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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.04.2000
Aktenzeichen: BVerwG 11 B 46.99
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 127 Abs. 2 Nr. 1
BauGB § 131 Abs. 1 Satz 1
Leitsatz:

Bei einer mehr als 100 m langen, beidseitig nicht zum Anbau bestimmten Teilstrecke einer tatsächlich einheitlichen Straße kann der Eindruck einer gewissen erschließungsrechtlichen Selbständigkeit ohne weiteres bejaht werden (wie Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 8 C 32.95 - BVerwGE 102, 294 ff.).

Beschluß des 11. Senats vom 25. April 2000 - BVerwG 11 B 46.99 -

I. VG Minden vom 16.09.1996 - Az.: VG 5 K 1789/96 - II. OVG Nordrhein-Westfalen vom 26.05.1999 - Az.: OVG 3 A 5499/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 11 B 46.99 OVG 3 A 5499/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 11. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 25. April 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Hien und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und Kipp

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 204,13 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdevortrag rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.

1. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen entscheidungserheblicher Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind nicht erfüllt. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerdebegründung muß darlegen, daß und inwiefern dies der Fall ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, stRspr; vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde sieht eine Abweichung vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 8 C 32.95 - (BVerwGE 102, 294 ff.) darin, daß das Berufungsgericht in dem angefochtenen Beschluß das in jenem Urteil genannte Maß von 100 m Länge, ab dem eine beidseitig nicht anbaubare Teilstrecke eine tatsächlich einheitliche Straße erschließungsbeitragsrechtlich zu spalten geeignet ist, als genaues Maß, d.h. als absolute Grenze, und nicht als Circa-Maß, d.h. als bloße Richtzahl, angesehen hat. Einen diesem Verständnis des Berufungsgerichts widersprechenden Rechtssatz aus dem erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat die Beschwerde jedoch nicht bezeichnet. Sie führt lediglich aus, die vom Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das angezogene Urteil vertretene Rechtsauffassung lasse sich aus diesem Urteil nicht herleiten. Das reicht zur Darlegung einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aus.

2. Entgegen der Annahme der Beschwerde hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Berufungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Auch daran fehlt es hier.

Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, "ob das von der Rechtsprechung entwickelte 100-m-Maß für die Abgrenzung einer abrechenbaren von einer nichtabrechenbaren Teilstrecke einer Erschließungsanlage als absolute Grenze oder als Richtzahl, die sowohl bei Überschreitung als auch bei Unterschreitung dieser Grenze einen Spielraum für die Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Falles eröffnet, anzusehen ist", ist - soweit sie sich im vorliegenden Verfahren stellt - durch das genannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 1996 (a.a.O.) bereits höchstrichterlich geklärt.

Nach diesem Urteil verliert eine tatsächlich einheitliche Straße ihre rechtliche Eigenschaft als beitragsfähige Anbaustraße dort, wo sie in eine beidseitig nicht anbaubare Teilstrecke übergeht, die - erstens - selbst den Eindruck einer gewissen erschließungsrechtlichen Selbständigkeit vermittelt und - zweitens - im Verhältnis zu der Verkehrsanlage insgesamt nicht von lediglich untergeordneter Bedeutung ist. Der ersten (absoluten) Anforderung ist nach dem genannten Urteil genügt, wenn die beidseitig nicht anbaubare Teilstrecke 100 m lang ist. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht diese Konkretisierung des Begriffs einer aus der Sicht des Erschließungsbeitragsrechts "nicht ins Gewicht fallenden" Teilstrecke unter Berufung auf seine ständige Rechtsprechung zur erschließungsrechtlichen Selbständigkeit von Stichstraßen entwickelt. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß in dieser Rechtsprechung die Länge von 100 m nicht als starre Grenze, sondern nur als Regel angesehen wird, die vorbehaltlich der besonderen Umstände des Einzelfalles gilt und insoweit Raum für Ausnahmen läßt (vgl. BVerwGE 99, 23 <26>; BVerwG, Urteil vom 16. September 1998 - BVerwG 8 C 8.97 - Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 109 S. 109 f.). Die dort zu beurteilende Frage, ob nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln, eine ihrerseits ebenfalls zum Anbau bestimmte Verkehrsanlage ohne Verbindungsfunktion als (nur) mehr oder weniger große unselbständige Grundstückszufahrt oder als (schon) selbständige Anbaustraße zu qualifizieren ist, läßt jedoch in ganz anderer Weise Raum für den sich vor Ort für den Betrachter ergebenden Eindruck als die vorliegend allein zu beurteilende Frage, ob Teilstrecken einer bei natürlicher Betrachtungsweise einheitlichen Straße unter Abweichung von dieser Betrachtungsweise einer unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung unterzogen werden können. Eine stärkere Typisierung dieser in erster Linie rechtlichen Frage ist nicht nur zulässig, sondern im Interesse einer praktikablen Beitragsabrechnung auch sachgerecht. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6. Dezember 1996 trotz Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht weitere, über die bereits getroffene Feststellung der Länge der nicht anbaubaren Teilstrecke hinausgehende tatsächliche Feststellungen nicht für erforderlich gehalten. Es ist also davon ausgegangen, daß bei einer mehr als 100 m langen, beidseitig nicht zum Anbau bestimmten Teilstrecke einer tatsächlich einheitlichen Straße der Eindruck einer gewissen erschließungsrechtlichen Selbständigkeit ohne weiteres bejaht werden kann.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 13 Abs. 2, § 14 GKG.

Ende der Entscheidung

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