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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 25.07
Rechtsgebiete: RettAssG


Vorschriften:

RettAssG § 8 Abs. 2 S. 2
Auf die praktische Tätigkeit im Rahmen der Ausbildung zum Rettungsassistenten können nach § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG Tätigkeitszeiten als Rettungssanitäter nicht nur bis zu einer Höchstgrenze, sondern im Umfang ihrer Gleichwertigkeit vollständig angerechnet werden.

Die Gleichwertigkeit einer Tätigkeit als Rettungssanitäter wird in § 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistenten abschließend konkretisiert. Einziges Kriterium ist danach der überwiegende Einsatz auf Rettungs- und Notarztwagen.


In der Verwaltungsstreitsache

...

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts

auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2008

durch

den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und

die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert und Buchheister

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2006 wird geändert.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 18. Mai 2005 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe:

Der Kläger begehrt die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent.

Nach Abschluss einer Ausbildung zum Rettungssanitäter im Rahmen des sog. 520-Stunden-Programms war er ab Februar 1999 als Rettungssanitäter bei einer Rettungswache des Bayerischen Roten Kreuzes tätig und leistete in den folgenden zwei Jahren insgesamt 1 462 Einsatzstunden auf Notfallrettungsmitteln (Rettungswagen, Notarztwagen) und 1 406 Einsatzstunden im Krankentransport.

Von Februar bis Juli 2001 nahm er unter Anrechnung der Zeit seiner Ausbildung zum Rettungssanitäter an einem Lehrgang für Rettungsassistenten an einer staatlich genehmigten Berufsfachschule teil. Am 27. Juli 2001 legte er die staatliche Prüfung zum Rettungsassistenten ab. Anschließend war er erneut als Rettungssanitäter tätig.

Auf seinen Antrag, die als Rettungssanitäter geleisteten Einsatzstunden auf die für die Erlaubniserteilung nach § 7 des Rettungsassistentengesetzes - RettAssG - vorgeschriebene praktische Tätigkeit von 1 600 Stunden bzw. zwölf Monaten anzurechnen, teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 28. Juni 2001 mit, dass er noch 960 Stunden bzw. 7,2 Monate an praktischer Tätigkeit sowie 30 Unterrichtsstunden ableisten müsse. Die nur beschränkte Anrechnung ergebe sich aus den Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern. Danach seien Einsatzstunden eines Rettungssanitäters in der Notfallrettung zu einem Drittel zu berücksichtigen, wenn sie bei Beginn der Ausbildung zum Rettungsassistenten nicht länger als zwei Jahre zurücklägen. Zusätzlich könnten Einsatzstunden im Krankentransport im Umfang von 4/6 der tatsächlichen Notfallrettungszeiten angerechnet werden. Als absolute Obergrenze der Anrechnung seien 640 Stunden vorgesehen. Der Beklagte berücksichtigte auf dieser Grundlage von den vom Kläger geleisteten 1 462 Einsatzstunden in der Notfallrettung 487 Stunden (ein Drittel) und von den 1 406 Einsatzstunden im Krankentransport 974 Stunden (4/6 von 1 462 Stunden) als grundsätzlich anerkennungsfähig, begrenzte die Anerkennung aber wegen der nach der Vollzugspraxis vorgesehenen Höchstgrenze auf 640 Stunden.

Im Januar 2003 beantragte der Kläger bei dem Beklagten, ihm die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent zu erteilen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. September 2003 ab. Die von dem Kläger vor Beginn der theoretischen Ausbildung zum Rettungssanitäter ausgeübte Tätigkeit mit überwiegendem Einsatz auf Rettungs- und Notarztwagen sei zwar gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG im Umfang ihrer Gleichwertigkeit auf die praktische Tätigkeit anzurechnen. Dies könne aber nach der bayerischen Vollzugspraxis nur zu einer Verkürzung, nicht zu einer vollständigen Anrechnung führen. Gleichwertigkeit bedeute nicht, dass die praktische Tätigkeit ganz entfallen könne und eine Wahlmöglichkeit bestehe. Die Ableistung einer gegebenenfalls verkürzten Praxisausbildung sei deshalb unabdingbar. Die nach der Abschlussprüfung zum Rettungsassistenten absolvierten weiteren Zeiten als Rettungssanitäter seien insgesamt nicht berücksichtigungsfähig.

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten mit Urteil vom 18. Mai 2005 verpflichtet, dem Kläger die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent zu erteilen. Die berufliche Tätigkeit des Klägers als Rettungssanitäter sei in vollem Umfang anzurechnen, da der Kläger im Sinne des § 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistenten überwiegend in der Notfallrettung eingesetzt worden sei. Eine Anrechnungshöchstgrenze sei ebenso unzulässig wie eine Beschränkung auf Zeiten, die innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren vor Beginn der Ausbildung abgeleistet worden seien.

Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 16. Oktober 2006 die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Gleichwertigkeit sei durch die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern festgelegten Grundsätze zur Anrechenbarkeit in nicht zu beanstandender Weise konkretisiert worden. Danach seien im Fall des Klägers höchstens 640 Stunden anrechenbar. Er müsse noch ein Praktikum im Sinne des § 7 RettAssG von rund 7,2 Monaten sowie das Abschlussgespräch absolvieren. Die bayerische Vollzugspraxis entspreche der Zielsetzung des Rettungsassistentengesetzes. § 2 Abs. 1 Satz 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zeige, dass nur eine Verkürzung des Praktikums möglich sei. Da der Kläger bereits durch die vor Beginn des Rettungsassistentenlehrganges absolvierten Einsatzstunden die Höchstgrenze der anrechenbaren Zeiten erreicht habe, könne dahinstehen, ob die Ablehnung einer Einbeziehung der danach absolvierten Einsatzstunden rechtmäßig sei.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG eröffne keinen Ermessensspielraum der Behörde. Voraussetzung für die Anerkennung einer Tätigkeit als gleichwertig mit der praktischen Tätigkeit nach § 7 RettAssG sei allein, dass diese Tätigkeit überwiegend auf Rettungs- und Notarztwagen absolviert worden sei. Für die Annahme weiterer Voraussetzungen nach Maßgabe der bayerischen Vollzugspraxis sei kein Raum. Dem Gesetzgeber sei es gerade um eine Vereinheitlichung des Berufsbildes und des Berufszugangs durch eine abschließende Regelung gegangen. Somit sei nur zu klären, was unter "überwiegend" zu verstehen sei. Das vom Beklagten angenommene Verhältnis von 60 zu 40 zugunsten der Einsatzzeiten in der Notfallrettung finde im Gesetz keine Stütze. Hintergrund der vom Gesetzgeber getroffenen Lösung sei, dass Rettungssanitäter wie im Übrigen auch Rettungsassistenten im Praktikum nicht ausschließlich auf Notfallrettungsmitteln, sondern zum Teil auch als Fahrer und im Krankentransport eingesetzt würden. Der Gesetzgeber habe erreichen wollen, dass nicht jede im Rettungsdienst geleistete Einsatzstunde ohne Rücksicht auf die Art des Einsatzes in Anrechnung komme. Es reiche deshalb aus, dass jedenfalls der größere Teil auf Notfallrettungsmitteln abgeleistet worden sei. Angesichts der Bedeutung, die der Gesetzgeber der praktischen Erfahrung beigemessen habe, müssten die Einsatzstunden auf Notfallrettungsmitteln voll angerechnet werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2006 zu ändern und die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil.

Der Vertreter des Bundesinteresses tritt der Revision ebenfalls entgegen.

Die Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht, weil es eine Anrechnung der Tätigkeit des Klägers im Rettungsdienst nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze zulässt. Darin liegt ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten - RettAssG - vom 10. Juli 1989 (BGBl. I S. 1384), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2686), der eine solche Anrechnungsgrenze nicht vorsieht. Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent, weil er im Umfang der nach § 7 RettAssG erforderlichen praktischen Tätigkeit gleichwertige und damit gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG anrechenbare praktische Tätigkeiten im Rettungsdienst nachweisen kann.

Nach § 2 Abs. 1 RettAssG ist die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Rettungsassistent zu erteilen, wenn der Antragsteller an dem Lehrgang nach § 4 RettAssG teilgenommen, die staatliche Prüfung bestanden sowie die praktische Tätigkeit nach § 7 RettAssG erfolgreich abgeleistet hat und keine Versagungsgründe im Sinne der Ziffern 2 bis 4 der Vorschrift vorliegen.

Der Kläger hat den Lehrgang nach § 4 RettAssG absolviert und die staatliche Prüfung am 27. Juli 2001 bestanden. Zuverlässigkeit, gesundheitliche Eignung und erforderliche Sprachkenntnisse (§ 2 Abs. 1 Ziffer 2 bis 4 RettAssG) stehen nicht in Zweifel. Unstreitig ist ebenfalls, dass der Kläger die Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 Ziffer 1 Buchstabe b RettAssG, also das erfolgreiche Ableisten der praktischen Tätigkeit nach § 7 RettAssG, nicht erfüllt. Die sich nach dem vorgesehenen Ausbildungsgang an den Lehrgang und die staatliche Prüfung anschließende praktische Tätigkeit im Sinne des § 7 RettAssG (Praktikum) umfasst mindestens 1 600 Stunden und dauert in Vollzeit zwölf Monate. Sie muss bei einer hierzu besonders ermächtigten Einrichtung des Rettungsdienstes unter Aufsicht eines Rettungsassistenten abgeleistet werden (§ 7 Abs. 1 und 2 RettAssG); sie beinhaltet die Teilnahme an mindestens 50 Unterrichtsstunden, erfordert das Führen eines Berichtsheftes und endet mit einem Abschlussgespräch zur Feststellung der von dem Praktikanten erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten (§ 2 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistenten - RettAssAPrV - vom 7. November 1989, BGBl. I S. 1966, zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Dezember 2007, BGBl. I S. 2686 <2725>). Der Kläger hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach Bestehen der staatlichen Prüfung nicht als Praktikant gearbeitet, sondern (weiterhin) als Rettungssanitäter.

Das Fehlen eines Praktikums nach § 7 RettAssG ist indes unschädlich, weil der Kläger die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG erfüllt. Danach ist eine nach Abschluss der Ausbildung zum Rettungssanitäter im Rahmen des sog. 520-Stunden-Programms abgeleistete Tätigkeit im Rettungsdienst im Umfang ihrer Gleichwertigkeit auf die praktische Tätigkeit nach § 7 RettAssG anzurechnen. Voraussetzung für die Anerkennung einer Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG als gleichwertig ist, dass der Antragsteller während dieser Zeit überwiegend auf Rettungs- und Notarztwagen eingesetzt war (§ 10 Abs. 1 RettAssG i.V.m. § 3 RettAssAPrV).

1.

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass nach diesen Vorschriften die Anrechnung von Tätigkeiten im Rettungsdienst als gleichwertig generell nur bis zu einer bestimmten Höchstgrenze (hier: 640 Einsatzstunden) möglich sein soll.

Der Gesetzesvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht, den unbestimmten Rechtsbegriff der Gleichwertigkeit einer anderweitigen Ausbildung oder Berufserfahrung näher zu konkretisieren. Er kann die Konkretisierung dem Gesetzesvollzug und der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte überlassen (vgl. zu solchen Konstellationen etwa Urteile vom 19. März 1998 - BVerwG 2 C 2.97 - BVerwGE 106, 253 <255 f.> = Buchholz 111 Art. 37 EV Nr. 5 S. 25, vom 10. Dezember 1997 - BVerwG 6 C 10.97 - BVerwGE 106, 24 <29> = Buchholz 111 Art. 37 EV Nr. 4 S. 15 und vom 23. Juni 1993 - BVerwG 11 C 12.92 - BVerwGE 92, 340 <349> = Buchholz 436.36 § 2 BAföG Nr. 23 S. 33 f.). Der Gesetzgeber ist auf der anderen Seite nicht gehindert, eine Konkretisierung selbst vorzunehmen oder den Verordnungsgeber dazu zu ermächtigen und die Exekutive auf diese Weise zu binden. In einem solchen Fall ist kein Raum für eine Verwaltungspraxis, die über abschließende Regelungen des Gesetzes oder der Verordnung hinausgeht.

Die Unzulässigkeit einer Höchstanrechnungsgrenze ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Regelungszusammenhang des § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG. Die Vorschrift selbst sieht eine derartige Beschränkung nicht vor. Wenn der Gesetzgeber eine Anrechnung im Umfang der Gleichwertigkeit vorsieht, beinhaltet dies auch die Möglichkeit einer Anrechnung der anderweitigen Tätigkeit auf das gesamte Praktikum. Zu diesem Schluss zwingt der Umstand, dass der Gesetzgeber in derselben Vorschrift an anderer Stelle ausdrücklich eine Begrenzung der Anrechenbarkeit bestimmt hat. So wird nach § 8 Abs. 4 RettAssG bei Vollzugsbeamten mit Sanitätsausbildung der Lehrgang um 600 Stunden bzw. um sechs Monate verkürzt. Nach § 8 Abs. 5 RettAssG können bestimmte Zeiten bis zu drei Monaten auf das Praktikum angerechnet werden. Eine Anrechnungsgrenze hat der Gesetzgeber ebenfalls in § 8 Abs. 1 Satz 1 RettAssG formuliert. Danach kann eine andere Ausbildung im Umfang ihrer Gleichwertigkeit auf die Dauer des Lehrgangs angerechnet werden, wenn dessen Durchführung und die Erreichung des Ausbildungsziels dadurch nicht gefährdet werden. Mit dieser Formulierung lässt der Gesetzgeber erkennen, dass er keine Gesamtanrechnung ermöglichen, sondern die Durchführung zumindest eines verkürzten Lehrgangs sicherstellen wollte. Angesichts eines solchen Normumfeldes verbietet es sich, bei § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG eine Anrechnungsgrenze anzunehmen. Wenn der Gesetzgeber auch hier eine Begrenzung der Anrechenbarkeit gewollt hätte, so hätte er es zum Ausdruck gebracht. Dies bestätigt sich zusätzlich durch § 8 Abs. 1 Satz 2 RettAssG. Danach kann eine außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes abgeleistete praktische Tätigkeit im Umfang ihrer Gleichwertigkeit "ganz oder teilweise" auf die praktische Tätigkeit nach § 7 RettAssG angerechnet werden. Dadurch wird der Behörde ein Ermessen eröffnet, eine gleichwertige praktische Tätigkeit im Ausland in ihrer Gesamtlänge oder kürzer anzurechnen, um auch bei längeren an sich gleichwertigen praktischen Tätigkeiten im Ausland über eine nur teilweise Anrechnung dieser Zeit von dem Antragsteller noch die Absolvierung eines Restpraktikums nach § 7 RettAssG verlangen zu können. Eine solche Regelung fehlt bei § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG.

Aus § 2 Abs. 1 Satz 3 RettAssAPrV folgt schon deshalb nichts Gegenteiliges, weil auch der Verordnungsgeber keine Höchstanrechnungsgrenze vorsehen könnte, die nach dem gesetzlichen Regelungszusammenhang ausgeschlossen ist. Im Übrigen trifft die Norm lediglich eine Folgeregelung für den Fall einer Verkürzung des Praktikums; dann soll auch die Zahl der während des Praktikums zu absolvierenden Unterrichtsstunden (regulär 50) entsprechend reduziert werden. Damit ist nicht gesagt, dass nur eine Verkürzung und nicht auch eine Anrechnung auf das ganze Praktikum möglich ist. Der Verordnungsgeber hatte keinen Anlass, an dieser Stelle eine Folgeregelung in Bezug auf die Unterrichtsstunden für den Fall einer vollständigen Anrechnung zu treffen. Soweit kein Praktikum absolviert werden muss, weil Tätigkeiten im Rettungsdienst auf das gesamte Praktikum angerechnet werden, entfallen zwangsläufig auch die Unterrichtsstunden als ein Element des Praktikums (vgl. - zum Berichtsheft - Beschluss vom 15. März 2002 - BVerwG 3 B 110.01 - Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 10).

Soweit das Berufungsgericht auf den Zweck des Gesetzes abstellt, eine qualifizierte und an der modernen Notfallmedizin orientierte Ausbildung des Begleitpersonals sicherzustellen, ergibt sich aus dieser vom Gesetzgeber erklärtermaßen (vgl. BTDrucks 11/2275 S. 7 f.) verfolgten Absicht nicht, dass er die Ableistung eines Praktikums zumindest in der Form eines Restpraktikums für unverzichtbar hält und deshalb eine Anrechung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG nur bis zu einer absoluten Höchstgrenze zulässig ist. Der wesentliche Teil der Ausbildung zum Rettungsassistenten, durch den die Qualität gegenüber den bisherigen Ausbildungen gehoben wird, ist gerade für die nach dem 520-Stunden-Programm ausgebildeten und bereits im Rettungsdienst tätigen Rettungssanitäter nicht das Praktikum, sondern der Lehrgang nach § 4 RettAssG mit den Ausbildungsinhalten nach § 1 RettAssAPrV i.V.m. Anlage 1 der Verordnung. Die Bedeutung des Lehrgangs für die Ausbildung zeigt sich auch daran, dass die staatliche Prüfung zum Rettungsassistenten an diesen Lehrgang anschließt und nicht an das nach dem Lehrgang zu absolvierende Praktikum. Im Einklang damit hat der Gesetzgeber die Anrechnungsmöglichkeiten in Bezug auf den Lehrgang - anders als bei dem Praktikum - so gestaltet, dass zumindest ein verkürzter Lehrgang in jedem Fall absolviert werden muss (§§ 6, 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 RettAssG).

2.

Die ohne eine Anrechnungsgrenze berücksichtigungsfähigen Einsatzstunden des Klägers als Rettungssanitäter sind gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG in einem Umfang gleichwertig, der zu einer Anrechnung auf das gesamte Praktikum (1 600 Stunden) führt. Es kommt insoweit nur darauf an, dass der Kläger überwiegend auf Rettungs- und Notarztwagen eingesetzt war.

a)

Welche Anforderungen an eine Tätigkeit im Rettungsdienst zu stellen sind, um sie als gleichwertig mit einem Praktikum nach § 7 RettAssG anzuerkennen, hat der Verordnungsgeber in § 3 RettAssAPrV normiert. Diese Regelung ist abschließend. Das folgt bereits aus ihrem Wortlaut. Die Vorschrift nennt die überwiegende Tätigkeit in der Notfallrettung nicht als "eine" Voraussetzung, die in Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Gleichwertigkeit durch weitere Bedingungen ergänzt werden könnte, sondern als einzige Voraussetzung. Es folgt außerdem aus dem Regelungszusammenhang. Der Gesetzgeber hat die nähere Bestimmung der materiellen Gleichwertigkeit bei § 8 Abs. 2 Satz 2 RettAssG - anders als bei § 8 Abs. 1 RettAssG - nicht dem Gesetzesvollzug überlassen, sondern den Verordnungsgeber ermächtigt, die Voraussetzungen für die Gleichwertigkeit zu regeln. Der Verordnungsgeber hat von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und als Voraussetzung für die Anerkennung als gleichwertig die überwiegende Tätigkeit in der Notfallrettung bestimmt. Ohne gegenteilige Anhaltspunkte kann daraus nur geschlossen werden, dass der Verordnungsgeber die Ermächtigung auch in diesem Punkt ausgeschöpft hat und nicht nur eine Mindestvoraussetzung formulieren wollte, die von der Exekutive je nach Dafürhalten übernommen oder verschärft werden kann. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 RettAssG selbst kenntlich gemacht, inwieweit der Verordnungsgeber lediglich zur Regelung von "Mindestanforderungen" ermächtigt wird, also noch Raum bleibt für Ergänzungen. Die Konkretisierung der Gleichwertigkeit zählt nicht dazu. Gegen das Verständnis des Beklagten spricht schließlich die erklärte Absicht des Gesetzgebers, mit dem Rettungsassistentengesetz eine bundeseinheitliche Regelung des Berufsbildes des Rettungsassistenten und des Berufszugangs zu schaffen (vgl. BTDrucks 11/2275 S. 7 f.). Damit lässt sich die Vorstellung, die Gesundheitsbehörden der Länder könnten die gesetzlichen Anforderungen an die materielle Gleichwertigkeit jeweils durch weitere Vorgaben ergänzen, nicht vereinbaren.

Aus dem vom Berufungsgericht angeführten Urteil des Senats vom 8. Dezember 1994 - BVerwG 3 C 10.93 - (BVerwGE 97, 179 = Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 3) folgt nichts anderes. Der Senat hat dort ausgeführt, die Gleichwertigkeit im Sinne des § 8 RettAssG sei gegenüber der nach § 13 RettAssG erforderlichen Tätigkeit im Rettungsdienst ein "zusätzliches Kriterium", das unbeschadet der Notwendigkeit einer Tätigkeit bei der Notfallrettung das Abweichen von der gesetzlich festgelegten Art der praktischen Tätigkeit gestattet (a.a.O. S. 184 bzw. S. 24). Damit ist gemeint, dass schon das Tatbestandsmerkmal der Tätigkeit im Rettungsdienst eine Tätigkeit auch in der Notfallrettung voraussetzt und nicht vorliegt, wenn (wie in jenem Fall) überhaupt keine Zeiten in der Notfallrettung absolviert wurden. Das zusätzliche Kriterium der Gleichwertigkeit ergibt sich gemäß § 3 RettAssAPrV daraus, dass die Tätigkeit im Rettungsdienst nicht nur auch, sondern überwiegend in der Notfallrettung absolviert worden sein muss.

Die bayerische Vollzugspraxis erweist sich hiernach auch insoweit als rechtswidrig, als Einsatzzeiten der Rettungssanitäter in der Notfallrettung nur zu einem Drittel berücksichtigt werden. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass es außerdem sachwidrig ist, von diesen Einsatzzeiten nur ein Drittel zu berücksichtigen, während Zeiten im Krankentransport in einem Umfang von 4/6 der tatsächlichen Notfallrettungszeiten, insoweit aber im Verhältnis 1:1, in Ansatz kommen. Dies würde nach der Berechnung des Beklagten im Falle des Klägers zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass von seinen Einsatzzeiten in der Notfallrettung als der das Berufsbild prägenden Tätigkeit deutlich weniger Stunden zu berücksichtigen wären als von den annähernd gleichen Einsatzzeiten im Krankentransport. Eine solche Berechnungsmethode kann nicht richtig sein. Eine Beschränkung der Anrechenbarkeit auf Zeiten vor Beginn der Ausbildung ist - unabhängig von der Frage ihrer sachlichen Begründbarkeit - ebenfalls bereits deshalb rechtswidrig, weil sie über die abschließend normierten Gleichwertigkeitsvoraussetzungen hinausgeht.

Einen gewissen Spielraum belässt § 3 RettAssAPrV lediglich bei der Auslegung des dort nicht näher konkretisierten Begriffes des "überwiegenden" Einsatzes auf Rettungs- und Notarztwagen. Insoweit ist das von dem Beklagten geforderte Verhältnis von 60 zu 40 zugunsten der Notfallrettung, also die Berücksichtigung von Einsatzzeiten im Krankentransport im Umfang von 4/6 der Notfallrettungszeiten, nicht sachwidrig. Es trägt dem Umstand Rechnung, dass die Notfallrettung für den Rettungsdienst und das Berufsbild des Rettungsassistenten prägend ist und deshalb insoweit ein merklich überwiegender Zeitanteil verlangt werden kann.

b)

Der Kläger hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor Beginn der Ausbildung zum Rettungsassistenten zwischen Februar 1999 und Februar 2001 als Rettungssanitäter 1 462 Stunden auf Notfallrettungsmitteln und 1 406 Stunden auf Krankentransportwagen absolviert. Unter Berücksichtigung einer Anrechnung der Einsatzzeiten im Krankentransport im Umfang von 4/6 der Notfallrettungszeiten ergeben sich daraus weit mehr als 1 600 gleichwertige Einsatzstunden, so dass der Kläger das Erfordernis der praktischen Tätigkeit auf diesem Wege erfüllt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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