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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 30.10.1997
Aktenzeichen: BVerwG 3 C 35.96
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfG, SGG, SGB, FGO


Vorschriften:

VwGO § 42 Abs. 1
VwGO § 58
VwGO § 60
VwGO § 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
VwGO § 74 Abs. 1 Satz 2m Abs. 2
VwGO § 91
VwVfG § 14 Abs. 3
VwVfG § 41 Abs. 1
SGG § 96 Abs. 1
SGB X § 37 Abs. 1
FGO § 68
Leitsätze:

1. Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an den Adressaten genügt auch dann für seine Wirksamkeit und für das In-Lauf-Setzen der Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wenn für das Verwaltungsverfanren ein Bevollmächtigter bestellt war.

2. Die Einbeziehung eines Bescheides in einen anhängigen Rechtsstreit im Wege der Klageänderung entbindet nicht generell von der Einhaltung der Klagefrist.

3. Es bleibt offen, ob die Einbeziehung eines Bescheides, durch den der angefochtene Bescheid geändert oder ergänzt wird, ohne Fristanbindung zulässig ist. Die Klagefrist gilt jedenfalls für die Einbeziehung eines Verpflichtungsbegehrens, das sich tatsächlich und rechtlich grundlegend von dem ursprünglich geltend gemachten Anspruch unterscheidet.

4. Die Unzulässigkeit einer Verpflichtungsklage wegen Versäumung der Klagefrist kann weder durch die Berufung auf einen Folgenbeseitigungsanspruch noch auf einen Herstellungsanspruch ausgeräumt werden.

5. Bloße Unterlassungen der Behörde stellen in der Regel bei der Versäumung von Rechtsmittelfristen für den betroffenen Bürger keine höhere Gewalt dar.

Urteil des 3. Senats vom 30. Oktober 1997 - BVerwG 3 C 35.96

I. VG Schleswig vom 08.02.1995 - Az.: VG 9 A 5/87 (93) II. OVG Schleswig vom 09.05.1996 - Az.: OVG 2 L 159/95


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

BVerwG 3 C 35.96 OVG 2 L 159/95

Verkündet am 30. Oktober 1997

Riebe Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 1997 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Driehaus und die Richter am Bundesverwaltungsgericht von Schewick, Dr. Pagenkopf, Dr. Borgs-Maciejewski und Kimmel

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Mai 1996 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist Trägerin einer Klinik in Schleswig-Holstein, die im Jahre 1979 in den Krankenhausbedarfsplan des Landes aufgenommen wurde.

Mit Schreiben vom 29. August 1986 beantragte sie die Bewilligung von Fördermitteln zu den Lasten, die sich aus den für die Errichtung des Krankenhauses aufgenommenen Darlehen ergaben (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG - i.d.F. vom 23. Dezember 1985, BGBl I S. 33). Dies lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 17. Dezember 1986 ab. Dagegen erhob die Klägerin Klage, die auf Zahlung von 7 838 615,50 DM nebst Zinsen gerichtet war.

Im Frühjahr 1991 schlossen die Parteien einen außergerichtlichen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 Nr. 1 KHG die wirtschaftlich gerechtfertigten Kosten der Nutzung hinsichtlich des in den Krankenhausbedarfsplan aufgenommenen Teils der Klinik ab dem 1. Januar 1990 zu fördern und dafür nach Abschluß der Bewertung einen entsprechenden Bescheid zu erteilen. Die Klägerin verpflichtete sich, im Falle eines Einvernehmens über die Höhe der Nutzungskosten die Klage zurückzunehmen. Für den Fall der Nichteinigung verpflichtete sich die Beklagte, einer Änderung der Klage durch Umstellung auf die der Klägerin nach dem Vergleich zustehenden Fördermittel nicht zu widersprechen.

Die Klägerin teilte dem Verwaltungsgericht am 22. März 1991 den Abschluß des Vergleichs mit und wies darauf hin; daß die Parteien in diesem Verfahren möglicherweise eine Klageänderung vornehmen würden, nach der es ausschließlich noch um die Höhe der von der Beklagten zu gewährenden Fördermittel gehen werde. Beide Beteiligten teilten in der Folgezeit auf gerichtliche Anfrage wiederholt mit, daß die Verhandlungen über die Höhe der förderungsfähigen Pachtzinsen noch liefen. Die Verhandlungen über die Höhe der zu gewährenden Fördermittel wurden auf seiten der Klägerin ohne Beteiligung ihres damaligen Prozeßbevollmächtigten geführt.

Durch Bescheid vom 13. Dezember 1991 setzte die Beklagte zum Zwecke der Überbrückung den zu fördernden wirtschaftlich gerechtfertigten Pachtzins vorläufig für 1990 auf 545 756,93 DM und für 1991 auf 616 567,17 DM fest und bewilligte eine entsprechende Förderung.

Nachdem die Oberfinanzdirektion Kiel den angemessenen Pachtzins zunächst auf 4,62 DM je Quadratmeter geschätzt hatte, kam ein von der Klägerin vorgelegtes Gutachten auf einen Quadratmeterpreis von 22,26 DM. Schließlich schlug die Oberfinanzdirektion im Oktober 1992 einen Pachtzins von 10,78 DM je Quadratmeter für 1990 vor. Auf dieser Grundlage erließ die Beklagte unter dem 30. November 1992 einen an die Klägerin selbst adressierten Bescheid über die "endgültige Festsetzung und Bewilligung des Pachtzinses ab 1. Januar 1990". Darin wurden der förderungsfähige Pachtzins für 1990 auf 1 315 687,68 DM und unter Berücksichtigung steigender Bettenzahlen ab 1994 auf 1 739 846,47 DM festgesetzt und die entsprechenden Beträge als Förderung bewilligt. In dem Bescheid heißt es, der Förderbetrag bis einschließlich 1992 werde an die Klägerin ausgezahlt, sobald sie sich schriftlich mit dem Bewilligungsbescheid einverstanden erklärt habe. Eine Rechtsmittelbelehrung war nicht beigefügt.

Darauf teilte die Klägerin unter dem 8. Dezember 1992 mit, sie könne sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht entscheiden, ob sie die von der Beklagten genannte Pacht anerkennen könne. Mit Bescheid vom 28. Dezember 1992 verlängerte die Beklagte die vorläufige Festsetzung des angemessenen Pachtzinses und bewilligte für 1992 eine Förderung von 633 837,95 DM. Sie begründete dies damit, daß der Bewilligungsbescheid vom 30. November 1992 wegen der fehlenden Einverständniserklärung der Klägerin keine Bestandskraft er- langt habe.

Mit Schreiben vom 27. Januar 1993 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 30. November 1992 "aus formalen Gründen" Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, daß sie sich wegen der Höhe des Pachtzinses noch weiter beraten lassen müsse. Mit Bescheid vom 10. Dezember 1993 verlängerte die Beklagte die vorläufige Festsetzung und Bewilligung des Pachtzinses bis zum 31. Dezember 1993.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 21. Dezember 1993 mitgeteilt hatte, daß sie sich nicht in der Lage sehe, dem Vorschlag hinsichtlich der Höhe des förderungsfähigen Pachtzinses zuzustimmen, erwiderte die Beklagte durch Schreiben vom 14. Januar 1994, daß der Bescheid vom 30. November 1992 nunmehr Bestandskraft erlangt habe, da die Klägerin hiergegen innerhalb eines Jahres keine Klage erhoben habe. Die vorläufigen Bewilligungsbescheide seien damit gegenstandslos.

Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Januar 1994, beim Verwaltungsgericht eingegangen am 26. Januar 1994, Antrag auf Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens gestellt und die Beklagte nunmehr auf die Gewährung von Fördermitteln für die Kosten der Nutzung von Anlagegütern für die Jahre 1990 bis 1993 in Anspruch genommen. Unter Berücksichtigung der inzwischen gezahlten Beträge hat sie beantragt, die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 4 783 367,68 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Hilfsweise hat sie beantragt, ihr wegen Versäumung der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten vom 30. November 1992 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dazu hat sie geltend gemacht, das Schreiben vom 30. November 1992 sei kein rechtsmittelfähiger Bescheid gewesen, da es unter dem Vorbehalt der Einverständniserklärung der Klägerin gestanden habe.

Die Beklagte ist der geänderten Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, den Ansprüchen der Klägerin stehe die Bestandskraft des Bescheides vom 30. November 1992 entgegen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 9. Mai 1996 zurückgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, durch Bescheid vom 30. November 1992 sei über die Höhe der an die Klägerin zu leistenden Zahlungen bestandskräftig entschieden worden. Weitergehende Ansprüche seien dadurch ausgeschlossen. Das Schreiben vom 30. November 1992 stelle seinem eindeutigen Inhalt nach einen Verwaltungsakt dar. Dieser Bescheid sei bestandskräftig geworden, da die Klägerin binnen eines Jahres nach seiner Bekanntgabe keine Klage erhoben habe. Die Bekanntgabe habe an die Klägerin selbst erfolgen dürfen, da § 110 Abs. 1 Satz 2 des Landesverwaltungsgesetzes - LVwG - (= § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG) es in das Ermessen der Behörde stelle, ob sie in den Fällen, in denen ein Bevollmächtigter bestellt sei, die Bekanntgabe ihm gegenüber vornehme.

Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, die Bestandskraft des Bescheides vom 30. November 1992 zu beseitigen; eine solche Verpflichtung ergebe sich weder aus einem Folgenbeseitigungsanspruch, da die eingetretene Bestandskraft vom Gesetz vorgesehen und damit keine rechtswidrige Folge hoheitlichen Handelns sei, noch aus einem Herstellungsanspruch. Für die Übertragung dieses von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstituts in das allgemeine Verwaltungsrecht fehle jede Grundlage.

Dem hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag sei nicht stattzugeben, weil ein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO nicht vorliege. Selbst wenn die von der Klägerin unter Beweis gestellte Behauptung richtig sei, daß die Beklagte den Irrtum der Klägerin hinsichtlich der Notwendigkeit einer Klageerhebung erkannt und die Klägerin bewußt nicht aufgeklärt habe, fehle es an der Voraussetzung, daß die Säumnis auf außergewöhnliche Ereignisse zurückzuführen sei, die nach den Umständen des Falles auch durch die äußerste, dem Betroffenen noch zuzumutende Sorgfalt weder abgewertet noch in ihren schädlichen Folgen verhindert werden konnten. Die Beklagte habe den Irrtum der Klägerin nicht durch aktives Tun hervorgerufen oder genährt. Auch von einer gesteigerten Hinweispflicht aufgrund vorangegangenen Verhaltens könne nicht ausgegangen werden.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung zusätzlicher Fördermittel in Höhe von 4 783 367,68 DM für die Jahre 1990 bis 1993 erstrebt. Sie ist der Auffassung, der Bescheid vom 30. November 1992 sei nicht bestandskräftig geworden; jedenfalls habe ihr wegen Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung gewährt werden müssen.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Klagefrist des § 58 Abs. 2 VwGO sei im vorliegenden Rechtsstreit von vornherein nicht zu berücksichtigen, weil der Bescheid vom 30. November 1992 im Wege der Klageänderung in das Verfahren eingeführt worden sei. Die Frist des § 74 VwGO gelte aber nur für die Klageerhebung; für die Klageänderung fehle es an einer entsprechenden Vorschrift.

Die Klagefrist habe darüber hinaus nach § 74 VwGO nicht zu laufen begonnen, weil der Bescheid vom 30. November 1992 mit der Übersendung an sie statt an ihren Bevollmächtigten nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sei.

Selbst wenn man von einer wirksamen Bekanntgabe des Verwaltungsakts ausgehe, müsse die Beklagte die Klägerin aufgrund eines Herstellungsanspruchs so stellen, als sei keine Bestandskraft eingetreten. Das ergebe sich aus den Pflichtverletzungen der Beklagten, die zum Eintritt der Bestandskraft geführt hätten. In diesem Zusammenhang beruft sich die Klägerin wiederum auf die Bekanntgabevorschriften. Außerdem rügt sie, daß der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe. Schließlich macht sie geltend, die Beratungspflicht nach § 83 a LVwG habe die Beklagte verpflichtet, die Klägerin über ihren offenkundigen Irrtum betreffend die Zulässigkeit des eingelegten Widerspruchs und die Notwendigkeit einer Klageerhebung aufzuklären.

Die Klägerin habe schließlich einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Höhere Gewalt liege auch dann vor, wenn der Prozeßgegner durch arglistiges Verhalten die Versäumung der Frist erschlichen habe. Das sei hier der Fall.

Die Beklagte tritt der Revision entgegen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist unzulässig.

1. Die (1994 geänderte) Klage ist eine Verpflichtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin begehrt Förderleistungen, die der Bewilligung durch einen Verwaltungsakt bedürfen. Durch die Fassung des Revisionsantrags ist klargestellt, daß die Klage sich auf die Verpflichtung zum Erlaß dieses Verwaltungsakts richtet. Dies entspricht der von der Klägerin auch in den Vorinstanzen verfolgten Absicht.

2. Die Verpflichtungsklage ist unzulässig, weil die Klägerin die hier maßgebliche einjährige Klagefrist nach §§ 74, 58 Abs. 2 VwGO nicht eingehalten hat.

a) § 74 Abs. 2 VwGO erklärt die für Anfechtungsklagen geltende Fristbestimmung des § 74 Abs. 1 VwGO bei Verpflichtungsklagen für entsprechend anwendbar, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist. Von der Klägerin wird zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen, daß das Schreiben der Beklagten vom 30. November 1992 seinem Inhalt nach eine Ablehnung im Sinne dieser Bestimmung war. Die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid im Text des Schreibens sowie die wiederholte Aussage, es handele sich um die endgültige Festsetzung und Bewilligung des Pachtzinses, machen eindeutig klar, daß die Beklagte damit die Höhe der der Klägerin zu gewährenden Fördermittel verbindlich regeln wollte. Da die Bewilligung deutlich hinter den von der Klägerin verlangten Beträgen zurückblieb und eine Änderung des förderungsfähigen Pachtzinses nur für den Fall einer Änderung der Verhältnisse zuließ, war auch erkennbar, daß damit die weitergehenden Forderungen der Klägerin abgelehnt werden sollten. Die Tatsache, daß die Klägerin unter dem 27. Januar 1993 ausdrücklich Widerspruch eingelegt hat, belegt, daß sie das Schreiben in diesem von der Beklagten intendierten Sinne verstanden hat.

b) Die Frist begann nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit der Bekanntgabe des ablehnenden Verwaltungsaktes, da gemäß § 68 Abs. 2, Absatz 1 Satz 2 VwGO ein Widerspruchsverfahren nicht durchzuführen war. Dieses entfällt, wenn der Verwaltungsakt von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist. Das trifft hier zu, da es sich bei der Beklagten um eine Landesministerin handelt.

Da der Bescheid vom 30. November 1992 keine Rechtsmittelbelehrung enthielt, betrug die Klagefrist gemäß § 58 Abs. 2 VwGO ein Jahr.

3. Die für den Beginn der Klagefrist maßgebende Bekanntgabe lag in der Übersendung des Bescheides an die Klägerin. Die fehlende Mitteilung an ihren damaligen Prozeßbevollmächtigten hat auf den Fristbeginn keinen Einfluß. Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob die Bestellung des Prozeßbevollmächtigten sich überhaupt auf das Verwaltungsverfahren bezüglich der Förderung der Nutzungskosten bezog, kommt es daher nicht an.

Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 LVwG (= § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Das ist hier unzweifelhaft die Klägerin. Ergänzend sagt § 110 Abs. 1 Satz 2 LVwG (= § 41 Abs. 1 Satz 2 VwVfG), daß die Bekanntgabe, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist, ihm gegenüber vorgenommen werden kann. Nach Auffassung des Berufungsgerichts stellt es diese Bestimmung in das Ermessen der Behörde, ob sie im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten den Verwaltungsakt dem Adressaten oder dem Bevollmächtigten gegenüber bekanntgibt. Dieser Auffassung ist zuzustimmen.

Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Ansicht vertreten, falls für das Verwaltungsverfahren ein Bevollmächtigter bestellt sei, sei die Behörde gemäß § 14 Abs. 3 VwVfG (= § 79 Abs. 3 LVwG) auch dazu verpflichtet, die verfahrensbeendende Entscheidung, den Verwaltungsakt, ihm gegenüber bekanntzugeben (Beschluß vom 7. Oktober 1986 - NC 9 S 550/86 - VBlBW 1987, S. 297). Dieselbe Meinung wird in der Literatur unter anderem von Kopp (VwVfG, 6. Aufl., § 41 Rn. 16 im Widerspruch zu § 14 Rn. 22), Meyer bei Meyer/Borgs (VwVfG, 2. Aufl., § 41 Rn. 10), Obermeier (VwVfG, 2. Aufl., § 41 Rn. 31) und Drescher (NVwZ 1988, S. 680 <683>) vertreten. Begründet wird diese Auffassung damit, daß die in eine Sollvorschrift gekleidete Verpflichtung zur Einbeziehung des Bevollmächtigten in das Verwaltungsverfahren gemäß § 14 Abs. 3 VwVfG bei dem wichtigsten Akt, der Endentscheidung, nicht suspendiert sein könne (vgl. Meyer, a.a.O.). Gleichwohl anerkennen die genannten Autoren im Gegensatz zum baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof, daß die Bekanntgabe allein an den Adressaten nach § 41 Abs. 1 VwVfG wirksam sei und die Rechtsmittelfrist nach § 74 VwGO in Lauf setze.

Die Gegenansicht sieht in § 41 Abs. 1 VwVfG eine Sonderregelung, die für die Bekanntgabe des Verwaltungsakts den § 14 Abs. 3 VwVfG verdränge (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 10. August 1992 - 12 UE 2254/89 - NVwZ-RR 1993, S. 432; Stelkens/Bonk/Sachs/Leonhard, VwVfG, 4. Aufl., § 41 Rn. 31; Henneke bei Knack, VwVfG, 5. Aufl., § 41 Rn. 4.4). Zur Begründung wird außer auf den Wortlaut auf die Praktikabilität der Vorschrift abgehoben. Für den Betroffenen sei es keine gravierende Belastung, seinerseits den Bevollmächtigten zu unterrichten, wenn die Bekanntgabe an ihn erfolge.

Zu der gleichlautenden Bestimmung des § 37 Abs. 1 SGB X hat das Bundessozialgericht sich durch Urteil vom 21. Februar 1985 (11 RA 6/84 - NVwZ 1986, S. 421) gleichfalls auf den Standpunkt gestellt, es handele sich um eine Sondervorschrift, die es in das Ermessen der Behörde stelle, ob sie den Bescheid dem Betroffenen oder seinem Bevollmächtigten bekanntgebe. Dem ist die sozialrechtliche Literatur unter anderem mit dem Hinweis gefolgt, daß im Gesetzgebungsverfahren der Versuch, die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten verbindlich vorzuschreiben, gescheitert sei (vgl. v. Mutius in GK-SGB X 1 § 37 Rn. 17; Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl., § 37 Rn. 10).

Der erkennende Senat schließt sich der zweiten Ansicht an. Der Wortlaut des § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG läßt keinen Zweifel daran, daß die Bekanntgabe an den Betroffenen den Verwaltungsakt in jedem Falle wirksam werden läßt. Die Ergänzung, daß der Verwaltungsakt auch einem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden kann, stellt danach lediglich eine Erweiterung der der Behörde eröffneten Möglichkeiten dar.

Für die hier vertretene Auffassung sprechen überdies Gründe der Praktikabilität. Gerade bei dem Akt, der den Bescheid in Wirksamkeit setzt, ist größtmögliche Rechtsklarheit von hoher Bedeutung. Diese wird durch § 41 Abs. 1 VwVfG in der vom Berufungsgericht vertretenen Auslegung erreicht. Mit der Bekanntgabe an den Betroffenen kann die Behörde jeder Diskussion darüber ausweichen, ob ein Bevollmächtigter - wirksam - bestellt worden ist oder nicht. Außerdem entfällt die schwierige Frage, ob ein Sonderfall vorliegt, der ein Abweichen von der Regel des § 14 Abs. 3 VwVfG rechtfertigt.

Der Klägerin ist der Bescheid vom 30. November 1992 mit der Übersendung auf dem Postwege gemäß § 74 VwGO bekanntgegeben worden. Da die Aufgabe zur Post am 2. Dezember 1992 erfolgte; gilt als Zeitpunkt der Bekanntgabe nach § 110 Abs. 2 LVwG der 5. Dezember 1992. Die Jahresfrist endete mithin am 5. Dezember 1993.

4. Die Notwendigkeit, die Klagefrist einzuhalten, entfiel nicht deshalb, weil die Klägerin ihr jetziges Begehren im Wege der Klageänderung in einen bereits anhängigen Rechtsstreit eingeführt hat. Die Ansicht der Klägerin, die Fristbestimmung des § 74 VwGO werde in einem Fall der vorliegenden Art durch die Vorschriften über die Klageänderung (§ 91 VwGO) verdrängt, trifft nicht zu.

a) Es ist zwar richtig, daß in § 91 VwGO von einer Einhaltung von Klagefristen nicht die Rede ist. Gleichzeitig ist aber nicht zu übersehen, daß die Klageänderung für das neue Begehren rechtlich einer Klageerhebung gleichsteht. Sie führt die Rechtshängigkeit des Begehrens herbei (vgl. auch § 261 Abs. 2 ZPO). Das spricht systematisch dafür, daß für diese Form der Klageerhebung die Prozeßvoraussetzungen erfüllt sein müssen. Dazu gehört, wie dargelegt, auch die Einhaltung der Klagefrist. Etwas anderes würde gelten, wenn Sinn und Zweck des § 74 VwGO seine Beachtung im Falle der Klageänderung als überflüssig erscheinen lassen würden. Das ist aber nicht der Fall. Die Fristbestimmung des § 74 VwGO und die Vorschrift über die Klageänderung nach § 91 VwGO verfolgen unterschiedliche Ziele und Schutzzwecke.

Die Fristbestimmung soll für Rechtsfrieden und Rechtssicherheit sorgen. Gleichzeitig soll sie ein wirkungsvolles behördliches und gerichtliches Verfahren gewährleisten (vgl. BVerfG, Beschluß vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, S. 253 <270>). Die Einhaltung der Klagefrist ist daher eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung, die nicht der Disposition der Parteien unterliegt.

Mit der Zulässigkeit einer Klageänderung werden dagegen vor allem prozeßökonomische Ziele verfolgt. Es soll die Möglichkeit eröffnet werden, einen bereits rechtshängig gewordenen Streit möglichst umfassend aus der Welt zu schaffen. Die Klageänderung ist daher nach § 91 VwGO zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Ließe man die Möglichkeit zu, einen verfristeten Anspruch im Wege der Klageänderung mit Zustimmung der Gegenseite in das Verfahren einzuführen, wäre den Beteiligten ein Mittel an die Hand gegeben, eigenmächtig über die Voraussetzung der Klagefrist zu verfügen. Fehlt die Einwilligung, so könnte zwar das Gericht die Sachdienlichkeit der Klageänderung unter Hinweis auf die eingetretene Fristversäumnis verneinen. Ist die Verfristung aber streitig, dürfte das Merkmal der Sachdienlichkeit kaum geeignet sein, insoweit eine Klärung der möglicherweise schwierigen rechtlichen Problematik zu eröffnen. Richtig erscheint es vielmehr, die Sachdienlichkeit nach den auch sonst üblichen Kriterien der Sachnähe und Prozeßökonomie zu beantworten und die Frage der Verfristung der sich gegebenenfalls anschließenden weiteren Prüfung des neuen Begehrens zu überlassen.

b) Auch im übrigen gibt es keine Rechtfertigung dafür, den Bescheid vom 30. November 1992 ohne Rücksicht auf die Einhaltung der Klagefrist einer sachlichen Überprüfung zu unterwerfen.

Die Frage der Einbeziehung nachträglich ergangener Bescheide in einen anhängigen Rechtsstreit hat in der Verwaltungsgerichtsordnung - anders als in anderen Prozeßordnungen - keine ausdrückliche Regelung erfahren. Nach § 68 FGO wird ein Verwaltungsakt auf Antrag des Klägers Gegenstand eines anhängigen Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird. In Abkehr von einer Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 8. November 1971 (GrS 9/70 - BFHE 103, S. 549) hat der Gesetzgeber das Antragsrecht des Betroffenen in § 68 Satz 2 FGO an eine Frist von einem Monat nach Bekanntgabe des neuen Verwaltungsakts gebunden und die Behörde verpflichtet, hierauf in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen. Nach § 96 Abs. 1 SGG wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird.

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hat die Frage, soweit ersichtlich, bislang keine Erörterung gefunden. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zwar mehrfach mit der Einbeziehung nachträglich ergehender, den ursprünglichen Verwaltungsakt ändernder oder ersetzender Verwaltungsakte in das laufende Verfahren befaßt. Dabei ging es jedoch nur um die Notwendigkeit und Zulässigkeit einer Klageänderung und das fehlende Erfordernis eines Vorverfahrens. Die Frage, ob die Einbeziehung des neuen Verwaltungsakts fristgebunden sei, wurde dabei nicht erörtert (vgl. Urteile vom 26. Juni 1969 - BVerwG 8 C 36.69 - BVerwGE 32, 243 <247>; vom 27. Februar 1970 - BVerwG 4 C 28.67 - NJW 1970, S. 1564; vom 22. Februar 1980 - BVerwG 4 C 61.77 - DVBl 1980, S. 598; vom 23. März 1982 - BVerwG 1 C 157.79 - BVerwGE 65, 167 <168 f.> und vom 22. Mai 1987 - BVerwG 4 C 77.84 - DVBl 1987, S. 1004, sowie Beschlüsse vom 20. Dezember 1991 - BVerwG 4 C 25.90 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 4 und vom 16. Dezember 1992 - BVerwG 7 B 180.92 - DVBl 1993, S. 734).

In der Literatur wird die Frage unterschiedlich behandelt. Während Preusche (DVBl 1992, S. 797 <801>) jedenfalls beim Ändern oder Ersetzen angefochtener Verwaltungsakte die Einbeziehung des neuen Verwaltungsakts im Wege der Klageänderung keiner Frist unterwerfen will, verlangt Kopp (VwGO, 10. Aufl., § 74 Rn. 7) auch insoweit die Einhaltung der Klagefrist in dem Zeitpunkt, in dem das Begehren durch Klageänderung rechtshängig wird.

Der vorliegende Fall erfordert keine umfassende Beantwortung der aufgeworfenen Frage. Es geht hier nicht um eine Anfechtungsklage und auch nicht um das bloße Ändern oder Ersetzen eines angefochtenen Verwaltungsakts. Hier mag es durchaus diskussionswürdig sein, ob die Behörde durch den Erlaß eines neuen fristansetzenden Verwaltungsakts den Kläger, der bereits durch die Klage gegen den ersten Verwaltungsakt seine Abwehr dokumentiert hat, erneut zum Handeln zwingen kann.

Ebensowenig handelt es sich um eine Verpflichtungsklage, bei der die Behörde lediglich den ablehnenden Bescheid auf ein gleichbleibendes Begehren des Klägers durch einen neuen Bescheid ersetzt hat. Für einen solchen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht bereits das Vorliegen einer Klageänderung verneint (vgl. Urteil vom 22. Mai 1987, a.a.O.).

Kennzeichnend für den vorliegenden Rechtsstreit ist vielmehr, daß der von der Klägerin mit dem Antrag auf Verfahrensfortsetzung geltend gemachte Anspruch sich inhaltlich grundlegend von dem ursprünglich geltend gemachten Klagebegehren unterscheidet. Während die ursprüngliche Klage auf die Bewilligung von Fördermitteln zur Bedienung von Darlehenslasten gerichtet war, verlangt die Klägerin nunmehr auf einer anderen Rechtsgrundlage Fördermittel für die Nutzung von Anlagegütern, was in der Sache auf die Zuerkennung eines fiktiven Pachtzinses hinausläuft. Dieses Verlangen hatte die Beklagte durch den Bescheid vom 30. November 1992 zum ersten Mal beschieden.

Jedenfalls in einem solchen Fall ist für einen Verzicht auf die Einhaltung der Klagefrist kein Raum. Die mit der Frist angestrebten Ziele des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit fordern hier ihre uneingeschränkte Beachtung. Für alle Beteiligten muß nach bestimmter Zeit rechtsverbindlich Klarheit darüber eintreten, ob die getroffene Regelung Bestand hat oder zum Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung werden soll.

5. Die Klägerin hält daran fest, daß sie auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruchs einen Anspruch darauf habe, so gestellt zu werden, als wenn die Verfristung nicht eingetreten wäre. Sie meint, dieser Anspruch ergebe sich aus verschiedenen Rechtsverstößen der Beklagten.

Diese Ansicht geht indes bereits im Ansatz fehl. Nach allgemeiner Auffassung kommt ein Anspruch auf Folgenbeseitigung in Betracht, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist, der noch andauert (vgl. Urteile vom 6. September 1988 - BVerwG 4 C 26.88 - BayVBl 1989, S. 52 <53> und vom 26. August 1993 - BVerwG 4 C 24.91 - DVBl 1993, S. 1357 <1358>). Es handelt sich um einen materiellrechtlichen Anspruch, der sich gegen den jeweiligen Anspruchsgegner richtet und auf die Wiederherstellung des ursprünglichen rechtmäßigen Zustandes zielt. All dies spielt aber für die Frage, ob die Prozeßvoraussetzung des § 74 VwGO erfüllt ist, keine Rolle. Die Einhaltung der Klagefrist unterliegt nicht der Disposition der beklagten Behörde, sondern ist vom Gericht von Amts wegen zu prüfen. Ist die Klage verspätet erhoben und stehen Wiedereinsetzungsgründe nicht zur Verfügung, ist die sich daraus ergebende Unzulässigkeit der Klage kein rechtswidriger Zustand, sondern die vom Gesetz angeordnete Folge der Fristversäumnis.

6. Das Berufungsgericht hat auch das Bestehen eines Herstellungsanspruchs der Klägerin in Analogie zu dem von den Sozialgerichten entwickelten Anspruch verneint, weil für eine Übernahme dieses Rechtsinstituts in das allgemeine Verwaltungsrecht keine Grundlage gegeben sei. Dies wird von der Klägerin angegriffen mit der Begründung, die den Behörden in § 83 a LVwG (= § 25 VwVfG) auferlegte Beratungspflicht sei eine hinreichende Grundlage für die Anerkennung eines entsprechenden Anspruchs auch außerhalb des Bereichs der Sozialverwaltung.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Herstellungsanspruch bislang keine Anerkennung gefunden. Der 3. Senat hat in einem Urteil vom 24. März 1988 (BVerwG 3 C 48.86 - BVerwGE 79, 192 <194>) ausgesprochen, der speziell dem Sozialrecht entnommene Rechtsgedanke könne nicht verallgemeinert werden; auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts könne unrechtmäßiges Verwaltungshandeln oder Unterlassen nur im Rahmen zulässigen Verwaltungshandelns ausgeglichen werden. Demgegenüber hat der 7. Senat in einem Urteil vom 9. März 1990 (BVerwG 7 C 94.88 - Buchholz 11 Art. 20 Nr. 118) offengelassen, ob ein Herstellungsanspruch auch außerhalb von Sozialrechtsverhältnissen anzuerkennen ist. Zuletzt hat der 8. Senat in einer Entscheidung vom 18. April 1997 (BVerwG 8 C 38.95) zur Wohngeldbewilligung für die Vergangenheit entschieden, der richterrechtlich entwickelte Herstellungsanspruch sei mangels einer Regelungslücke voraussetzungsgemäß nicht gegeben, wenn der Gesetzgeber selbst die Rechtsfolgen einer Verletzung von Nebenpflichten des Sozialleistungsträgers in Richtung auf den Sozialleistungsanspruch des Betroffenen geregelt habe.

Der vorliegende Rechtsstreit gibt keine Veranlassung, diesen Fragen weiter nachzugehen. Gegenstand des Verfahrens ist nicht ein möglicherweise nach den §§ 48 bis 51 VwVfG zu beurteilender Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des ablehnenden Bescheides durch die Beklagte selbst. Ein solcher Anspruch wäre zunächst gegenüber der Verwaltung durch Antragstellung geltend zu machen, bevor er klageweise geltend gemacht werden könnte. Es geht vielmehr um eine Verpflichtungsklage auf Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts.

Die Frage, ob die Verpflichtungsklage auf Gewährung der Investitionsförderung rechtzeitig erhoben ist, gehört dem Prozeßrecht an. Diese Frage ist in den §§ 74, 58, 60 VwGO umfassend geregelt. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß der Gesetzgeber insoweit eine abschließende Regelung hat treffen wollen, die für die Berücksichtigung materiellrechtlicher Ansprüche gegen den Klagegegner keinen Raum läßt und auch im übrigen die Notwendigkeit einer richterrechtlichen Lückenfüllung nicht erkennen läßt.

7. Das Berufungsgericht hat schließlich ohne Rechtsverstoß den hilfsweise geltend gemachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Maßgebend für die Beurteilung dieses Antrags ist § 58 Abs. 2 VwGO. Danach ist bei unterbliebener oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. Für den Fall höherer Gewalt verweist § 58 Abs. 2 Satz 2 VwGO auf die Bestimmungen für den Wiedereinsetzungsantrag nach § 60 Abs. 2 VwGO. Diese sind hier fraglos eingehalten. Die Klägerin hat innerhalb von zwei Wochen, nachdem sie durch Schreiben des Beklagten vom 14. Januar 1994 über die Notwendigkeit einer Klageerhebung informiert worden war, durch Schriftsatz vom 25. Januar 1994 Wiedereinsetzung beantragt und ihr neues Begehren im Wege der Klageänderung in das Verfahren eingeführt. Fraglich ist daher allein; ob der Klägerin die Klageerhebung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Dies ist zu verneinen.

Der Begriff der höheren Gewalt ist zwar enger als der Begriff "ohne Verschulden" in § 60 Abs. 1 VwGO; entgegen einem durch die Wortwahl nahegelegten Verständnis setzt er jedoch kein von außen kommendes Ereignis voraus (vgl. Urteil vom 23. April 1985 BVerwG 3 C 7.85 - NJW 1986, S. 207 <208>). Unter höherer Gewalt ist demgemäß ein Ereignis zu verstehen, das unter den gegebenen Umständen auch durch die größte, nach den Umständen des gegebenen Falles vernünftigerweise von dem Betroffenen unter Anlegung subjektiver Maßstäbe also unter Berücksichtigung seiner Lage, Erfahrung und Bildung - zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte (vgl. Urteile vom 11. Mai 1979 - BVerwG 6 C 70.78 - NJW 1980, S. 1480 und vom 23. April 1985 - BVerwG 9 C 7.85 - a.a.O.). insbesondere ist anerkannt, daß eine Fristversäumnis dem Betroffenen nicht angelastet werden darf, wenn er durch arglistes Verhalten seines Gegners an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs gehindert worden ist (vgl. Urteil vom 25. November 1977 - BVerwG 5 C 12.77 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 100 S. 31).

An diesen Maßstäben sind die Umstände zu messen, aus denen die Klägerin die Unzumutbarkeit rechtzeitiger Klageerhebung herleitet. Dabei steht außer Frage, daß die Klägerin sowohl über das gegen den Bescheid vom 30. November 1992 gegebene Rechtsmittel als auch über dessen Fristgebundenheit im Irrtum war. Dieser für die Fristversäumnis ursächliche Irrtum war jedoch für die Klägerin bei Anwendung der ihr zumutbaren äußersten Sorgfalt nicht unvermeidbar. Dazu ist festzustellen, daß sich die Klägerin der Notwendigkeit, förmlich gegen den Bescheid vom 30. November 1992 vorzugehen, um dessen Bestandskraft zu verhindern, offenkundig bewußt war. Anders ist die Einlegung des Widerspruchs mit Schreiben vom 28. Januar 1993 nicht zu erklären. Für die Annahme, daß ein bloßer Widerspruch ausreiche, die Angelegenheit auf Dauer offenzuhalten, hatte die Klägerin keinerlei Grundlage. Der Bescheid enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Das noch anhängige Klageverfahren gegen denselben Beklagten war im Jahre 1987 ohne vorgängiges Vorverfahren eingeleitet worden. Einem großen Unternehmen wie der Klägerin, das in vielfältiger Weise am Rechtsverkehr teilnimmt, mußten sich unter diesen Umständen Zweifel aufdrängen, welche rechtlichen Schritte im Hinblick auf den ergangenen Bescheid notwendig waren, um den Eintritt seiner Bestandskraft zu verhindern. Gleichzeitig wäre es ein leichtes gewesen, sich die notwendige Klarheit zu verschaffen. Sie hätte entweder den Rechtsrat ihres Prozeßbevollmächtigten einholen können oder explizit bei der Beklagten um Auskunft bitten können, wie sie es etwa im Hinblick auf den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 13. Dezember 1991 getan hatte. Beides hat sie unterlassen. Von einer Anwendung äußerster zumutbarer Sorgfalt kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

Die Klägerin ist der Meinung, die Beklagte sei ihr gegenüber von Gesetzes wegen zu besonderer Fürsorge verpflichtet gewesen; die Verletzung dieser Pflichten sei die Ursache der Verfristung und rechtfertige die Annahme höherer Gewalt.

Soweit die Klägerin sich insoweit darauf beruft, die Beklagte sei nach § 108 Abs. 4 LVwG zur Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung verpflichtet gewesen, kann offenbleiben, ob eine solche Verpflichtung unter den gegebenen Umständen tatsächlich bestand. Jedenfalls begründet das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung nicht die Annahme eines Falles höherer Gewalt. Das ergibt sich schon daraus, daß § 58 Abs. 2 VwGO das Fehlen der Rechtsmittelbelehrung zum Anlaß nimmt, die Rechtsmittelfrist auf ein Jahr auszudehnen. Daraus folgt, daß der Fall höherer Gewalt das Vorliegen zusätzlicher gravierender Umstände voraussetzt.

Die Klägerin sieht eine Pflichtverletzung der Beklagten weiter darin, daß diese sie nach der Einlegung des unstatthaften Widerspruchs nicht über ihren Irrtum hinsichtlich des zulässigen Rechtsmittels aufgeklärt habe. Demgegenüber hat das Berufungsgericht zutreffend angeführt, daß bei Einlegung des Widerspruchs noch mehr als zehn Monate bis zum Ablauf der Klagefrist zur Verfügung standen. Zu diesem Zeitpunkt war also noch völlig offen, ob die Rechtsmittelfrage überhaupt relevant werden würde. Gleichzeitig war zu diesem Zeitpunkt die Einlegung des richtigen Rechtsmittels untunlich, weil sie das Risiko erheblicher zusätzlicher Kosten barg. Einerseits scheidet aus diesem Grunde schon eine Pflichtverletzung der Beklagten wegen der fehlenden Klarstellung des richtigen Rechtsmittels aus. Andererseits könnte selbst die Bejahung einer solchen Pflichtverletzung nichts an der Feststellung ändern, daß die Klägerin selbst die ihr obliegende Sorgfalt bei der Einlegung des Rechtsmittels nicht aufgewandt hat. Dieses eigene Versäumnis wird nicht dadurch zum unabwendbaren Ereignis, daß die Beklagte ihrerseits die Klägerin nicht von ihrem Irrtum befreit hat.

Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe sie bewußt in die "Fristenfalle" laufen lassen und habe sich damit arglistig verhalten, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Höhere Gewalt liegt, wie oben dargelegt, bei arglistigem Verhalten nur vor, wenn dadurch die Behörde die Einhaltung der Frist verhindert hat. Dazu reicht bloße Untätigkeit in aller Regel nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, daß die Behörde den Betroffenen - etwa durch falsche Auskunft oder die bewußte Erregung eines Irrtums - von der fristwahrenden Handlung abgehalten hat. Dafür ist hier nichts ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluß

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 4 783 367,68 DM festgesetzt. .

Ende der Entscheidung

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