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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.12.1999
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 40.98
Rechtsgebiete: SVG, VwGO


Vorschriften:

SVG § 28 a.F.
VwGO § 113 Abs. 5
VwGO § 114 Satz 1
VwGO § 114 Satz 2
VwGO § 137 Abs. 2
Leitsätze:

1. § 28 Abs. 1 Nr. 2 SVG a.F. setzt nicht voraus, daß der eigene Grundbesitz eigengenutzt wird (wie Urteil vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 4.98 - <zur Veröffentlichung vorgesehen>).

2. Zur Ermessensausübung nach § 28 Abs. 1 SVG a.F.

3. Eine auf neue Tatsachen gestützte Ergänzung der Ermessenserwägungen im Revisionsverfahren ist unzulässig.

Urteil des 2. Senats vom 9. Dezember 1999 - BVerwG 2 C 40.98 -

I. VG München vom 06.05.1997 - Az.: VG M 12 K 95.4312 - II. VGH München vom 28.10.1998 - Az.: VGH 3 B 97.1936 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 40.98 VGH 3 B 97.1936

Verkündet am 9. Dezember 1999

Grubert Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 1999 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 1998 wird aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 1997 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger war Berufssoldat. Er wurde mit Ablauf des 30. September 1995 in den Ruhestand versetzt.

Im Jahr 1992 erwarb der Kläger eine Eigentumswohnung. Zur Finanzierung setzte er auch ein Bankdarlehen über 48 000 DM ein. Die Wohnung ist vermietet.

Mit Bescheid vom 11. Juli 1995 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger eine Kapitalabfindung nach § 28 SVG zu gewähren, weil diese Vorschrift den Erwerb einer von dem Versorgungsempfänger selbst genutzten Wohnung als Zweck der Abfindung voraussetze. Im Sinne einer sparsamen Verwendung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel übe sie ihr Ermessen in ständiger Praxis dahin aus, daß die Kapitalabfindung nur für die Verbesserung der Belastungsverhältnisse an eigengenutzten Grundstücken bewilligt werde. Im Widerspruchsbescheid führte die Beklagte für ihre ablehnende Ermessensentscheidung zusätzlich die behördliche Praxis bei der Gewährung von Kapitalabfindungen nach entsprechenden Vorschriften im früheren Beamtenrecht, im ehemaligen Wehrmachtsversorgungsrecht, im Bundesversorgungsgesetz und im Gesetz zu Art. 131 GG an. Der Bundesrepublik Deutschland als Kapitalgeberin sei es auch wegen ihres finanziellen Risikos in der Gestalt eines frühzeitigen Todes des Empfängers der Kapitalabfindung erlaubt, diese für bestimmte Vorhaben zu versagen.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Der Verwaltungsgerichtshof hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Er hat zur Begründung ausgeführt:

Die Beklagte habe in Wahrnehmung des ihr eingeräumten Ermessens den Antrag des Klägers mit nicht zu beanstandenden Erwägungen abgelehnt. Es sei sachgerecht, daß sie bei der Ermessensausübung den fürsorgerischen und sozialen Zweck des § 28 SVG maßgebend berücksichtige und deshalb die Förderung auf eigengenutzte Wohnungen beschränke. Auch entspreche es dem Gebot sparsamer Verwendung der Haushaltsmittel, daß die Beklagte aus den tatbestandsmäßig förderungsfähigen Vorhaben die bei Anlegung sozialer Gesichtspunkte weniger förderungsfähigen herausnehme und so die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel nur zum Teil ausschöpfe.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Er beantragt,

den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Oktober 1998 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. Mai 1997 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie legt als Ermessenserwägung für ihre Ablehnungsentscheidung nunmehr dar, sie differenziere bei der gebotenen sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel nach dem monatlichen Einkommen des Versorgungsempfängers als dem entscheidenden sozialen Gesichtspunkt. Da der Kläger Einnahmen von rund 6 800 DM und Belastungen von 3 170 DM im Monat habe und sich damit finanziell besserstehe als vor seinem Eintritt in den Ruhestand, erhalte er die Förderung nicht.

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er hält die Ermessensentscheidung der Beklagten für rechtmäßig.

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, weil es die Ermessenserwägungen als rechtmäßig gebilligt hat, mit denen die Beklagte die Leistung einer Kapitalabfindung an den Kläger nach § 28 SVG abgelehnt hat. Diese Ermessenserwägungen sind fehlerhaft. Die Beklagte ist deshalb vom Verwaltungsgericht zu Recht verpflichtet worden, über den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Kapitalabfindung erneut zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Nach der Vorschrift des § 28 Abs. 1 Nr. 2 SVG a.F., die auf vor dem Inkrafttreten der Änderungsbestimmung des Art. 7 Nr. 14 VReformG vom 28. Juni 1998 (BGBl I 1666 <1680>) am 1. Januar 1999 in der bis dahin geltenden Fassung entstandene Ansprüche anzuwenden ist (Urteil vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 4.98 - <zur Veröffentlichung vorgesehen>), kann der Soldat im Ruhestand auf Antrag statt eines Teils des Ruhegehalts eine Kapitalabfindung zum Erwerb oder zur wirtschaftlichen Stärkung eigenen Grundbesitzes erhalten. § 28 Abs. 1 Nr. 2 SVG a.F. hat weder die Eigennutzung des erworbenen Grundbesitzes zur tatbestandlichen Voraussetzung, noch scheitert nach § 28 Abs. 2 SVG a.F. die Gewährung einer Kapitalabfindung daran, daß der Kläger, der bei Beantragung der Kapitalabfindung im Februar 1995 noch keine 55 Jahre alt war, dieses Alter inzwischen überschritten hat (Urteil vom 11. Februar 1999 - BVerwG 2 C 4.98 -).

Von dem ihr nach § 28 Abs. 1 SVG a.F. eröffneten Ermessen hat die Beklagte in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Die Ermessenserwägungen, mit denen sie den Antrag des Klägers abgelehnt hat, stimmen weitgehend mit den Erwägungen überein, auf welche die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung gegenüber dem Kläger des Verfahrens BVerwG 2 C 4.98 gestützt hatte. Deshalb kann wegen der Fehlerhaftigkeit dieser Erwägungen auf das in jenem Verfahren ergangene Urteil des Senats vom 11. Februar 1999 verwiesen werden, das den Prozeßbeteiligten bekannt ist. In jenem Urteil hat der Senat ausgeführt, die vorrangig die Ablehnungsentscheidung tragende Erwägung, die Förderung nicht selbstgenutzter Wohnungen liege außerhalb des sozialen und fürsorgerischen Zwecks des § 28 SVG a.F. und setze sich in Widerspruch zum Tatbestand der Norm, nach dem auch nicht eigengenutzte Wohnungen förderungsfähig sind. Deshalb bedarf es einer zusätzlich sachlichen Rechtfertigung, um bei den nicht eigengenutzten Wohnungen eine Förderung zu versagen (a.a.O., UA S. 9). Ein solches die unterschiedliche Behandlung rechtfertigendes Kriterium ist nicht das im Widerspruchsbescheid angeführte Risiko der Beklagten als Kapitalgeberin, daß der Empfänger vor Ablauf des zehnjährigen Abfindungszeitraumes stirbt und der Abfindungsbetrag von seinen Hinterbliebenen nicht zurückgezahlt wird. Das Risiko eines frühzeitigen Todes besteht bei Versorgungsempfängern unabhängig davon, ob sie die zu erwerbende Wohnung selbst nutzen oder vermieten wollen und steigert sich auch nicht im Vergleich zu anderen Fällen, in denen eine Abfindung gezahlt wird.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich nicht deshalb als im Ergebnis zutreffend (§ 144 Abs. 4 VwGO), weil die Ermessensausübung der Beklagten infolge der im Revisionsverfahren nachgeschobenen Erwägungen rechtmäßig ist. Diese können im revisionsgerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden, auch wenn die monatlichen Einnahmen des Klägers als nunmehr für allein maßgeblich erklärter Gesichtspunkt noch eine "Ergänzung" der Ermessenserwägungen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO wäre. Mit der jetzt als ausschlaggebend erachteten Höhe des monatlichen Einkommens des Klägers von ca. 6 800 DM stellt die Beklagte auf eine Tatsache ab, die weder von der Vorinstanz festgestellt ist noch bisher Gegenstand des Rechtsstreits war. Erst in der Revisionsinstanz eingeführte Tatsachen sind aber für das Revisionsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO unbeachtlich (vgl. Urteil vom 23. September 1969 - BVerwG 2 C 25.66 - <Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 34>). § 114 Satz 2 VwGO erlaubt lediglich das Nachschieben von Ermessenserwägungen "auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren". Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist zu entnehmen, daß als Ausnahme zu der allgemeinen Regelung des § 137 Abs. 2 VwGO im Revisionsverfahren selbst solche Ermessenserwägungen eingeführt werden können, die sich auf von den Tatsacheninstanzen nicht festgestellte Umstände stützen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 8 000 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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