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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 12.04.2001
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 10.00
Rechtsgebiete: VwGO, LBG NW


Vorschriften:

VwGO § 79
VwGO § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO § 161 Abs. 2
LBG NW § 187
Ein Antrag auf Zulassung zu einem Lehrgang und zu der anschließenden Prüfung erledigt sich, wenn dem Bewerber die Zulassung aus Gründen beschränkter Ausbildungskapazitäten versagt worden war und er auf Grund einer einstweiligen Anordnung an der Prüfung teilnimmt und diese besteht. Die danach erhobene Klage ist unzulässig.

Eine trotz Erledigung ergangene Widerspruchsentscheidung in der Sache ist unzulässig.


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 10.00 OVG 6 A 3047/97

Verkündet am 12. April 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 1999 wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Aufhebung des Widerspruchsbescheides richtet. Im Übrigen werden der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 1999 und das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 6. Mai 1997 aufgehoben. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Gründe:

I.

Der Kläger nahm als Kriminalhauptmeister des Beklagten Anfang 1993 an einem Verfahren zur Auswahl lebensälterer Polizeivollzugsbeamter teil, die in den gehobenen Polizeivollzugsdienst aufsteigen wollten. Gegen den als Ergebnis des Auswahlverfahrens bescheinigten "Rangordnungswert", legte er Widerspruch ein und beantragte zugleich, zum nächsten Aufstiegslehrgang für Lebensältere zugelassen zu werden.

Im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtete das Verwaltungsgericht den Beklagten, den Kläger zu dem anstehenden Aufstiegslehrgang mit abschließender II. Fachprüfung für Lebensältere zuzulassen. Die Beschwerde des Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht zurück.

Der Kläger nahm an dem Aufstiegslehrgang teil und legte die II. Fachprüfung mit Erfolg ab. Danach wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Im Jahre 1995 wurde der Kläger auf der Grundlage eines Erlasses des Innenministers, der einen prüfungsfreien Aufstieg bis zu einem Amt der Besoldungsgruppe A 11 BBesO ermöglichte, zum Polizeikommissar ernannt.

Mit seiner Klage hat der Kläger beantragt, die Bescheinigung über den Rangordnungswert aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, ihn zu dem Aufstiegslehrgang mit anschließender II. Fachprüfung zuzulassen. Durch Teilurteil hat das Verwaltungsgericht die dem Kläger erteilte Bescheinigung über den Rangordnungswert und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Das Verwaltungsgericht habe durch Teilurteil über den Anfechtungsantrag entscheiden dürfen. Die Anfechtungsklage sei nicht erledigt, da die Entscheidung über den Rangordnungswert Grundlage der noch ausstehenden Zulassungsentscheidung selbst sein solle. § 17 Abs. 1 AVOPol a.F. treffe nicht die für die Auswahlentscheidung erforderliche normative Regelung. Die alleinige Verweisung des Verordnungsgebers auf "ein Verfahren nach den Regeln des Personal-Auswahl-Centers für den gehobenen Polizeivollzugsdienst im Land Nordrhein-Westfalen ... (Auswahlverfahren)" sage weder über dessen Inhalte noch über das dabei zu befolgende Verfahren Substantielles aus. Wegen der Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift sei der angefochtene Bescheid über den Rangordnungswert aufzuheben.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts und verfolgt seinen in den Vorinstanzen gestellten Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluss und beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Oberbundesanwalt schließt sich der Auffassung der Revision an, dass Regelungen für die Zulassung zum Laufbahnaufstieg keiner normativen Ausgestaltung bedürfen.

II.

Die Revision ist begründet, soweit die Bescheinigung über den dem Kläger zugeteilten Rangordnungswert aufgehoben worden ist. Dagegen ist die Revision zurückzuweisen, soweit sie sich auch gegen die Aufhebung des Widerspruchsbescheides richtet.

Das auf die Zulassung zu dem Aufstiegslehrgang und zu der anschließenden Fachprüfung gerichtete Klagebegehren hat sich bereits vor Klageerhebung insgesamt in der Hauptsache erledigt. Mit dem Bestehen der Prüfung hat der Kläger unabhängig davon, ob die einstweilige Anordnung zu Recht oder zu Unrecht ergangen ist, die Befähigung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst ("Laufbahnabschnitt II" im Sinne der Laufbahnverordnung der Polizei vom 4. Januar 1995, GV.NW S. 42) endgültig erworben. Damit hat sich auch der Streit um den Rangordnungswert erledigt, der ohnehin im Rahmen des einheitlichen Klagebegehrens keine selbständige Bedeutung hatte.

Zwar erfolgt die Teilnahme an einer Prüfung grundsätzlich auf eigenes Risiko, wenn sie auf Grund einer einstweiligen Anordnung ermöglicht wird. Die hierdurch vermittelte vorläufige Rechtsposition ist "ungesichert" und entfällt in der Regel rückwirkend, falls der Bewerber im Hauptsacheverfahren unterliegt (vgl. Urteil vom 15. Dezember 1993 - BVerwG 6 C 20.92 - BVerwGE 94, 352 <356>). Jedoch kann dem Bewerber, der eine Prüfung bestanden hat, an der er auf Grund einer einstweiligen Anordnung teilnehmen durfte, im Nachhinein nicht mehr entgegengehalten werden, dass er ausschließlich aus Gründen beschränkter Kapazitäten von der Prüfung und der ihr vorangehenden Ausbildung ausgeschlossen sein sollte. Denn mit dem Bestehen der Aufstiegsprüfung hat der Bewerber nachgewiesen, dass er den Lehrgangs- und Prüfungsanforderungen gewachsen war (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 1996 - 1 BvR 638/96 - DVBl 1996, 1367 <1368>).

Der Kläger hat sämtliche Anforderungen erfüllt, die der Beklagte an den Nachweis der Befähigung für den gehobenen Dienst/ Laufbahnabschnitt II des Polizeivollzugsdienstes nach der im Jahre 1994 maßgeblichen Rechtslage gestellt hat. Dieser Befähigungsnachweis wird durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützt und verleiht dem Kläger das Recht, entsprechend seiner Qualifikation bei der Besetzung öffentlicher Ämter berücksichtigt zu werden.

Der Rangordnungswert, der dem Kläger in dem der Zulassung zum Aufstiegslehrgang und zur II. Fachprüfung vorgeschalteten Auswahlverfahren zuerkannt wurde und der nach den Vorgaben des Innenministers für eine Zulassung nicht ausreichen sollte, begründete keine "absolute Zugangssperre". Dadurch unterscheidet er sich von Eignungs- und sonstigen Zulassungsvoraussetzungen, die durch Rechtsvorschriften gefordert werden und deren Mangel im Verfahren zur Hauptsache weiterhin beachtlich ist. Der Rangordnungswert beruhte nicht auf einer Qualifikationsprüfung, die ihrerseits bereits ausschloss, dass der Bewerber in den gehobenen Dienst/Laufbahnabschnitt II aufsteigen konnte.

Gemäß § 15 Laufbahnverordnung der Polizei in der im Jahre 1994 geltenden Fassung (vgl. § 15 LVOPol vom 8. November 1983, GV.NW S. 514, i.d.F. der Zweiten, Dritten und Vierten Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung der Polizei vom 7. Dezember 1989, GV.NW S. 681, vom 4. Dezember 1991, GV.NW S. 552, und vom 27. Oktober 1992, GV.NW S. 428) entschied der Innenminister über die Zulassung zur Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst im Rahmen des Bedarfs unter Berücksichtigung der durch den Rangordnungswert bestimmten Reihenfolge (Abs. 3). Der Rangordnungswert wurde nach Abschluss des Auswahlverfahrens ermittelt (Abs. 2). Gemäß § 13 Abs. 7 der Ausbildungsverordnung der Polizei vom 8. November 1983 (GV.NW S. 518) i.d.F. der Zweiten und Dritten Verordnung zur Änderung der Ausbildungsverordnung der Polizei vom 27. Oktober 1992 (GV.NW S. 428) und vom 29. März 1994 (GV.NW S. 158) war dem Innenminister eine Übersicht vorzulegen, aus der sich die Reihenfolge aller Teilnehmer am Auswahlverfahren nach dem festgestellten Rangordnungswert ergab.

Nach diesen normativen Vorgaben, die auf der Grundlage des § 187 LBG NW ergangen sind, hatte der Rangordnungswert ausschließlich die Funktion eines relativen Auswahlmerkmals. Er sollte mit Blick auf die nur begrenzt verfügbaren Lehrgangsplätze eine Auswahl unter den zahlreichen Bewerbern ermöglichen, die nach den weiteren Voraussetzungen prinzipiell für einen Aufstieg in Betracht kamen. Ergebnis des Auswahlverfahrens war nicht die Feststellung, dass der einzelne Bewerber für den gehobenen Polizeivollzugsdienst geeignet oder ungeeignet war. Das Auswahlverfahren diente - wie der Beklagte im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes selbst vorgetragen hat - lediglich dazu, unter den Bewerbern "eine leistungsbezogene Rangreihe für die spätere Zulassung zur Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst aufzustellen". Denn die Zulassung zu einem Aufstiegslehrgang hing von der Zahl der Bewerber, von den erzielten Rangordnungswerten und von der Zahl der Lehrgangsplätze ab. In diesem Zusammenhang hatte der Rangordnungswert nur relative Bedeutung. Erst aus den konkreten Verhältnissen eines Zulassungsverfahrens ergab sich der jeweilige Grenzwert, bis zu dem die Teilnehmer ausgewählt wurden.

Der Rangordnungswert hatte keine darüber hinausgehende Funktion. Er floss nicht in die Bewertung der II. Fachprüfung ein und darf nicht Gegenstand dienstlicher Beurteilungen sein. Ihm kam auch keine zusätzliche "Sperrwirkung" im Hinblick auf den Zugang zu den Ämtern des gehobenen Polizeivollzugsdienstes/Laufbahnabschnitt II zu. Ob der Beklagte nach den laufbahnrechtlichen Bestimmungen überhaupt befugt ist, eine von der (fachlichen) Befähigung abgrenzbare "laufbahnbezogene Eignung" der Beamten festzustellen, die sich für einen Aufstieg bewerben, mag dahinstehen. Jedenfalls wurde mit dem Rangordnungswert eine derartige Feststellung nicht getroffen. Dessen Zuteilung setzte voraus, dass der Bewerber sämtliche Voraussetzungen erfüllte, die für den Aufstieg zwingend vorgeschrieben waren (z.B. Lebensalter, Dienstzeit). Eine "relative Laufbahnbefähigung" ist nicht vorgesehen. Insoweit gilt für Aufstiegsbeamte nichts anderes als für Laufbahnbewerber, deren laufbahnrechtliche Befähigung unabhängig von der persönlichen Eignung für ein Amt dieser Laufbahn besteht. Im Übrigen ist auch der Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger für den "Laufbahnabschnitt II" prinzipiell geeignet ist. Anderenfalls hätte er ihm nicht das Amt eines Polizeikommissars übertragen. Insoweit ist es unerheblich, ob der Kläger im Rahmen eines prüfungsfreien oder eines prüfungsabhängigen Aufstiegs befördert worden ist. Die Begrenzung des prüfungsfreien Aufstiegs auf die Ämter bis zur Besoldungsgruppe A 11 berührt nicht die Eignung und Befähigung für den "Laufbahnabschnitt II", sondern allenfalls die Eignung für höherwertige Ämter innerhalb dieses Laufbahnabschnitts.

Die auf Zulassung zum Lehrgang und zur Prüfung gerichtete Klage ist unzulässig, weil ein Rechtsschutzinteresse schon zu dem Zeitpunkt nicht bestand, als sie erhoben wurde. Für eine Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) fehlt das erforderliche Feststellungsinteresse. Die auf Grund erfolgreich absolvierter Prüfung erworbene Befähigung hat auch dann Bestand, wenn der Kläger zu Unrecht an Lehrgang und Prüfung teilgenommen haben sollte.

Die gegen den Widerspruchsbescheid gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Nach Erledigung des zunächst notwendigerweise mit dem Widerspruch verfolgten Begehrens (§ 126 Abs. 3 BRRG) durfte mit dem Widerspruchsbescheid eine Sachentscheidung nicht mehr getroffen werden. Vielmehr war das Vorverfahren einzustellen. Durch die gleichwohl ergangene Sachentscheidung ist der Kläger beschwert. Er ist gehalten, den Widerspruchsbescheid anzufechten, weil durch die Zurückweisung seines Widerspruchs der Eindruck entstanden ist, das erledigte Begehren sei bestandskräftig abgelehnt worden (vgl. Urteil vom 20. Januar 1989 - BVerwG 8 C 30.87 - BVerwGE 81, 226 <228 f.>).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Dass die Klage keinen Erfolg hat, soweit sie über die Aufhebung des Widerspruchsbescheides hinausgeht, wirkt sich bei der Kostenentscheidung nicht zu Lasten des Klägers aus. Er ist nur geringfügig unterlegen. Der unzulässige Teil der Klage hat den Streitwert nicht erhöht. Der Kläger verliert insoweit auch nur aus dem Grunde, aus dem er der Sache nach in vollem Umfange obsiegt. Denn die Feststellung der Erledigung beinhaltet zugleich die Bestätigung, dass der Kläger die Befähigung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst/Laufbahnabschnitt II endgültig erlangt hat.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 8 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).



Ende der Entscheidung

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