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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 01.09.2005
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 28.04
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Die Ermessensentscheidung des Dienstherrn, eine auf die vorgeschriebene Ausbildung anteilig angerechnete andere Ausbildung, die der Beamte vor der Vollendung seines 17. Lebensjahres begonnen und nach diesem Zeitpunkt beendet hat, nur dann im Umfang ihrer Anrechnung als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen, wenn und soweit die angerechnete Zeitspanne, gemessen vom tatsächlichen Beginn der anderen Ausbildung, in die Zeit nach Vollendung des 17. Lebensjahres fällt, ist rechtmäßig.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 28.04

Verkündet am 1. September 2005

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. September 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin, Dr. Kugele, Dr. Bayer und Dr. Heitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. April 2004 und des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 8. Mai 2002, dieses, soweit es der Klage stattgegeben hat, werden aufgehoben.

Die Klage wird im vollen Umfang abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der am 11. Februar 1950 geborene Kläger durchlief vom 1. April 1965 bis zum 31. März 1968 bei der ehemaligen Deutschen Bundesbahn erfolgreich die damals für Anwärter einer Laufbahn des einfachen Dienstes der ehemaligen Deutschen Bundesbahn übliche Ausbildung zum Jungwerker. Nach einer sich anschließenden einjährigen Tätigkeit als Arbeiter begann der Kläger als Beamter auf Widerruf am 1. September 1969 die Ausbildung zum Bundesbahnassistenten (mittlerer Dienst). Auf die Ausbildungszeit von zwei Jahren rechnete die Beklagte ein Jahr der Jungwerkerausbildung an. Nach Beendigung des Vorbereitungsdienstes und Bestehen der Laufbahnprüfung ernannte die Beklagte den Kläger mit Wirkung vom 1. September 1970 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Bundesbahnassistenten z.A. und am 11. Februar 1977 zum Beamten auf Lebenszeit. Mit Ablauf des 30. November 2000 wurde der Kläger als Verwaltungsamtsinspektor wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.

Bei der Festsetzung des Ruhegehalts durch Bescheid vom 20. Oktober 2000 wurde die Lehrzeit als Jungwerker nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt.

Mit seinem Widerspruch beanstandete der Kläger, dass diese Ausbildung, soweit sie auf den Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst angerechnet worden war, nicht als ruhegehaltfähig anerkannt worden ist. Auf seine Klage, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Berücksichtigung eines weiteren Jahres als ruhegehaltfähig begehrt, hat das Verwaltungsgericht unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Zu der nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachten Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung, die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden kann, gehörten nach der Ermessenspraxis der Beklagten auch Zeiten einer anderen Ausbildung, soweit diese auf die vorgeschriebene Ausbildung angerechnet worden ist oder diese ersetzt hat. Dies treffe für ein Jahr der Jungwerkerausbildung des Klägers zu. Soweit nach Nr. 12.1.1 BeamtVGVwV die Mindestzeit der vorgeschriebenen Ausbildung von ihrem tatsachlichen Beginn an rechne, müsse diese Verwaltungsvorschrift ergänzend dahin ausgelegt werden, dass anrechenbar eine Zeit frühestens ab Vollendung des 17. Lebensjahres sei. Berücksichtigungsfähig sei deshalb der erste auf die Vollendung des 17. Lebensjahres folgende Ausbildungszeitraum im Umfang der Anrechnung.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie macht geltend: Bei der Ausübung des Ermessens nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG stellten die Festsetzungsbehörden in ständiger Praxis auf den tatsächlichen Beginn der angerechneten Ausbildung ab. Nur soweit der anrechenbare Zeitraum dieser Ausbildung, von ihrem tatsächlichen Beginn an gemessen, nach der Vollendung des 17. Lebensjahres liege, werde die Ausbildungszeit als ruhegehaltfähig anerkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. April 2004 und des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 8. Mai 2002, dieses, soweit es der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend vertritt er die Auffassung, dass die Jungwerkerausbildung infolge ihrer teilweisen Anrechnung auf die Ausbildung für den mittleren Dienst ebenfalls "vorgeschriebene Ausbildung" sei, deren tatsächlicher Beginn der 1. September 1969 gewesen sei.

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags auf Anerkennung seiner Jungwerkerausbildung im Umfang eines Jahres als ruhegehaltfähig. Die Beklagte hat diese Anerkennung in den Bescheiden vom 20. Oktober 2000 und 2. März 2001 rechtsfehlerfrei abgelehnt.

Da das Beamtenverhältnis, aus dem der Kläger in den Ruhestand getreten ist, bereits am 31. Dezember 1991 bestanden hat, erhält er gemäß § 85 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BeamtVG Ruhegehalt nach der sog. Mischberechnung nach § 85 Abs. 1 BeamtVG. Denn diese Berechnung ergibt mit 73,33 v.H. einen Ruhegehaltssatz, der höher ist als der Ruhegehaltssatz, der sich nach dem im Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand geltenden neuen Recht ergibt (67,04 v.H.), und auch den Ruhegehaltssatz nicht übersteigt, zu dem die alleinige Anwendung des bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Rechts führt (74,00 v.H.).

Der Ruhegehaltssatz von 73,33 v.H. erhöht sich, wie die Beklagte zutreffend erkannt hat, nicht durch weitere ruhegehaltfähige Zeiten. Die Entscheidung der Beklagten, das seinerzeit auf die Ausbildung für den mittleren Dienst angerechnete Jahr der Jungwerkerausbildung nicht als Teil der ruhegehaltfähigen Dienstzeit des Klägers vor dem 31. Dezember 1991 zu berücksichtigen, ist rechtmäßig.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG, der gemäß § 85 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung des Gesetzes vom 12. Februar 1987 (BGBl I S. 570, 1339) anzuwenden ist, kann die nach Vollendung des 17. Lebensjahres verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung (Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildung, Vorbereitungsdienst, übliche Prüfungszeit) als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden. Die Vorschrift will die Benachteiligung derjenigen Beamten, bei denen über die allgemeine Schulbildung hinaus eine zusätzliche Vorbildung oder praktische Tätigkeit als Eingangsvoraussetzung gefordert ist, gegenüber den Beamten ausgleichen, die unmittelbar nach dem Schulabschluss in das Beamtenverhältnis eintreten und damit bereits von einem früheren Zeitpunkt an ruhegehaltfähige Dienstzeiten erwerben können. Berücksichtigungsfähig nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. sind auch Zeiten einer anderen als der vorgeschriebenen Ausbildung, soweit sie auf die vorgeschriebene Ausbildung angerechnet worden sind oder sie ersetzt haben. Denn eine andere Ausbildung, die auf die vorgeschriebene Ausbildung angerechnet wird, weil sie diese ganz oder teilweise ersetzt, ist, da sie von Gesetzes wegen alternativ zur "eigentlich" vorgeschriebenen Ausbildung ebenfalls als Voraussetzung für eine bestimmte Berufstätigkeit, eine weiterführende Ausbildung usw. statuiert ist, gleichfalls "vorgeschrieben" im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. (in diesem Sinne auch Nr. 12.1.9 BeamtVGVwV).

Ob eine neben der allgemeinen Schulausbildung vorgeschriebene oder eine auf diese angerechnete Ausbildung als ruhegehaltfähig berücksichtigt wird, steht im Ermessen des Dienstherrn. Mit der Entscheidung, die im Umfang eines Jahres angerechnete Jungwerkerausbildung gänzlich unberücksichtigt zu lassen, hat die Beklagte die äußeren Grenzen ihres Ermessens aus § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. nicht überschritten. Sie hat ferner in Übereinstimmung mit ihrer ständigen, in Nr. 12.1.9 BeamtVGVwV verlautbarten Verwaltungspraxis gehandelt.

Die sich über drei Jahre erstreckende Jungwerkerausbildung des Klägers fiel zu etwa zwei Jahren in die Zeit vor und zu etwa einem Jahr in die Zeit nach dem 17. Geburtstag des Klägers. Auf die Ausbildung des Klägers für den mittleren Dienst angerechnet worden ist die dreijährige Ausbildung als solche, wenn auch nur im Umfang eines Jahres, nicht hingegen ein bestimmtes Kalenderjahr, in dem diese Ausbildung stattgefunden hat. Daher ergibt sich aus der laufbahnrechtlichen Anrechnung nicht, ob der Kläger die angerechnete Ausbildung im Umfang des angerechneten Anteils nach oder vor der Vollendung des 17. Lebensjahres verbracht hat.

Eine Zuordnung der angerechneten Zeit zu der nach dem 17. Geburtstag des Klägers liegenden Ausbildungszeit ist nicht, wie der Kläger meint, deshalb geboten, weil die Jungwerkerausbildung, da sie aufgrund ihrer anteiligen Anrechnung zur vorgeschriebenen Ausbildung im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG a.F. geworden sei, nunmehr Teil dieser Ausbildung für den mittleren Dienst ist, die vollständig in der Zeit nach der Vollendung des 17. Lebensjahres absolviert worden ist. Denn die seinerzeitige teilweise Anrechnung der Jungwerkerausbildung auf die Assistentenausbildung war der Sache nach lediglich die Verkürzung dieser Ausbildung wegen der bereits absolvierten Jungwerkerausbildung, nicht hingegen die gleichsam konstitutiv wirkende Erklärung der Jungwerkerausbildung zur vorgeschriebenen Assistentenausbildung. Die Realität der Jungwerker- und der Assistentenausbildung als zwei Ausbildungen, die der Kläger durchlaufen hat und deren eine der Kläger teils vor, teils nach der Vollendung des 17. Lebensjahres zugebracht hat, ist durch die Anrechnung nicht beseitigt worden.

Bei vorgeschriebenen und angerechneten Ausbildungen, die der Beamte zum Teil vor, zum Teil nach der Vollendung seines 17. Lebensjahres durchlaufen hat und in denen er sich länger befunden hat, als mindestens vorgeschrieben war oder angerechnet worden ist, erkennt die Beklagte die vorgeschriebene oder angerechnete Zeit als ruhegehaltfähig an, wenn und soweit sie, gemessen vom tatsächlichen Beginn der Ausbildung, in die Zeit nach der Vollendung des 17. Lebensjahres des Beamten hineinreicht. So ist die Beklagte auch bei dem Kläger verfahren. Gerechnet vom tatsächlichen Beginn der Jungwerkerausbildung am 1. April 1965 endete der Anrechnungszeitraum am 31. März 1966 und damit vor dem 11. Februar 1967, dem 17. Geburtstag des Klägers.

Die Ermessenspraxis der Beklagten ist nicht rechtsfehlerhaft. Weder der Zweck der ihr das Ermessen einräumenden Norm noch Gründe der Sachgerechtigkeit gebieten es, eine sich über die Vollendung des 17. Lebensjahres hinaus erstreckende Ausbildung, die nur hinsichtlich eines Teiles ihrer Dauer vorgeschrieben ist oder angerechnet wurde, als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen. Da nur die nach Vollendung des 17. Lebensjahres absolvierte Ausbildungszeit, die für die Ernennung als Beamter nicht erforderlich war, nicht berücksichtigt wird, ist der Kläger versorgungsrechtlich dem Beamten gleichgestellt, der diese Ausbildung insgesamt nach dem 17. Lebensjahr durchlaufen hat. Auch bei diesem gehören zwei Lebensjahre nicht zur ruhegehaltfähigen Dienstzeit, wenn von der früheren dreijährigen Ausbildung nur ein Jahr auf die für die Übernahme in das Beamtenverhältnis vorgeschriebene Ausbildung angerechnet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 080 € festgesetzt (pauschalierte Differenz zwischen dem Zweijahresbetrag der nach einem Ruhegehaltssatz von 73,33 v.H. bewilligten und der nach einem Ruhegehaltssatz von 75 v.H. erstrebten Versorgungsbezüge).

Ende der Entscheidung

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