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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.10.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 B 93.98
Rechtsgebiete: BauNVO


Vorschriften:

BauNVO § 14
BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 2
Leitsätze:

Wertstoffcontainer (hier: u.a. für Altglas) können als in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässige untergeordnete Nebenanlagen (14 BauNVO) im Einzelfall gleichwohl wegen der von ihnen ausgehenden Immissionen an dem ausgewählten Standort gemäß 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzulässig sein. Sie sind indes nicht schon deshalb unzulässig, weil in dem Gebiet ein anderer, die Nachbarschaft weniger beeinträchtigender Standort in Betracht kommt.

Beschluß des 4. Senats vom 13. Oktober 1998 - BVerwG 4 B 93.98 -

I. VG Hannover vom 10.10.1996 - Az.: VG 4 A 5506/95 - II. OVG Lüneburg vom 29.05.1998 - Az.: OVG 6 L 1223/97 -


BVerwG 4 B 93.98 OVG 6 L 1223/97

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

In der Verwaltungsstreitsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 13. Oktober 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und die Richter Dr. Lemmel und Dr. Rojahn

beschlossen:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Mai 1998 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger je zur Hälfte; davon ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die Kläger machten, daß der Beklagte gegen die Aufstellung von Wertstoffsammelcontainern in ihrer Nachbarschaft einschreitet. Ihre Bescheidungsklage war im ersten und im zweiten Rechtszug erfolglos. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Kläger auf eine neue Entscheidung über ihren Antrag auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten verneint, weil die ablehnende Ermessensentscheidung des Beklagten nicht fehlerhaft sei; hinzu komme in einer den Klaganspruch insgesamt zu Fall bringenden Weise, daß die Aufstellung der Wertstofftonnen öffentliches Baurecht nicht verletze, so daß ein Ermessen des Beklagten gar nicht erst eröffnet sei.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde ist unbegründet. Aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.

1. Die Rügen zur Frage, ob die Aufstellung der Wertstofftonnen mit dem öffentlichen Baurecht, insbesondere mit dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot, vereinbar sei, greifen nicht durch.

a. Nicht klärungsbedürftig ist, "ob bei der Standortwahl von Wertstoffcontainern mögliche Immissionskonflikte zur Wohnruhe mit zu berücksichtigen und abzuwägen sind mit der Folge, daß bei möglichen Standortalternativen der Standort auszuwählen ist, bei dem Immissionskonflikte wegen größerer Entfernung zu Wohnräumen reduziert werden können" und "ob der Eigentümer eines Wohngrundstücks oder einer Wohnung einen Anspruch darauf hat, daß ein Standort für Wertstoffcontainer gewählt wird, der aufgrund seiner Entfernung zu Wohnungen die mit der Aufstellung und Benutzung von Wertstoffcontainern zwangsläufig verbundenen Immissionen möglichst einschränkt". Da es im vorliegenden Verfahren um Wertstoffcontainer geht, die in einem als allgemeines Wohngebiet festgesetzten Gebiet aufgestellt und dort - wie die Beschwerde nicht bezweifelt - als untergeordnete Nebenanlagen gemäß 14 Abs. 1 BauNVO grundsätzlich zulässig sind (vgl. BVerwG, Beschluß vom 3. Mai 1996 - BVerwG 4 B 50.96 - Buchholz 406.12 15 BauNVO Nr. 28), zielen diese Fragen auf eine Auslegung des 15 Abs. 1 BauNVO; denn das in ihm enthaltene Rücksichtnahmegebot kann im Einzelfall zum - vom Nachbarn durchsetzbaren - Ausschluß baulicher Anlagen führen, die in dem jeweiligen Baugebiet an sich regelmäßig errichtet werden dürfen.

In diesem Sinne konkretisiert, lassen sich die Fragen mühelos auch außerhalb eines Revisionsverfahrens beantworten. Die Annahme, das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot könne allein deshalb verletzt sein, weil es einen aus der Sicht des Nachbarn günstigeren Standort für die emittierende Anlage gebe, ist schon im Ansatz verfehlt. Im Gegensatz zum Planfeststellungsrecht mit seiner aus aus dem Abwägungsgebot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eröffneten Alternativenprüfung ist die bebauungsrechtliche Prüfung an den Bauwunsch des Bauherrn gebunden; er allein bestimmt das Vorhaben, dessen Zulässigkeit - im Regelfall auf der Grundlage seines Bauantrags - von der Behörde zu prüfen ist. Maßgeblich ist allein die Intensität der Belastungen der Nachbarschaft im konkreten Fall; ergibt die Prüfung, daß die Belastungen an dem vom Bauherrn gewählten Standort für den Nachbarn im Sinne von 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbar sind, so muß er die bauliche Anlage auch dann hinnehmen, wenn es einen besser geeigneten Alternativstandort gibt (vgl. BVerwG, Beschluß vom 26. Juni 1997 - BVerwG 4 B 97.97 NVwZ-RR 1998, 357, unter Hinweis auf OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluß vom 27. August 1992 - 10 B 3439/92 - NVwZ 1993, 279 <280>).

b. Ob innerhalb von Wohngebieten eine Beschränkung der Benutzung von Wertstoffcontainern auf die Zeiten von 7.00 bis 19.00 Uhr werktags zur Wahrung der Wohnruhe ausreicht oder ob auch die Mittagsruhezeiten von den Nutzungsmöglichkeiten ausgenommen werden muß, läßt sich nicht rechtsgrundsätzlich klären, sondern hängt von den jeweiligen örtlichen Verhältnissen ab. Das Berufungsurteil gibt keinen Anlaß zu weiterführenden Überlegungen.

Auf der Grundlage der Ausführungen des Berufungsgerichts ist ferner nicht die Entscheidungserheblichkeit der Fragen erkennbar, ob den Betreibern von Wertstoffcontainern die Pflicht obliegt, die Einhaltung der Ruhezeiten zu überwachen und durchzusetzen, und ob der Bauaufsichtsbehörde die Verpflichtung obliegt, gegenüber den Aufstellern von Altglascontainern die Einhaltung der Nutzungszeiten durchzusetzen. Denn es fehlen nähere Feststellungen zur Behauptung der Kläger, die durch Aufschriften auf den Glas-Iglus von der Beigeladenen zu 2 festgelegten Benutzungszeiten (werktags von 7.00 bis 19.00 Uhr) würden von den Benutzern nicht beachtet. Lediglich aus der Bezugnahme im Berufungsurteil (S. 15) auf die Anlage zum Schriftsatz der Kläger vom 19. September 1997 läßt sich entnehmen, daß das Berufungsgericht von der gelegentlichen Benutzung der Wertstofftonnen außerhalb der festgelegten Zeiten ausgeht. Die Beschwerdefragen lassen sich ferner nicht sinnvoll allgemeinverbindlich beantworten. Denn selbst wenn man sie mit der Beschwerde grundsätzlich bejahen wollte, bliebe offen, in welcher Weise Betreiber und Bauaufsichtsbehörde die Überwachung vornehmen müßten; es liegt auf der Hand, daß nicht jeder Verstoß gegen die festgelegten Benutzungszeiten Handlungspflichten auslösen kann. Schließlich ist die Frage, ob und wann die Bauaufsichtsbehörde zur Durchsetzung der Einhaltung der Nutzungszeiten verpflichtet ist, in erster Linie nach dem irrevisiblen Landesrecht zu beurteilen.

c. Nicht entscheidungserheblich ist schließlich die Frage, ob der Aufsteller und Betreiber von Wertstoffcontainern bei einer Aufstellung in unmittelbarer Nähe zu Wohnräumen verpflichtet ist, die nach dem Stand der Technik möglichen Vorkehrungen zur Immissionsminderung einzubauen. Das Berufungsgericht stellt nämlich nicht fest, daß die Glas-Iglus nicht dem Stand der Technik entsprechen. Es hält es zwar für möglich, daß in die Tonnen eingebaute Netze oder Strickkonstruktionen, wie sie den Klägern vorschwebten, die Aufprallgeräusche weitergehend zu dämmen vermöchten. Es führt aber weiter aus, daß diese Konstruktionen mit anderen Nachteilen beim Einwurf des Leerguts und bei der Entleerung des Containers verbunden wären, die zu Belastungen der Umwelt - auch zum akustischen Nachteil der Kläger - führen würden (Berufungsurteil S. 14).

2. Auf die weiteren Fragen der Beschwerde zur Ermessensentscheidung des Beklagten kommt es nicht an. Sie sind nicht entscheidungserheblich, weil nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ein Ermessen des Beklagten mangels einer Verletzung des Baunachbarrechts überhaupt nicht eröffnet ist und die gegen diese Rechtsauffassung gerichteten Rügen der Beschwerde keinen Erfolg haben, wie oben dargelegt worden ist.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 2, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß 14 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG fest.

Ende der Entscheidung

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