Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 15.11.2001
Aktenzeichen: BVerwG 2 C 43.00
Rechtsgebiete: BeamtVG, ZPO


Vorschriften:

BeamtVG § 47
BeamtVG § 51 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 850 c
Das Verbot der unbeschränkten Aufrechnung gegen den Anspruch auf Übergangsgeld gilt nicht, wenn der Dienstherr mit einem Anspruch auf Rückgewähr überzahlter Dienstbezüge für die Monate aufrechnet, für die dem entlassenen Beamten das Übergangsgeld zusteht.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 2 C 43.00

Verkündet am 15. November 2001

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Silberkuhl und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin, Dr. Kugele, Groepper und Dr. Bayer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. März 2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Der Kläger erhielt aufgrund der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen seine später bestandskräftig gewordene Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zum 30. September 1993 die monatlichen Dienstbezüge bis zum 31. März 1994 weiter. Diese muss er in Höhe von 39 607,41 DM aufgrund ebenfalls bestandskräftigen Bescheides vom 24. August 1994 an den Beklagten zurückzahlen.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 1994 bewilligte der Beklagte dem Kläger Übergangsgeld in Höhe von 25 612,34 DM. Der Bescheid enthält den Zusatz, das Übergangsgeld gelange nicht zur Auszahlung, da eine Überzahlung an Dienstbezügen bestehe.

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage auf Auszahlung des festgesetzten Übergangsgeldes sowie die Berufung hatten keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Übergangsgeldes sei infolge der Aufrechnung gegen den Anspruch auf Rückgewähr der Dienstbezüge erloschen. Die Aufrechnung sei nicht nach § 51 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG in Höhe des unpfändbaren Teils des Übergangsgeldes unwirksam. Dem Kläger sei der Teil seines Einkommens, der ihm für seinen Lebensunterhalt verfügbar sein müsse, in Gestalt der überzahlten Dienstbezüge, die er verbraucht habe und für die er keinen entsprechenden Geldbetrag zurückzugewähren habe, tatsächlich zugeflossen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. März 2000 und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 30. Januar 1996 sowie der Bescheide vom 4. Oktober 1994 und 21. Februar 1995 zu verpflichten, dem Kläger ein Übergangsgeld in Höhe von 14 443,54 DM nebst 12 v.H. Zinsen seit dem 15. Februar 1994 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Auszahlung des nach § 850 c ZPO unpfändbaren Teils des bewilligten Übergangsgeldes. Auch in Höhe dieses Teilbetrages des Übergangsgeldes ist der Anspruch des Klägers infolge der vom Beklagten erklärten Aufrechnung mit dessen Anspruch auf Rückgewähr der überzahlten Dienstbezüge erloschen. Entgegen der Ansicht des Klägers hinderte § 51 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG die Aufrechnung auch insoweit nicht.

Nach § 51 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG kann der Dienstherr gegenüber Ansprüchen auf Versorgungsbezüge, zu denen nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 BeamtVG auch das Übergangsgeld nach § 47 BeamtVG gehört, ein Aufrechnungs- oder Zurückbehaltungsrecht nur in Höhe des pfändbaren Teils der Versorgungsbezüge geltend machen. Die Beschränkung des Rechts zur Aufrechnung und zur Zurückbehaltung hat ebenso wie das Abtretungs- und das Verpfändungsverbot nach Absatz 1 der Vorschrift sowie entsprechende Verbote und Beschränkungen nach den § 84 Abs. 2 BBG, § 11 Abs. 2 BBesG und § 51 Abs. 2 BRRG zum Ziel, den Beamten in Ergänzung der Pfändungsverbote nach den §§ 850 ff. ZPO zu schützen. Es soll verhindert werden, dass das seinem und dem Lebensunterhalt seiner Familie dienende Einkommen in einem Umfang entzogen wird, dass ein menschenwürdiges Leben nicht mehr möglich ist. Von Gesetzes wegen wird sichergestellt, dass der Beamte zumindest über Bezüge verfügt, die die Höhe der Pfändungsfreigrenze erreichen. Dieser Teil soll nicht zur Tilgung oder zur Sicherung anderweitiger Ansprüche gegen ihn herangezogen werden.

Angesichts dieses Schutzzwecks der Vorschrift ist das Aufrechnungsverbot nicht gerechtfertigt, wenn die Aufrechnungslage gerade darauf beruht, dass die einander gegenüberstehenden Forderungen die Leistung und die Rückgewähr von Zahlungen betreffen, die - wenn auch unter abweichender Bezeichnung als Besoldung und als Versorgung - den selben Zweck verfolgen. Maßgeblich ist, dass der Kläger nicht berechtigt ist, für ein und denselben Zeitraum die einem bestimmten Zweck dienende Zahlung zweimal zu erhalten und zu behalten. Die Besoldung, die dem Kläger für die Zeit von Oktober 1993 bis März 1994 materiell zu Unrecht gewährt worden ist, und das Übergangsgeld, auf das der Kläger für diesen Zeitraum materiell einen Anspruch hat, dienen demselben Zweck, nämlich dem, den Lebensunterhalt ab Oktober 1993 sicherzustellen. In diesem Falle würde das Aufrechnungsverbot nicht bewirken, dass der Beamte den Geldbetrag, den er in dem fraglichen Zeitraum für seinen und seiner Familie Lebensunterhalt benötigt, tatsächlich erhält. Es würde vielmehr zur Folge haben, dass ihm, obwohl bereits alimentiert, ein Geldbetrag in derselben Höhe noch einmal zufließt. Deshalb verdient in diesem Fall das Aufrechnungsverbot unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 51 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG keine Beachtung und muss nach Treu und Glauben zurücktreten (vgl. zur Verletzung von Treu und Glauben durch Berufung auf das Aufrechnungsverbot nach § 394 BGB (RGZ 85, 108 <116>; BGH, NJW 1959, 1275; BAG, NJW 1960, 1589; OLG Hamm, FamRZ 1999, 436, jeweils m.w.N.).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 14 443,54 DM festgesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück