstabs nicht zu beanstanden. Aus dem Erschütterungsgutachten ergibt sich, dass im betreffenden Bereich kein Nachbargrundstück von derart hohen Erschütterungsbelastungen betroffen ist, wie sie der Kläger in seinem Hause befürchten muss. Dass es außer Verhältnis zur objektiven Gewichtigkeit der vom Vorhaben nachteilig betroffenen Belange stände, der Beigeladenen im Wesentlichen nur zum Schutze eines einzelnen Gebäudes Aufwendungen in Höhe eines Vielfachen des Gebäudewertes zuzumuten, ohne dass damit sichergestellt wäre, dass erhebliche Belästigungen der Bewohner durch Erschütterungen nicht mehr auftreten, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Auch im Übrigen überzeugen die vom Kläger gegen den Verzicht auf das System G. erhobenen Einwände nicht. Insoweit wird Bezug genommen auf die Gründe des Beschlusses vom 18. Juli 2000, die durch das Klagevorbringen nicht schlüssig in Frage gestellt wurden.

Die Rügen des Klägers, dass die der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Beklagten zugrunde gelegte Kostenschätzung der Beigeladenen auf "fragwürdigen Angaben" beruhe und der Ausgangsbetrag von 3 950 DM/m2 "in keiner Weise irgendwie belegt" sei, sind zu unsubstantiiert, um einen Fehler der behördlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung aufzuzeigen. Wenn - wie hier - der Kläger die dieser Prüfung zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen weder substantiiert bestreitet noch sich die Notwendigkeit weiterer Beweiserhebungen hierüber dem Gericht aus anderen Gründen aufdrängen muss, verpflichtet auch § 86 Abs. 1 VwGO das Gericht nicht dazu, von Amts wegen ein Sachverständigengutachten einzuholen.

c) Soweit der Kläger schließlich beanstandet, die Beklagte habe die negativen Folgen des sekundären Luftschalls nicht in die Abwägung eingestellt, ist er gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG mit dieser Einwendung ausgeschlossen. Denn er hat im Verwaltungsverfahren innerhalb der Einwendungsfrist das Problem des sekundären Luftschalls nicht angesprochen, obwohl das den Planfeststellungsunterlagen beigefügte erschütterungstechnische Gutachten hierzu umfangreiche Aussagen enthielt. Abgesehen davon ergibt sich aus dem unsubstantiierten Klagevorbringen zu diesem Punkt nichts dafür, dass der behauptete Abwägungsmangel auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sein könnte.

2. Mit dem zweiten Hilfsantrag begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zu einer Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses, durch die der Beigeladenen die Übernahme seines Grundstücks gegen Enteignungsentschädigung aufgegeben wird. Auch insoweit ist die Klage zulässig (vgl. BVerwGE 61, 295 <305>), jedoch unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Übernahme seines Grundstücks gegen Entschädigung nicht zu. Ein solcher Anspruch kommt nur in Betracht, wenn die von dem planfestgestellten Vorhaben zu erwartenden Immissionen ihrer Intensität nach die Grenze zur faktisch "enteignenden" Planauswirkung überschreiten, also die vorgegebene Grundstückssituation nachhaltig verändern und dadurch das Grundstück so schwer und unerträglich treffen, dass seine sinnvolle Nutzung praktisch ausgeschlossen ist (BVerwGE 61, 295 <303 ff.>; 75, 214 <260>; 77, 295 <298>); Beschluss vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 CB 1.90 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 10 S. 12 f.; Beschluss vom 11. Mai 1994 - BVerwG 8 B 50.94 - Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 19; zum Übernahmeanspruch vgl. auch BVerfGE 100, 226 <243, 245 f.>). Wann dies anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Hier scheidet ein Übernahmeanspruch schon deswegen aus, weil der Kläger selbst nur geltend gemacht hat, sein Haus werde in Zukunft noch schwerer zu vermieten sein als bisher, so dass ihm eine Verringerung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Grundstücks drohe. Dass die Privatnützigkeit seines Eigentums - insbesondere auch hinsichtlich der gewerblichen Nutzung - nahezu vollständig beseitigt wäre, ist damit nicht dargetan.

3. Mit dem dritten Hilfsantrag begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Anordnung aktiver Vorsorgemaßnahmen gegen Erschütterungsimmissionen. Auch dieser Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Die insoweit in Betracht kommenden Maßnahmen wurden in dem den Planfeststellungsunterlagen beigefügten erschütterungstechnischen Gutachten eingehend untersucht. Dabei ist der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass allein das von der Firma G. entwickelte System einer auf Stahlfedern gelagerten Bahnbrücke geeignet wäre, die Erschütterungsimmissionen aus dem Fernbahnverkehr erheblich zu vermindern. Der Kläger hat dieses Ergebnis nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Die hiernach allein in Betracht kommende Anordnung des genannten Systems scheidet als Gegenstand eines auf schlichte Planergänzung um eine Schutzauflage nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gerichteten Klageantrags aus. Abgesehen davon hat die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf jene Anordnung, wie bereits bei der Behandlung des Hauptantrags ausgeführt wurde, rechtsfehlerfrei mit der selbständig tragenden Hilfserwägung verneint, dass der Einbau jenes Systems unverhältnismäßig und damit untunlich sei.

4. Mit dem vierten Hilfsantrag kleidet der Kläger sein mit dem dritten Hilfsantrag verfolgtes Begehren, den Planfeststellungsbeschluss um weitere Schutzauflagen gegen Erschütterungen ergänzen zu lassen, in die prozessuale Form einer Neubescheidungsklage. Auch insoweit ist die Klage zulässig (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), jedoch unbegründet. Denn die Entscheidung der Beklagten, dem Kläger keinen aktiven Erschütterungsschutz zu gewähren, ist auch im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG erhebliche Abwägungsmängel sind insoweit nicht ersichtlich.

5. Mit dem letzten Hilfsantrag begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses um die Anordnung, ihm für die Erschütterungsimmissionen auf seinem Grundstück eine angemessene Entschädigung in Geld zu zahlen. Auch insoweit ist die Klage zulässig. Dass sie nur auf eine Entschädigungsanordnung "dem Grunde nach" gerichtet ist, steht dem nicht entgegen. Denn eine Entscheidung der Planfeststellungsbehörde zunächst nur dem Grunde nach kommt in Betracht, wenn die möglichen Schäden im Einzelnen noch nicht hinreichend überschaubar und bezifferbar sind (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 74 Rn. 135 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Insoweit ist die Klage auch begründet. Der Kläger hat gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG Anspruch auf die von ihm begehrte Entschädigungsanordnung. Denn das planfestgestellte Vorhaben würde an sich gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG Vorkehrungen oder Anlagen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen der zu erwartenden Erschütterungsimmissionen auf Rechte des Klägers erfordern; solche Vorkehrungen oder Anlagen sind entweder mangels Effektivität untunlich oder aber - wie das System G. - mit dem Vorhaben, so wie es geplant worden ist, unvereinbar und zudem noch unverhältnismäßig teuer. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss geht zu Unrecht davon aus, dass die vorhabenbedingten Erschütterungswirkungen die vorhandene Vorbelastung des klägerischen Grundstücks nicht in beachtlicher Weise erhöhen werden und dass deswegen eine unzumutbare Belastung des Klägers, die in Geld auszugleichen sei, nicht eintreten werde.

Auszugleichen sind die zu erwartenden Erschütterungsimmissionen, wenn sie dem Kläger mit Rücksicht auf die durch die Gebietsart und die konkreten tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit seines Grundstücks nicht zugemutet werden können (vgl. zu Schallimmissionen BVerwGE 51, 15 ff.). Schutzwürdig und mit Hilfe der im Rahmen des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG möglichen Schutzeinrichtungen schutzfähig ist sein Grundstück nur insoweit, als es nicht bereits unter der tatsächlichen oder plangegebenen Einwirkung anderer Erschütterungsquellen liegt (vgl. BVerwGE 51, 15 <32>). Dabei sind in diesem Sinne als vorbelastend grundsätzlich auch solche Erschütterungseinwirkungen zu erfassen, die von der Anlage selbst schon vor ihrer durch die streitige Planfeststellung zugelassenen Änderung ausgegangen sind (vgl. zu Schallimmissionen BVerwGE 59, 253 <265>). Die tatsächliche und/oder plangegebene Vorbelastung muss grundsätzlich als zumutbar hingenommen werden und wirkt sich dementsprechend schutzmindernd aus (vgl. BVerwGE 110, 370 <385>).

Die Grenze der schutzmindernden Berücksichtigung dieser Vorbelastung ist allerdings dort erreicht, wo die Erschütterungseinwirkungen der Anlage schon vor deren Änderung das Maß des Zumutbaren überschreiten. In solchen Fällen muss gewissermaßen nicht "wegen", sondern "aus Anlass" der notwendigen Planfeststellung eine erforderliche Schutzmaßnahme angeordnet werden (vgl. BVerwGE 56, 110 <132>; 59, 253 <265 f.>). Halten sich die anlagebedingten Vorbelastungen dagegen noch innerhalb dieser Zumutbarkeitsgrenze, so können die Betroffenen bezüglich dieser Erschütterungsvorbelastungen keine - sanierenden - Schutzmaßnahmen in der Änderungsplanfeststellung verlangen; einen Anspruch auf Erschütterungsschutz haben sie dann vielmehr nur insoweit, als die durch die Anlagenänderung verursachte Verstärkung der Erschütterungsbelastung diese in beachtlicher Weise erhöht und gerade in dieser Erhöhung eine zusätzliche, ihnen billigerweise nicht zuzumutende Belastung läge (vgl. BVerwGE 51, 15 <32>; 59, 253 <267 f.>; 111, 108 <116>). Dabei kann freilich für die Beurteilung, ob eine solche Erhöhung beachtlich und ob sie billigerweise nicht mehr zumutbar ist, eine Rolle spielen, dass die betroffenen Grundstücke einer zwar nicht schon unzumutbaren, aber doch beträchtlichen Vorbelastung ausgesetzt waren und deshalb gegenüber auch einer nur geringen Erschütterungszunahme in besonderem Maße empfindlich sein können (vgl. BVerwGE 59, 253 <268>).

Ob die von der zu ändernden Anlage ausgehende plangegebene Erschütterungsvorbelastung des Grundstücks des Klägers schon vor der Änderung die Zumutbarkeitsgrenze überschritt und, wenn nein, ob jedenfalls in der durch die Anlagenänderung verursachten Erhöhung der Erschütterungsbelastung eine dem Kläger nicht zuzumutende Belastung liegt, kann nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles beurteilt werden (vgl. BVerwGE 97, 367 <374>). Dabei sind insbesondere die historische Entwicklung der Belastungssituation sowie Höhe und Häufigkeit der schon bisher zu erwartenden und der erst aufgrund des Änderungsvorhabens zu erwartenden Erschütterungen zu berücksichtigen (vgl. Tz.6.5.3.4 Buchst. c DIN 4150-2 <Ausgabe Juni 1999>). Insoweit begegnet die Behandlung dieser Fragen im Planfeststellungsbeschluss durchgreifenden Bedenken:

Der Planfeststellungsbeschluss geht vereinfachend davon aus, dass in einem Ballungsraum auf einer zweigleisigen Strecke immer eine Verkehrsbelastung zu erwarten ist, die sich der Kapazitätsgrenze nähert. Dies soll es rechtfertigen, dass bei der Ermittlung der fiktiv als Vorbelastung anzusetzenden Zugzahlen auf der unveränderten Strecke das Betriebsprogramm zugrunde gelegt wird, das zukünftig für die neue Strecke vorgesehen ist. Diese Handhabung, die die Beigeladene weiterhin für richtig hält, wird den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht gerecht.

Es mag eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass auf einem teilungsbedingt unterbrochenen Schienenweg, der nach der Wiedervereinigung Deutschlands durch planfeststellungsbedürftige Ausbaumaßnahmen (z.B. eine Elektrifizierung) wieder ertüchtigt wird, im Regelfall auch ohne diesen Ausbau das gleiche Zugprogramm abgewickelt worden wäre. Der erkennende Senat hat es jedenfalls bislang nicht beanstandet, wenn z.B. die plangegebene Lärmvorbelastung auf diese Weise vereinfachend ermittelt worden ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 17. November 1999 - BVerwG 11 A 4.98 - Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 31 S. 55 f.).

Eine derartige Vereinfachung verbietet sich aber jedenfalls dann, wenn das Verkehrsgeschehen dadurch beeinflusst wird, dass die Wiederertüchtigung der vorhandenen Strecke in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Errichtung einer neuen Netzanknüpfung erfolgt. Dies ist hier der Fall. In die Ausbaustrecke mündet hier der Abzweig zum neuen Lehrter Bahnhof (sog. Overfly), der im Bereich des nördlichen Berliner Innenrings zur Verwirklichung eines neuen Verkehrskonzepts dienen soll. Nach dem alten Verkehrskonzept wurden die Personenzüge in die östlich und westlich gelegenen Kopfbahnhöfe (Stettiner und alter Lehrter Bahnhof) gelenkt, sodass auf dem dazwischen liegenden Streckenabschnitt die Fernbahngleise ausschließlich mit Güterzugverkehr belegt waren, der sich in westlicher oder östlicher Richtung auf dem nördlichen Ring bewegte. Für das neue Verkehrskonzept ist dagegen kennzeichnend, dass über den neuen Lehrter Bahnhof eine neue nord-südliche Verkehrsverbindung quer durch Berlin eröffnet wird, auf der sich ein aus allen Zugarten zusammengesetzter Personenfern- und -regionalverkehr insbesondere zwischen dem neuen Lehrter Bahnhof und dem Nordkreuz bewegen soll. Unter diesen Gegebenheiten erscheint dem Senat die Annahme unrealistisch, dass auf diesem Streckenabschnitt, an dem das Grundstück des Klägers liegt, bei seiner unveränderten Wiederertüchtigung das Betriebsprogramm abgewickelt worden wäre, das nach dem Ausbau prognostiziert wird.

Soweit die Beigeladene der Berücksichtigung der neuen Netzanknüpfung die Rechtsprechung des Senats entgegengehalten will, wonach es unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes nicht abwägungsrelevant ist, wenn - infolge des Neubaus einer Zweigstrecke - auf der bestehenden Stammstrecke eine Verkehrszunahme eintritt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 1996 - BVerwG 11 B 65.96 - Buchholz 406.25 § 43 BImSchG Nr. 5), übersieht diese Argumentation die wesentlichen Unterschiede zwischen der seinerzeit zur Entscheidung anstehenden Fallgestaltung und dem vorliegenden Sachverhalt. Klarstellend ist zu bemerken, dass der Senat unverändert daran festhält, dass nicht jeder Streckenanlieger bei einer Veränderung der Netzanknüpfung - auch wenn sein Grundstück möglicherweise kilometerweit entfernt liegt - ein abwägungsrelevantes Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes besitzt. Weiträumige Änderungen des Verkehrsaufkommens und der Verkehrsströme lösen nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG keinen Abwägungsbedarf aus.

Der Senat hat erwogen, ob es im vorliegenden Fall möglich ist, die Vorbelastung, die der Kläger sich schutzmindernd entgegenhalten lassen muss, auf der Grundlage der von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung für die Vorkriegszeit, aber auch für die Kriegszeit beigebrachten Güterzugzahlen zu ermitteln. Diesen Zahlen ist aber für diesen Zweck schon deswegen keine belastbare Aussage zu entnehmen, weil sie nur mit den damaligen Netzzusammenhängen und dem zugehörigen Verkehrskonzept zu erklären sind. Da die dem Streckenabschnitt benachbarten Kopfbahnhöfe nach ihrer Zerstörung im Kriege jedoch nicht wieder aufgebaut worden sind, ist zum einen die Annahme eines Verkehrsflusses, wie er sich aus dem alten Verkehrskonzept ergeben würde, nicht hinreichend realitätsnah. Zum anderen lässt sich aber auch nicht annähernd zuverlässig abschätzen, welches Verkehrskonzept als Alternative verwirklicht worden wäre, wenn nicht die Nord-Süd-Verbindung über den neuen Lehrter Bahnhof geführt worden wäre.

Der Senat ist der Auffassung, dass diese Unwägbarkeiten, die im Verantwortungsbereich der Beigeladenen liegen, nicht zu Lasten der Streckenanlieger gehen können. Sie können aus diesem Grunde eine Abschätzung der Vorbelastung beanspruchen, der im Zweifel ihnen günstige Annahmen zugrunde gelegt werden. Ob dabei im vorliegenden Fall nach einer Subtraktionsmethode verfahren werden durfte, wie sie die Beklagte im Verlauf des Rechtsstreits als zulässig angesehen hat, mag dahinstehen. Selbst wenn dieses Vorgehen, nämlich die prognostisch auf dem Abzweig zum neuen Lehrter Bahnhof verkehrenden Züge ersatzlos aus der Vorbelastung herauszurechnen, zu beanstanden wäre, weil es mit einem zu starken Realitätsverlust einhergeht, führt dies nicht zu dem Ergebnis, dass der Kläger sich eine Vorbelastung entgegenhalten lassen muss, die auch nur annähernd an das neue Betriebsprogramm heranreicht. Vielmehr ist allenfalls davon auszugehen, dass sich die Zugzahlen, die sich nach dem Subtraktionsverfahren ergeben, in etwa verdoppeln. Dies ist eine angemessene Schätzung, die weder die Beigeladene unzulässig benachteiligt noch den Kläger übermäßig bevorzugt.

Von dieser Vorbelastung ausgehend ist prognostisch damit zu rechnen, dass sich zwar die maximale bewertete Schwingstärke, wie die Beklagte zutreffend angenommen hat, nur unwesentlich erhöht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich insoweit im Wesentlichen nur das geringfügige Heranrücken der Gleislage an den Immissionsort auswirken kann. Anders verhält es sich aber mit der Beurteilungsschwingstärke, in die auch die Zahl und die zeitliche Verteilung der Erschütterungsereignisse eingehen. Insoweit ist nach den vorstehend entwickelten Maßstäben von einer Steigerung der Belästigungswirkung des Schienenverkehrs auszugehen, die entschädigungslos nicht mehr hinnehmbar ist. Letzteres gilt umso mehr, als sich die Vorbelastung, was die maximale bewertete Schwingstärke angeht, bereits dem kritischen Bereich annähert, wo die Fühlschwelle schon deutlich überschritten ist und deswegen - in den Wohnungen des 4. Obergeschosses - die Erschütterungen stark spürbar sind, sodass erhebliche Belästigungen nicht mehr sicher auszuschließen sind. Wenn sich derartige Erschütterungen in ihrer - bereits auf hohem Niveau liegenden - Häufigkeit annähernd verdoppeln, übersteigt dies die Zumutbarkeitsschwelle des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Dabei kommt es nicht auf die im Verfahren diskutierte Frage an, welche Referenzspektren der Erschütterungsprognose im vorliegenden Fall richtigerweise zugrunde zu legen sind.

Der Einwand der Beklagten, die vorhabenbedingte Immissionserhöhung sei nicht unzumutbar, wenn die maximale bewertete Schwingstärke - wie hier - nur unwesentlich ansteige, überzeugt den erkennenden Senat nicht. Die DIN 4150-2 gibt für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Erschütterungen an bestehenden Schienenwegen kein Beurteilungsschema vor. Wie der von der Beigeladenen hinzugezogene erschütterungstechnische Sachverständige, Herr D., in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert hat, ist dies darauf zurückzuführen, dass zu diesem Problemkreis empirische Untersuchungen, wie sie etwa zum Schienenverkehrslärm bereits durchgeführt worden sind, noch nicht vorliegen. Es sind dementsprechend wissenschaftlich gesicherte Aussagen über die Zusammenhänge zwischen dem Anstieg der Erschütterungen und dem Eintritt von erheblichen Belästigungen, die verallgemeinerungsfähig wären, derzeit kaum möglich. Tz. 6.5.3.4 DIN 4150-2 verweist aus diesem Grund insoweit auf eine Einzelfallprüfung. Bei dieser soll u.a. neben der Höhe auch die Häufigkeit der Anhaltswertüberschreitungen als Bewertungskriterium dienen (vgl. Krampitz, Der Erschütterungsschutz in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung, in: Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts II, 1997, S. 139 <146>). Eine Stufenfolge, wie sie die Beklagte befürwortet, ist somit nicht Stand der einschlägigen Fachdiskussion.

Die daraus folgende Verpflichtung der Beklagten ist im Urteil dem Grunde nach auszusprechen; gleichzeitig sind die Bemessungsgrundlagen für die Höhe anzugeben (vgl. BVerwGE 71, 166 <174 f.>; Urteil vom 11. November 1988 - BVerwG 4 C 11.87 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 6 S. 9). Als Bemessungsgrundlage wird in der Regel, wenn konkrete Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, die Verminderung des Verkehrswertes in Betracht kommen, die durch die Beeinträchtigung oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze eintritt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1988, a.a.O.). Da der Kläger sein Grundstück nicht selbst zu Wohnzwecken nutzt, erscheint es sachgerecht, auch hier entsprechend zu verfahren und die Entschädigung nach der Verkehrswertminderung zu bemessen, die durch die vorhabenbedingte Erhöhung von Art, Stärke und Zahl der Erschütterungsimmissionen eintritt.

Bei der Berechnung der vorhabenbedingten Verkehrswertminderung zu vergleichen ist die nach Ausführung des planfestgestellten Vorhabens für das Jahr 2010 prognostizierte Erschütterungssituation mit der Erschütterungssituation, die zum gleichen Zeitpunkt zu erwarten wäre, wenn die vorhandene Bahnanlage ohne die planfestgestellten Änderungen instand gesetzt und wieder in Betrieb genommen worden wäre. Zu beachten ist dabei, dass nicht etwa die Wertminderung auszugleichen ist, die infolge des Bahnbetriebs und speziell der dadurch bewirkten Erschütterungen hervorgerufen wird. Zu entschädigen ist der Kläger nur für eine Wertminderung, die sich speziell auf die vorhabenbedingte Zunahme der vom Bahnbetrieb ausgehenden Erschütterungen zurückführen lässt. Vermietungsschwierigkeiten, die bei der gegenwärtigen Marktlage auf dem Berliner Immobliensektor schon allein aus der Lage des Objektes an einer viergleisigen Eisenbahnstrecke resultieren können, hat der Kläger demnach entschädigungslos hinzunehmen. Ebenso wenig steht ihm ein Ausgleich zu, soweit der Grad, in dem die Erschütterungen spürbar werden, von der Resonanzen erzeugenden Bauweise seines Hauses verursacht wird. Auch insoweit kommt es darauf an, ob die Erschütterungswirkungen infolge des Vorhabens derart zunehmen, dass dies Einfluss auf den Verkehrswert hat.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 1, § 161 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Dabei war hinsichtlich des übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils davon auszugehen, dass Beklagte und Beigeladene dem auf Verbesserung des Lärmschutzes gerichteten Begehren des Klägers ohne Änderung der Sach- und Rechtslage teilweise entsprochen haben und der Kläger darauf hin auf die Verfolgung seines weitergehenden Lärmschutzbegehrens verzichtet hat. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seinem in erster Linie verfolgten Ziel, die Konfliktlage durch Abwehr der vorhabenbedingten Immissionen oder durch entschädigungspflichtigen Eigentumsübergang zu bereinigen, im Wesentlichen keinen Erfolg hat, dass aber sein Anspruch, für die vorhabenbedingten Erschütterungsimmissionen entschädigt zu werden, dem Grunde nach in vollem Umfang anerkannt wird.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 200 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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