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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.01.2009
Aktenzeichen: BVerwG 2 A 3.08
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 31 Abs. 1
BeamtVG § 31 Abs. 1
Der Unfall eines Beamten im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn ist kein Dienstunfall gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, wenn der Beamte dort weder seinen Dienstort hat noch der Dienstherr einen dienstlichen Anlass für den Aufenthalt gegeben hat.
In der Verwaltungsstreitsache

...

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2009

durch

den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,

die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele und Dr. Heitz,

die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und

den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Verfahrensbeteiligten streiten um die Anerkennung eines Unfalls als Dienstunfall.

Der Kläger ist als Bundesbeamter beim Bundesnachrichtendienst (BND) beschäftigt. Im Jahr 2002 war er zunächst in der Zentrale des BND in P. eingesetzt. Durch Anordnung vom 19. August 2002 wurde er verpflichtet, in der Zeit vom 16. September bis 20. Dezember 2002 ganztägig an einem Sprachlehrgang in der Schule des BND in H. teilzunehmen. Diese liegt ungefähr 30 km von der Zentrale des BND entfernt.

Für die Dauer des Lehrgangs waren die Teilnehmer von allen anderen dienstlichen Aufgaben entbunden. Im Falle der Freistellung von einzelnen Unterrichtseinheiten waren sie gehalten, während der Dienstzeit in der Schule Selbststudium zu betreiben.

Am Nachmittag des 14. Oktober 2002 fand ausschließlich Sportunterricht statt, von dem der Kläger aufgrund eines ärztlichen Attests freigestellt war. Der Kläger trägt vor, er habe sich entschlossen, den Nachmittag zu nutzen, um sich in der Zentrale in P. nach dem Stand der Planungen für den Auslandseinsatz zu erkundigen, der für ihn und seine ebenfalls beim BND tätige Ehefrau ab dem dritten Quartal 2003 vorgesehen gewesen sei. Die Vorbereitungszeit sei aus mehreren Gründen knapp gewesen. Daher habe er mit Mitarbeitern der Organisationseinheit ... und der Abteilung ... sprechen wollen. Er habe sich bei der Lehrgangsleiterin, Frau S., mündlich abgemeldet, wie es vor Besuchen in der Zentrale während der Dienstzeit allgemein üblich gewesen sei, und sei nach P. gefahren. Dort sei er gegen 14.00 Uhr auf dem Gang des Erdgeschosses des Hauses ... auf einer feuchten Stelle ausgerutscht. Er habe zwar einen Sturz vermeiden können, nach dem Vorfall jedoch heftige Rückenschmerzen verspürt. Danach habe er noch die dort untergebrachte Organisationseinheit ... aufgesucht, könne sich jedoch nicht erinnern, welchen Mitarbeiter er angetroffen habe. Wegen der Schmerzen habe er nicht wie geplant in der Abteilung ... vorgesprochen, sondern sei nach Hause gefahren. Der kurz danach konsultierte Arzt stellte einen Bandscheibenschaden fest. Danach war der Kläger für ungefähr sechs Monate krankgeschrieben; den Sprachlehrgang musste er abbrechen.

Der BND lehnte den Antrag des Klägers, den Unfall vom 14. Oktober 2002 als Dienstunfall anzuerkennen, durch Bescheid vom 7. Dezember 2005 ab und wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2008 zurück. In den Gründen der Bescheide heißt es, der Unfall habe sich nicht in Ausübung des Dienstes ereignet. Denn der Kläger habe seinen Dienstort eigenmächtig verlassen, anstatt wie angeordnet dort Selbststudium zu betreiben.

Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Angaben begründet der Kläger seine Klage in rechtlicher Hinsicht wie folgt: Der Unfall sei ein Dienstunfall gewesen, weil er sich während der Dienstzeit am Dienstort ereignet habe. Die Zentrale des BND sei während des Sprachlehrgangs sein Dienstort geblieben. Denn er habe sich für kurzfristige Rücksprachen zur Verfügung halten müssen und seine Zutrittsberechtigung für das Gelände in P. behalten. Er habe die Zentrale am Unfalltag aus dienstlichen Gründen aufgesucht. Es sei üblich gewesen, dringende dienstliche Angelegenheiten während der Unterrichtszeit zu erledigen. Auch habe es sich bei der Fahrt von H. nach P. um eine Dienstreise gehandelt. Da er sich ordnungsgemäß bei der Lehrgangsleiterin abgemeldet habe, sei eine förmliche Reisegenehmigung nicht erforderlich gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesnachrichtendienstes vom 7. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Vorfall vom 14. Oktober 2002 als Dienstunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Gründe der ablehnenden Bescheide. Ergänzend macht sie nunmehr geltend, der Kläger habe den ihm obliegenden Nachweis für die Richtigkeit seiner Angaben, insbesondere zum Unfallort, nicht erbracht. Keine der befragten Personen habe bestätigt, dass er sich am 14. Oktober 2002 in der Zentrale aufgehalten habe.

Dem hält der Kläger entgegen, die Beklagte könne seine Angaben zum Unfallgeschehen nicht mehr in Zweifel ziehen. Denn sie habe die Pflicht verletzt, den Unfall nach der Meldung unverzüglich zu untersuchen. Die Befragungen seien erst in den Jahren 2006 und 2007 durchgeführt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Aktenauszüge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage, über die der Senat gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz entscheidet, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfalls vom 14. Oktober 2002 als Dienstunfall im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes - BeamtVG -. Die gesetzlichen Voraussetzungen sind auch dann nicht gegeben, wenn die Darstellung des Unfallgeschehens durch den Kläger der rechtlichen Prüfung zugrunde gelegt wird. Aus diesem Grund braucht der Senat den von der Beklagten geäußerten Zweifeln an der Richtigkeit dieser Darstellung nicht nachzugehen.

1.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Danach ist zum einen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Ereignis und Schaden erforderlich. Zum anderen verlangt das gesetzliche Merkmal "in Ausübung des Dienstes", dass das den Schaden verursachende Ereignis dem Dienst des Beamten zuzurechnen ist. Hierfür genügt nicht jeder Zusammenhang des Unfalls mit dem Dienst. Vielmehr setzt die Zurechnung voraus, dass eine besonders enge ursächliche Verknüpfung besteht.

a.

Dabei kommt nach dem Normzweck des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dem Kriterium der Beherrschbarkeit des Risikos der Geschehnisse durch den Dienstherrn besondere Bedeutung zu. Der Beamte steht unter dem besonderen Schutz der Unfallfürsorge, wenn er bestimmungsgemäß im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn Dienst leistet. Aufgrund dieser Risikoverteilung handelt es sich bei einem Unfall, den ein Beamter während der Dienstzeit an seinem Dienstort im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn erleidet, um einen Dienstunfall im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, ohne dass es darauf ankommt, ob die Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignet, dienstlich geprägt ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn diese Tätigkeit vom Dienstherrn verboten ist oder dessen wohlverstandenen Interessen zuwiderläuft(Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 2 C 24.06 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 18 Rn. 11; Beschluss vom 26. Februar 2008 - BVerwG 2 B 135.07 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 20 Rn. 7).

Dienstort im dienstunfallrechtlichen Sinne ist derjenige Ort, an dem der Beamte die ihm übertragenen dienstlichen Aufgaben zu erledigen hat. Sind dem Beamten für gewisse Zeit Aufgaben zugewiesen, die er nicht an seinem üblichen Dienstort, insbesondere nicht an seinem Arbeitsplatz in einem Dienstgebäude, sondern an einem anderen Ort wahrnehmen muss, so wird dieser Ort für die Dauer der Aufgabenerledigung vorübergehend Dienstort. Haben etwa Lehrer in einem Schullandheim Aufsicht zu führen, so tritt dieses für die Dauer des Aufhalthalts als Dienstort an die Stelle der Schule (Beschluss vom 26. Februar 2008 a.a.O. Rn. 9).

Diese Voraussetzungen für die Annahme eines Dienstunfalls sind hier nicht erfüllt. Zwar ist der Kläger nach seinen Angaben am 14. Oktober 2002 in der Zentrale des BND und damit im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn verunglückt. Dort befand sich am Unfalltag jedoch nicht sein Dienstort. Denn für die Dauer des dreimonatigen Sprachlehrgangs war Dienstort des Klägers die 30 km von der Zentrale entfernte Schule des BND in H. Der Kläger hatte seine regelmäßige Dienstleistungspflicht ausschließlich durch die Teilnahme an diesem Lehrgang in der Schule zu erfüllen. Bei Freistellung von einzelnen Unterrichtseinheiten war er verpflichtet, während der Dienstzeit dort Selbststudium zu betreiben. Demgegenüber oblagen ihm während des Lehrgangs keine dienstlichen Aufgaben in der Zentrale.

b.

Ein Unfall außerhalb des Dienstortes des Beamten ist ein Dienstunfall im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, wenn die Tätigkeit, bei der er sich ereignet, durch die Erfordernisse des dem Beamten obliegenden Dienstes geprägt ist. Die Tätigkeit muss in den Dienstbetrieb einbezogen sein; dieser muss die wesentliche Ursache für den Unfall gesetzt haben. Dies ist der Fall, wenn die Tätigkeit entweder im engen Zusammenhang mit den Dienstaufgaben des Beamten oder sonstigen dienstlich notwendigen Verrichtungen steht oder in einem dienstlichen Über- und Unterordnungsverhältnis ausgeübt wird. Dagegen liegt kein Dienstunfall vor, wenn die Tätigkeit vorwiegend auf einer autonomen Entscheidung des Beamten beruht(Urteile vom 14. Dezember 2004 - BVerwG 2 C 66.03 - Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 6 S. 11 und vom 31. Januar 2008 - BVerwG 2 C 23.06 - Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 19 Rn. 13 f.).

Nach diesem Maßstab hat der Kläger am 14. Oktober 2002 keinen Dienstunfall erlitten. Sein Aufenthalt in der Zentrale des BND am Unfalltag war nicht durch die Erfordernisse des Dienstes geprägt. Er war nicht in den weisungsgebundenen Dienstbetrieb einbezogen und stand nicht in einem dienstlichen Über- und Unterordnungsverhältnis. Vielmehr beruhte der Aufenthalt auf der freien, nicht durch dienstliche Vorgaben beeinflussten Entscheidung des Klägers, die Zentrale des BND aufzusuchen. Daher hat der Kläger die wesentliche Ursache für den Unfall aus freien Stücken gesetzt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Nach dem Sachvortrag des Klägers stand sein Besuch in der Zentrale am Unfalltag zwar in einem dienstlichen Zusammenhang. Denn er wollte sich nach dem Stand der Planungen für einen Auslandseinsatz erkundigen. Für dieses Vorgehen bestand jedoch kein dienstlicher Anlass oder gar eine dienstliche Notwendigkeit. Zum einen war der Kläger für die Dauer des Lehrgangs von seinen dienstlichen Aufgaben in der Zentrale des BND entbunden. Er hatte dort am Unfalltag keine Tätigkeit wahrzunehmen, die im Zusammenhang mit seinem Dienst vor oder nach dem Lehrgang stand. Zum anderen war er weder angewiesen worden, wegen des geplanten Auslandseinsatzes in der Zentrale vorzusprechen, noch hatte er einen solchen Besprechungstermin vereinbart. Auch der in der mündlichen Verhandlung vertiefte Vortrag des Klägers lässt nicht den Schluss zu, dass persönliche Nachfragen keinen Aufschub mehr duldeten. Denn der Auslandseinsatz sollte erst ungefähr ein Jahr später beginnen. Die Abmeldung des Klägers bei der Lehrgangsleiterin in der Schule des BND ist ohne rechtliche Bedeutung für die Frage, ob der Aufenthalt des Klägers in der Zentrale dienstlich veranlasst war. Hinzu kommt, dass dieser Aufenthalt und damit der Unfall nur möglich waren, weil der Kläger seine dienstliche Verpflichtung vernachlässigte, während der Dienstzeit in der Schule Selbststudium zu betreiben.

Bei dieser Sachlage hätte die Annahme eines Dienstunfalls zur Folge, dass ein Unfall eines Beamten im räumlichen Machtbereich des Dienstherrn auch dann ein Dienstunfall wäre, wenn der Beamte dort weder seinen Dienstort hat noch der Dienstherr einen dienstlichen Anlass für den Aufenthalt gegeben hat. Damit würden die gesetzlich vorgegebene Risikoverteilung und damit der Anwendungsbereich der Dienstunfallfürsorge aufgrund einer autonomen Entscheidung des Beamten einseitig zu Lasten des Dienstherrn erweitert. Dies lässt sich mit dem Normzweck des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht vereinbaren.

2.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG stellt ein Unfall einen Dienstunfall dar, der sich während einer Dienstreise, eines Dienstgangs oder der dienstlichen Tätigkeit am Bestimmungsort ereignet. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Bundesreisekostengesetzes - BRKG - sind Dienstreisen Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb der Dienststätte. Der Begriff des Dienstgeschäfts knüpft an das Amt im konkret-funktionellen Sinne an. Als Dienstgeschäft sind die dem Beamten zur Erledigung übertragenen dienstlichen Aufgaben anzusehen(Urteil vom 12. Dezember 1979 - BVerwG 6 C 23.78 - Buchholz 238.90 Reise- und Umzugskosten Nr. 79 S. 101).

Danach liegt hier kein Dienstunfall gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG vor, weil die Zentrale des BND nicht Bestimmungsort einer Dienstreise des Klägers war. Auf der Grundlage seines Sachvortrags handelte es sich bei der Fahrt des Klägers von der Schule des BND zur Zentrale am 14. Oktober 2002 nicht um eine Dienstreise im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 BRKG. Denn der Kläger unternahm die Fahrt nicht, weil ihm in der Zentrale dienstliche Aufgaben oblagen. Vielmehr bestand seine dienstliche Aufgabe darin, in der Schule des BND am Sprachlehrgang teilzunehmen und dort Selbststudium zu betreiben. Davon abgesehen war eine persönliche Vorsprache des Klägers in der Zentrale nicht aus dienstlichen Gründen angeordnet, vereinbart oder dringend notwendig. Daher war die Abmeldung bei der Lehrgangsleiterin nicht geeignet, der Fahrt den Charakter einer Dienstreise zu verleihen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

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