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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 09.09.2008
Aktenzeichen: BVerwG 3 B 37.08 (1)
Rechtsgebiete: GG, VwGO, VwVfG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 42 Abs. 2
VwVfG § 43 Abs. 2
VwVfG § 46
VwVfG § 48 Abs. 1
VwVfG § 48 Abs. 2
VwVfG § 50
Ändert die Krankenhausplanungsbehörde ihren Feststellungsbescheid während des Drittanfechtungsprozesses und entspricht sie damit dem Begehren des Klägers, so erledigt sich die Klage. Diese Wirkung tritt sogleich ein, auch wenn der Änderungsbescheid von dem bislang Begünstigten angefochten wird (wie BVerwGE 129, 66).

War der ursprüngliche Verwaltungsakt unter Verletzung der Rechte eines Dritten rechtswidrig und wurde er deshalb von dem Dritten angefochten, so ist der Änderungsbescheid jedenfalls insoweit materiell rechtmäßig, als er diesen Verwaltungsakt noch vor Eintritt seiner Unanfechtbarkeit aufhebt, selbst wenn die neue Regelung wiederum rechtswidrig sein sollte.


In der Verwaltungsstreitsache

...

Senat des Bundesverwaltungsgerichts

am 9. September 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und

die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 250 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines an den Beigeladenen gerichteten krankenhausrechtlichen Feststellungsbescheides und des diesen bestätigenden Widerspruchsbescheides, weil die Bescheide eine Vergünstigung enthielten, die ihr, der Klägerin, in vergleichbarer Lage nicht gewährt worden sei. Die Vorinstanzen haben die Klage für zulässig angesehen und die Bescheide aufgehoben, weil sie die Klägerin in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzten ( Art. 3 Abs. 1 GG). Der Beigeladene hält die Klage demgegenüber für unzulässig.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wirft er daher die Rechtsfrage auf, ob die Klägerin ihre Klagebefugnis aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten könne.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache besitzt nicht die vom Beigeladenen geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung ( § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Hierzu wäre unter anderem erforderlich, dass die Klärung der vom Beigeladenen bezeichneten Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren auch zu erwarten ist (stRspr; vgl. Pietzner in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO-Kommentar, Rn. 52 f. zu § 132 VwGO m.w.N.). Daran fehlt es hier; denn der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt, nachdem die Beklagte die angefochtenen Bescheide mit weiterem Bescheid vom 6. Mai 2008 geändert und dabei die von der Klägerin gerügte Beschwer beseitigt hat. Damit kann die Revision keinesfalls mehr zur Klärung der Reichweite von § 42 Abs. 2 VwGO führen. Entweder die Hauptbeteiligten erklären den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt; dann endet das Revisionsverfahren ohne Sachentscheidung.

Oder die Klägerin hält ihren Anfechtungsantrag aufrecht; dann müsste ihre Klage ohne Sachprüfung und auch ohne Prüfung ihrer Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen werden, weil ihr für die Klage nunmehr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Zu Unrecht bezweifeln der Beigeladene und die Klägerin, dass die vorliegende Anfechtungsklage erledigt ist. Durch den Änderungsbescheid wird der ursprüngliche Bescheid zurückgenommen und dessen Regelung durch eine neue ersetzt. Damit verliert der ursprüngliche Bescheid seine Wirksamkeit ( § 43 Abs. 2 VwVfG). Diese Folge tritt sogleich mit dem Erlass des Änderungsbescheides ein, nicht erst wenn er bestandskräftig wird. Unerheblich ist deshalb, dass der Beigeladene den Änderungsbescheid seinerseits wiederum angefochten hat. Das hat der Senat bereits entschieden ( Urteil vom 21. Juni 2007 - BVerwG 3 C 11.06 - BVerwGE 129, 66 <Rn. 16 ff.>). Daran ist festzuhalten.

Die Anfechtungsklage kann nicht zum Erfolg führen; denn das Gericht kann einen Verwaltungsakt nicht mehr aufheben, den die Behörde bereits aufgehoben hat. Die Klage kann auch nicht unter der Bedingung fortgeführt werden, dass die ursprüngliche Regelung wieder in Geltung tritt. Bedingte Klagen sind unzulässig. Daher kommt auch nicht in Betracht, den Rechtsstreit solange auszusetzen, bis Klarheit über den Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung herrscht.

Die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der behördlichen Regelung verlagert sich in den zweiten Prozess. Dort muss die Klägerin ihre Rechte zu wahren suchen. Dadurch wird ihre prozessuale Rechtsstellung nicht verkürzt. Zwar wird der zweite Prozess nicht durch die Rechtskraft der im ersten Prozess ergangenen Urteile präjudiziert; denn diese Urteile können nicht mehr in Rechtskraft erwachsen, nachdem die Beklagte ihnen durch die Änderung der angefochtenen Bescheide - zulässigerweise - ihren Gegenstand entzogen hat.

Vielmehr muss die Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides im zweiten Prozess selbständig geprüft werden. Doch wird das Gericht die Klägerin zu diesem Rechtsstreit beiladen, wenn der Änderungsbescheid ihre subjektiven Rechte berührt ( § 65 Abs. 2 VwGO).

Die Klägerin braucht nicht zu besorgen, dass der Änderungsbescheid im zweiten Prozess mit der Wirkung aufgehoben wird, dass die ursprüngliche Regelung wieder in Geltung tritt, wenn diese unter Verletzung ihrer subjektiven Rechte rechtswidrig war. Bei der rechtlichen Beurteilung des Änderungsbescheides ist zwischen der Aufhebung der ursprünglichen Regelung und dem Erlass einer neuen Regelung zu unterscheiden. War die ursprüngliche Regelung rechtswidrig, so darf die Behörde sie grundsätzlich aufheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG); eine Anfechtungsklage gegen den Änderungsbescheid bleibt dann insoweit erfolglos, selbst wenn sie hinsichtlich der neuen Regelung erfolgreich sein sollte, weil diese ebenfalls rechtswidrig ist. An der Aufhebung der ursprünglichen Regelung wegen deren Rechtswidrigkeit kann die Behörde nur gehindert sein, wenn das Vertrauen des Begünstigten auf deren Fortbestand geschützt ist ( § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 bis 4 VwVfG). Dieses Hindernis besteht jedoch nicht, wenn die ursprüngliche Regelung unter Verletzung der Rechte eines Dritten rechtswidrig war, der Dritte sie deshalb angefochten hatte und die Behörde den rechtswidrigen Bescheid - wie hier - noch während des Prozesses aufhebt ( § 50 VwVfG).

All dies gilt auch dann, wenn der Änderungsbescheid an einem formellen Fehler leiden sollte. Das ergibt sich schon aus § 46 VwVfG. Hiernach kann die Aufhebung des Änderungsbescheides nicht wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. So liegt es bei einem form- oder verfahrensfehlerhaften Änderungsbescheid jedenfalls hinsichtlich der in ihm enthaltenen Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts, wenn dieser zum Nachteil eines Dritten rechtswidrig war und das Rücknahmeermessen der Behörde auf null reduziert ist, schon weil der ursprüngliche Verwaltungsakt von dem Dritten angefochten wurde und der Änderungsbescheid noch während des Verwaltungs- oder des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ergeht.

All dies zeigt, dass die Klägerin eine Verkürzung ihrer Rechtsstellung nicht zu besorgen hat. Zwar erweist sich der im vorliegenden Verfahren betriebene Aufwand als nutzlos; die gerichtliche Sachprüfung verlagert sich in den zweiten Prozess. Das aber lässt sich keinesfalls vermeiden. Dass dieses neue Verfahren von vorne begonnen werden muss, dient dem gebotenen Rechtsschutz des nunmehr beschwerten Dritten - des heutigen Beigeladenen - und muss deshalb hingenommen werden (Urteil vom 21. Juni 2007 a.a.O. <Rn. 23>). Denkbar ist natürlich, dass die Klägerin zum zweiten Prozess nicht beigeladen wird, weil das Gericht in diesem neuen Verfahren anders als die Tatsachengerichte im vorliegenden ersten Prozess der Ansicht sind, dass sie in ihren subjektiven Rechten nicht berührt sei. In diesem Zusammenhang steht dann wiederum die Rechtsfrage im Raum, die der Beigeladene zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde bezeichnet, deren Klärung aber im vorliegenden Rechtsstreit wegen dessen Erledigung nicht mehr möglich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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