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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 26.10.2000
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 32.99
Rechtsgebiete: BRRG, BayBG, RVO, SGB V, SGB IV, SGB VII, KVLG 1989


Vorschriften:

BRRG § 121 Nr. 2
BayBG Art. 144 b Abs. 1
RVO § 690 Abs. 1
RVO § 978
SGB V § 166
SGB IV § 29
SGB VII § 144
KVLG 1989 § 17
Leitsatz:

Eine landwirtschaftliche Krankenkasse, der als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch ihre von der Aufsichtsbehörde genehmigte Satzung das Recht verliehen worden ist, Beamte zu haben, besitzt die Dienstherrnfähigkeit auch dann, wenn sie keine eigenen Beamten beschäftigt.

Urteil des 2. Senats vom 26. Oktober 2000 - BVerwG 2 C 32.99 -

I. VG Würzburg vom 14.10.1997 - Az.: VG W 9 K 97.435 - II. VGH München vom 18.09.1998 - Az.: VGH 3 B 97.3773 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 32.99 VGH 3 B 97.3773

Verkündet am 26. Oktober 2000

Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 1998 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe:

I.

Der Kläger fordert von der Beklagten die Erstattung der Ausbildungskosten eines ehemaligen Landesbeamten. Diesen hatte er als Anwärter in das Beamtenverhältnis auf Widerruf eingestellt, nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss zum 1. Oktober 1995 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsassistenten zur Anstellung (Besoldungsgruppe A 5) ernannt und zum 30. April 1996 antragsgemäß aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Am 1. Mai 1996 wurde der Beamte von der Beklagten als Verwaltungsassistent (Besoldungsgruppe A 5) in ein Dienstordnungs-Anstellungsverhältnis auf Probe übernommen.

Mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm Ausbildungskosten in Höhe von 35 394,12 DM zu erstatten. Dies verweigerte die Beklagte.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Beklagten sei zwar als Trägerin der Krankenversicherung der Landwirte durch Satzung das Recht verliehen, Dienstherr zu sein. Diese Dienstherrnfähigkeit sei aber auf die Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt gegenüber den ihr zugewiesenen staatlichen oder gemeindlichen Beamten beschränkt. Diesen gegenüber besitze sie lediglich Teil-Dienstherrnfähigkeit. Eigene Beamte könnten landwirtschaftliche Krankenkassen nach den Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung nicht haben.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend. Er beantragt,

den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 1998 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 14. Oktober 1997 zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht bejaht in Übereinstimmung mit der Bundesregierung den Erstattungsanspruch des Klägers.

II.

Die Revision des klagenden Landes ist begründet. Der angefochtene Beschluss verletzt revisibles Recht. Zur abschließenden Entscheidung bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Das zwingt zur Zurückverweisung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bei der Bestimmung des Inhalts der als solche nicht revisiblen Vorschrift des § 4 Abs. 1 der Satzung der Beklagten Bundesrecht herangezogen und verletzt. Dies ist vom Revisionsgericht zu korrigieren. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung irrevisiblen Landesrechts das Gebot bundesrechtskonformer Auslegung beachtet hat (vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1992 - BVerwG 2 NB 1.92 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 53 S. 3 <4> und Urteil vom 23. August 1996 - BVerwG 4 C 13.94 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 136 S. 26 <29> jeweils m.w.N.).

Die Beklagte ist als Trägerin der Sozialversicherung der Landwirte eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 166 SGB V i.V.m. § 17 Abs. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte in der Fassung von Art. 8 des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I S. 2477, und § 29 Abs. 1 SGB IV). Durch § 4 ihrer Satzung, die von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt worden ist, ist ihr das Recht Beamte zu haben, also die Dienstherrnfähigkeit, verliehen worden. Davon geht die angefochtene Entscheidung ohne Verletzung revisiblen Rechts aus.

Bundesrecht verletzt dagegen die entscheidungstragende Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte könne keine eigenen Beamten haben. Ihr sei lediglich eine auf die Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt gegenüber zugewiesenen Beamten beschränkte "Teil-Dienstherrnfähigkeit" eingeräumt. Die vom Verwaltungsgerichtshof zur Begründung herangezogenen Vorschriften des revisiblen Rechts, namentlich die §§ 978 und 690 RVO, geben dafür nichts her.

§ 978 RVO lautet:

"Für die Angestellten der Genossenschaft, die nicht staatliche oder gemeindliche Beamte sind, und für die Übertragung von Geschäften an besoldete Geschäftsführer gelten die Vorschriften der allgemeinen Unfallversicherung (§§ 690 bis 705)."

§ 690 Abs. 1 RVO lautet:

"Die Vertreterversammlung hat die allgemeinen Anstellungsbedingungen und die Rechtsverhältnisse der Angestellten der Genossenschaft durch eine Dienstordnung angemessen zu regeln."

Beide Bestimmungen regeln weder die Frage, ob eine Krankenkasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts eigene Beamte haben darf, noch das Dienstrecht körperschaftseigener oder zugewiesener Beamter. Regelungsgegenstand sind vielmehr die Rechtsverhältnisse der Angestellten des Sozialversicherungsträgers. Für das Recht zur Einstellung von Beamten gilt seit jeher das allgemeine Beamtenrecht. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen aus der seit 1. Januar 1997 geltenden Vorschrift des § 144 SGB VII (vgl. Art. 27 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl I S. 1254).

Die Dienstherrnfähigkeit von Versicherungsträgern, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, regelt der auch im Landesbereich unmittelbar geltende § 121 Nr. 2 BRRG. Da die Beklagte die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, hat sie kraft Bundesrechts die Dienstherrnfähigkeit. Für ihre Beamten gilt das einschlägige allgemeine Beamtenrecht. Eine Aufspaltung der Dienstherrnfähigkeit kommt nicht in Betracht (vgl. BVerwGE 108, 274 <276> m.w.N.).

Als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit (voller) Dienstherrnfähigkeit ist die Beklagte nach Art. 144 b BayBG zur Erstattung der Ausbildungskosten dem Grunde nach verpflichtet. Das ergibt sich aus der Auslegung dieser nicht revisiblen Vorschrift durch das Berufungsgericht und dessen tatsächlichen Feststellungen. An beide ist der Senat gebunden (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 562 ZPO bzw. § 137 Abs. 2 VwGO). Nach dieser Interpretation ist es unerheblich, ob die Beklagte von ihrer Dienstherrnfähigkeit Gebrauch macht und eigene Beamte hat. Denn Art. 144 b Abs. 1 Satz 1 BayBG stellt allein auf die Dienstherrnfähigkeit ab. Ferner setzt der Erstattungsanspruch keine Begründung eines Beamtenverhältnisses mit dem neuen Bediensteten voraus. Gemäß Art. 144 b Abs. 1 Satz 2 BayBG genügt es, wenn der ehemalige Beamte bei dem neuen Dienstherrn in einem Arbeitsverhältnis mindestens gleichwertig beschäftigt wird. Diese Voraussetzung ist nach den tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung gegeben.

Zur Höhe des Anspruchs fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen, die das Revisionsgericht nicht treffen kann. Das zwingt zur Zurückverweisung.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerde- und das Revisionsverfahren auf je 35 394,12 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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