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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 31.03.1998
Aktenzeichen: BVerwG 4 BN 5.98
Rechtsgebiete: GG, BauGB, BNatSchG, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 14 Abs. 1 Satz 2
BauGB § 8 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 20
BauGB § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
BauGB § 165 Abs. 6
BNatSchG § 8 a Abs. 1 Satz 4 a.F.
VwGO § 86 Abs. 1
Leitsatz:

Ein Bebauungsplan muß nicht deshalb wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot nichtig sein, weil die Durchführung der mit seinen Festsetzungen ermöglichten Maßnahmen nicht im Sinne des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB vom Wohl der Allgemeinheit erfordert wird und eine für seinen Geltungsbereich zugleich beschlossene Entwicklungssatzung (§ 165 Abs. 6 BauGB) aus diesem Grunde nichtig ist (vgl, hierzu Beschluß des Senats vom 31. März 1998 - BVerwG 4 BN 4.98 -).

Beschluß des 4. Senats vom 31. März 1998 - BVerwG 4 BN 5.98 -

I. VGH Mannheim vom 21.10.1997 - Az.: VGH 8 S 609/97 -


BUNDESVERWALTUNGSGERICHT BESCHLUSS

BVerwG 4 BN 5.98 VGH 8 S 609/97

In der Normenkontrollsache

hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 31. März 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Gaentzsch, den Richter Dr. Lemmel und die Richterin Heeren

beschlossen:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 21. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit eines Bebauungsplans, der im wesentlichen ein Industrie- und ein Gewerbegebiet festsetzt. Anlaß zur Aufstellung des Plans war nach den Feststellungen des Normenkontrollgerichts in erster Linie die Absicht einer unmittelbar im Westen des Plangebiets - nur durch eine Bundesstraße getrennt - ansässigen Zementwerkfirma, in unmittelbarer Nähe ihres Betriebsgeländes ein Mörtelwerk zu errichten. Das Normenkontrollgericht hat die Anträge abgewiesen. Mit Urteil vom gleichen Tag hat es eine Entwicklungssatzung, deren Entwicklungsgebiet mit dem Plangebiet nahezu deckungsgleich ist, für nichtig erklärt.

II.

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde erweist sich - soweit sie zulässig ist - als unbegründet.

1. a) Mit der als rechtsgrundsätzlich formulierten Frage, ob ein Bebauungsplan, der zur Durchführung einer Entwicklungssatzung für einen insoweit identischen Entwicklungsbereich aufgestellt ist, mangels Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 BauGB), Planungspflicht (§ 166 Abs. 1 Satz 2 BauGB) oder wegen Verstoßes gegen das Abwägungsgebot jedenfalls dann nichtig ist, wenn der Entwicklungssatzung das in § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB geforderte Wohl der Allgemeinheit fehlt, bleibt die Beschwerde erfolglos. Mit dieser Frage - soweit sie überhaupt abstrakt beantwortbar ist - zeigt die Beschwerde keinen Klärungsbedarf gerade durch höchstrichterliche Entscheidung in einem Revisionsverfahren auf.

Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Eine Revisionszulassung kommt nach ständiger Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts nicht in Betracht, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mit Hilfe der üblichen Regeln der Gesetzesinterpretation beantworten läßt. So liegt es hier im Hinblick auf die von der Beschwerde für zwingend erachtete Erstreckung der Nichtigkeit einer Entwicklungssatzung auf einen Bebauungsplan im vorgesehenen Entwicklungsgebiet.

Bebauungsplan und Entwicklungssatzung verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen: Der Bebauungsplan enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung in der Gemeinde (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Als Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gestaltet er die Art und Weise der Bodennutzung, löst aber als Angebotsplanung für den Eigentümer im Plangebiet keine die negative Baufreiheit überwindende Realisierungsverpflichtung aus (vgl. aber die städtebaulichen Gebote in §§ 175 ff. BauGB). Demgegenüber ist die städtebauliche Entwicklungssatzung (§ 165 Abs. 6 BauGB) Ausdruck einer auf Durchführung angelegten Gesamtmaßnahme (vgl. § 165 Abs. 1 und § 166 Abs. 1 Satz 1 BauGB), deren Verwirklichung u.a. auch die Aufstellung von Bebauungsplänen dient (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Eine wirksame Entwicklungssatzung hält die Gemeinde zur Aufstellung von Bebauungsplänen an, ist aber keine notwendige Bedingung der Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans, wie der Normalfall der Bebauungsplanung außerhalb von städtebaulichen Entwicklungsbereichen deutlich zeigt. Die Unwirksamkeit einer Entwicklungssatzung hindert nicht den Vollzug des Bebauungsplans, sondern nimmt der Gemeinde nur das besondere, dem städtebaulichen Entwicklungsrecht eigene Durchführungsinstrumentarium im Sinne einer Gesamtmaßnahme aus der Hand. Das Gemeinwohlerfordernis des § 165 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauG, das der partiell auf den Zeitpunkt des Erlasses der Entwicklungssatzung vorverlagerten Prüfung der Enteignungsvoraussetzungen dient (vgl. zu § 53 StBauFG: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Januar 1982 - BVerwG 4 C 94.79 - NJW 1982, 2787 <2788>; Beschluß vom 5. August 1988 - BVerwG 4 NB 23.88 Buchholz 406.15 § 53 StBauFG Nr. 2), steht in keinem zwingenden Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 und 6 BauGB als materiellrechtlichen Prüfungsmaßstäben für einen Bebauungsplan.

Soweit die Beschwerde darüber hinaus auch im konkreten Fall die Erstreckung des Fehlers der Entwicklungssatzung auf den Bebauungsplan rügt, ist ihr einzuräumen, daß eine Fehleridentität generell nicht von vornherein auszuschließen ist. Das Normenkontrollgericht hat hier aber einen derartigen Zusammenhang von Entwicklungssatzung und Bebauungsplan geprüft und verneint. Diese Beurteilung richtet sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles und entzieht sich daher einer allgemeinen, rechtsgrundsätzlichen Klärung.

b) Auch im Zusammenhang mit § 8 a BNatSchG von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich angesehenen Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision.

Mit der Fragestellung, welche Rechtsgrundsätze den Begriff des Ausgleichs und der dazu erforderlichen Festsetzungen im Sinne des § 8 a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG a.F. bestimmen, genügt die Beschwerde nicht der Darlegungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie bezeichnet insoweit keine bestimmte Rechtsfrage, die für die Entscheidung des Normenkontrollgerichts von Bedeutung war und läßt auch nicht erkennen, warum diese Frage im Revisionsverfahren erheblich sein wird (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr). Sollte damit - wofür die Beschwerdebegründung sprechen könnte - der Rechtscharakter der Integration der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in die Bauleitplanung problematisiert werden, so ist diese Fragestellung durch den Beschluß des erkennenden Senats vom 31. Januar 1997 - BVerwG 4 NB 27.96 - (DVBl 1997, 1112 <zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt>) geklärt.

In der Frage, ob mit einer Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche zugleich als Ausgleichsmaßnahme im Sinne des § 8 a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG (a.F.), § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB festgesetzt werden könne, daß die öffentliche Grünfläche auch der Versickerung von Regenwasser aus allen bebauten Flächen des Plangebiets diene, liegt keine Grundsatzfrage. Im übrigen beschränkt sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang auf bloße Angriffe gegen die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts; das genügt nicht zur Darlegung der grundsätzlichen Bebauung einer Rechtssache.

Den weiteren Fragen zur Konkretisierungsdichte der Zuordnung bei sog. Sammelfestsetzungen nach § 8 a Abs. 1 Satz 4 BNatSchG (a.F.) fehlt - soweit sie überhaupt allgemein und abstrakt beantwortbar sind - die Klärungsbedürftigkeit durch höchstrichterliche Entscheidung. Jedenfalls bei dem hier vorliegenden Typ einer Ausgleichsmaßnahme zur Versickerung des Regenwassers, die an die Bodenversiegelung von bisher unbebauten Flächen anknüpft, wird mit der planerischen Zuordnung einer dazu vorgesehenen öffentlichen Grünfläche zu allen "Baugrundstücken" und den "geplanten Verkehrsflächen" im Planbereich eine eindeutige Aussage getroffen (vgl. zum erforderlichen Maß der Konkretisierung von Festsetzungen eines Bebauungsplans: Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 20. Januar 1995 - BVerwG 4 NB 43.93 - DVB1 1995, 518 <519>; Beschluß vom 24. Januar 1995 - BVerwG 4 NB 3.95 - ZfBR 1995, 149 <150>). Sollte die Beschwerde darüber hinaus die Frage der Bestimmtheit der konkreten Formulierung im Bebauungsplan der Antragsgegnerin aufwerfen wollen, so ist diese Fragestellung in aller Regel eine Frage der Auslegung des Plans im Einzelfall, die keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung zugänglich ist (BVerwG, Beschluß vom 24. Januar 1995 - BVerwG 4 NB 3.95 - a.a.0.).

2. Die erhobenen Aufklärungsrügen (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügen nicht den Anforderungen, die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Darlegung eines Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu stellen sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Verletzung der Aufklärungspflicht gehören nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts u.a. substantiierte Angaben dazu, daß bereits im vorinstanzlichen Verfahren, insbesondere der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder daß sich der Vorinstanz die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265; stRspr). Daran fehlt es hier. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich vielmehr in einer inhaltlichen Kritik des Normenkontrollurteils. Das genügt nicht, um eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO schlüssig darzulegen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Den Wert des Streitgegenstandes setzt der Senat gemäß § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 5 ZPO fest.



Ende der Entscheidung

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