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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 09.03.1999
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 32.98
Rechtsgebiete: AMG


Vorschriften:

AMG § 2 Abs. 1
AMG § 4 Abs. 1
AMG § 14
AMG § 17
AMG § 21 Abs. 2 Nr. 1
AMG § 69 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze:

1. Arzneimittel, die in einer Apotheke in Großgebinden bereitgehalten werden (sog. Bulkware), sind als Fertigarzneimittel zulassungspflichtig, sobald sie in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs. 1, § 21 Abs. 1 AMG).

2. Die Verkapselung eines Wirkstoffs stellt jedenfalls dann einen wesentlichen Herstellungsschritt i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG dar, wenn sie ihn erst anwendungsfähig macht. Erfolgt eine solche Verkapselung industriell, so entfällt die Freistellung von der Zulassungspflicht unabhängig davon, ob der Vorgang in einer Apotheke technisch möglich wäre.

Urteil des 3. Senats vom 9. März 1999 - BVerwG 3 C 32.98

I. VG Karlsruhe vom 15.05.1995 - Az.: VG 12 K 3717/93 - II. VGH Mannheim vom 07.08.1997 - Az.: VGH 10 S 16/96 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 32.98 VGH 10 S 16/96

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 9. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus sowie die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel und Dr. Brunn

ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 7. August 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionverfahrens.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Klägers, ein Arzneimittel ohne Zulassung in den Verkehr zu bringen.

Der Kläger betreibt in K. eine Apotheke. Er verkauft dort auf ärztliche Verschreibung sog. Furfurol-Kapseln. Dabei handelt es sich um Weichgelatinekapseln mit dem Wirkstoff Alpha-Furyl-Methanal in der Dosierung von 0,3 g pro Kapsel. Das Medikament wird vereinzelt als Krebstherapeutikum eingesetzt und ist nicht durch die zuständige Bundesoberbehörde gemäß 21 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) zugelassen. Der Kläger hält in seiner Apotheke Großgebinde vor, aus welchen er auf Anforderung die verordnete Anzahl von Kapseln in zur Abgabe geeignete Packungen abfüllt und diese entsprechend den Kennzeichnungsvorschriften kennzeichnet.

Der Wirkstoff Alpha-Furyl-Methanal kann wegen seiner schleimhautangreifenden Wirkung nur in Weichgelatinekapseln verabreicht werden. Da die Verkapselung in einer Apotheke technisch nicht möglich ist, erfolgt sie im Auftrag des Klägers in einem Industriebetrieb, dem der Kläger den Wirkstoff zur Verfügung stellt. Den Wirkstoff bezieht der Kläger von einem dritten Unternehmen, das das Furfurol seinerseits industriell aus Kleie und Weizen synthetisiert und in Mengen von jeweils 30 l direkt an die Verkapselungsfirma liefert. Diese stellt dem Kläger die Kapseln in Großgebinden (sog. Bulkware) zur Verfügung. Nach den geschlossenen Verträgen trägt der Kläger allein die pharmazeutische Verantwortung für die Qualitätsprüfung. Konfektionierung und Kennzeichnung der abgabefertigen Menge erfolgen erst nach Vorliegen einer entsprechenden Anforderung.

Insgesamt gab der Kläger in den Jahren 1987 bis 1994 pro Jahr durchschnittlich 2 800 Packungen mit jeweils 100 Kapseln an Patienten ab. Der Absatz verteilte sich jeweils etwa zur Hälfte auf den Raum K. und das übrige Bundesgebiet.

Das Vorgehen des Klägers war dem Beklagten seit 1983 bekannt. Nach der Änderung des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG durch das 4. Änderungsgesetz vom 11. April 1990, BGBl I S. 717, untersagte der Beklagte dem Kläger das Inverkehrbringen der Alpha-Furyl-Methanal-Kapseln mit einem Wirkstoffgehalt von 0,3 g durch Verfügung vom 28. April 1993. Dabei stützte er sich auf § 69 Abs. 1 Ziff. 1 AMG. Zur Begründung führte er aus, bei den an die Patienten abgegebenen Kapseln handele es sich um Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 AMG, weil sie im voraus hergestellt seien und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht würden. Derartige Arzneimittel unterlägen nach § 21 Abs. 1 AMG der Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde. Die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG greife nicht ein, weil das Arzneimittel nicht "in den wesentlichen Herstellungsschritten" in der Apotheke hergestellt werde. Das Synthetisieren des Wirkstoffs und seine Verkapselung seien solche wesentlichen Herstellungsschritte. Beides finde nicht in der Apotheke, sondern industriell statt.

Den Widerspruch des Klägers gegen diese Verfügung wies der Beklagte durch Bescheid vom 24. November 1993 zurück.

Mit seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die von ihm abgegebenen Kapseln seien keine Fertigarzneimittel, weil sie nicht "im voraus hergestellt" seien. Nach § 4 Abs. 14 AMG seien das Abpacken und das Kennzeichnen Bestandteil des Herstellungsvorgangs. Beides erfolge erst nach Vorliegen einer individuellen Anforderung. Im übrigen sei das Medikament jedenfalls nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG zulassungsfrei. Bei der Beurteilung, ob die wesentlichen Herstellungsschritte in der Apotheke stattfinden, dürfe nur auf solche Herstellungsakte abgestellt werden, die in einer Apotheke technisch möglich seien. Dies sei aber weder bei der Synthetisierung noch bei der Verkapselung in Weichgelatine der Fall.

Der Beklagte hat die angefochtenen Bescheide verteidigt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 15. Mai 1995 abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, bei den Furfurol-Kapseln, die der Kläger an Patienten abgebe, handele es sich um Fertigarzneimittel, die der Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 1 AMG unterlägen. Zwar lasse der Wortlaut des § 4 Abs. 1 AMG nicht eindeutig erkennen, ob auch das Abpacken in eine zur Abgabe an den Verbraucher bestimmte Packung "im voraus" stattfinden müsse. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung sei dies aber zu verneinen. Eine abweichende Auslegung würde, wie Versuche bestimmter Pharmahersteller belegten, einer Umgehung des Gesetzes Tür und Tor öffnen.

Die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Urteil vom 7. August 1997 zurückgewiesen. Er hat ausgeführt, bei der vom Kläger bezogenen Bulkware handele es sich zwar noch nicht um Fertigarzneimittel. Diese wandle aber ihren Charakter durch das Abfüllen in eine zur Abgabe an den Patienten bestimmte Packung und die Kennzeichnung, verbunden mit der Abgabe an den Patienten. Die Ausnahmeregelung des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG greife nicht ein.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom erkennenden Senat zugelassene Revision eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein früheres Vorbringen.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichenVerhandlung verzichtet.

II.

Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die angefochtene Untersagungsverfügung sei rechtmäßig, verletzt kein Bundesrecht.

1. Die Verfügung findet ihre Grundlage in § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Nach dieser Bestimmung treffen die zuständigen Arzneimittelbehörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Der Senat hat in seinem Urteil vom 19. Oktober 1989 - BVerwG 3 C 35.87 - (Buchholz 418.32 Nr. 20) entschieden, daß diese Vorschrift eine ausreichende Grundlage für das behördliche Verbot bildet, zulassungspflichtige aber nicht zugelassene Arzneimittel in den Verkehr zu bringen. Die Voraussetzungen für die Anordnung eines solchen Verbots sind nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen hier erfüllt.

2. Zulassungspflichtig sind nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG Fertigarzneimittel, die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG sind. Insoweit steht außer Zweifel, daß die vom Kläger vertriebenen Furfurol-Kapseln Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG sind, da es sich um Zubereitungen aus Stoffen handelt, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung im menschlichen Körper Krankheiten zu heilen, zu lindern und zu verhüten. Zutreffend haben die Vorinstanzen auch erkannt, daß es sich um Fertigarzneimittel handelt.

a) Diese sind in § 4 Abs. 1 AMG definiert als Arzneimittel, die im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden. Der Streit der Beteiligten geht in erster Linie darum, ob das Abfüllen in eine zur Abgabe an den Verbraucher bestimmte Packung Teil der Herstellung im Sinne des § 4 Abs. 1 AMG ist, die "im voraus" erfolgt sein muß, um von einem Fertigarzneimittel sprechen zu können.

Der erkennende Senat hat dies in seinem Vorlagebeschluß an den Europäischen Gerichtshof vom 3. August 1989 - BVerwG 3 C 7.86 - (Buchholz 451.90 Nr. 85) bejaht. Dabei ging es um den Import von Arzneimitteln, die in einem anderen EG-Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden waren. Der Senat hat ausgeführt, die von der Klägerin des seinerzeitigen Verfahrens zum Import bestimmten Arzneimittel seien bereits Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 AMG, denn sie seien für den ausländischen Endverbraucher fertig abgepackt und gekennzeichnet und somit "im voraus hergestellt". Der Senat hat damit das Abfüllen in die Endverpackung und die Kennzeichnung als Bestandteil des Herstellens angesehen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß in jenem Fall die vorliegend zu beurteilende Problematik des Abfüllens aus Großgebinden ("Bulkware") keine Rolle spielte. Es ging vielmehr um die Frage, ob das für den ausländischen Verbraucher abgepackte und gekennzeichnete Arzneimittel bereits ein Fertigarzneimittel ist oder, wie die Vorinstanzen angenommen hatten, erst durch die Umetikettierung für den deutschen Verbraucher dazu wird. Die in diesem Zusammenhang gewählten Formulierungen lassen daher nicht den Schluß zu, daß der Senat seinerzeit auch die hier zu entscheidende Frage habe klären wollen.

Die Vorinstanzen gehen im vorliegenden Verfahren davon aus, daß es sich schon bei dem an den Kläger gelieferten Großgebinde um ein "hergestelltes" Arzneimittel handele, aus dem durch die weiteren Maßnahmen des Klägers ein Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 AMG werde. Diese Auffassung wird namentlich vom OLG Stuttgart geteilt (Urteil vom 28. Juni 1991 - 2 U 18/91 - PZ 1992 S. 77 f.). Ihr ist beizupflichten.

b) Auszugehen ist insoweit vom Wortlaut des § 4 Abs. 1 AMG. Der dort verwendete Begriff des Herstellens ist in § 4 Abs. 14 AMG definiert. Herstellen ist danach das Gewinnen, das Anfertigen, das Zubereiten, das Be- und Verarbeiten, das Umfüllen einschließlich Abfüllen, das Abpacken und das Kennzeichnen. Danach sind das Abfüllen, das Abpacken und das Kennzeichnen Bestandteile des Herstellungsvorgangs. Dabei ist aber zu beachten, daß in dieser Definition nicht von der zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung die Rede ist. Das bedeutet, daß jedes Abpacken - auch das in einem Großgebinde - unter die Herstellungsdefinition fällt. Ein Großgebinde eines ohne Zuordnung zu einem bestimmten Patienten hergestellten Arzneimittels ist damit dem Wortlaut nach "im voraus hergestellt".

c) Dies entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers beim Erlaß des Arzneimittelgesetzes im Jahre 1976. Der zuständige Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit nahm zu der Gesetz gewordenen Fassung des § 4 Abs. 1 des Regierungsentwurfs dahin Stellung, er halte es insbesondere für erforderlich, daß Arzneimittel, die zwar im voraus hergestellt, jedoch noch nicht in eine zur Abgabe an den Verbraucher bestimmte Packung abgefüllt seien (Bulkware), prinzipiell den Vorschriften über die Zulassung und die Kennzeichnung unterworfen würden; der Ausschuß habe jedoch davon abgesehen, die Einbeziehung der Bulkware durch eine Erweiterung der Begriffsbestimmung für das Fertigarzneimittel im Gesetz selbst vorzunehmen (vgl. BTDrucks 7/5091, S. 11 f.). Dementsprechend hat der Deutsche Bundestag in einem Beschluß zum Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts die Bitte an die Bundesregierung ausgesprochen, dafür Sorge zu tragen, daß die Bestimmungen des Gesetzes im Verordnungswege auch auf solche Arzneimittel ausgedehnt werden, die im voraus hergestellt und in der vorgesehenen Darreichungsform ohne eine für den Verbraucher bestimmte Packung in den Verkehr gebracht werden (vgl. BTDrucks 9/1355, Anlage 1, S. 34). Der Gesetzgeber ist mithin davon ausgegangen, daß die im Großgebinde gelieferte Ware zwar "im voraus hergestellt" sei, daß sie aber noch kein Fertigarzneimittel sei, weil sie nicht in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werde. In seinem Beschluß vom 3. August 1989 hat auch der erkennende Senat ausgesprochen, durch das Merkmal "einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung" würden Bulkwaren und Halbfertigwaren aus dem Begriff des Fertigarzneimittels ausgeklammert (a.a.O. S. 62).

Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 1 AMG sprechen also gegen die Ansicht des Klägers, die "im voraus" vorzunehmende Herstellung im Sinne der in Rede stehenden Bestimmung umfasse notwendig auch das Abfüllen in die zur Abgabe an den Verbraucher bestimmte Packung.

d) Damit ist der Argumentation des Klägers aber noch nicht gänzlich die Grundlage entzogen. Sprachlich ist es möglich, die Worte "im voraus" sowohl auf das anschließende "hergestellte" als auch auf das damit durch ein "und" verbundene "Inverkehrbringen in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung" zu beziehen. Versteht man die Vorschrift in diesem Sinne, so müßte selbst dieser letztgenannte Vorgang bereits im voraus und damit ohne Bezug zu einem konkreten Patienten erfolgt sein, um von einem Fertigarzneimittel sprechen zu können. Dem Verwaltungsgericht ist daher in der Aussage zu folgen, daß der Wortlaut des § 4 Abs. 1 AMG mehrdeutig ist.

e) Unter diesen Umständen kommt dem Sinn und Zweck der Regelung entscheidende Bedeutung zu. Ziel der Einführung des Zulassungsverfahrens für Fertigarzneimittel durch das Arzneimittelgesetz 1976 war eine Erhöhung der Arzneimittelsicherheit durch die präventive Kontrolle des Arzneimittelverkehrs (vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand Mai 1998, AMG § 4 Bem. 2). Dabei dient das Tatbestandsmerkmal "im voraus hergestellt" der Abgrenzung zu den Rezepturarzneien und allen sonstigen Arzneimitteln, die im Einzelfall auf besondere Anforderung hergestellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 1984 - BVerwG 3 C 6.84 - BVerwGE 70 S. 284, 288). Der Gesetzgeber sah also ein besonderes Risiko bei Arzneimitteln, die ohne Rücksicht auf einen konkreten Krankheitsfall für eine beliebige Zahl von Fällen hergestellt werden. Geht man hiervon aus, so stellt das zusätzliche Erfordernis des Inverkehrbringens in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung lediglich eine Einschränkung zugunsten der Bulkware dar. Sowohl dem Ausschußbericht zum Arzneimittelgesetz 1976 (BTDrucks 7/5091, S. 12) als auch dem Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen mit dem Arzneimittelgesetz (BTDrucks 9/1355, S. 8) ist zu entnehmen, daß diese Ausnahme wegen der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Bulkware für notwendig gehalten wurde. Zugleich wurde diese Ausnahme unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit für vertretbar gehalten, weil "in den meisten Fällen aus der Bulkware, bevor sie in die Hand des Verbrauchers kommt, ein zulassungspflichtiges Fertigarzneimittel hergestellt" werde.

Unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelsicherheit besteht kein Grund, im voraus hergestellte Arzneimittel nur deshalb aus dem Begriff des Fertigarzneimittels auszunehmen, weil das Abpacken in die für den Verbraucher bestimmte Packung und die Kennzeichnung erst auf die konkrete Anforderung des Patienten hin geschehen. Diese Merkmale haben unter dem Gesichtspunkt des Patientenschutzes keine Relevanz. Einerseits sind sie im Herstellungsprozeß von untergeordneter Bedeutung. Sie vermögen den Gesichtspunkt der Serienherstellung, der die Einführung des vorbeugenden Zulassungsverfahrens rechtfertigt, nicht aufzuwiegen. Andererseits macht es auch aus der Sicht des Patienten keinen Unterschied, ob der Apotheker die normalerweise abgeforderte Zahl von Kapseln vor dem Erscheinen eines Patienten in ein kleineres Gefäß füllt oder ob er damit bis zum Erscheinen des Patienten wartet.

Zu Recht hat das Oberlandesgericht Stuttgart (a.a.O.) darauf hingewiesen, daß jede andere Auslegung des § 4 Abs. 1 AMG der Gesetzesumgehung Tür und Tor öffnen würde. Arzneimittelhersteller könnten in großem Umfang Arzneimittel ohne Zulassung auf den Markt bringen, indem sie lediglich das Abpacken in Kleingebinde und die Kennzeichnung den Apothekern überlassen. Auf diese Art könnten sogar Arzneimittel weiter vermarktet werden, deren Zulassung widerrufen worden ist.

Diese Überlegungen führen dazu, nur die Bulkware als solche vom Begriff des Fer-tigarzneimittels auszunehmen. Wird sie aber in ein zur Abgabe an den Verbraucher bestimmtes Behältnis abgefüllt und durch Abgabe an den Verbraucher in den Verkehr gebracht (§ 4 Abs. 17 AMG), so wird sie dadurch zum Fertigarzneimittel. Das angefochtene Urteil verletzt daher kein Bundesrecht, soweit es die vom Kläger abgegebenen Furfurol-Kapseln als Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 AMG angesehen hat.

3. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht auch die Freistellung von der Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG abgelehnt. Danach bedarf es einer Zulassung nicht für Arzneimittel, die zur Anwendung beim Menschen bestimmt sind und aufgrund nachweislich häufiger ärztlicher oder zahnärztlicher Verschreibung in den wesentlichen Herstellungsschritten in einer Apotheke in Chargengrößen bis zu 100 abgabefertigen Packungen an einem Tag im Rahmen des üblichen Apothekenbetriebs hergestellt werden und zur Abgabe in dieser Apotheke bestimmt sind. Die Vorinstanzen haben die Anwendung dieser Bestimmung abgelehnt, weil die streitigen Kapseln nicht "in den wesentlichen Herstellungsschritten" in der Apotheke des Klägers hergestellt würden.

Es kann offenbleiben, ob das Abpacken und Kennzeichnen der Arzneimittel sowie die Qualitätskontrolle - wie der Kläger meint -wesentliche Herstellungsschritte im Sinne dieser Bestimmung sind. Durch die Verwendung des bestimmten Artikels bei der Forderung, "die wesentlichen Herstellungsschritte" müßten in der Apotheke erfolgen, steht fest, daß alle wesentlichen Herstellungsschritte dort stattfinden müssen. Dies entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers, nur solche Fertigarzneimittel von der Zulassung freizustellen, die im wesentlichen in der Apotheke selbst und nicht durch einen industriellen Hersteller produziert worden sind (vgl. BTDrucks 11/5373, S. 13). Das trifft für die streitigen Kapseln nicht zu.

Es bedarf aus Anlaß dieses Falles keiner umfassenden begrifflichen Klarstellung, welche Herstellungsschritte als "wesentlich" im Sinne des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG anzusehen sind. Jedenfalls kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Verkapselung in Weichgelatine, die das Arzneimittel wegen der - unter I. dargelegten und im Sinne des § 291 ZPO offenkundigen - Aggressivität des Wirkstoffs überhaupt erst anwendungsfähig macht, ein wesentlicher Herstellungsschritt ist. Da dieser industriell durchgeführt wird, liegt der Ausnahmetatbestand des § 21 Abs. 2 Nr. 1 AMG nicht vor. Es kommt hinzu, daß auch die Synthetisierung des Wirkstoffs nicht in der Apotheke, sondern in einem Industriebetrieb stattfindet. Demgegenüber kann der Kläger nicht damit gehört werden, diese Herstellungsschritte seien in einer Apotheke nicht möglich. Der Gesetzgeber wollte die Ausnahme bewußt auf die traditionelle "verlängerte Rezeptur" beschränken und die industrielle Herstellung insoweit ausschließen. Bei dieser Zielrichtung spielt es keine Rolle, ob die entsprechenden Herstellungsschritte überhaupt in einer Apotheke möglich wären.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 29 600 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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