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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.02.2001
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 3.00
Rechtsgebiete: EV


Vorschriften:

EV Anlage I
EV Kapitel XIX
EV Sachgebiet A
EV Abschnitt III Nr. 3 Buchst. d
Leitsatz:

Die Vorschrift des Einigungsvertrages, wonach ein Bundesbeamter auf Probe wegen Tätigkeit für das MfS entlassen werden kann, ist mit Ablauf des 31. Dezember 1996 außer Kraft getreten (wie das zum Landesrecht ergangene Urteil vom 25. Januar 2001 - BVerwG 2 C 43.99 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

Urteil des 2. Senats vom 27. Februar 2001 - BVerwG 2 C 3.00 -

I. VG Greifswald vom 16.06.1998 - Az.: VG 6 A 1525/97 - II. OVG Greifswald vom 24.11.1999 - Az.: OVG 2 L 296/98 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 3.00 OVG 2 L 296/98

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 27. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. November 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die im Jahre 1950 geborene Klägerin trat im Jahre 1973 als Sekretärin und Mitarbeiterin im Kassendienst bei einem Grenzzollamt in den Dienst der Zollverwaltung der ehemaligen DDR. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde sie von der Beklagten zunächst als Angestellte weiter beschäftigt. Mit Wirkung vom 1. September 1992 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Zollobersekretärin ernannt.

Vor der beabsichtigten Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit leitete die Klägerin eine ihr zur Unterschrift übermittelte "Versicherung", sich niemals zu einer offiziellen oder inoffiziellen Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder für das Amt für nationale Sicherheit verpflichtet zu haben und auch nicht für sie tätig gewesen zu sein, an die Beklagte zurück, ohne unterschrieben zu haben. Sie fügte ein an den Finanzpräsidenten persönlich gerichtetes Schreiben bei, in dem sie einräumte, Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit mit dem Einverständnis ihres Vorgesetzten dienstliche Schriftstücke überlassen zu haben.

Mit einem Bericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR wurde die Beklagte im Oktober 1996 darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Klägerin von März 1974 bis Juli 1980 vom früheren Ministerium für Staatssicherheit als inoffizielle Mitarbeiterin geführt worden sei, dass sie 30 schriftliche Berichte geliefert und sich 47-mal mit ihrem Führungsoffizier getroffen habe. Darauf entließ die Beklagte die Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe und wies den Widerspruch der Klägerin zurück.

Das Verwaltungsgericht hat diese Bescheide aufgehoben; das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 3 Buchst. d i.V.m. Nr. 1 Abs. 5 Ziffer 2 komme als Rechtsgrundlage des Entlassungsbescheides nicht in Betracht, weil diese Vorschrift nach Nr. 3 Buchst. a mit Ablauf des 31. Dezember 1996 außer Kraft getreten sei. Auf § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG lasse sich die Entlassung nicht stützen. Dies würde eine Veränderung des Verwaltungsakts in seinem Wesen bedeuten. Außerdem seien die angefochtenen Bescheide nicht auf in der Probezeit aufgetretene Mängel gestützt worden.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt und beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. November 1999 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 16. Juni 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Der Oberbundesanwalt hält die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts für unzutreffend.

II.

Die Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Parteien gemäß § 101 Abs. 2 i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt kein revisibles Recht. Die angefochtene Entlassungsverfügung ist rechtswidrig. Ihr fehlt die erforderliche gesetzliche Grundlage.

Nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 3 (im Weiteren Nr. 3 EV) zum Einigungsvertrag (Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990, BGBl II S. 885) tritt in dem in Art. 3 des Vertrages bezeichneten Gebiet das Bundesbeamtengesetz mit mehreren, anschließend im Einzelnen bestimmten Maßgaben in Kraft. Als eine dieser Maßgaben ist in Nr. 3 Buchst. d i.V.m. Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 EV die Entlassung eines Probebeamten wegen einer Tätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit vorgesehen. Diese Entlassungsregelung ist jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 1996 außer Kraft getreten, so dass sie nicht Rechtsgrundlage des angefochtenen Entlassungsbescheides vom 9. April 1997 sein kann.

Entgegen der Auffassung der Revision und des Oberbundesanwalts gilt die Befristung gemäß Nr. 3 Buchst. a EV nicht nur für die Ernennung, sondern auch für die Entlassung von Probebeamten. Zwar heißt es in dieser Bestimmung, dass "für die Ernennung von Bundesbeamten ... das Bundesbeamtengesetz bis zum 31. Dezember 1996 mit folgenden Abweichungen (gilt)". Dazu hat der Senat in seinem Urteil vom 25. Januar 2001 - BVerwG 2 C 43.99 - (zur Veröffentlichung vorgesehen) ausgeführt:

"Dazu zählt die Nr. 3 Buchst. d EV. Die dort getroffene Sonderbestimmung über die Entlassung der Beamten auf Probe steht in einem unlösbaren Regelungszusammenhang mit der Ernennung. Nr. 3 Buchst. d in Verbindung mit Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 EV enthält nicht nur einen Sonderentlassungstatbestand, sondern zugleich auch ein Einstellungshindernis. Liegt der die Entlassung rechtfertigende Grund vor, ist der Bewerber abzulehnen und muss nicht ernannt werden, um sodann entlassen zu werden (vgl. Urteile vom 27. April 1999 - BVerwG 2 C 26.98 und 2 C 34.98 - BVerwGE 109, 59 <63> und 71 <72>). Ein gespaltener zeitlicher Geltungsbereich ein und derselben Vorschrift in Gestalt eines befristeten Ernennungshindernisses und einer an denselben Tatbestand anknüpfenden unbefristeten Entlassungsmöglichkeit ist aus Gründen der Rechtslogik ausgeschlossen.

Das Befristungsgebot trägt der Grundsatznorm des Art. 20 Abs. 1 EV Rechnung. Danach gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts die in Anlage I vereinbarten 'Übergangsregelungen'. Sonderrecht sollte im Beitrittsgebiet zeitlich nur beschränkt gelten, um alsbald die Rechtseinheit herzustellen.

Bei der Aufnahme des Befristungsgebots in den Einigungsvertrag haben sich die Vertragsparteien von der Erwartung leiten lassen, spätestens mit Ablauf der Frist würde der Aufbau einer rechtsstaatlichen Verwaltung im Beitrittsgebiet und die Überprüfung der in den öffentlichen Dienst Übernommenen darauf abgeschlossen sein, ob sie gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben oder ob sie für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit tätig waren. Gemäß Art. 20 Abs. 2 EV war es erklärtes Ziel des Einigungsvertrages, die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben sobald wie möglich Beamten zu übertragen, um dem Gebot des Art. 33 Abs. 4 GG gerecht zu werden. Da bei der Berufung in ein Beamtenverhältnis während des Neuaufbaus der Verwaltung in den neuen Bundesländern die Eignung des übernommenen Bediensteten im Hinblick auf eine vorherige Betätigung nach Nr. 1 Abs. 5 EV noch nicht umfassend geprüft werden konnte, wurde die befristete Entlassungsmöglichkeit vorgesehen (vgl. Urteil vom 3. Dezember 1998 - BVerwG 2 C 26.97 - BVerwGE 108, 64 <67>). Ihrer bedurfte es, weil die Entlassung eines Beamten grundsätzlich nur an Umstände anknüpft, die bei oder nach der Ernennung eingetreten sind (vgl. §§ 22, 23 BRRG). Für die Zeit nach dem 31. Dezember 1996 konnten die Vertragsparteien davon ausgehen, dass (die Frage nach der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung) im Sinne der Nr. 1 Abs. 5 EV bei allen Beamten auf Probe, die zur Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit anstanden (vgl. § 22 Abs. 1 BBG - die Dauer der Probezeit soll fünf Jahre nicht übersteigen), festgestellt war und bei späteren Einstellungen bereits vor der Begründung des Beamtenverhältnisses umfassend geprüft sein würde."

Für das Recht der Bundesbeamten gilt nichts anderes als für das Landesbeamtenrecht, das in Anpassung an die rahmenrechtliche Regelung der Nr. 2 Buchst. b EV ausdrücklich eine nur bis zum 31. Dezember 1996 befristete Entlassungsmöglichkeit vorsehen darf.

Die nach dem Sonderentlassungstatbestand des Einigungsvertrages nicht gerechtfertigte Entlassung der Klägerin kann auch nicht auf § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist erforderlich, dass die auf die Eignung, Befähigung oder fachliche Leistung bezogenen Bewährungsmängel erst während der Probezeit aufgetreten sind. Mängel, die aus in der Vergangenheit liegenden, vor Beginn der Probezeit abgeschlossenen Sachverhalten herrühren, rechtfertigen nicht die Entlassung nach dieser Vorschrift (Urteil vom 27. April 1999 - BVerwG 2 C 34.98 - BVerwGE 109, 68, 73). Das Berufungsgericht hat kein in die Probezeit vom 1. September 1992 bis zum 16. August 1995 fallendes Verhalten der Klägerin festgestellt, aus dem sich eine mangelnde Bewährung herleiten ließe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 25 600 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b GKG; pauschalierter Halbjahresbetrag der Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 7 BBesG).

Ende der Entscheidung

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