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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 22.07.1999
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 19.98
Rechtsgebiete: BeamtVG, BeamtVG F. 1991, GG, EG-Vertrag


Vorschriften:

BeamtVG § 14 Abs. 1
BeamtVG § 85 Abs. 1
BeamtVG § 4
BeamtVG - F. 1991 - § 6
BeamtVG - F. 1991 - § 14 Abs. 1
GG Art. 3
EG-Vertrag Art. 119 (nach Änderung Art. 141)
Leitsatz:

Die zeitanteilige Kürzung des Ruhegehalts ehemals teilzeitbeschäftigter Beamter/Richter ("Versorgungsabschlag") im Rahmen der Übergangsregelung des § 85 BeamtVG für am 31. Dezember 1991 vorhandene Beamte/Richter verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (wie Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 2.98 - Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 4).

Urteil des 2. Senats vom 22. Juli 1999 - BVerwG 2 C 19.98 -

I. VG Frankfurt vom 02.02.1998 - Az.: VG 9 E 991/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 19.98 VG 9 E 991/97

Verkündet am 22. Juli 1999

Pompe Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 1999 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 1998 wird aufgehoben. Die Klage wird mit dem Hauptantrag abgewiesen.

Wegen des Hilfsbegehrens wird das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Die 1939 geborene Klägerin trat 1970 als Richterin in den Dienst des Beklagten. Im November 1989 bewilligte der Beklagte ihr Teilzeitbeschäftigung im Umfang der Hälfte des regelmäßigen Dienstes eines Richters in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1999. Als die Klägerin sich gegen den Hinweis in dem Bescheid wandte, bei Teilzeitbeschäftigung richte sich der Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, antwortete das Hessische Ministerium der Justiz am 25. Juli 1990, das Beamtenversorgungsgesetz sei geändert worden, bei Fortgeltung des geänderten Rechts dürfte bei der Klägerin, sofern sie nicht vor dem 1. Januar 1992 in den Ruhestand trete, kein Versorgungsabschlag vorzunehmen sein. Auf weitere Anfragen der Klägerin zur Anwendbarkeit des Versorgungsabschlags auch bei der Berechnung ihres Ruhegehalts führte der Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt mit Schreiben vom 14. Juni 1993 aus, vorbehaltlich des Gleichbleibens der Rechtslage würde sich bei Wahrnehmung der bewilligten zehnjährigen Teilzeitbeschäftigung und einer anschließenden Vollzeitbeschäftigung bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand mit Ablauf des Monats März 2004 unter Berücksichtigung des nach § 85 Abs. 1, Abs. 4 BeamtVG anzusetzenden Versorgungsabschlags ein Ruhegehaltssatz von 71,22 v.H. ergeben. Auf Antrag der Klägerin vom 21. Oktober 1993 setzte der Beklagte durch Bescheid vom 22. August 1994 das Ende der Teilzeitbeschäftigung auf den 30. September 1994 fest.

Mit dem Ende des Monats Oktober 1996 trat die Klägerin wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Mit Bescheid vom 5. August 1996 setzte der Beklagte ihre Versorgungsbezüge auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes von 68,87 v.H. fest, der nach § 85 BeamtVG unter Berücksichtigung eines Versorgungsabschlags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG a.F. ermittelt worden war.

Das nach erfolglosem Vorverfahren angerufene Verwaltungsgericht hat den Beklagten verpflichtet, den Ruhegehaltssatz der Klägerin auf 71,46 v.H. festzusetzen. Es hat zur Begründung ausgeführt:

Die Klägerin habe einen Anspruch auf Festsetzung eines Ruhegehalts unter Außerachtlassung der Regelung über den Versorgungsabschlag bei Teilzeitbeschäftigten gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG a.F. Diese Vorschrift verstoße gegen das Gebot der Lohngleichheit bei Männern und Frauen nach Art. 119 des EG-Vertrages. Der Versorgungsabschlag sei eine mittelbare Diskriminierung von Frauen. Denn angesichts eines Anteils von 90 - 99 % Teilzeitbeschäftigter weiblichen Geschlechts im hessischen Landesdienst seien von dieser Kürzung der Altersversorgung ganz überwiegend Frauen betroffen. Die unterschiedliche Behandlung von Frauen aufgrund des Versorgungsabschlags beruhe auch nicht auf objektiv gerechtfertigten Faktoren. Wegen seiner abschreckenden Wirkung sei der Versorgungsabschlag nicht geeignet, das rechtspolitische Ziel zu erreichen, die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst durch Erweiterung der Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit zu erhöhen. Auch wegen der Haushaltseinsparungen, die sich mit dem Versorgungsabschlag erzielen ließen und mit denen die zusätzlichen besonderen Aufwendungen für die Altersversorgung früher teilzeitbeschäftigter Beamter ausgeglichen werden könnten, sei die Ruhegehaltskürzung nicht gerechtfertigt. Danach bedürfe es keiner Entscheidung mehr hinsichtlich der von der Klägerin weiterhin problematisierten Frage, ob ihr in Anbetracht des Schreibens des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 25. Juli 1990 ein Schadensersatzanspruch dahin gehend zustehe, daß sie versorgungsrechtlich so gestellt werde, wie wenn die streitige Regelung über den sog. Versorgungsabschlag in ihrem Falle nicht zur Anwendung käme.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Februar 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, daß der Versorgungsabschlag auch gegen Art. 3 und Art. 33 Abs. 5 GG verstoße.

Der Oberbundesanwalt tritt der Revision bei und führt aus, die Gewährung von Versorgungsbezügen, die um den Versorgungsabschlag gemindert seien, an ehemals teilzeitbeschäftigte Frauen verstoße weder gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GG noch gegen Art. 119 des EG-Vertrages.

II.

Die Revision des Beklagten hat zum Teil Erfolg. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage mit dem Hauptantrag abzuweisen. Wegen des hilfsweise erhobenen Begehrens auf Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz ist der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Der Beklagte hat das Ruhegehalt der Klägerin, die sich am 31. Dezember 1991 in einem Richterverhältnis befand und mit Ablauf des Monats Oktober 1996 in den Ruhestand versetzt worden ist, gemäß der Übergangsregelung des § 85 Abs. 1, 4 BeamtVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I S. 3858) unter Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Dienstzeiten sowie der Ausbildungszeiten und sonstigen Zeiten durch eine dreifache Vergleichsberechnung ermittelt:

- Ausgangspunkt und erste Vergleichsgröße ist der Ruhegehaltssatz, der sich nach neuem Recht gemäß der heutigen linearen Ruhegehaltstabelle des § 14 Abs. 1 BeamtVG ergibt. Er beträgt im Falle der Klägerin 62,61 v.H. (1,875 v.H. x 33,39 Jahre).

- Ihr ist als zweite Vergleichsgröße gegenübergestellt der nach dem früheren Recht von der Klägerin bis zum 31. Dezember erreichte, ihr gewahrt bleibende Ruhegehaltssatz gemäß der früheren degressiven Ruhegehaltstabelle des § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung - BeamtVG a.F. -, jedoch ohne den Versorgungsabschlag nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 (68,00 v.H.), erhöht um den in einer "Mischberechnung" ermittelten Vomhundertsatz für die ab 1992 noch angefallenen ruhegehaltfähigen Dienstzeiten (3,46 v.H.). Dieser Ruhegehaltssatz kommt zur Anwendung, falls er höher ist als der nach neuem Recht sich ergebende. Er ist jedoch begrenzt durch den

- als dritte Vergleichsgröße ermittelten Ruhegehaltssatz, der sich bei vollständiger Anwendung des früheren Rechts einschließlich der umstrittenen Verminderung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG a.F. auf alle ruhegehaltfähigen Zeiten ergibt (§ 85 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG) und der 68,87 v.H. beträgt (vgl. dazu Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 2.98 - <Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 4>).

Aufgrund dieser Vergleichsberechnung, gegen deren rechnerische Richtigkeit die Klägerin keine Einwände erhebt, hat der Beklagte den Ruhegehaltssatz der Klägerin gemäß der dritten Vergleichsgröße festgesetzt.

Die Festsetzung auf 68,87 v.H. ist nicht wegen der Berücksichtigung des Versorgungsabschlags nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG a.F. rechtswidrig. Diese Regelung enthält keine den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Benachteiligung solcher früherer Beamten oder Richter, die zeitweise teilzeitbeschäftigt oder ohne Dienstbezüge beurlaubt waren. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 2.98 - (a.a.O.) im einzelnen ausgeführt. Danach diente § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG a.F. der Korrektur der vergleichsweisen Besserstellung der ehemals nicht vollzeitig beschäftigt gewesenen Beamten infolge der Geltung der früheren degressiven Ruhegehaltstabelle auch für sie. Diese Besserstellung wurde nicht bereits durch die Berücksichtigung von Teilzeitbeschäftigung und Urlaub nach § 6 Abs. 1 BeamtVG vermieden. § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BeamtVG a.F. sah bei Vollendung einer zehnjährigen ruhegehaltfähigen Dienstzeit einen Ruhegehaltssatz vor, der mit 35 v.H. anteilig deutlich höher war als die Ruhegehaltssätze für die weiteren Dienstjahre. Erst durch die Minderungen nach § 6 Abs. 1 und nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG a.F. wurde das Ruhegehalt der vor Eintritt in den Ruhestand insgesamt erbrachten Dienstleistung angepaßt. Deshalb bewirken erst diese Minderungen der Versorgungsbezüge die gebotene Angleichung der Versorgung des Teilzeitbeschäftigten an seine vor dem Eintritt in den Ruhestand insgesamt erbrachte Dienstleistung. Die gleiche anteilige Kürzung ergibt sich gegenwärtig ohne besondere Berücksichtigung eines Versorgungsabschlags aus der nunmehr linear gestalteten Ruhegehaltstabelle nach § 14 Abs. 1 BeamtVG. Aus diesem Grunde hat der Senat im Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 2.98 - (a.a.O.) § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG und bereits im Urteil vom 27. Februar 1992 - BVerwG 2 C 6.91 - (Buchholz 239.2 § 26 BeamtVG Nr. 1) die zu § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG a.F. parallele Regelung des § 26 Abs. 1 SVG als verfassungsgemäß erachtet.

§ 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BeamtVG a.F. ist nach der Rechtsprechung des Senats auch mit Art. 119 EGV (nach Änderung jetzt Art. 141 EG) vereinbar (Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 2.98 - <a.a.O.>; vgl. auch Urteil vom 11. März 1999 - BVerwG 2 C 18.98 - <zur Veröffentlichung vorgesehen> zu § 14 Abs. 6 Satz 2 BeamtVG).

Da das Begehren auf Verurteilung des Beklagten, den für die Klägerin maßgebenden Ruhegehaltssatz auf 71,46 v.H. festzusetzen, endgültig abgewiesen ist, muß nunmehr über das hilfsweise erhobene Begehren auf Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz wegen der nach Auffassung der Klägerin falsch erteilten Rechtsauskunft entschieden werden. Dieses Begehren hat die Klägerin ausweislich der Klageschrift vom 8. April 1997 (vgl. S. 7) und ihres weiteren schriftsätzlichen Vortrags vom 27. Juni 1997 (S. 3 ff.) ungeachtet seiner Nichterwähnung im erstinstanzlichen Klageantrag zusätzlich und damit hilfsweise zu dem Begehren auf Verpflichtung zur Festsetzung des günstigeren Ruhegehaltssatzes erhoben. So hat auch das Verwaltungsgericht das Klageziel aufgefaßt (vgl. UA S. 20).

Dieses alternativ und hilfsweise erhobene Begehren ist zulässig. Die Klägerin hatte bereits in ihrem Schreiben vom 5. Oktober 1993 und damit vor Erhebung der Klage gegenüber dem Hessischen Ministerium der Justiz die Forderung nach Schadensersatz erhoben (vgl. zu diesem Erfordernis nach ständiger Rechtsprechung z.B. Beschluß vom 1. Dezember 1993 - BVerwG 2 B 115.93 - <Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 110> mit Nachweisen) und diese Forderung auch zum Gegenstand ihres Widerspruchs vom 14. Oktober 1996 gemacht. Da das Verwaltungsgericht - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keinerlei Ausführungen zu diesem Hilfsbegehren gemacht und auch die für eine Entscheidung in der Sache erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, insbesondere zur Ursächlichkeit der Auskunft des Hessischen Ministeriums der Justiz vom 25. Juli 1990 für eine Rückkehr der Klägerin zur Vollbeschäftigung erst zum 1. Oktober 1994, nicht getroffen hat, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Beschluß

Der Streitwert wird für die Revisionsinstanz auf 6 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG; pauschalierter Zweijahresbetrag der Differenz zwischen dem der Klägerin auf der Grundlage eines Ruhegehaltssatzes von 68,87 v.H. gewährten und dem auf der Basis eines Ruhegehaltssatzes von 71,46 v.H. erstrebten Ruhegehalt).

Ende der Entscheidung

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