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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 16.07.1998
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 25.97
Rechtsgebiete: BBesG, BBesG Anlage I


Vorschriften:

BBesG § 42 Abs. 1 und 3
BBesG Anlage I Vorbem. Nr. 6 und Nr. 6 a
Leitsatz:

Die Gewährung einer Stellenzulage setzt grundsätzlich voraus, daß der Beamte in vollem Umfang in der zulageberechtigenden Funktion verwendet wird (wie BVerwGE 98, 192).

Urteil des 2. Senats vom 16. Juli 1998 - BVerwG 2 C 25.97 -

I. VG Kassel vom 26.11.1993 - Az.: VG 8 E 1310/92 - II. VGH Kassel vom 14.10.1997 - Az.: VGH 1 UE 191/94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 25.97 VGH 1 UE 191/94 VG 8 E 1310/92

Verkündet am 16. Juli 1998

Pompe Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 1998 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Lemhöfer, Dr. Silberkuhl, Dr. Kugele und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Der Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Oktober 1997 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 26. November 1993 werden aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger ist Polizeihauptmeister im Bundesgrenzschutz. Er wird bei einer Grenzschutzfliegerstaffel als Bordwart und als Nachprüfer für Luftfahrtgerät eingesetzt. Für seine Tätigkeit als Bordwart erhält er die "Fliegerstellenzulage" nach Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c) der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Vorbemerkungen). Seinen Antrag, ab dem 1. August 1990 auch die "Nachprüferzulage" gemäß Vorbemerkung Nr. 6 a zu gewähren, lehnte die Beklagte ab.

Der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage auf Gewährung der Nachprüferzulage ab dem 1. August 1990 hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger, der eine Nachprüferlaubnis gemäß § 109 der Verordnung über Luftfahrtpersonal besitze und als Nachprüfer für Luftfahrtgerät eingesetzt werde, habe einen Anspruch auf Zahlung der begehrten Zulage in der gesetzlichen Höhe, da die in den Sätzen 2 und 3 der Vorbemerkung Nr. 6 a geregelten Einschränkungen ebensowenig vorlägen wie ein gesetzliches Kumulationsverbot. Die besoldungsrechtlichen Stellenzulagen seien grundsätzlich nach Grund und Höhe daran ausgerichtet, daß der Beamte die zulageberechtigende Tätigkeit nicht nur teilweise - neben anderen Aufgaben -, sondern in vollem, nach der Natur der Tätigkeit möglichen Umfang auszuüben habe. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten machten die allgemeinen polizeidienstlichen Tätigkeiten des Klägers im Jahre 1994 19,27 % seiner Gesamttätigkeiten aus, das entspreche etwa einem Fünftel. Neben diesen "Grundtätigkeiten" sei der Kläger im Jahre 1994 als Bordwart und Nachprüfer von Luftfahrtgerät insgesamt 1 372,15 Stunden tätig gewesen, die sich - gerundet - etwa hälftig auf beide Tätigkeiten, also jeweils zwei Fünftel der Gesamttätigkeit, verteilten. Die beiden Tätigkeitsbereiche als Bordwart und als Nachprüfer von Luftfahrgerät machten also im Falle des Klägers als verschiedenartige, für die Zulageberechtigung unterschiedlich zu beurteilende Funktionen einen quantitativ gleichzubewertenden Teil der Gesamtaufgaben aus, weil sie beide gleichberechtigt nebeneinander den polizeidienstlichen (Grund-)Tätigkeiten des Klägers zuzuordnen seien.

Eine Konkurrenzregelung habe der Gesetzgeber nicht getroffen. Vielmehr habe er die früher geltende Regelung, wonach die Nachprüferzulage neben der Fliegerstellenzulage nur gewährt werde, wenn sie die Fliegerstellenzulage übersteige, ersatzlos gestrichen. Wenn auch die Zulage für Nachprüfer von Luftfahrtgerät einen - im Verhältnis zum fliegenden Personal - weiteren Personenkreis erfasse, so schlössen sich beide Zulagen gegenseitig doch nicht aus, wenn der einzelne Polizeibeamte im Bundesgrenzschutz - wie der Kläger - sowohl als Bordwart (fliegendes Personal) als auch als Nachprüfer für Luftfahrtgerät ("TÜV-Personal") in quantitativ gleichem Umfange, nämlich zu je zwei Fünftel der Gesamttätigkeit verwendet werde.

Ob der zulageberechtigende Dienstposten funktionsgemäß gegenüber allen Ämtern derselben Besoldungsgruppe höherwertig sei, beurteile sich nur dann nach einem rein quantitativen Maßstab, wenn die Zulagenorm eine anteilsmäßig festgelegte Ausübung der zulageberechtigenden Tätigkeit fordere. Diese rein quantitative Betrachtungsweise verbiete sich aber, wenn die Zulageregelung nach dem Inhalt des Dienstpostens nur eine teilweise Inanspruchnahme im zulageberechtigenden Tätigkeitsbereich vorsehe. In diesem Falle komme es für die Zulageberechtigung entscheidend auf die qualitative Bedeutung der für die Zulage maßgebenden Funktion im Rahmen der Gesamtaufgaben des Dienstpostens an. Diese qualitative Bedeutung bestehe bei der Nachprüfertätigkeit des Klägers in der hohen Verantwortung für Leben und Gesundheit des fliegenden Personals und für die Sachwerte, wenn er nach Wartung oder Instandsetzung das Fluggerät abnehme und kontrolliere, um es erneut fliegerisch einsetzen zu können.

Diesem Ergebnis widerspreche nicht der Umstand, daß ein Beamter, dessen Aufgaben sich zu gleichen Anteilen auf mehrere zulagenberechtigende Tätigkeiten bezögen, insgesamt mehr an Zulagen erhalte als ein anderer Beamter, der in vollem Umfang die mit der höchsten Zulage ausgestattete Tätigkeit wahrnehme.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,

den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Oktober 1997 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel vom 26. November 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger tritt der Revision entgegen.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich an dem Verfahren.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung und zur Abweisung der Klage. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf die begehrte Stellenzulage für Beamte als Nachprüfer von Luftfahrtgerät ("Nachprüferzulage") gemäß Nr. 6 a der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B, Anlage I zum BBesG - Vorbemerkungen -.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die dienstliche Tätigkeit des Klägers gleichberechtigt durch die Funktionen als Nachprüfer von Luftfahrtgerät und als Bordwart geprägt werde, und hat aus dem Fehlen einer Konkurrenzregelung im Verhältnis der Vorbemerkungen Nr. 6 und Nr. 6 a geschlossen, daß der Kläger neben der ihm gewährten und nicht im Streit befindlichen Zulage für sonstige ständige Luftfahrzeugangehörige ("Fliegerstellenzulage") gemäß der Vorbemerkung Nr. 6 Abs. 1 Buchst. c) auch einen Anspruch auf die von ihm begehrte "Nachprüferzulage" habe. Diese Auffassung verletzt revisibles Recht.

Nach der Vorbemerkung Nr. 6 a Satz 1 erhalten Beamte und Soldaten eine Stellenzulage nach Anlage IX, wenn sie die Nachprüferlaubnis besitzen und als Nachprüfer von Luftfahrtgerät verwendet werden. Diese wie auch andere besoldungsrechtliche Stellenzulagen setzen nach § 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BBesG gegenüber dem regelmäßigen Inhalt des jeweils besoldeten Amtes die Wahrnehmung herausgehobener Funktionen voraus. Sie sind - soweit nicht für die einzelne Zulage ein anderer Maßstab festgelegt ist - nach Grund und Höhe daran ausgerichtet, daß der Beamte die herausgehobene Funktion nicht nur teilweise neben anderen Aufgaben, sondern in vollem, nach der Natur der Tätigkeit möglichen Umfang wahrnimmt. Der Dienstposten muß generell durch die zulageberechtigende Funktion geprägt sein (u.a. BVerwG, Beschluß vom 3. Dezember 1993 - BVerwG 2 B 95.93 - <Buchholz 240.1 Nr. 9>; BVerwGE 98, 192 <194>; Urteil vom 21. März 1996 - BVerwG 2 C 24.95 - <Buchholz 240.1 Nr. 17>; Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 1.97 - <S. 8 UA, zur Veröffentlichung vorgesehen>). Die herausgehobene Funktion, um derentwillen die Stellenzulage gewährt werden soll, muß einen quantitativ besonders umfangreichen Teil der Gesamtaufgaben ausmachen, wenn der Dienstposten verschiedenartige, für die Zulageberechtigung unterschiedlich zu beurteilende Funktionen umfaßt (BVerwGE 98, 192 <194>). Die Stellenzulage darf regelmäßig nur dann gewährt werden, wenn der Beamte (Soldat) eine andere als die zulageberechtigende Tätigkeit nur in geringfügigem Umfang ausübt (vgl. Nr. 42.3.4. Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz vom 29. Mai 1980, GMBl S. 290). Dies entspricht dem System des Besoldungsrechts, das die angemessene Besoldung grundsätzlich in der Form des dem verliehenen Amt entsprechenden Grundgehalts nebst Familienzuschlag (früher: Ortszuschlag) gewährt und nur ausnahmsweise eine weitere Differenzierung durch Zulagen gestattet (stRspr; zuletzt Urteil vom 23. April 1998 - BVerwG 2 C 1.97 - <S. 7 UA> m.w.N.).

Werden neben der für die Zulageberechtigung prägenden Tätigkeit weitere Aufgaben wahrgenommen, so ist es für die Stellenzulage dem Grunde und der Höhe nach prinzipiell unerheblich, ob diese untergeordneten dienstlichen Tätigkeiten die speziellen tatbestandlichen Voraussetzungen einer Zulagenvorschrift erfüllen. Da besondere Regelungen für den Fall, daß eine zulagenberechtigende Tätigkeit nur teilweise wahrgenommen wird, regelmäßig - und so auch für Tätigkeiten nach den Vorbemerkungen Nr. 6 oder Nr. 6 a - nicht getroffen sind, ergibt sich der Anspruch auf die Zulage aus der den Dienstposten prägenden Funktion.

Die in den Vorbemerkungen vielfach vorgesehenen Konkurrenzregelungen (z.B. Nr. 4 Abs. 1 Satz 3; Nr. 5 Abs. 3; Nr. 5 a Abs. 3; Nr. 6 Abs. 5; Nr. 6 a Satz 3) erlangen erst dann Bedeutung, wenn die Voraussetzungen der jeweiligen Zulagenvorschrift - also auch die Wahrnehmung der zulageberechtigenden Tätigkeit in vollem, nach der Natur der Tätigkeit möglichen Umfang - erfüllt sind (BVerwGE 98, 192 <194 f.>). Die potentielle Vielfalt der in einem Dienstposten zusammengefaßten dienstlichen Aufgaben sowie die unterschiedlichen rechtlichen Anknüpfungsmerkmale der Zulagevorschriften, die sich tatbestandlich nicht gegenseitig ausschließen, sondern teilweise überschneiden, ermöglichen es, daß in manchen Fällen dieselbe Verwendung verschiedenen Zulagevorschriften zugeordnet werden kann. Ist dies der Fall, wie z.B. bei der "Fliegerstellenzulage" (Vorbemerkung Nr. 6) und der "Polizeizulage" (Vorbemerkung Nr. 9), bestimmt die Konkurrenzregelung, ob und in welcher Höhe die eine Stellenzulage neben einer oder mehreren anderen Zulagen zu gewähren ist. Fehlt eine solche Konkurrenzvorschrift, besteht in diesen Fällen regelmäßig ein Anspruch auf die mehreren Zulagen.

Die Vorbemerkung Nr. 6 a sieht ihrem Wortlaut nach nicht vor, daß die Zulage auch dann gewährt werden soll, wenn die Tätigkeit als Nachprüfer von Luftfahrtgerät nur in zeitlich begrenztem Umfang ausgeübt wird. Auch aus der Natur oder der rechtlichen Ausgestaltung der Tätigkeit eines Nachprüfers von Luftfahrtgerät ergibt sich nicht, daß sie nur eingeschränkt wahrgenommen werden kann (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1981 - BVerwG 6 C 85.78 - <Buchholz 235 § 42 Nr. 2>). Rechtsvorschriften, die die Tätigkeit eines Prüfers von Luftfahrtgerät notwendig mit der Wahrnehmung weiterer Funktionen verknüpfen oder auf ein zeitliches Maß beschränken, das unterhalb der regelmäßigen Arbeitszeit eines Beamten liegt, bestehen nicht (vgl. §§ 104 ff. der Verordnung über Luftfahrtpersonal vom 9. Januar 1976, BGBl I S. 53, mit späteren Änderungen; §§ 26 ff. der Prüfordnung für Luftfahrtgerät vom 16. Mai 1968, BGBl I S. 416, mit späteren Änderungen). Ebensowenig ist die Stellenzulage ohne Rücksicht auf die gesamte Ausgestaltung des Dienstpostens allein deshalb zu gewähren, weil der Nachprüfer von Luftfahrtgerät im Hinblick auf Leben und Gesundheit des fliegenden Personals und der beförderten Personen wie auch im Hinblick auf Sachwerte ein hohes Maß an Verantwortung trägt. Hieraus ergibt sich nur die Rechtfertigung der Zulage nach den Anforderungen des § 42 BBesG. Somit setzt die Vorbemerkung Nr. 6 a tatbestandlich voraus, daß die Tätigkeit als Nachprüfer von Luftfahrtgerät einen schon quantitativ besonders umfangreichen Teil der Gesamtaufgaben des Beamten (Soldaten) ausmachen muß (BVerwGE 98, 192 <195>).

Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) entfallen nur etwa 40 v.H, der gesamten Arbeitszeit des Klägers auf Tätigkeiten, die von der Vorbemerkung Nr. 6 a erfaßt werden. Die Wahrnehmung der Funktion eines Nachprüfers von Luftfahrtgerät, die unterhalb der Hälfte der Gesamtarbeitszeit liegt, prägt nicht den Dienstposten und schließt deshalb einen Anspruch auf die Stellenzulage nach der Vorbemerkung Nr. 6 a aus.

Die Frage, ob das Berufungsgericht zutreffend von einer Gleichrangigkeit der Tätigkeiten des Klägers als Bordwart und als Nachprüfer von Luftfahrtgerät im Sinne der Vorbemerkungen Nr. 6 und Nr. 6 a ausgegangen ist sowie ob und ggf. welche der beiden Zulagen dem Kläger in diesem Falle zustände, stellt sich nicht, weil die dem Kläger gewährte - höhere - Stellenzulage nach der Vorbemerkung Nr. 6 nicht im Streit ist. Auch in einem solchen Falle ergäbe sich jedenfalls keine Minderung der allgemeinen Anforderungen an die Zulageberechtigung derart, daß sowohl die Flieger- als auch die Nachprüferzulage zustünde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Besch1uß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 5 200 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG zweifacher Jahresbetrag der begehrten Zulage).

Ende der Entscheidung

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