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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 14.03.2002
Aktenzeichen: BVerwG 2 A 1.01
Rechtsgebiete: VwGO, BBG


Vorschriften:

VwGO § 50 Abs. 1 Nr. 4
VwGO § 154 Abs. 1
BBG § 78 Abs. 1
BBG § 54 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 A 1.01

Verkündet am 14. März 2002

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe:

I.

Der Kläger, ehemaliger Beamter des höheren Dienstes beim Bundesnachrichtendienst, wurde durch rechtskräftiges Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts u.a. wegen 74 vollendeter und 4 versuchter Vergehen des Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen im Strafurteil hat der Kläger mindestens 987 schriftliche Meldungen mit nachrichtendienstlich relevantem Inhalt, die er zuvor dem beim Bundesnachrichtendienst vorhandenen Nachrichtenbestand entnommen und sprachlich verändert hatte, über den ihm bekannten Dr. H. als Mittelsmann dem Bundesnachrichtendienst für 200 bis 250 DM pro Nachricht verkauft. Der Kläger bestreitet, die Nachrichten beschafft zu haben. Er gibt an, er habe lediglich den Kontakt zwischen Dr. H. und dem beim Bundesnachrichtendienst tätigen Beamten E. vermittelt und diesen anschließend um Stillschweigen auch gegenüber dem Bundesnachrichtendienst gebeten. Er habe die Nachrichten, die Dr. H. für die Weitergabe an E. vorgesehen habe, teilweise umformuliert, um ihnen eine gefälligere Form zu geben und ihre Attraktivität zu steigern. Für diese Hilfe habe Dr. H. ihm 20 000 bis 30 000 DM gezahlt.

Die Beklagte hat den Kläger mit Leistungsbescheid vom 31. Mai 1999 auf Ersatz der an Dr. H. für die Informationen gezahlten 234 800 DM herangezogen. Sie hat sich die tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts weitgehend zu Eigen gemacht und im Einzelnen dargelegt, bei welchen Treffen Dr. H. von E. welche Teilbeträge für die insgesamt gelieferten Informationen erhalten habe.

Mit seiner Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die Feststellung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, er habe die von Dr. H. dem Bundesnachrichtendienst verkauften Nachrichten zuvor dessen Nachrichtenbestand entnommen, sei unrichtig. Ein Vergleich der gelieferten mit den beim Bundesnachrichtendienst vorhandenen Nachrichten ergebe allenfalls vereinzelte zufällige Übereinstimmungen.

Der Kläger beantragt,

den Leistungsbescheid der Beklagten vom 31. Mai 1999 und den Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe 234 800 DM. Diese Forderung durfte sie durch Leistungsbescheid geltend machen (stRspr; z.B. Urteil vom 11. März 1999 - BVerwG 2 C 15.98 - Buchholz 236.1 § 24 SG Nr. 17).

Nach § 78 Abs. 1 BBG hat der Beamte den Schaden zu ersetzen, der aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung der ihm obliegenden Pflichten dem Dienstherrn entstanden ist. Der Kläger hat dadurch, dass er in der von ihm selbst eingeräumten Weise am Verkauf der Nachrichten durch Dr. H. an den Bundesnachrichtendienst mitgewirkt hat, seine Pflicht zu uneigennütziger Amtsführung und zur Wahrhaftigkeit gegenüber seinem Dienstherrn, § 54 Satz 2 BBG, vorsätzlich verletzt.

Der Kläger gesteht mehrere Verhaltensweisen ein, durch die er gegenüber dem Bundesnachrichtendienst Umstände verschleiert hat, die für die Beurteilung der nachrichtendienstlichen Qualität der von Dr. H. gelieferten Informationen wesentlich waren. Er bestreitet nicht, dass Dr. H. dem Verbindungsführer E. 1 435 Meldungen gegen Zahlung von insgesamt 234 800 DM Agentenlohn überlassen hat. Weiter gesteht er ein, dass er E. auf Dr. H. aufmerksam gemacht, gleichzeitig aber darauf hingewirkt hat, dass E. der Beklagten gegenüber verschwieg, wer ihm den Kontakt mit Dr. H. vermittelt hat. Schließlich räumt der Kläger ein, dass er Meldungen, bevor Dr. H. sie dem Verbindungsführer E. übergab, umformuliert und dafür von Dr. H. 20 000 bis 30 000 DM erhalten hat.

Als Beamter im Dienste des Bundesnachrichtendienstes war der Kläger dienstlich verpflichtet, dem Bundesnachrichtendienst seine Mitwirkung bei der Gewinnung und Aufbereitung der nachrichtendienstlichen Informationen von Dr. H. zu offenbaren. Die Bekanntschaft des Klägers mit Dr. H. und die Art, wie der Kläger Dr. H. angeworben hat, waren Umstände, deren Kenntnis die Beklagte für eine sachgerechte Einschätzung der Zuverlässigkeit dieser Quelle benötigte. Der Kläger wusste dies als im Nachrichtendienst erfahrener Beamter. Pflichtwidrig war ferner die Veränderung des Textes der Nachrichten, bevor Dr. H. sie E. übergab. Dadurch hat der Kläger, wie er ebenfalls wusste, es dem Bundesnachrichtendienst erschwert oder sogar unmöglich gemacht, die Herkunft der Nachricht festzustellen, sie etwa einer bestimmten Quelle zuzuordnen und so auf Zuverlässigkeit und Authentizität zu überprüfen.

Die Täuschung der Beklagten hat bei dieser zu einem Schaden in Höhe des an Dr. H. gezahlten Agentenlohnes geführt (zur Ursächlichkeit der Täuschung des Dienstherrn für dessen weitere Entscheidung vgl. Urteil vom 10. Juni 1999 - BVerwG 2 C 20.98 - Buchholz 237.94 § 12 S-ALBG Nr. 1 m.w.N. <Kausalität der Täuschung des Dienstherrn für die Ernennung eines Bewerbers zum Beamten>). Dass der Kläger nach eigenem Bekunden nur für einige von Dr. H. gelieferte Meldungen Formulierungshilfe geleistet hat, war nicht nur für die Qualität dieser Informationen von Bedeutung. Vielmehr war von einer solchen - wenn auch nur partiellen - "Bearbeitung" der Informationen die Wertschätzung des gesamten Materials beeinflusst. Hätte die Beklagte gewusst, dass der Kläger die Verbindung zu Dr. H. eingefädelt hat, und hätte sie gewusst, dass der Kläger eine Reihe der von Dr. H. gelieferten Meldungen - nach eigener Darstellung - sprachlich überarbeitet hat, so wäre der Ankauf der Informationen von vornherein unterblieben und nicht erst im Juli 1996 eingestellt worden. Unerheblich ist, ob der Kläger die Nachrichten, die Dr. H. dem Bundesnachrichtendienst verkauft hat, zuvor dem Nachrichtenbestand des Bundesnachrichtendienstes entnommen und - zum Teil nach Änderung ihres Wortlauts - Dr. H. überlassen hat. Aus diesem Grunde braucht nicht aufgeklärt zu werden, ob die Meldungen, die Dr. H. dem Bundesnachrichtendienst verkauft hat, aus dessen Bestand stammen und inwieweit der Kläger Zugriff auf diesen Bestand hatte.

Der Schaden der Beklagten beläuft sich auf 234 800 DM. Die darin enthaltenen 13 000 DM, die die Beklagte trotz der bei ihr inzwischen aufgekommenen Zweifel an der Authentizität aller von Dr. H. gelieferten Nachrichten zwischen April und Juli 1996 noch zahlte, um Dr. H. und seine innerhalb des Bundesnachrichtendienstes vermuteten Helfer nicht misstrauisch zu machen, sind vom Ersatzanspruch der Beklagten erfasst. Es handelt sich bei diesem Betrag um die finanzielle Einbuße, die der Beklagten erst durch die Dienstpflichtverletzung des Klägers erwachsen ist. Das pflichtwidrige Verhalten des Klägers hat die internen Untersuchungen im Bundesnachrichtendienst bis zur abschließenden Ermittlung des Bediensteten, der an dem Handel mit fingierten Nachrichten beteiligt war, notwendig gemacht (zur Einbeziehung der Kosten für Maßnahmen zur Verhütung bzw. Aufdeckung des konkreten Schadensfalles in den vom Schädiger zu ersetzenden Schaden vgl. BGHZ 75, 230 <238>).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 120 051 € (entspricht 234 800 DM) festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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