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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: BVerwG 20 F 2.07
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 99
Die zuständige oberste Aufsichtsbehörde hat auch in Klageverfahren, in denen um den Zugang zu Informationen gestritten wird, gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO über die Vorlage von geheimhaltungsbedürftigen Akten aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen nach ihrem Ermessen zu entscheiden. Die Entscheidung über die Aktenvorlage im Prozess kann sich in solchen Fällen der Prüfung und Anwendung der Rechtsnormen, die für die Entscheidung des Gerichts über den Klageanspruch maßgeblich sind, faktisch weitgehend annähern. Für die gerichtliche Überprüfung der Vorlageentscheidung steht das Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO zur Verfügung.

Der Ausübung des prozessualen Vorlageermessens durch die Behörde bedarf es ausnahmsweise dann nicht, wenn das Interesse an der Geheimhaltung wegen eines grundrechtlichen Bezugs oder aus anderen Gründen ein solches Gewicht hat, dass die Vorlage der Akten unterbleiben muss. Ebenso kann umgekehrt bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein.

Die Vorlage von Akten mit Umweltinformationen ist bei grundrechtlich gebotenem Geheimnisschutz wie z.B. im Falle von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder bei personenbezogenen Daten nur zulässig, wenn und soweit das gesetzliche Informationsinteresse des Klägers und der Allgemeinheit das private Geheimhaltungsinteresse überwiegt. Unter diesen Voraussetzungen kann die Vorlage zugleich erforderlich sein (hier bejaht für Angaben zu einem Störfall in einem Kernkraftwerk in den Akten der Atomaufsichtsbehörde).


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 20 F 2.07

In der Verwaltungsstreitsache

hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO am 21. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bardenhewer, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Fachsenats für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Dezember 2006 wird geändert. Es wird festgestellt, dass auch die Verweigerung der Vorlage der Aktenseiten in Band 5, Bl. 45 und Band 7, Bl. 1 - 4 rechtswidrig ist.

Im Übrigen werden die Beschwerden des Klägers und der Beigeladenen zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten dieses Zwischenverfahrens tragen der Kläger und die Beigeladene je 2/5 und der Beklagte 1/5. Von den außergerichtlichen Kosten dieses Zwischenverfahrens trägt der Beklagte 1/5 derjenigen des Klägers. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre Kosten selbst.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zwischenverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe:

I

Der Kläger und Beschwerdeführer, ein eingetragener Verein, begehrt im Hauptsacheverfahren Zugang zu Umweltinformationen über den ihm vom beklagten Ministerium gewährten Umfang hinaus. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2002 hat das als Aufsichtsbehörde gemäß § 19 AtG zuständige Ministerium dem Kläger unter teilweiser Ablehnung seines Antrags den Zugang zu Informationen gewährt, die in einem 10-bändigen Verwaltungsvorgang des Ministeriums enthalten sind, der anlässlich eines Störfalls im Kernkraftwerk der Beigeladenen und Beschwerdeführerin am 14. Dezember 2001 angelegt worden war. Der Zugang zu den Informationen wurde insoweit eingeschränkt, als bestimmte Aktenseiten aus dem Verwaltungsvorgang entnommen oder Namensschwärzungen vorgenommen wurden. Zur Begründung wird ausgeführt, dass bei der gebotenen Abwägung der Ausschlussgründe nach dem als einschlägig erachteten (damaligen) Umweltinformationsgesetz mit dem Informationsanspruch des Klägers der Datenschutz und der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen Vorrang habe. Die Gestattung steht unter dem Vorbehalt, dass der Bescheid unanfechtbar wird.

Gegen diesen Bescheid haben sowohl der Kläger als auch die zu dessen Klage beigeladene Betreiberin des Kernkraftwerks Klage erhoben. Der Beklagte hat dem Verwaltungsgericht zwar den die Antragstellung betreffenden Verwaltungsvorgang vorgelegt, aber die Vorlage des Verwaltungsvorgangs, um dessen Offenlegung gestritten wird, verweigert. Zur Begründung hat er - im Klageverfahren der Beigeladenen - vorgetragen, die Verweigerung beruhe auf einer analogen Anwendung des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Angesichts des prozessualen Rechts auf Einsichtnahme gemäß § 100 VwGO führe eine Vorlage der Akten dazu, dass der Kläger unabhängig vom Umfang seines Informationsanspruchs Einsicht nehmen könne und damit Kenntnis von den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Beigeladenen erhalte, die der Grund dafür gewesen seien, dem Kläger nur einen eingeschränkten Zugang zum Verwaltungsvorgang zu gewähren. Daraufhin hat der Kläger die Durchführung des Zwischenverfahrens gemäß § 99 Abs. 2 VwGO beantragt. Im Parallelverfahren hat der Beklagte den entsprechenden Antrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat von der Durchführung des Zwischenverfahrens abgesehen und die Klage mit Urteil vom 9. Juni 2005 mit der Begründung abgewiesen, ein Informationsanspruch des Klägers bestehe nicht, da es zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch gebe. Im Parallelverfahren hat das Verwaltungsgericht der Klage der Beigeladenen stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat die Rechtssache mit Beschluss vom 4. April 2006 dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts vorgelegt. Die hiergegen erhobene Gegenvorstellung der Beigeladenen ist erfolglos geblieben. Mit Beschluss vom 29. Dezember 2006 hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts festgestellt, dass (nur) die Verweigerung der Vorlage des Bandes 8, Bl. 16 - 21 und Bl. 50 - 56 rechtswidrig sei. Im Übrigen sei die Verweigerung der Offenlegung der Aktenseiten, die der Kläger in seinem Berufungsantrag benannt habe und die sich - im Wesentlichen - decken mit den Aktenseiten, deren Vorlage der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid verweigert hat, rechtmäßig.

Dagegen haben sowohl der Kläger als auch die Beigeladene Beschwerde erhoben. Im Klageverfahren der Beigeladenen ist ebenfalls ein Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO beim Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts anhängig (BVerwG 20 F 3.07). Der Kläger und die Beigeladene haben im Zwischenverfahren mündliche Verhandlung beantragt.

II

Die Beschwerde des Klägers hat in dem tenorierten Umfang Erfolg; im Übrigen sind beide Beschwerden unbegründet.

1. Der Senat entscheidet ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO ausgeschlossen ist. Der Ausschluss dient einem effektiven Geheimnisschutz. § 101 Abs. 3 VwGO mit der Möglichkeit der ins gerichtliche Ermessen gestellten fakultativen mündlichen Verhandlung wird durch die besonderen Regelungen des "in-camera"-Verfahrens verdrängt. § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO gilt nach seinem Wortlaut zwar nur für Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts. Nach Sinn und Zweck der Regelung greift die Beschränkung auf die schriftliche Entscheidung aber auch, wenn das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist. Denn das dem Ausschluss der Öffentlichkeit zugrunde liegende Geheimhaltungsbedürfnis hängt nicht davon ab, ob das Oberverwaltungsgericht oder das Bundesverwaltungsgericht - sei es als Beschwerdegericht, sei es in der Zuständigkeit gemäß § 99 Abs. 2 Satz 2 VwGO - zu entscheiden hat. Dass in § 99 Abs. 2 Satz 14 VwGO für das Beschwerdeverfahren lediglich auf die Sätze 4 bis 11 verwiesen wird, erklärt sich daraus, dass die in Satz 1 und 2 geregelte Zuständigkeitsverteilung und das in Satz 3 enthaltene Antragserfordernis im Beschwerdeverfahren keine Rolle spielen. Die Geltung der in § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten allgemeinen Grundsätze wird damit nicht in Frage gestellt.

2. Die angefochtene Entscheidung verstößt nicht gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters. Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts als der für das Zwischenverfahren zuständige Spruchkörper über die Vorlage der Akten im Verfahren der Hauptsache entschieden.

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden im Verwaltungsrechtsstreit zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften verpflichtet. Ist - wie hier - die Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits und hängt nach der Rechtsauffassung des Gerichts die Entscheidung über das Klagebegehren von der Kenntnis des Akteninhalts ab, so beschränkt sich die Vorlagepflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht auf diejenigen Akten, die bei der Behörde vor dem Rechtsstreit aus Anlass des Streits über die Aktenvorlage entstanden sind. Vielmehr gehören zu den grundsätzlich vorzulegenden Akten auch die behördlichen Akten, in die Einblick zu nehmen die zuständige Behörde unter Berufung auf etwaige im jeweiligen Fachgesetz normierte Geheimhaltungsgründe abgelehnt hat (Beschluss vom 13. Juni 2006 - BVerwG 20 F 5.05 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 42). Wenn aber das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Vorlage der Akten verweigern.

2.1 Die informationspflichtige Stelle, bei der der Kläger den Antrag auf Informationszugang gestellt hat, ist zugleich die oberste Aufsichtsbehörde i.S.d. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. In dieser Eigenschaft hat sich der Beklagte gegenüber dem Gericht der Hauptsache geweigert, den Verwaltungsvorgang, auf den sich der geltend gemachte Informationsanspruch bezieht, vorzulegen. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar keinen förmlichen Beweisbeschluss zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlage erlassen, um eine (erneute) Verweigerungsentscheidung des Beklagten herbeizuführen. Es hat jedoch in seinem Vorlagebeschluss vom 4. April 2006 zum Ausdruck gebracht, es könne ohne die Einsichtnahme in den vollständigen und ungeschwärzten Aktenvorgang nicht über den vom Kläger erhobenen Anspruch auf weitergehenden Informationszugang entscheiden. Der Vorlagebeschluss ist auf den Antrag des Klägers vom 3. Juni 2005 ergangen, mit dem dieser gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Durchführung des vorliegenden Zwischenverfahrens verlangt hatte.

2.2. Für die Entscheidung im Zwischenverfahren ist nicht das Gericht der Hauptsache, sondern ein besonderer Spruchkörper, nämlich der nach § 189 VwGO eingerichtete Fachsenat zuständig. Dieser entscheidet gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur darüber, ob die Verweigerung der Aktenvorlage durch die oberste Aufsichtsbehörde rechtmäßig ist oder nicht. Eine weitergehende Entscheidungszuständigkeit steht ihm nicht zu. Im Zwischenverfahren gemäß § 99 Abs. 2 VwGO geht es mithin allein um die Frage der Vorlage der Akten im Prozess. Dagegen verbleibt die Entscheidung über den Klageanspruch bei dem Gericht der Hauptsache. Dessen Entscheidungszuständigkeit als der für die Hauptsache zuständige gesetzliche Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wird durch die Einleitung des Zwischenverfahrens nicht angetastet.

Dies alles gilt auch dann, wenn - wie hier - die Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits ist, weil derartige Fälle von der Geltung des § 99 Abs. 2 VwGO nicht ausgenommen sind. Die gegenwärtige Fassung des § 99 Abs. 2 VwGO geht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Oktober 1999 - 1 BvR 385/90 - (BVerfGE 101, 106) zurück, in der dieses zum Schutz des Grundrechts des Klägers auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG verlangt hatte, dass die Verweigerung der Aktenvorlage in einem "in-camera"-Verfahren vom Gericht überprüft werde; in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Klageverfahren ging es ebenfalls um ein Auskunftsbegehren. Zwar kann in derartigen Streitverfahren die Entscheidung im Zwischenverfahren, sofern sie zugunsten der Aktenvorlage ausfällt, faktisch zur Erfüllung des im Hauptsacheverfahren in Streit stehenden Anspruchs führen, weil mit der Vorlage der Akten an das Gericht der Hauptsache stets das Recht der Verfahrensbeteiligten auf Akteneinsicht gemäß § 100 VwGO entsteht. Doch hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit als unvermeidbare Folge des Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO in Kauf genommen. Er hätte ihr nur dadurch entgegenwirken können, dass er die Entscheidung "in-camera" über das Zwischenverfahren hinaus auf den Rechtsstreit in der Hauptsache erstreckt hätte. Dieses Verfahrensmodell, bei dem das Gericht der Hauptsache die Akten ohne das Recht der Beteiligten zur Einsichtnahme für seine Entscheidung verwerten darf, ist jedoch in § 99 Abs. 2 VwGO nicht verwirklicht worden (vgl. Beschlüsse vom 15. August 2003 - BVerwG 20 F 8.03 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 34 und vom 9. Januar 2007 - BVerwG 20 F 1.06 - BVerwGE 127, 282 <291>). Im Übrigen wäre das Gericht der Hauptsache auch bei Einführung eines "in-camera"-Verfahrens in der Hauptsache nicht der vorgängigen Prüfung enthoben, ob die von der obersten Aufsichtsbehörde geltend gemachten Geheimhaltungsgründe tatsächlich vorliegen. Soweit diese Frage zu verneinen ist, darf den Beteiligten das Recht auf Einsichtnahme in die Akten schon aus verfassungsrechtlichen Gründen keinesfalls vorenthalten werden (vgl. Beschluss vom 9. Januar 2007 a.a.O. Rn. 16).

3. Hat das Gericht der Hauptsache - wie hier - die Entscheidungserheblichkeit in einem Beschluss geprüft und bejaht, ist der Fachsenat grundsätzlich an dessen Rechtsauffassung gebunden. Eine andere Beurteilung durch den Fachsenat kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist (Beschluss vom 28. März 2006 - BVerwG 20 F 1.05 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 40).

Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Auffassung des Hauptsachegerichts, als Rechtsgrundlage für den klägerischen Informationsanspruch greife Art. 3 der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 28. Januar 2003 - Umweltinformationsrichtlinie - UIRL - (ABl Nr. L 41, S. 26), die nach Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbare Wirkung entfalte, erscheint nicht offensichtlich fehlerhaft. Die Beigeladene zeigt mit ihren Einwänden nicht auf, dass die Grenze zur Offensichtlichkeit überschritten wurde. Dass die Frage als streitig und klärungsbedürftig angesehen wird, genügt dafür nicht. Die Grenze zur Offensichtlichkeit ist erst dann überschritten, wenn sich die Rechtsauffassung als nicht vertretbar erweist.

Abgesehen davon ist zwischenzeitlich das der Umsetzung der Richtlinie dienende Umweltinformationsgesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 2. März 2007 verabschiedet worden (GVOBl 2007, 132). Auf die von der Beigeladenen aufgeworfenen Fragen der unmittelbaren Wirkung der Richtlinie kommt es daher nicht mehr an. Denn über einen Anspruch des Klägers auf Informationszugang bestimmt das Recht, das zum Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung gilt (Urteil vom 27. September 2007 - BVerwG 7 C 4.07 - juris Rn. 13). Mangels abweichender Übergangsregelung erstreckt sich der Geltungsanspruch des neuen Landesumweltinformationsgesetzes auch auf noch nicht bestandskräftig erledigte Anträge (Urteil vom 18. Oktober 2005 - BVerwG 7 C 5.04 - Buchholz 406.252 § 2 UIG Nr. 1).

Soweit die Beigeladene rügt, ihr sei kein rechtliches Gehör zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie gewährt worden, scheint sie die Ausführungen des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts misszuverstehen. Der Hinweis, dass nach Erlass des Vorlagebeschlusses ausreichend Gelegenheit für die Beteiligten bestand, ihre Standpunkte darzulegen, bezieht sich nicht - wie die Beigeladene offenbar meint - auf die vom Fachsenat angesprochene Möglichkeit, eine Gegenvorstellung zu erheben. Das ergibt sich aus der weiteren Feststellung des Fachsenats, die Beigeladene habe sich "zusätzlich" über die Gegenvorstellung Gehör verschafft. Gemeint ist vielmehr, dass der Fachsenat ihre Einwände zur Kenntnis genommen hat, weil er mit Blick auf die Bindungswirkung des Vorlagebeschlusses zu prüfen hatte, ob die Auffassung als offensichtlich fehlerhaft anzusehen sein könnte. Angesichts der auf Richtigkeitszweifel gestützten Zulassung der Berufung lag die Entscheidungserheblichkeit der Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie auf der Hand. Das hat auch die Beigeladene erkannt und entsprechend vorgetragen. Dass ihr Vortrag vom Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts, dessen Entscheidung hier allein zur Überprüfung steht, nicht zur Kenntnis genommen wurde, behauptet auch die Beigeladene nicht. Sie wendet sich vielmehr nur gegen den Vorlagebeschluss. Mit der Anmerkung in dem - nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht geforderten - Nichtabhilfebeschluss vom 2. Februar 2007, die Gewährung des rechtlichen Gehörs zu der "(Rechts-)Frage" sei dem vorlegenden Senat "zuzuordnen", unterstreicht der Fachsenat lediglich, dass kein Anlass bestand, von dem Grundsatz der Bindungswirkung abzuweichen.

4. Grundsätzlich setzt die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage (Sperrerklärung) bei Geheimhaltungsbedarf eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO voraus. Der Fachsenat und damit auch das Beschwerdegericht haben nur zu überprüfen, ob die Entscheidung den an die Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gestellten Anforderungen genügt.

4.1 Durch die Ermessenseinräumung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben (Beschlüsse vom 19. August 1964 - BVerwG 6 B 15.62 - BVerwGE 19, 179 <186>; vom 15. August 2003 a.a.O.; vom 13. Juni 2006 - BVerwG 20 F 5.05 - Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 42; vom 1. August 2007 - BVerwG 20 F 10.06 -). § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht (Beschluss vom 13. Juni 2006 a.a.O.).

Soweit die Aktenvorlage auch Gegenstand des Rechtsstreits selbst ist, sind die Gründe, die eine Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigen können, von denjenigen Gründen zu unterscheiden, die im Verfahren der Hauptsache zur Verweigerung der Aktenvorlage angeführt werden. Diese Gründe können, müssen aber nicht deckungsgleich sein. Da die Sperrerklärung als Erklärung des Prozessrechts auf die Prozesslage abgestimmt sein muss, in der sie abgegeben wird, genügt es grundsätzlich nicht, in ihr lediglich auf die die Sachentscheidung tragenden Gründe des - je nach Fachgesetz im Einzelnen normierten - Geheimnisschutzes zu verweisen. Die oberste Aufsichtsbehörde ist vielmehr im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO gefordert, in besonderer Weise in den Blick zu nehmen, welche rechtsschutzverkürzende Wirkung die Verweigerung der Aktenvorlage im Prozess für den Betroffenen haben kann. Darin liegt die Besonderheit ihrer Ermessensausübung nach dieser Verfahrensbestimmung. Dementsprechend ist der obersten Aufsichtsbehörde auch in den Fällen Ermessen zugebilligt, in denen das Fachgesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt (Beschluss vom 1. August 2007 - BVerwG 20 F 10.06 - juris Rn. 5). Maßstab ist dabei neben dem privaten Interesse am effektivem Rechtsschutz und dem - je nach Fallkonstellation - öffentlichen oder privaten Interesse an Geheimnisschutz auch das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - BVerfGE 115, 205 <241>). Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat. Ist beispielsweise das Geheimhaltungsinteresse ohne erhebliches Gewicht, wird es gerechtfertigt sein, es hinter dem Interesse an effektivem Rechtsschutz zurücktreten zu lassen. Daher bedarf es stets einer Abwägung, ob Geheimnisschutz auch angesichts des Interesses an effektivem Rechtsschutz zu gewähren ist (BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 a.a.O. S. 240).

4.2 Das Ergebnis der Ermessensausübung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann in bestimmten Fallkonstellationen jedoch durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich zwingend vorgezeichnet sein. Dies kommt namentlich dann in Betracht, wenn ein privates Interesse an der Geheimhaltung besteht, das grundrechtlich geschützt ist. Denn Beeinträchtigungen von Grundrechten sind nur dann zulässig, wenn sie durch hinreichende, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Gründe gerechtfertigt werden. Die Frage nach der ausreichenden Rechtfertigung eines mit der Aktenvorlage verbundenen Grundrechtseingriffs stellt sich vor allem in Dreieckskonstellationen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass neben dem Kläger und dem beklagten Staat auch ein privater Dritter am Prozess beteiligt ist, dessen Interessen denen des Klägers entgegengesetzt sind. In solchen Fällen sind neben dem öffentlichen und privaten Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz auch die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden und seinen Inhalt prägenden widerstreitenden Individualinteressen in die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen. Ergibt sich dabei, dass die auf die Aktenvorlage gerichteten und durch die genannten öffentlichen Interessen verstärkten privaten Interessen an Bedeutung hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückbleiben, muss sich dieser Schutz durchsetzen. Aber auch unabhängig von den Anforderungen der Grundrechte sind Fälle denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse so gewichtig ist, dass die Vorlage der Akten unterbleiben muss. Ebenso kann umgekehrt bei einem geringen Gewicht des Geheimhaltungsinteresses die Vorlage im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten sein. In allen diesen Fällen verbleibt für die Ausübung des in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO um der Wahrheitsfindung und des effektiven Rechtsschutzes willen eröffneten Ermessens kein Raum. Dies kann bei Rechtsstreitigkeiten, die wie das Ausgangsverfahren einen Anspruch auf Informationszugang betreffen, dazu führen, dass sich das Prüfprogramm für die prozessuale Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO faktisch - nicht jedoch rechtlich - weitgehend den fachgesetzlichen Vorgaben der Hauptsache annähert.

5. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Fachsenats, der die Verweigerung der Aktenvorlage mit Ausnahme von Band 8, Bl. 16 - 21 und 50 - 56 als rechtmäßig bestätigt hat, im Wesentlichen nicht zu beanstanden. Über die soeben genannten Aktenseiten hinaus sind indes auch die Seiten in Band 5, Bl. 45 und Band 7, Bl. 1 - 4 offenzulegen. Insoweit hat die Beschwerde des Klägers Erfolg.

5.1. Allerdings hat das beklagte Ministerium nicht, wie in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO bei Geheimhaltungsbedarf vorgesehen, eine auf den laufenden Rechtsstreit bezogene und auf einer Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten im Prozess beruhende Ermessensentscheidung über die Aktenvorlage getroffen. Dass das Ministerium die Ausgangsentscheidung zu treffen hatte, entband es nicht von der Pflicht, als oberste Aufsichtsbehörde anlässlich der Sperrerklärung eine Abwägungsentscheidung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu treffen. Die im Parallelverfahren mit Schriftsatz vom 5. März 2004 abgegebene Sperrerklärung lässt keine derartige Entscheidung erkennen. Das gilt auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Schriftsatzes vom 23. Mai 2005. Es genügt nicht, auf die prozessualen Folgen des § 100 VwGO und die Probleme hinzuweisen, die sich daraus ergeben, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, im Fall der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs im Hauptsacheverfahren die Möglichkeit eines "in-camera"-Verfahrens vor dem Hauptsachegericht zu eröffnen. Ebenso wenig genügt es in der Regel, lediglich auf die Weigerungsgründe im angefochtenen Bescheid Bezug zu nehmen.

Im vorliegenden Fall war jedoch eine selbständige Ermessensentscheidung der obersten Aufsichtsbehörde ausnahmsweise entbehrlich. Denn das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung war rechtlich vorgezeichnet. Für Ermessenserwägungen war kein Raum. Das ergibt sich aus Folgendem:

Der Kläger macht einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen nach der Umweltinformationsrichtlinie geltend. Dieser Anspruch besteht - unter der vom Hauptsachegericht mit Blick auf die Frage der Entscheidungserheblichkeit bejahten tatbestandlichen Voraussetzung, dass er sich auf Umweltinformationen bezieht -, ohne dass hierfür ein Interesse geltend gemacht werden muss (Art. 1 lit a) der Umweltinformationsrichtlinie). Jede natürliche oder juristische Person ist mit der Antragstellung anspruchsberechtigt. Der Anspruch dient mithin nicht oder nicht in erster Linie der Befriedigung von privaten Informationsinteressen. Vielmehr zielt er darauf ab, das allgemeine Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und auf diese Weise den Umweltschutz zu verbessern (vgl. den ersten Erwägungsgrund zur Umweltinformationsrichtlinie sowie das Urteil vom 6. Dezember 1996 - BVerwG 7 C 64.95 - BVerwGE 102, 282 <287>). Wer einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen stellt, wird demnach (auch) als Sachwalter der Allgemeinheit tätig; seinem Interesse an der Verfolgung des Anspruchs im Prozess entspricht ein gleichgerichtetes öffentliches Interesse.

Dem in dieser Weise durch Allgemeininteressen getragenen Informationsinteresse des Klägers stehen die grundrechtlich geschützten Interessen der Beigeladenen an der Wahrung ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse (vgl. dazu Beschluss vom 12. Januar 2006 - BVerwG 20 F 12.04 - BVerwGE 125, 40) und das ebenfalls grundrechtlich verankerte Bedürfnis der Mitarbeiter der Beigeladenen nach dem Schutz ihrer in den Akten enthaltenen personenbezogenen Daten gegenüber. Das besondere Gewicht dieser Interessen ergibt sich aus ihrem grundrechtlichen Bezug; aus diesem folgt, dass Beeinträchtigungen nur beim Vorliegen hinreichend gewichtiger Rechtfertigungsgründe hinnehmbar sind.

An solchen Gründen fehlt es, soweit der Kläger pauschal und einschränkungslos die Einsichtnahme in sämtliche im Zusammenhang mit dem Störfall vom 14. Dezember 2001 entstandenen Akten des Beklagten begehrt. Zwar braucht das Interesse an Umweltinformationen wegen der dargelegten Bedeutung des Zugangsanspruchs für die Allgemeinheit nicht von vornherein hinter dem grundrechtlich gebotenen Geheimnisschutz zurückzustehen. Andererseits müssen aber auch die privaten Geheimhaltungsinteressen nicht generell den Informationsinteressen weichen, weil dadurch der Schutz der Grundrechte im Zusammenhang mit der Offenbarung von Umweltinformationen vollständig entfiele. Vielmehr müssen die privaten Geheimhaltungsinteressen im Einzelnen mit den Informationsinteressen abgewogen werden. Nur soweit sich bei der Einzelabwägung ergibt, dass die Informationsinteressen ein größeres Gewicht als die privaten Geheimhaltungsinteressen haben, kann jenen Interessen der Vorzug gegeben werden. Diese Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit treffen auch auf die Vorlage der Akten im Prozess zu. Denn das in dieser Situation neben den sonstigen Interessen bedeutsame öffentliche und private Interesse an der Wahrheitsfindung und an effektivem Rechtsschutz führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Interessenlage.

5.2 Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts - hinsichtlich des der Beigeladenen zugeordneten Schutzes ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse - nicht auf die unzureichend begründete Sperrerklärung abgestellt hat, sondern seinerseits in die Abwägung eingetreten ist. Soweit der Kläger vorträgt, die Richtlinie gestehe der Behörde keine Auswahl zu, und moniert, die Auffassung des Fachsenats führe auf ein Beurteilungsermessen, für das es in der Richtlinie keine Grundlage gebe, und ferner rügt, die Entscheidung des Fachsenats entspreche nicht den Vorgaben der Umweltrichtlinie, verkennt er, dass das Ergebnis der im Zwischenverfahren geforderten Abwägung in dem dargelegten Umfang rechtlich zwingend vorgegeben ist und sich lediglich faktisch deckt mit dem fachrechtlichen Prüfprogramm. Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Verweigerung ist nicht das materielle Recht, über das das Hauptsachegericht zu entscheiden hat, sondern die am Maßstab der Verhältnismäßigkeit orientierte Interessengewichtung. Im Übrigen sehen auch die einschlägigen Vorschriften des nunmehr geltenden Umweltinformationsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein vom 2. März 2007 eine einzelfallbezogene Abwägung vor.

5.3 Der Fachsenat hat darüber hinaus zutreffend erkannt, dass das (altruistische) Interesse des Klägers an Gewicht gewinnt, soweit es um die Aufklärung des den Anlass für das Informationsbegehren bildenden Störfalls vom 14. Dezember 2001 geht.

Insoweit hat, wie der Fachsenat zu Recht festgestellt hat, der Geheimnisschutz ausnahmsweise "hinter eindeutig höher zu bewertenden Rechtsgütern der Allgemeinheit zurückzustehen" (BA S. 16). Den Anknüpfungspunkt für die Verhältnismäßigkeitsprüfung bildet dabei die Frage, ob die Durchsetzung des Informationsanspruchs "unmittelbar bei der Realisierung einer wichtigen öffentlichen Aufgabe" hilft (BA S. 17). Dass ein besonderes, die Geheimhaltungsinteressen deutlich überwiegendes und daher die Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zugunsten der Aktenvorlage determinierendes öffentliches Interesse an Informationen mit unmittelbarem Störfallbezug besteht, ergibt sich aus den weitreichenden Folgen, die ein Störfall angesichts der Besonderheiten einer solchen technischen Anlage für die Allgemeinheit haben kann. Soweit die Beigeladene rügt, das Gericht erkläre nicht, wie es durch die Preisgabe der Akten konkret zur "Realisierung einer wichtigen öffentlichen Aufgabe" kommen könne, verkennt sie den für die öffentliche Diskussion essentiellen Transparenzeffekt, der sich aus einer solchen Offenlegung ergibt. Die Kenntnis der Informationen erlaubt - über die Aufbereitung des Vorfalls in Fachkreisen hinaus - eine öffentliche Auseinandersetzung mit substantiellen Nachfragen zu dem "kritischen" Ereignis eines solchen Störfalls. Dass ein Öffentlichkeitsdruck - wie der Fachsenat zutreffend angemerkt hat - zu einem erhöhten Erklärungsdruck und damit mittelbar zu einer möglichen Verbesserung der Anlagenüberwachung führen kann, beruht auf der Erkenntnis, dass durch das partizipative Element der Offenlegung das Bewusstsein für die Erfordernisse eines wirksamen Umweltschutzes geschärft wird. Da sich das Informationsinteresse des Klägers mit dem (allgemeinen) öffentlichen Informationsinteresse deckt, nimmt es an dessen besonderer Bedeutung teil und gewinnt - soweit es um Informationen über den konkreten Störfall geht - ein Gewicht, das den Geheimnisschutz verdrängt.

5.4. Aus alledem ergibt sich, dass der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts seine Entscheidung im Zwischenverfahren zu Recht davon abhängig gemacht hat, in welchem Umfang der im Hauptsacheverfahren und im Zwischenverfahren umstrittene Akteninhalt durch Grundrechte der Beigeladenen und ihrer Mitarbeiter gegen seine Offenlegung geschützt ist und welche Aktenseiten einen den Grundrechtsschutz verdrängenden besonderen Bezug zum Störfall vom 14. Dezember 2001 aufweisen; darüber hinaus hat er zutreffend geprüft, ob und ggf. mit welchem Ergebnis die vom Beklagten gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung (auch) mit Blick auf andere Geheimhaltungsgründe, insbesondere wegen eines staatlichen Geheimhaltungsinteresses, durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlich determiniert war. Unter diesen Gesichtspunkten ist zu dem Akteninhalt, der Entscheidung des Fachsenats und den Einwänden der Beschwerdeführer im Einzelnen zu bemerken:

5.4.1 Die Feststellung des Fachsenats, dass es sich - mit Ausnahme von Band 6, Bl. 11 - 15 und Band 7, Bl. 1 - 4 - bei den im klägerischen Berufungsantrag genannten Aktenseiten um Informationen handelt, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen betreffen (BA S. 11 f.), ist nicht zu beanstanden.

Der beschließende Senat teilt nach Durchsicht der Aktenseiten die Einschätzung des Fachsenats. Das gilt auch, soweit der Kläger geltend macht, Angaben zur Anlagentechnik seien kein Betriebsgeheimnis der Beigeladenen, sondern "äußerstenfalls" des Anlagenbauers. Denn es handelt sich um technisches Wissen, das die Beigeladene als Betreiberin vom Anlagenbauer erworben hat und damit nicht nur dem Anlagenbauer, sondern auch ihr unter dem Gesichtspunkt des Geheimnisschutzes zugeordnet ist.

Soweit der Kläger mit der Beschwerde einwendet, die Frage der Offenkundigkeit eines behaupteten Geheimnisses sei als Tatsachenfrage dem Beweis zugänglich, und mit Blick auf die von ihm im Hauptsacheverfahren beantragte Beweiserhebung einen Verfahrensfehler rügt, verkennt er, dass das Zwischenverfahren eine Beweiserhebung im Sinne von § 98 VwGO in Verbindung mit den dort genannten Bestimmungen der Zivilprozessordnung nicht zulässt. Im Übrigen hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts nachvollziehbar begründet, dass die Informationen nicht offenkundig und nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind. Soweit der Kläger hiergegen mit seiner Beschwerde Einwände erhebt, übersieht er, dass der brancheninterne Austausch von Informationen nicht dazu führt, dass es sich um "allgemein" zugängliche Daten handelt. Bereits der Umstand, dass der Informationsaustausch an eine fachliche Betroffenheit anknüpft, belegt, dass die Angaben nur einem beschränkten Personenkreis und nicht der Allgemeinheit zugänglich sind. Ebenso wenig genügt es, dass die (veraltete) Kraftwerkstechnik - wie der Kläger vorträgt - weltweit angeboten und auch mehrfach gebaut wurde. Damit ist das technische Wissen nicht der Allgemeinheit, sondern nur dem beschränkten Kreis der Betreiber von Kernkraftwerken zugänglich gemacht worden. Außerdem sind auch bei verbreiteter Kenntnis des Anlagentyps und der Anlagentechnik noch nicht die Konstruktionsdetails des Kernkraftwerks der Beigeladenen und sein tatsächlicher Bauzustand allgemein bekannt.

5.4.2 Zu Recht hat der Fachsenat die Aktenseiten Band 8, Bl. 16 - 21 und 50 - 56 als unmittelbar störfallrelevant beurteilt und deshalb ihre Offenlegung für erforderlich gehalten. Dass es sich bei diesen Aktenseiten - wie die Beigeladene mit ihrer Beschwerde vorträgt - um eine bloße Auflistung von Daten handelt, ändert nichts an ihrem spezifischen Störfallbezug. Die auf den Aktenseiten enthaltenen Warnstörschaltprotokolle (WSP) und EDV-Meldungen aus der Prozessrechneranlage (PRA) geben - wie auch die Beigeladene bereits in der Anlage zum Schriftsatz vom 30. November 2006 ausgeführt hat und mit der Beschwerde wiederholt - Aufschluss über betriebliche Störungen und vermitteln ein Bild über den Zustand der Anlage. Der Störfallbezug ergibt sich daraus, dass sich alle Daten auf den Tag des Störfalls beziehen. Dass sich die Daten nicht auf die TC-Deckelduschleitung beschränken, relativiert den Störfallbezug nicht. Denn es besteht mit Blick auf die Ursachenforschung gerade auch ein besonderes Interesse an Informationen über den Zustand der gesamten Anlage am Tag des Störfalls unabhängig vom technischen "Ort", an dem sich der Vorfall ereignet hat. Zumindest missverständlich erscheint aber der Hinweis des Fachsenats, verbleibenden schützenswerten Belangen der Beigeladenen könne durch die Form der Offenlegung entsprochen werden (BA S. 18). Dem Kriterium des Störfallbezugs kommt gerade die Besonderheit zu, den betrieblichen Geheimnisschutz der Beigeladenen ausnahmsweise (ganz) zu verdrängen; für schützenswerte Belange ist - entgegen der Auffassung der Beigeladenen - in diesem Fall kein Raum.

5.4.3 Soweit die Beigeladene hinsichtlich der Aktenseiten in Band 7, Bl. 61 und Band 5, Bl. 45 rügt, der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts habe zu Unrecht angenommen, die Angaben seien auf Grund der - im einzelnen genannten - Publikationen bereits der Öffentlichkeit zugänglich, so dass eine Entscheidung gemäß § 99 Abs. 2 VwGO entbehrlich sei, ist zu unterscheiden:

(1) Band 7, Bl. 61 ist im Berufungsantrag des Klägers vom 6. Februar 2006 nicht genannt und daher weder Streitgegenstand im Hauptsacheverfahren noch Gegenstand des vorliegenden Zwischenverfahrens, welches die Verweigerung der in jenem Verfahren umstrittenen Akten an das Gericht der Hauptsache betrifft; das bedeutet, dass der Fachsenat über die Vorlage dieser Aktenseite in dem angefochtenen Beschluss nicht entschieden hat. Insofern geht die Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts auf Seite 6 des Beschlusses zu dem in Band 7, Bl. 61 befindlichen - störfallrelevanten - Vermerk über eine Einsichtnahme in die Schichtunterlagen vom 14. Dezember 2001, ins Leere.

(2) Bei Band 5, Bl. 45 handelt es sich um eine Querschnittszeichnung des Sicherheitsbehälters mit der TC-Deckelduschleitung, auf der die Fundstellen der auf Seite 30 - 44 mit Photographien dokumentierten Bruchstücke im Zusammenhang mit dem Störfall verzeichnet sind. Wie auch der Fachsenat durch Kursivdruck zum Ausdruck gebracht hat, sind "diese" Informationen im Wesentlichen in den genannten Publikationen enthalten. Es fehlt jedoch an einer vergleichbar komprimierten Darstellung in einer Zeichnung; die einzelnen Informationen müssen vielmehr jeweils erst zusammengeführt werden, um den mit der Querschnittszeichnung verbundenen Gesamteindruck zu vermitteln. Damit handelt es sich qualitativ um eine bislang nicht der Öffentlichkeit zugängliche Information. Das verkennt der Fachsenat. Angesichts des Störfallbezugs tritt der betriebliche Geheimnisschutz der Beigeladenen daher in diesem Fall ausnahmsweise zurück. Die Entscheidung des Fachsenats ist mithin insoweit zu korrigieren.

5.4.4 Angesichts der Feststellung des Fachsenats des Oberverwaltungsgerichts, dass es nicht um den Schutz von personenbezogenen Daten gehe (BA S. 6, 11), sieht der Senat Anlass zur Klarstellung. Der Kläger hat in seinem Berufungsschriftsatz vom 6. Februar 2006 ausdrücklich - unter b) - auch beantragt, den Beklagten zu verpflichten, die Unterlagen ungeschwärzt vorzulegen. Das bezieht sich ersichtlich auf die - im Bescheid ohne Angabe der Aktenseiten verfügten - Namensschwärzungen, "die über reine Funktionsbezeichnungen hinausgehen" und die "Angaben in Arbeitsaufträgen, organisatorischen Zuordnungen, Störungs- und Mängelmeldungen" betreffen sollen. Insofern geht die Feststellung des Fachsenats, dass "die im Berufungsantrag ... benannten (weiteren) Unterlagen, deren Offenbarung begehrt wird, keine personenbezogenen Daten ... enthalten" (BA S. 6 - Klammerzusatz im Original), am klägerischen Begehren vorbei. Der Kläger rügt dies zwar nicht mit seiner Beschwerde und hat überdies im Verfahren der Hauptsache - wenn auch vor Stellung des Berufungsantrags - mit Schriftsatz vom 26. März 2004 erklärt, er stimme unter Protest einer Schwärzung personenbezogener Daten zu. Der beschließende Senat hat aber auch diesen Grund der Verweigerung zu überprüfen, da der Beklagte - wie sich aus dem dem Senat im Original und in Kopie vorliegenden Verwaltungsvorgang ergibt - auf unterschiedlichen Aktenseiten entsprechende Schwärzungen vorgenommen hat. Die Prüfung ergibt, dass die geschwärzten Angaben keinen konkreten Störfallbezug aufweisen und dass daher dem grundrechtlichen Datenschutz gegenüber dem lediglich allgemeinen Informationsinteresse des Klägers der Vorrang gebührt. Der Fachsenat hat mithin insoweit die Verweigerung der Aktenvorlage durch den Beklagten im Ergebnis zu Recht bestätigt.

5.4.5 Soweit der Fachsenat über den Schutz von privaten Geheimnissen hinaus auch staatliche Geheimhaltungsinteressen angesprochen hat, ist wiederum zu differenzieren:

(1) Zu Recht hat der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts die Verweigerung der Vorlage der Aktenseiten in Band 6, Bl. 11 - 15, die Beratungen der Reaktorsicherheitskommission (RSK) betreffen, als rechtmäßig erachtet.

Die Einwände des Klägers sind nicht begründet. Denn insofern steht dem Informationsanspruch, der dem Kläger im Interesse der Allgemeinheit eingeräumt ist, ein zwar nicht grundrechtlich fundiertes, aber ein vergleichbar bedeutsames öffentliches Interesse entgegen, das so gewichtig ist, dass es nicht vernachlässigt werden darf. Zutreffend hat der Fachsenat die besondere Bedeutung des im öffentlichen Interesse begründeten (behördlichen) Geheimnisschutzes aus der Vertraulichkeit abgeleitet, die den Beratungen der Reaktorsicherheitskommission zukommt. Das in § 14 Abs. 3 der RSK-Satzung niedergelegte Beratungsgeheimnis ist strukturell mit dem richterrechtlichen Beratungsgeheimnis (vgl. dazu Beschluss vom 21. Februar 2007 - BVerwG 20 F 9.06 - BVerwGE 128, 135 <137>) vergleichbar und eine wesentliche Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Mitglieder der Kommission. Die Kommissionsmitglieder haben danach das Recht und die Pflicht, mündliche und schriftliche Äußerungen, die sich mit ihren Erkenntnissen zum Sachverhalt befassen oder diesen einer Bewertung und Beurteilung unterziehen, nicht an außenstehende Dritte gelangen zu lassen. Sie sollen in aller Offenheit gemeinsam über die Entscheidung diskutieren können, ohne dass Außenstehende von ihrem Verhalten Kenntnis erlangen oder es gar beeinflussen können. Erst wenn das Ergebnis der Beratung in Form einer Empfehlung oder Stellungnahme beschlossen worden ist und insofern die Gefahr einer Personalisierung des Entscheidungsprozesses nicht (mehr) besteht, überwiegt das allgemeine Informationsinteresse. Dementsprechend ist der allgemeinen Öffentlichkeit gemäß § 11 Abs. 3 der RSK-Satzung nur Zugang zu den Empfehlungen oder Stellungnahmen eröffnet. Das Informationsinteresse des Klägers geht hier nicht weiter als das Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit. Dass die Unterlagen im Zusammenhang mit dem Störfall stehen, genügt nicht. Vielmehr überwiegt das seinerseits in besonderer Weise zu beachtende öffentliche Interesse an der Einhaltung des Beratungsgeheimnisses und damit der effektiven und objektiven Entscheidungsfindung der Kommission.

(2) Dagegen trägt die Begründung des Fachsenats hinsichtlich der Aktenseiten in Band 7, Bl. 1 - 4, die behördliche Vermerke zur Vorbereitung für ein Gespräch zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen enthalten, nicht. Weder greift § 100 Abs. 3 VwGO analog ein noch der Gedanke des Schutz der Vertraulichkeit interner behördlicher Mitteilungen. Die behördliche Vertraulichkeit mag fachrechtlich - sowohl nach dem zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses geltenden Umweltinformationsgesetz als auch nach der Umweltinformationsrichtlinie sowie nach dem nunmehr geltenden Umweltinformationsgesetz des Landes - einen Ablehnungsgrund darstellen. Doch decken sich die Voraussetzungen, unter denen nach den einschlägigen Fachgesetzen der Zugang zu Informationen abgelehnt werden kann, nicht in vollem Umfang mit den in § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO umschriebenen Gründen für die Geheimhaltung von Akten im Prozess. Abgesehen davon vermag der beschließende Senat ein besonderes Gewicht dieses öffentlichen Belangs anders als bei dem Beratungsgeheimnis der Reaktorsicherheitskommission nicht zu erkennen. Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2006 unter Wiedergabe der Begründung im angefochtenen Bescheid darauf verweist, dass existentielle Gefährdungen für Mitarbeiter, die benannt werden, nicht ausgeschlossen werden könnten, lässt sich damit zwar ein personenbezogener Datenschutz begründen. Bezogen auf Band 7, Bl. 1 - 4 ist diese Begründung aber nicht nachvollziehbar; denn auf diesen Aktenseiten findet sich kein einziger Name. Allein der Umstand, dass in den Vermerken Kritik an der Beigeladenen geäußert wird, genügt nicht, um die behauptete Gefährdungslage zu begründen. Auch bei diesen Aktenseiten ist der Störfallbezug evident; der - vom Kläger gerügte - Hinweis auf die mangelnde Erforderlichkeit ist daher nicht nachvollziehbar. Die Beschwerde des Klägers hat mithin auch insoweit Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155, 173 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts für dieses Zwischenverfahren folgt aus § 52 Abs. 2, § 47 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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