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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.11.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 BN 38.98
Rechtsgebiete: BauGB, BauGB 1986


Vorschriften:

BauGB § 136 Abs. 4 Satz 3
BauGB § 215 Abs. 3 Satz 1
BauGB 1986 (§ 215 a Abs. 2 BauGB 1998)
Leitsätze:

Dem für den Erlaß einer Sanierungssatzung geltenden Abwägungsgebot (§ 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB) unterliegen die Bestimmung der Ziele und Zwecke der Sanierung und die Abgrenzung des Sanierungsgebiets, aber noch nicht, welche planerischen Festsetzungen für die einzelnen Grundstücke letztlich getroffen werden sollen.

Allein das Verstreichen eines erheblichen Zeitraums seit der ursprünglichen Beschlußfassung und eine inzwischen eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage hindern ein rückwirkendes Inkraftsetzen einer wegen eines Ausfertigungsmangels ungültigen Sanierungssatzung nicht.

Beschluß des 4. Senats vom 10. November 1998 - BVerwG 4 BN 38.98 -

I. OVG Schleswig vom 23.01.1998 - Az.: OVG 1 K 4/95 -


BVerwG 4 BN 38.98 OVG 1 K 4/95

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 10. November 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch und die Richter Halama und Dr. Rojahn

beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Januar 1998 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.

1. Der Rechtssache kommt nicht die grundsätzliche Bedeutung zu, die ihr der Antragsteller beimißt. Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Ansicht des Normenkontrollgerichts, die gerichtliche Überprüfung einer Sanierungssatzung im Normenkontrollverfahren beziehe sich lediglich auf die Fragen, ob saniert und wie das Sanierungsgebiet abgegrenzt werden solle, nicht hingegen darauf, welche planerischen Festsetzungen für die einzelnen Grundstücke letztlich getroffen werden sollten. Die Beschwerde unterstellt dem Normenkontrollgericht, es stehe auf dem Standpunkt, die gerichtliche Überprüfung einer Sanierungssatzung erstrecke sich nicht auf die Frage, ob das in § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB enthaltene Abwägungsgebot eingehalten sei. Der Antragsteller möchte (sinngemäß) in einem Revisionsverfahren geklärt wissen, ob "die Frage des Abwägungsgebotes kein tatbestandlich zu prüfendes Element im Rahmen des § 142 Abs. 1 BauGB" ist. Diese Frage ist nicht höchstrichterlich klärungsbedürftig. Sie ist auf der Grundlage des Gesetzes ohne weiteres zu beantworten: Die förmliche Festlegung eines Gebiets als Sanierungsgebiet ist eine planerische Entscheidung. Ihr muß eine Abwägung zugrunde liegen. Das Abwägungsgebot ist zentraler Bestandteil rechtsstaatlicher Planung (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 BVerwG 4 C 105.66 BVerwGE 34, 301 <308 ff.>; Urteil vom 5. Juli 1974 BVerwG 4 C 50.72 BVerwGE 45, 309 <312 ff.>). Dem trägt das in § 136 Abs. 4 Satz 3 BauGB normierte Abwägungsgebot Rechnung. Dem Gebot gerechter Abwägung muß die Bestimmung der Ziele und Zwecke der Sanierung ebenso entsprechen wie die Abgrenzung des Sanierungsgebiets. Das Normenkontrollgericht hat dies entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht verkannt. Seine Ausführungen auf S. 7 8 des Urteils sind vielmehr dahin zu verstehen, daß es die Einbeziehung des Grundstücks des Antragstellers in das Sanierungsgebiet aufgrund der festgestellten städtebaulichen Mißstände und der Sanierungsziele der Antragsgegnerin für abwägungsfehlerfrei angesehen hat.

2. Die Beschwerde hält ferner zum Anwendungsbereich von § 215 Abs. 3 BauGB in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob bereits aufgrund eines erheblichen Zeitraumes zwischen ursprünglicher Beschlußfassung und rückwirkender Inkraftsetzung der Sanierungssatzung (nach Behebung eines Ausfertigungsmangels) eine erneute Abwägung und Beschlußfassung erforderlich ist. Ein solches Erfordernis entnimmt die Beschwerde dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 1992 BVerwG 4 NB 26.92 (Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 2). Die aufgeworfene Frage ist nicht (mehr) klärungsbedürftig. Der beschließende Senat hat in späteren Entscheidungen zu § 215 Abs. 3 BauGB a.F. ausdrücklich klargestellt, daß diese Vorschrift für die nachträgliche Inkraftsetzung eines wegen eines Ausfertigungsmangels ungültigen Bebauungsplans keinen erneuten Satzungsbeschluß gemäß § 10 BauGB und damit auch keine erneute Abwägung erforderte. Bei einer grundlegenden Veränderung der Sach- oder Rechtslage, nämlich einer solchen, aufgrund derer die Satzung einen funktionslosen Inhalt hätte oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis jetzt unverhältnismäßig und deshalb nicht mehr haltbar ist, durfte die Gemeinde allerdings von der Vorschrift des § 215 Abs. 3 Satz 1 BauGB a.F. keinen Gebrauch machen. Tat sie es dennoch, kam ein wirksamer Bebauungsplan nicht zustande (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 18. Dezember 1995 BVerwG 4 NB 30.95 , vom 25. Februar 1997 BVerwG 4 NB 40.96 und vom 7. April 1997 BVerwG 4 B 64.97 Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nrn. 6, 9 und 10). Für die nachträgliche Inkraftsetzung einer wegen eines Ausfertigungsmangels fehlerhaften Sanierungssatzung galt nach § 215 Abs. 3 Satz 1 BauGB in gleicher Weise, daß allein das Verstreichen eines erheblichen Zeitraums seit der ursprünglichen Beschlußfassung und eine inzwischen eingetretene Änderung der Sach- und Rechtslage ein rückwirkendes Inkraftsetzen einer wegen eines Ausfertigungsmangels ungültigen Sanierungssatzung nicht hindern.

3. Die Rüge, das Normenkontrollurteil weiche von dem Senatsbeschluß vom 23. Juni 1992 BVerwG 4 NB 26.92 ab, genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die Beschwerde legt nicht dar, daß das Normenkontrollgericht zum Anwendungsbereich von § 215 Abs. 3 BauGB a.F. Rechtsgrundsätze aufgestellt habe, die den in dem genannten Senatsbeschluß aufgeführten widersprächen.

4. Die mit der Beschwerde erhobenen Rügen der mangelnden Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör greifen aus den im Senatsbeschluß vom 10. November 1998 - BVerwG 4 BN 37.98 - genannten Gründen nicht durch.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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