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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 08.10.1998
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 100.98
Rechtsgebiete: Einigungsvertrag


Vorschriften:

Einigungsvertrag (EV) Art. 21 Abs. 1 Satz 2
Leitsätze:

Früheres MfS-Vermögen ist nur dann neuen öffentlichen oder sozialen Zwecken i.S. von Art. 21 Abs. 1 Satz 2 EV zugeführt worden, wenn die neue Nutzung auf Dauer angelegt war und sich in der Außenwelt - sei es durch vertragliche Abmachungen oder hoheitliche Entscheidungen, sei es durch Änderungen tatsächlicher Art - manifestiert hat. Das Kriterium der Beständigkeit verlangt eine stichtagsgerechte Fixierung der Zweckbestimmung in einer Weise, die die Verwirklichung und Beibehaltung dieses Zweckes nicht in das Belieben des Begünstigten stellt.

Beschluß des 3. Senats vom 8. Oktober 1998 - BVerwG 3 B 100.98 -

I. VG Berlin vom 30.03.1998 - Az.: VG 27 A 219.94 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 3 B 100.98 VG 27 A 219.94

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 8. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Borgs-Maciejewski und Kimmel

beschlossen:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. März 1998 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die klagende Industrie- und Handelskammer wendet sich gegen die Zuordnung eines in ihrem Bucheigentum stehenden bebauten Grundstücks an die Treuhandanstalt. Das Objekt war von 1974 bis Ende 1989 für Aufgaben des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) genutzt worden. Anfang 1990 wurde das Haus von der zuständigen Gruppe des Runden Tisches begangen und die MfS-Nutzung "offiziell" beendet. Das Verwaltungsgericht hat es als möglich unterstellt, daß dieses Gremium dabei das Objekt der Klägerin zur Nutzung als Gästehaus zugeführt habe. Es hat die Klage unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 1995 (- BVerwG 7 C 62.93 - BVerwGE 97, 295 = Buchholz 111 Art. 22 Nr. 8) abgewiesen. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Die von der Beschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) sowie der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegen nicht vor.

1. Die Divergenzrüge scheitert bereits daran, daß sie dem Bezeichnungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht gerecht wird.

Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18); für behauptete Abweichungen von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes gilt Entsprechendes (vgl. BVerwG, Beschluß vom 21. Januar 1994 - BVerwG 11 B 116.93 - Buchholz 442.16 § 15 b StVZO Nr. 22). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. BVerwG, Beschluß vom 17. Januar 1995 - BVerwG 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342, S. 55).

Nach Ansicht der Beschwerde weicht die angefochtene Entscheidung von dem eingangs erwähnten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 1995 ab. Während das Bundesverwaltungsgericht dort für die "Zuführung" eines Vermögensgegenstandes zu neuen sozialen oder öffentlichen Zwecken (Art. 21 Abs. 1 Satz 2 EV) eine "auf Dauer angelegte Nutzung" verlange, fordere das Verwaltungsgericht darüber hinaus den Fortbestand dieser Nutzung auf Dauer. Mit diesem Vortrag zeigt die Beschwerde keinen Widerspruch zwischen den beiden Entscheidungen auf, denn zur Frage des Fortbestandes einer als eigentumsbegründend anzuerkennenden Umfunktionierung hat sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gar nicht geäußert. Ist das Verwaltungsgericht - wie die Beschwerde annimmt - insoweit über dieses Urteil hinausgegangen, so setzt dies logischerweise voraus, daß es sich zumindest die diesem zugrundeliegende Rechtsansicht zu eigen gemacht hat.

2. Die Rechtssache hat hinsichtlich der vom Kläger dargelegten Rechtsfragen auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Die Beschwerde hält es dem Sinne nach für klärungsbedürftig, ob ehemals "legendiertes" MfS-Vermögen bereits dann endgültig einem neuen öffentlichen Zweck zugeführt worden ist, wenn dieser bei Beendigung der alten Zweckbestimmung festgelegt und kurzzeitig auch realisiert worden ist. Zur Klärung dieser Frage bedarf es keines revisionsgerichtlichen Verfahrens, weil die Beantwortung sich ohne weiteres ableiten läßt aus dem vorgenannten Urteil des 7. Senats des Bundesverwaltungsgerichts. Der darin geäußerten Rechtsansicht hat sich der nunmehr für das Vermögenszuordnungsrecht zuständige beschließende Senat (Beschlüsse vom 2. Oktober 1996 - BVerwG 3 B 70.96 und 72.96 - Buchholz 111 Art. 22 Nr. 21), sowie auch der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20. September 1996 V ZR 283/94 - VIZ 1997, 47) angeschlossen.

Diese Rechtsprechung besagt, daß von einer erfolgten Zuführung zu neuen öffentlichen oder sozialen Zwecken nur gesprochen werden kann, wenn die neue Nutzung auf Dauer angelegt war und sich in der Außenwelt - sei es durch vertragliche Abmachungen oder hoheitliche Entscheidungen, sei es durch Änderungen tatsächlicher Art - manifestiert hat. Das für eine Anerkennung unerläßliche Kriterium der Beständigkeit verlangt eine stichtagsgerechte Fixierung der Zweckbestimmung in einer Weise, die die Verwirklichung und Beibehaltung dieses Zwecks nicht in das Belieben des Begünstigten stellt. Daraus folgt in Hinblick auf die Fragestellung der Klägerin: Aus einer vorübergehenden Aufnahme einer anerkennungsfähigen Nutzung kann nicht ohne weiteres auf eine Zuführung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Satz 2 EV geschlossen werden. Hinzutreten müssen jedenfalls dann weitere, diese Zweckbestimmung verfestigende Umstände, wenn die Nutzung - wie hier als Gästehaus - in hohem Maße unspezifisch für die der begünstigten Körperschaft obliegenden Aufgaben ist und daher ansonsten von einer nichtprivilegierten Nutzung nicht zu unterscheiden wäre. Solche Umstände sind weder dem angefochtenen Urteil zu entnehmen noch von der Beschwerde vorgetragen worden. Eine eigentumsbegründende "Zuführung" zugunsten der Klägerin ist somit nicht erfolgt, so daß der Frage nicht nachgegangen zu werden braucht, ob eine Zweckverfehlung nach erfolgter Zuführung - wie sie das Verwaltungsgericht unterstellt hat - rechtliche Konsequenzen hätte.

Keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung kommt ferner der Frage zu, ob die anschließende Verwendung des Objekts als Dienstwohnung des Leipziger Oberbürgermeisters als Nutzung zu einem - ebenfalls - öffentlichen Zweck gewertet werden könne. Die dieser Fragestellung zugrunde liegende tatsächliche Prämisse ist nämlich durch die diesbezüglichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht gedeckt. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Klägerin dem Oberbürgermeister das Grundstück auf vertraglicher Grundlage "für private Zwecke" zur Verfügung gestellt hat. Für eine Zweckbestimmung als Dienstwohnung hätte es zumindest der Mitwirkung der Stadt Leipzig bedurft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG.

Ende der Entscheidung

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